Donnerstag, Oktober 27, 2005

"...Ich bin in so einer Gegend aufgewachsenl" in: Der Anwalt und sein Gast. Teil 5b. Porträt Christian Weller ( Heino Ferch ). Regie: Thorsten C. Fisc










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"...Ich bin in so einer Gegend aufgewachsenl" in: Der Anwalt und sein Gast. Teil 5b. Porträt Christian Weller ( Heino Ferch ). Regie: Thorsten C. Fischer. Buch: Jörg von Schleebrügge 2002 - 2003

Text: ignazwrobel

Herkunft - Zukunft.

"...Ich bin in so einer Gegend aufgewachsenl"

Juliette und Christian wollten die Zeugin Karmann, die Mutter des Verdächtigen, besuchen. Auch Frau Karmanns Wohnverhältinsse beleuchten punktuell Karmanns Psychogramm.

Karmanns Mutter wohnt in einem Menschennutzhaltungsbau, einem gigantischen Plattenhochhaus mit käfigartigen Einzel(par)zell-Appartements.

Christian und Juliette stehen vor der Wohnungstür der Frau, in irgendeinem Stockwerk, es ist dunkel, laut, man riecht förmlich abgestandenen Essensgeruch, Linoleumboden; aus anderen Appartements dringt Lärm, Musik, ständige Unruhe, Geräuschkulisse. Die Umgebung wirkt in etwa, wie die Gänge des Monster-Krankenhauses Großhadern.

Als Christian und Juliette ihrem Besuch beendet haben, gehen sie vor dem Hochhaus über die Betonterrasse, die mit Maschendraht-Gittergeländer eingezäunt ist, hinunter, zur halboffenen Tiefgarage.

Davor parkt Wellers silbergraues Familien-Passagierschiffauto.

Im Hintergrund Kindergeschrei, Übelkeit erregende, Beton und Gitterdraht gewordene architektonische Hässlichkeit, gleich bekommen wir einen Hautausschlag von soviel Lieblosigkeit, die die Augen beleidigt.

Die beiden erfuhren von einem Nachbarn ein wenig über die Frau. Jetzt steht jedenfalls fest, dass Karmann mit der Behauptung, er sei ein Adoptivkind wie Katja auch, sich vor ihr nur wichtig und interessant machen wollte.


Christian und Juliette kommen die Betontreppen herunter, auf uns zu, wir stehen beim Auto unten, dahinter höhlenartig halboffene Parkhaus- Betonstrukturen, man fühlt die eisige Zugluft herausziehen.

Die beiden passieren einen Betonpfeiler. Ein mit Abfall vollgestopfer Drahtpapierkorb ist daran angeschraubt.


Christian:

Bloß weg hier!

Juliette und er sind jetzt unten an der Treppe, betonklinkerbedeckter Boden.

Christian mit seinem eleganten steingrauen Kurzmantel aus feinstem Wollstoff, seinem dunklem Anzug, dem weißen Hemd, der modischen Krawatte, die Hände geschützt gegen die Kälte durch glatte schwarze elegante Lederhandschuhe, wirkt hier wie ein Wesen der dritten Art, - versehentlich hier gelandet aus einem ganz anderen Universum.

Man hört die Autoschlüssel klirren, er hat sie in die Hand genommen.

Ich bin in so einer Gegend aufgewachsenl

sagt er und gibt mit per Funkkey das Öffnungssignal an den Wagen. Dessen Schlösser klacken auf ihres Herrn und Meisters Befehl brav in Offenstellung.

Beide am Wagen.

Juliette ungläubig:

Das ist nicht Ihr Ernst.

Christian:

Doch. Das dachten sie nicht, was?

Sie denken auch, ich bin so´n neureicher Erbbengel!

Er öffnet den Wagenschlag.

Juliette wird gleich auf ihrer Wagenseite dasselbe tun.

Sie:

Na ja, so ´ne gewisse verwöhnt-verzogene Attitüde is´ Ihnen ja nicht ganz fremd!

sagt sie frischfröhlich mit humorvoll ironischem Beiklang.

Sie steigen ein und brausen davon, zurück in die Zukunft.


Ende der Szene.

2002 – 2003 Heino Ferch – Christian Weller, Götz George – Frank Karmann, Claudia Michelsen – Katja Weller, Marie Zielcke – Juliette Roland

"...ob sie mich heiraten möchte. " in: Der Anwalt und sein Gast. Teil 5c. Porträt Christian Weller ( Heino Ferch ). Regie: Thorsten C. Fischer. Buch:










Bildquelle und Bildrechte bei MementoFilm




"...ob sie mich heiraten möchte. " in: Der Anwalt und sein Gast. Teil 5c. Porträt Christian Weller ( Heino Ferch ). Regie: Thorsten C. Fischer. Buch: Jörg von Schleebrügge 2002 - 2003


Text: ignazwrobel

"...und dann? - Dann hab´ ich sie gefragt,....ob sie mich heiraten möchte."

Ein einfaches Ex-DDR Speiserestaurant, die Tische ähnlich wie in Zügen, wie Schul- oder Kirchbänke, platzsparend hintereinander gereiht, einfache Stoff-Tischdecken. Das Restaurant ist direkt am Wasser, große grüne Zimmerpalmen in der Raummitte, wenig Gäste, einzelne Biertrinker, hier und da ein Tisch besetzt.

Rundum die Wände sind aus Glas, Panoramafenster, schöne alte weiße Kastenfenster aus Holz mit Stegen, keine Riesen-Verbundglasmonster.
Draußen direkt hinter den Fenstern nur Wasser, eine Passagierboot oder Fährschiff zieht direkt hinter Christian und Juliette langsam draußen am Fenster vorbei.

Die beiden haben sich wohl nur eben schnell mal dort auf einen Kaffee niedergesetzt, vor jedem steht eine Tasse, Kaffeelöffel, Zuckerstreuer,

Da beide nicht abgelegt haben, verstehen wir, daß sie sich nur kurz setzen wollten, um ihr Gespräch über Karmann fortzusetzen. Juliette behielt ihre Mütze, ihren Schal an, Christian seinen eleganten Mantel. Sogar der Kragen des Mantels bleibt hochgeschlagen.

Seine linke Hand stützt er neben sich auf die Sitzbank, die andere liegt knapp am Tisch auf. Er spielt ein wenig selbstvergessen während des Sprechens mit ein paar Krümelchen unter seinen Fingerspitzen auf dem Tisch.

Christian:

Sie war an der HdK. (Hochschule der Künste Anm. d. Verf.) .

Na ja, ich kenn´ mich mit dem Malen ja nicht aus.

Sie hat das richtig studiert.

Sie war Gast in kleineren Ausstellungen, hat Förderpreise bekommen.

Sie hätte nach Amerika gehen können.

Boston.


Sie hatte eine garantierte, eigene Ausstellung.


Und dann?

fragt Juliette interessiert, gespannt, beugt sich etwas vor. Sie sieht aus, wie ein Mensch gewordenes Fragezeichen.

Er blickt zuerst noch auf den Tisch, auf seine krümelspielende Hand.


Dann hab´ ich sie gefragt,……………..

er hebt den Blick.

……….….. ob sie mich heiraten möchte.

Direkt am Satzende verändert sich sein Blick, der bisher nur absichtslos aus den Augen herausgesehen hat, wie unser aller Blick. Wir sehen aus unseren Augen, um nicht gegen die nächste Wand zu laufen.

Sein Blick beginnt von innen zu leben.

Aus dem simplen Report wird im Nachklang, als er am Satzende den Mund schließt, eine Art Freude, wie ein leises, kaum hörbares Echo.

Die Lippen liegen ganz locker aufeinander, sein Gesichtsaudruck ist plötzlich sehr entspannt, sanft. So sanft wie seine Stimme.

Die gläsern wasserklaren Pupillen lassen für einen Moment die Schau in sein Inneres zu.

Wohlwollen… Ein Hauch eines unmerklichen Lächelns, das er spürt, leuchtet durch diese quellblauen Augen. Etwas, das in ihm angeblasen ist, wie ein Funke, der aufglüht, wenn ein Lufthauch darüber streicht.

Er hebt kurz eine Augenbraue, es sieht ein klein wenig aus, wie selbstironische Spannung, die abwartet, wie Juliette reagiert.

Die junge gefühlvolle Frau nimmt den Ausdruck seines Blickes millimetergenau in derselben Seelenlage auf.

In ihren herrlichen sanften Mädchenaugen mit den riesigen dunkelbraunen Pupillen, den langen schwarzen Wimpern und den wundervollen großen silbrigen Glanzlichtern, die ihrem Blick eine tiefe lyrische Sanftheit geben, verstärkt sich das Gefühl, das bei dem klaren pragmatischen Mann eine Andeutung war, zu einem großen, nährenden und freundlichen Mitfühlen, ……bevor sie den Blick niederschlägt. Foto

Sie ist innerlich stark und wohlwollend mit seinen Worten mitgegangen,

..fand den Heiratsantrag romantisch, sympathisch. Diesen Antrag so plötzlich vor ihr, der flüchtigen Bekannten, zu benennen, war ja auch ein wenig provokant. Sie schaut weg nach unten, er folgt ihrer Geste, lässt auch den Blick absinken.

Pause.

Neuansatz.

Sie fragt:
Und – ist ihr den das leicht gefallen, mit allem aufzuhören?

Ich hab´ es nicht von ihr verlangt, wenn Du das meinst. (inzwischen duzt man sich) Sie hatte Angst, Familie und Malerei nicht ohne Verletzungen zusammen zu bringen.

Juliette: Das ist ja ein Konflikt, vor dem viele Frauen stehen. Aber das lösen auch viele.

Chris: Katjas Eltern sind sehr früh gestorben. Sie ist bei Adoptiveltern aufgewachsen.

Eine eigene Familie bedeutet –

- er zögert, macht eine kleine Pause,

- in dem Fall – blickt ihr forschend in deine Augen – etwas ganz anderes.

Sie nickt, versteht, blickt auf den Tisch.

Chris: Vor ´nem halben Jahr hat der Arzt ihr gesagt, dass sie keine Kinder mehr bekommen kann.

Juliette hört zu, nachdenklich.

Wir wollten unbedingt – noch mindestens eins haben.

Das hat sie…
Na ja, sie….

Er blickt unruhig hin und her, als wolle er aufstehen und weggehen, schaut ausweichend zum Fenster hinaus.

Spießbürgerprobleme…

flüstert, haucht er.




Juliette: Nein.

Juliette ist äußerst aufmerksam, signalisiert, weiter zuhören zu wollen. Er soll reden.

Er redet.

Sie schluckt Antidepressiva. Und sie glaubt, ich merk´ es nicht.

Er sieht dabei auf den Tisch.

Dann mit einem Klick, blickt er ihr in die Augen. Sein Gesicht ist völlig offen, völlig.

Die Karten liegen alle offen, das Blatt seines persönlichen Schicksals und das seiner Ehe ist hinab zur letzten Karte klar vor dieser jungen Frau aufgedeckt.

--Tja, das war´s. Kein Rollenspiel mehr. Keine Etiketten mehr, keine Eitelkeiten. In seinem Blick ist auch nicht der leiseste Hauch von Mitleidheischerei, er scheint keinen Kommentar zu erwarten. Er ist nur da. Er ist da. --

Sein wacher Blick ist da. Seine Situation ist da.

Und er appelliert nicht, er heischt nicht, er schämt sich nicht, er ist nur.


Schnitt auf Juliette.

Juliettes wacher Blick liegt ruhig in seinen Augen.

In diesem Moment ist ihr Alter nicht mehr nur etwa die Hälfte seines Alters. Er kein arriviert-wohlhabender Mann mehr, sie nicht mehr jung und mittellos, sie keine schöne Frau, er kein attraktiver Mann.

Das, was hier von Auge zu Auge geht, sind zwei ganz gleichwertige, gleichartige Ichs ohne Schutzschilde, ohne Rollen.

Da begegnet sich etwas, das tiefer liegt als die äußere Hülle der beiden. Und beide wissen das in diesem Moment. Aber sie wissen es nicht intellektuell, sondern ganz tief innen, wo es noch keine Worte oder keine Worte mehr gibt.

Da hat einer aufgeblättert und ein anderer zugehört.

Wir sind von Christians Blick getroffen, spüren einen rasch zunehmenden Druck in uns.

--so. Was jetzt?

Juliettes quellentiefer offener Blick bleibt ganz unverändert. Um ihre Mundwinkel beginnt ein schalkhaftes Lachen zu erwachen.

Dann sagt sie leise und staubtrocken:

Ich brauch ´Sonntags mein Stück gedeckten Apfelkuchen.

Zack!

Er ist zurück. Beide sind dem tiefen Brunnen, der Quelle, entstiegen, enthüpft. Er ist wieder da, muß lachen.

Ich bin auch ´ne Spießbürgerin.

Er holt Luft. Beugt sich vor, verschwörerisch, ganz verschwörerisch. Sie beugt sich auch vor, hoch erwartungsvoll.

Ich ertrag… (welcher Seelenstrip folgt jetzt?... )
Schnitt. Gegenschuß über Juliettes Schulter in seine Augen. Sein scharfer Blick trifft uns.

Huch, was jetzt?

Ich…. Ertrage Socken NUR zusammengerollt im Kleiderschrank.

Sie lacht ein unbeschwertes Jungmädchenlachen.

Pause.

Dann Juliette:

..schuldbewußt:

Ich bügle meine Unterwäsche.

Er prustet. Kleine, ganz inoffizielle kindlich lustige Blicke folgen, klicken hier- und dorthin, amüsiert.



Ende der Szene.






2002-03 Heino Ferch - Christian Weller, Marie Zielcke - Juliette Roland Interview Filmmagazin "Schnitt" mit Marie Zielcke über ihre Arbeit 2000

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Malen. in: Der Anwalt und sein Gast. Teil 5a Regie: Thorsten C. Fischer. Buch: Jörg von Schleebrügge 2002 - 2003









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Malen. in: Der Anwalt und sein Gast. Teil 5a Regie: Thorsten C. Fischer. Buch: Jörg von Schleebrügge 2002 - 2003

Text: ignazwrobel

Malen.

Katja sitzt vor einer Atelierstaffelei vor einer riesengroßen leeren Leinwand.

Karmannn:
Warum fangen Sie nicht einfach an?

Fangen Se doch einfach an!

Vielleicht -… vielleicht kommt´n Bild raus.

……Malen macht doch Spaß


… und wenn´s nichts wird, dann…..fangen ´se einfach wieder von vorne an.

Katja:

Hamse mal geraucht?

Ich, - geraucht?..
Ja, aber wie´n Bekloppter!
Gute drei Jahre isses jez her, da bin ich weg von der Scheise.


Stecken´se sich doch mal eine an, is ja nur ´n bisschen Tabak, macht doch Spaß, so ´ne Zigarette rauchen….!

Katja wirft ihm die Schachtel zu.

Ne, ne, ne , ne, nich´ mit mir, ,,mach´ ich nich´, mach´ich nich´ - neee.

Er kapiert. Stille. Er wartet.

…wovor habense denn Angst? Dasses nich´ mehr können?

Sie atmet gequält durch.

„Daß ichs nicht mehr kann …

…und dass ich´s kann.

Karmann:

Das versteh´ ich jez aba nich.

Ja… wenn ich´s nicht mehr kann, dann bleibt alles so, wie´s jez is…

…und wenn ich s kann, dann,…. sie atmet lange aus…

Aber sie müssen es doch erst mal probieren…. Und dann sehn ´wer weiter!

Sie,… sie könn´ doch nur

… wirklich nur gewinn´!

Sie bleibt unbeweglich, unentschlossen. Wir hören ein Klicken, ein Rascheln.

Schnitt auf Karmann, der hat sich eine Zigarette angezündet.

Seine Augen schwimmen…. vom Rauch?
Er schaut aufgeregt, bewegt, gespannt, angespannt zu Katja und saugt heftig und demonstrativ an der Zigarette.

Schnitt.

Ende der Szene.

Kommentar:

Wenn Katja es nicht mehr kann, das Malen (so was gibt´s eigentlich nicht, bildnerisches Talent verlischt nie) bleibt sie depressiv, weil ihre kreative Kraft weiter von ihrem Willen unterdrückt wird. Wenn sie es kann und dem Ruf ihrer Kreativität folgt, ist die Konsequenz, ihr gesamtes gegenwärtiges Leben zu verändern, fundamental zu verändern, die Prioritäten umzugewichten, evtl. sogar, Mann und Familie loszulassen.

"Fassen sie das nicht an!" - Karmanns Invasion. in: Der Anwalt und sein Gast. Teil 3. Porträt Christian Weller ( Heino Ferch ). Buch: Jörg von Schleeb









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"Fassen sie das nicht an!" - Karmanns Invasion. in: Der Anwalt und sein Gast. Teil 3. Porträt Christian Weller ( Heino Ferch ). Buch: Jörg von Schleebrügge 2002 - 2003


Text: ignazwrobel

Zwischenbericht: Karmanns Invasion.

Invasion Stufe 1:

Frank Karmann, - wir erinnern uns, Karmann steht unter mehrfachem Lustmordverdacht und ist wegen Geiselnahme an einer Frau vorbestraft, - erscheint in Wellers Hofeinfahrt und bricht dort blutend zusammen.

Katja, Christian Wellers Frau, kümmert sich rührend um ihn, verbindet den Verletzten. Karmann soll im Bootshaus übernachten, da für heute in der Stadt kein Zimmer zu bekommen ist – Messezeit.

Am anderen Morgen besorgt Wellers Sekretärin ein einfaches Pensionszimmer.

Invasion Stufe 2:

Karmann hat das Zimmer nicht genommen. Er ist zu Wellers zurückgekehrt. Als Christian nach Hause kommt, liegen die Möbel aus dem Alten Bootshaus draussen auf dem Steg, bereit zum Sperrmüll-Abtransport.

Weller, der von Karmanns Gefährlichkeit überzeugt ist, findet Katja und Daniel fröhlich im Inneren des Alten Bootshauses in Karmanns Gesellschaft.

Karmann hat gleich als erstes die hellblaue Truhe demontiert, auseinandergenommen, zerstört. Katja hat ihn nicht davon abgehalten.

Weller verliert die Fassung, schreit, ganz zu Recht:

Fassen Sie das nicht an!

Lassen die die Finger davon!
Sie sollen das nicht anfassen und mein Haus verlassen!

Karmann reagiert untröstlich, gibt sich schwach und appelliert damit erfolgreich an Katjas Mutter-Instinkt. Sie schützt ihn sofort.

Nachts, als das Ehepaar miteinander schläft, verschafft sich Karmann Zugang ins Haus und hält sich dort auf, in Hörnähe des Paares. Er nähert sich somit dem innersten Kreis der beiden: ihrem intimen Zusammensein.

Invasion Stufe 3:

Karmann hat sich eine Bagatellverletzung am Fuß zugezogen. Wieder gibt er sich schwach und hilfsbedürftig. Wieder dringt er weiter in Wellers Privatsphäre vor: jetzt liegt er bereits in Wellers Haupt-Wohnraum auf der Wohnzimmercouch!!!

Katja kümmert sich rührend wie eine Katzenmutter um ihn. Sie versorgt ihn und verteidigt ihn gegen ihren Mann. Katja versorgt Karmann

Zeit ist vergangen, Stunden, vielleicht Tage, Weller arbeitet von zu Hause aus. Durch das riesige Fenster seines Arbeitszimmers muss er zusehen, wie Karmann sich im Garten spielend das Vertrauen seines Sohnes erobert.

Der Gummistopfen-Pfeil eines Kinder- Langbogens trifft die Scheibe, durch die Christian hinausblickt.

Karmann hat den Pfeil abgeschossen, auf Weller. Es sieht aus, als hätte Karmann ihn per Blattschuss erlegt. Symbolisch hat er ihn gerade eliminiert.

Invasion Stufe 4:

Katja logiert Karmann in ein Zimmer des Boots-Hauses ein. Foto Katja und Karmann

Unbestimmte Zeit vergeht.

Karmann macht sich nützlich, putzt die Fenster. Beschäftigt sich scheinbar einfühlsam mit der Frau, ermutigt sie, spielt mit dem Kind, räumt mit Daniel das Bootshaus weiter aus.

Invasion Stufe 5:

Weller steht völlig machtlos vor diesen Vorgängen, die von Katja gefördert werden. Katja schützt Karmann immer mehr, aus Herrn Karmann wird Frank.

Wiederholt sehen wir Close ups in Wellers Gesicht, wie er abwehrend und zunehmend fassungslos den Vorgängen in seinem Haus zusieht. Er hört hier oder dort Geräusche, rennt hin, wieder ist Karmann im Wohnhaus, im Bootshaus, im Garten, beim Kind, bei der Frau, Karmann ist wie eine Heuschreckenplage.

Man fühlt, wie Christian das Ruder entgleitet, wie Karmann alles belegt und quasi Besitz ergreift von allem, dem Garten, dem Bootshaus, den Zimmern, und vor allem den wichtigsten Menschen in Christians Leben: seiner Frau und seinem Kind. Katja Karmann und Christian

Christian wird schleichend zu einem fremder werdenden Gast in der eigenen Lebensumgebung. Er steht auf verlorenem Posten.
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Parenthese: Christian und Katja

Christian Weller greift nicht heftiger durch, weil er nicht gegen den Willen seiner Frau agieren will. Er und sie waren immer ein Block, ein Wille.

Und dann:

Christian liebt Katja.

Genau in diese Richtung: Christian liebt seine Frau.

Das klingt altmodisch und abgedroschen.

Aber: In Wellers Fall stehen wir vor dem Philemon & Baucis-Phänomen.

Philemon liebte Baucis so sehr, daß die Götter seinen größten Wunsch erfüllten:

Er und seine Gefährtin wurden zu zwei Bäumen, deren Stämme miteinander verwuchsen, deren Äste sich verwoben, ineinander verflochten, Ast für Ast, Zweig für Zweig, Ästchen für Ästchen, Blatt für Blatt, Blüte um Blüte.

Die lebenden Fasern seines schlagenden Herzens sind mit dem Herzen, mit der Lebensenergie seiner Frau verbunden, verwachsen, verklebt, verwoben.

Ihr Herzblut strömt auch durch seine Adern, das Licht seiner Augen leuchtet durch ihren Blick.
Sie ist Teil seines Atems, seines Herzschlags, seines Augenlichts.

Christian liebt seine Frau mehr, als der mäßig aufmerksame Beobachter von außen sehen kann.
Er liebt sie mehr, als Katja spüren, fühlen, wissen kann.

Und: er liebt sie mehr, als er selbst artikulieren kann. Jede Bewegung gegen Katja verletzt ihn selbst.

Der tolle Hecht vom Anfang, das Gewissen des Gerichtssaals, der moderne Drachentöter, dieser Siegfried, der draußen jede Frechheit mit einem einzigen Blick bannen kann, er hat eine schwache, tödlich verletzbare Stelle:

diesen Punkt kann nur ein Mensch berühren und nur ein Mensch gefährden:
Katja, seine Frau.

Dass Katja ihn von sich wegschiebt, wegdrückt, löst tiefe Qual aus, rat- und wehrloses Gemartertsein.
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Nachtrag vom 30. juli 2009 zu Der Anwalt und sein Gast: Kommentar Christian - a christian. Erst jetzt - Jahre nach der Besprechung - fällt uns auf, dass wir eine wichtige Subtext-Story in Der Anwalt und sein Gast komplett übersehen hatten: Der Anwalt, bzw. sein Schicksal, dass ihm alles, was er liebt, genommen wird, ist eine Paraphrase auf das Buch HIOB des ALTEN TESTAMENTS.

Hiob:

Hiob ist ein verheirateter, wohlhabender Mann, gesegnet mit Kindern und Gesundheit. Da wird er mit Zustimmung von Gott vom Satan geprüft. Hiob wird alles genommen: Besitz, Ansehen, Gesundheit und gar seine Kinder. Hiob hadert mit Gott - wird er trotz dieser scheinbar sinnlosen Ungerechtigkeit an Gott festhalten oder wird er sich von ihm abwenden?

Die Story um Christian Weller ist identisch und läuft auf die identische Frage hinaus: wird er seinen Grundsätzen in Bezug auf seinen Klienten Karmann treu bleiben, oder wird er sich abwenden, wird er schwach? Weller wurde schwach. Die Staatsanwältin am Schluß zu ihm: Jetzt sind Sie kein Guter mehr.

"...ein Platz zum Atmen..." in: Der Anwalt und sein Gast. Teil 2. Porträt Christian Weller ( Heino Ferch ). Regie: Thorsten C. Fischer. 2002 - 2003










Bildquelle und Bildrechte bei MementoFilm

"...ein Platz zum Atmen..." in: Der Anwalt und sein Gast. Teil 2a. Porträt Christian Weller ( Heino Ferch ). Regie: Thorsten C. Fischer. 2002 - 2003

Text: ignazwrobel

Vor der Szene 1

Christian Weller übernimmt den Fall Frank Karmann.

Wir erfahren von der Staatsanwältin: Der gesuchte Mörder der drei Frauen hatte mit einem Tranchiermesser vierzig, fünfzig Mal zugestochen.

Karmann sitzt in Untersuchungshaft.

Der Besuch des Anwalts in Karmanns Zelle vermittelt uns ein Bild des Tatverdächtigen als Borderliner. Foto Frank Karmann

Der Mann ist schon älter, um die Fünfzig. Bei psychischer Belastung regrediert Karmann scheinbar immer wieder unkontrolliert in Infantilität, ein typisches Verhalten für vereinsamte Menschen.

Er scheint extrem unangepaßt zu sein, seine Frisur ist ein eigenartig rundum abeschnittener Fransenvorhang, der ganze Körper ist über und über mit gekurvten Strichen tätowiert, schlechte Zähne, tiefe Falten, Gesicht aufgequollen, eine Narbe auf der Wange – wohl Spur früherer Schlägereien.

Karmann hatte keine Alibis zur Tatzeit der drei Morde und war beim letzten Mordfall nachweislich in unmittelbarer Nähe des Tatorts.

Außerdem ist Karmann ist vorbestraft. Er war vor acht Jahren in eine Villa eingedrungen, hatte dort die Frau des Hauses in seine Gewalt gebracht und ihren Mann zur Bank geschickt, um Lösegeld zu holen.

Karmann ist erst unlängst wieder entlassen worden, das heißt, er ist gegenwärtig mittellos, arbeitslos und ohne ein Netz sozialer Beziehungen.

Weller, der routiniert, leise und präzis arbeitet, findet schnell heraus: Die Staatsanwaltschaft hat irgend jemand geschnappt, um der alarmierten Öffentlichkeit zu demonstrieren, dass die Polizei an dem Fall dran ist. Die Staatsanwaltschaft hoffte auf einen Zufallstreffer.

Gegen Karmann ist also kein ausreichender Tatverdacht zu erhärten.

Karmann wird frei gelassen.


Die Szene: „Ein Platz zum Atmen.“

Die Hospitantin der Märkischen Allgemeinen klingelt bei Wellers Bauhaus-Stil-Villa an der Tür. Sie will einen neuen Termin vereinbaren. Weller läßt sie herein.

Wahnsinnshaus, sagt die junge Frau, direkt am See!

Soll ich ´s Ihnen zeigen? …. Gut! Endlich wieder Haus zeigen. Haus Zeigen ist nämlich meine Lieblingsbeschäftigung! sagt Weller mit einem Hauch von Selbstironie.

Er und die junge Frau besichtigen das Areal, auch das romantische reetgedeckte Bootshaus am Privatufer des Sees, das zum Gelände der Villa gehört.

Das Bootshaus – es soll für Wellers Frau ein Malatelier werden – ist im Moment noch unrenoviert und vollgestellt von Möbelrelikten der Vorbesitzer.

Juliette ist begeistert:

Ein Platz zum Atmen!

Weller, der Pragmatiker, wird aus seiner Faktenwelt herausgerissen. Die Hospitantin irritiert angenehm sein Fahrwasser.

Zum Atmen?

Er versucht, das Gesagte irgendwie zu sortieren, hat Probleme mit soft facts, Stimmungen.

Ja, sagt die Hospitantin mit den sanft glänzenden lyrisch beseelten Wahnsinnsaugen.

Zum Atmen.
Frau Weller, die schöne große schwarzhaarige Brillenträgerin mit der prägnanten Nase, -die wir anfangs bereits kennengelernt haben,- kommt dazu.
Weller stellt die beiden Frauen einander vor

Juliette Roland – (und , wir hören es am Tonfall: sehr stolz und zutiefst solidarisch mit seiner Gefährtin: ) Katja, meine Frau.

Als Katja wieder ins Haupthaus zurückgegangen ist, entdeckt Juliette eine alte Truhe.

Hellblau, abgegriffen, altmodisch, mit kleinen naiven Bildmotiven bemalt. Juliette ist von der Truhe so angezogen, dass sie hingeht und mit der Hand fast zärtlich darüber streicht.

Weller: Die ist noch von meiner Mutter.

Die Truhe ist viel mehr als nur ein abgestelltes Möbelstück.

Sie ist eine Verbindung zu Wellers Mutter, sie spricht in ihrer zarten hellblauen Naivität mit den kleinen Bildern darauf eine leise Symbolsprache über das Wesen seiner Mutter und auch über Wellers Beziehung zu ihr.

Sie muss sehr eng und zärtlich gewesen sein.

Er sagt nicht

Die ist noch von meinen Eltern.

Nein, die Truhe ist von der Mutter.

Die Truhe passt zwar nicht mehr in die aktuelle elegante moderne stilistisch hoch verfeinerte Welt von Wellers Gegenwart,
aber sie ist da,
in Wellers Nähe,
im Alten Bootshaus,
das im Stil romantisch, natürlich, ländlich, ist.

Dort hat die Truhe ihren richtigen Platz.

So eine hat man sich als Kind immer gewünscht. So ne richtige Schatztruhe!
sagt Juliette.

Weller weiss es noch nicht.
Auch Juliette, die nicht im Geringsten berechnend ihre Weiblichkeit ausspielt, sondern nur einfach ist, wie sie ist, weiß nicht, dass beide gerade einen Weg gehen, der sie zu nahe aneinander führen könnte.

So nahe, dass Weller, - kommt nur noch eine irritierende Belastung in der Beziehung zu seiner Frau hinzu- seine Solidarität mit seiner Frau nicht hundertprozentig bewahren kann.

Warum? Juliette ist nicht nur schön, sie hat im Wellers Unterbewußtsein Hochpersönliches berührt.
Sie hat seine Mutterbeziehung positiv und freundlich angesprochen.
Sie hat die Truhe gestreichelt.

Juliette hat an der Eingangtür zu Wellers Unterbewusstsein, ohne es zu wissen, das richtige Passwort genannt.

Die Türwächter des Unbewußten haben es registiert und die Abwehrwaffen sinken lassen.

Juliette hat, - und das ist gefährlicher als körperliche Attraktivität- jetzt Zugang zu den Räumen seines Herzens.

Wir sehen es auch an seinem Blick. Jeder offizielle Beiklang ist daraus verschwunden. Seine Stirn ist offen und frei, die Augen berechnen nichts mehr. Sein Bewußtsein hat das geknackte Passwort nicht bemerkt.
Dazu kommt: Juliette bewundert Wellers moralisches Werteraster, seine Arbeit. Das hat sie mit ihrem Artikel in der Märkischen gezeigt.

Und: sie ist neugierig auf ihn. Sie stellt ihm – im Rahmen des Interviews, das ja immer noch nicht fertig ist – Fragen, die nicht, so Christian Weller:

….in den Fragenkatalog eines seriösen Interviews gehören.

Wir sehen Juliette und Weller aus der Vogelperspektive in der Totalen, als sie über den Platz beim Gerichtsgebäude gehen. Weller beantwortet ihre Frage:

Pink Floyd natürlich und die frühen Genesis aber noch mit Gabriel. Kopfhörer auf, aufs Bett legen… träumen. Ihre Generation nennt das heut wohl : chillen.

Träumen – von was? fragt Juliette.

Na, dass man ein toller Hecht ist, die Welt rettet und alle schönen Frauen haben kann. ..

Und heute träumen Sie nicht mehr?

Wozu? Ist doch alles wahr geworden!

In diesem Gespräch hat er sich schon viel viel weiter geöffnet, als nötig. Juliette und er sind bereits tief in persönlichen Themen.

Er merkt noch nichts.

Die Faszination von Juliette inkubiert noch.

Die Krankheit könnte, bei ausreichender Immunabwehr, besiegt werden.

Aber Frank Karmann wird diese Immunabwehr zerstören.

Er nistet sich bei Wellers ein. Er wird Wellers Frau von Christian wegtreiben.
Warum? Mit welchen Auswirkungen?




2002- 2003 Heino Ferch – Christian Weller, Marie Zielcke – Juliette Roland, Götz George – Frank Karmann, Claudia Michelsen- Katja Weller.


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Donnerstag, Oktober 20, 2005

„…Málle-witsch.“ "Malewitsch!! Mal-[:jeh]-wit[:sch])!“ in: Der Anwalt und sein Gast. Teil 4a. Porträt Christian Weller ( Heino Ferch ).










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„…Málle-witsch.“ "Malewitsch!! Mal-[:jeh]-wit[:sch])!“ in: Der Anwalt und sein Gast. Teil 4a. Porträt Christian Weller ( Heino Ferch ). Regie: Thorsten C. Fischer. Buch: Jörg von Schleebrügge 2002 - 2003

Text: ignazwrobel


Die Szene.

„…Málle-witsch.“ „….Malewitsch!! Mal-[:jeh]-wit[:sch])!“


Christian verliert Katja.


Abend. Es ist dunkel.


Kameraschwenk vom Ausblick aus dem Fenster auf die Terrasse und das reetgedeckte Alte Bootshaus am See hinein in das Esszimmer der Wellers.


Drin gediegene Bauhausstil-Einrichtung, Eßgarnitur mit Marcel-Breuer Chromstahl-Freischwingern.

Monochrom anthrazitgrauer Teppich, am weiss eingedeckten Tisch edle schlichte Riedel Grand Cru Gläser.

Mobiliar zeitlose Design-Klassiker, die die Geschmackswenden der Moden überdauert haben.


Der Tisch erhellt von einer gefrosteten Milchglashängelampe, die wie ein Vollmond über dem Esstisch schwebt und in der Perfektion ihrer Kugelform die vornehmlich rechtwinklige Formensprache im Raum aufbricht und akzentuiert.


Die Einrichtung -Klassische Moderne- spricht von der Geschmackssicherheit ihrer etablierten Bewohner.


Die Schönheit der klaren schlichten vollkommenen Form, Gerade, rechter Winkel, Kreis, dominiert. Ornament wäre hier Verbrechen.


Aus der Bang&Olufsen- Stereoanlage hören wir klassische Orchestermusik. Sie ergänzt die beruhigende Atmosphäre moderner Sachlichkeit, die der große Raum ausstrahlt.


Malewitsch.


An der anthrazitfarbenen Rückwand die Wellers bei Tisch,
vorne bei uns spielt kniend Karmann mit dem Kind.


Er passt in seiner Borderliner-Abgerissenheit und seinen geschmacklos-zusammengewürfelten Proll-Klamotten per se nicht in diese Atmosphäre leiser, arrivierter Kultiviertheit.


Karmann zeigt dem Kind, wie man kämpft, nein wie man schlägert.


.. auf´s Kinn musste schlagen, auf die Leber .. super !


Katja ist fasziniert,
Christian verärgert.


Man begreift, dass er Gewalt nicht thematisiert sehen will.


Er blickt abwehrend verschlossen zu Boden, schottet sich ab.

Mehr kann er jetzt und hier nicht tun.

Katja und er haben zu den Vorgängen nicht dieselbe Meinung.

Übt Christian Druck auf Karmann aus, kommt sofort Gegendruck von Katjas Seite.
Katja würde vor unterschwelliger Aggression gegen Christian nicht zurückschrecken.
Weil diese ganze Sache quasi nonverbal abläuft, ist sie so ungreifbar und Christian völlig machtlos.
Jeder seiner eruptiven Versuche, aufzubegehren, wird von Katja ausgebremst.

Du musst der Erste sein, laß Dich auf keine Diskussionen ein, gleich auf die Nase! Und wenn gar nichts mehr hilft - diesen da! (Zeitlupenschlag zwischen die Beine).
belehrt Karmann das Kind.


Als Christians strafender Blick ihn trifft, versucht er einzulenken:


Prügeln ist eigentlich blöde. Wennde was im Kopf hast, brauchste Deine Hände höchstens noch für´s W… Karmann wird niveaulos.


Auch dazu lächelt Katja.


Christian versucht, seinen Sohn aus dem direkten Zugriff Karmanns wegzulotsen.


Daniel , nu komm´ doch mal her und iß´ Deinen Nachtisch!


Das Kind gehorcht. Karmann will den Jungen schwerlich gehen lassen, hält ihn bis zum letzten Moment am gestreckten Arm an der Hand.


Später.


Christian hat die Zeitung vor sich liegen und liest aus einem Artikel vor, der eine Ausstellung russischer Suprematisten und Konstruktivisten in Berlin bespricht.


Christian:

Lass´ uns doch am Wochenende rüber nach Berlin fahren.


Vielleicht kriegst Du auch n´paar neue Anregungen für´s Haus!


... soll sich allein schon lohnen wegen der sehr selten ausgestellten Werke von Mállewitsch.


Den magst Du doch so!


Seine Stimme klingt hell, zwar kultiviert, aber auch leise, flach, papierdünn, setzt sich nicht durch.


Er blickt sie mit seinen wach glänzenden schwarzen Augen aufmerksam an.


Wir fühlen, er versucht, sie zu ziehen, ihr Zugewandtsein zu erringen mit einem ihrer Lieblingsthemen. Er versucht es auf die ihm bekannte Weise, die in zehn gemeinsamen Jahren zwischen ihnen eingespielt ist: auf der intellektuellen Ebene.


Trotzdem: Jetzt, hier, genau in diesem Augenblick, verliert er sie.


Er merkt es, als sie ihn korrigiert: Mal-[:jeh]-wit[:sch]!!


Er begreift nicht gleich, was er hört, was sie sagt .


Kaum hörbar: ....was?


Sie wiederholt die Korrektur, die sein Bildungsniveau vor einem Dritten beschämt:


Mal-[:jeh]-wit[:sch]!!!


Er sieht sie an. Sein Blick irrt ab, kehrt nach Sekundenbruchteilen in ihre Augen zurück. Es ist offensichtlich: Er spürt den Bruch. Diese Art der Gesprächsführung seiner Gefährtin ist neu , unangenehm, bestürzend undemokratisch.


Er spürt, dass seine Frau nicht mehr bei ihm ist, er spürt irritiert, dass sie von ihm weiter weggedriftet ist, als er zu befürchten wagte.


Er fühlt, da ist etwas kalt geworden, fast erloschen, gleichgültig.


Zwischenschnitte auf Karmanns Gesicht; der versucht, sich zu orientieren, mit beinahe ängstlicher Resignation – ob er hier gewünscht ist?

-Sieht ein bißchen verloren aus. Das sieht Katja allein. Christian nicht, er sitzt von Karmann weggewandt.


In dem kurzen Moment der Verunsicherung, als Christian spürt, - der Kontakt zu ihr ist gestört, er schafft den seelischen Brückenschlag zu seiner Frau nicht,- grinst Karmann lasziv auffordernd Katja an und sieht dann gleich wieder weg, bescheiden, scheu wie ein Reh.


Close up auf Christian.


Er schaltet seine wachen Scheinwerfer aus. Sein Ausdruck, gerade noch offen und präsent, fällt in sich zusammen.Der Wechsel seiner Ausstrahlung sieht aus, wie eine Flamme, die eben noch hoch loderte und jetzt verlischt.


Er nimmt seinen Blick zurück zu sich selbst.


Murmelt, ob der ungewohnt maßregelnden Korrekur, die ihn beschämt:


….ja….


Sein letzter Blick auf sie, bevor er wegschaut, sagt deutlich: er hat erkannt, dass er allein steht Die unsichtbare Brücke beständiger erotischer Freude am Anderen ist gesprengt.


Sein Ausdruck zeigt. Er hat verstanden, dass hier gerade ein neues Kapitel im Buch ihrer Beziehung aufgeschlagen wird. Ein Kapitel, in dem ein Ich und ein Ich das Wir ersetzt.


Der Fluss, auf dem beide gemeinsam gefahren sind, hat plötzlich die Fließrichtung geändert, unvermittelt steht er im Gegenstrom.


Close up auf Katja. Christian im verlorenen Profil.


Katja´s Augen glänzen angeregt, sie lächelt verschmitzt, fast verführerisch, versteckt ihr Angeregtsein hinter dem Weinglas, an dem sie nippt – eine schüchterne , aber eben auch betörende Geste.


Wir wissen nicht, ob sie noch einmal ihren Mann so anlächelte oder, an ihm knapp vorbei blickend, Karmann mit diesem Lächeln beschenkte.


Aber es steht zu befürchten.


Close up Karmann.


Der blickt wieder demütig zu Boden – aber er hat es gesehen.


Katja hat soeben die Seilschaft gewechselt.


Invasion Stufe 7:


Karmann sitzt jetzt am Tisch der beiden.


Katja erlaubt sich jetzt tatsächlich über den gesenkten Kopf ihres Mannes hinweg- er liest weiter in der Zeitung, aus der er zitiert hat – Karmann Zeichen zu geben. Sie bedeutet Karmann, dass ihr Mann wohl müde ist und somit als Gesprächspartner nicht mehr recht zurechnungsfähig.


Warum, so fragen wir uns, warum stellt sich Katja so konsequent gegen ihren Mann und schützt den Eindringling?


2002 – 2003 Heino Ferch – Christian Weller, Götz George – Frank Karmann, Claudia Michelsen – Katja Weller.

Montag, Oktober 10, 2005

"...guten Morgen!" in: Der Anwalt und sein Gast ( Heino Ferch - Christian Weller). Regie: Thorsten C. Fischer. Buch: Jörg von Schleebrügge 2002 - 2003










Bildquelle und Bildrechte bei MementoFilm

"...guten Morgen!" in: Der Anwalt und sein Gast ( Heino Ferch - Christian Weller). Regie: Thorsten C. Fischer. Buch: Jörg von Schleebrügge 2002 - 2003

Text: ignazwrobel

Arkadien.

„...guten Morgen!...“

Früher Morgen, Sonne, gutes Winterwetter. Waldstück. Kaum Schnee.
Ein joggender Mann läuft quer durchs Bild. Die Kamera folgt ihm auf dem Fuße, wir sehen den zügigen Takt seiner Schritte.

Unser Blick streift aus nächster Nähe über seine Schultern, Teile seines Gesichts. Wir sehen die dunklen Sonnengläser, seine adlerhaft prägnante Nase, den zum schnellen Atmen geöffneten Mund.

Der Mann trägt einen Jogginganzug aus rotem Stoff, der wie Satin glänzt. Gegen die Kälte hat er die schwarze Kapuze seines Sweatshirts über den Kopf gezogen.

Das ganze Outfit - rockymäßig im Stil eines Boxer-Trainingsanzugs. Wir hören die regelmäßigen tiefen Atemzüge eines trainierten und gut eingelaufenen Sportlers. Jetzt sehen wir den Mann von hinten, Schultern und Kopf, verfolgen noch einige seiner Schritte. Er ist vorbei.

Totale.

Eine Wohnstraße in einem noblen Villen- Stadtviertel.

Alter Baumbestand, hohe Laubbaumallee, freistehende Häuser, ab und an ein geparktes Fahrzeug, offensichtlich sehr ruhige Nebenstraße, ein wenig Schnee liegt um die Bäume.

Unser Jogger im roten Boxersuit kommt die Straße entlang, rennt auf ein kinnhohes weißes Gittertor zu, springt, ohne den Rhythmus seines Laufens zu verändern, leicht und geübt auf das Tor in den Stütz und jenseits glatt und zügig wieder hinunter, läuft im skulpturengeschmückten Garten aus, die Gartenmauer entlang zum Eingang der Villa.

Seine behandschuhte Rechte greift nach der Wasserflasche, die am Treppenabsatz der Terrasse für ihn bereit steht.

Subjektive Kamera, wir sehen durch seine Augen in die umstehenden Baumwipfel, in die Sonne. Very Close Up auf das Gesicht des Mannes, er trinkt noch ein paar Schlucke, atmet sich ruhig.

Schnitt.

Drinnen.

Close up auf einen Spielzeugsaurier. Dann kommt ein Kinderauge dazu, riesengroß, gefletschte Kinderzähne imitieren die gefletschten Saurierzähne.

Schnitt.

Der Mann im roten Jogginganzug öffnet die Badezimmertür. Zeitlich-räumliche Überblendung von aussen nach innen, er schließt - jetzt schon nackt – die Duschkabinentür von innen, dreht das Wasser an. Sein kontrollierter Aufschrei zeigt uns, daß er bewußt nur den Kaltwasserhahn geöffnet hat – kein Warmduscher.

Schnitt. Very Close Up.

Das Gesicht einer schönen Frau, schwarze Haare, ebenmäßige, intelligente Züge, ebenfalls prägnante Nase, weißes T-Shirt, randlose Brille. Sie wirkt sorglos, bereitet offensichtlich das Frühstück zu und knabbert nebenbei Nüsse. Im Hintergrund: Frühstücksradiomusik.

Nein – es sind doch keine Nüsse – sie trinkt ein Glas Wasser. Wir sehen ihre Hand, wie sie eine blauweiße Tablettendose wegräumt.

Schnitt.

Der circa siebenjährige Knabe kommt herbei, die Hände vor dem Gesicht.

Die Frau: was is?

Der Junge: ich hab´eine Grimasse gemacht

Ja und?

Nu geht sie nich mehr weg!

Er nimmt die Hände vom Gesicht:

Grrrr!!!! die gefletschte Saurierzähnegrimasse!


Die Frau zähnefletscht jetzt auch. Mama und Sohn fletschen um die Wette, grrrrrren sich verspielt an.

Schnitt. Ein Rücken im blauen Oberhemd verdeckt uns die Sicht.

Na ihr beiden? Ops!

sagt eine angenehme, entspannte Männerstimme.

Die zum Rücken gehörende Hand streichelt im Vorbeigehen den Kopf des Jungen. Dabei bemerken wir einen edlen goldenen Manschettenknopf am Ärmel der ausgestreckten Hand.

Geh frühstücken!

sagt die Mutter zu ihrem Jungen.

Schnitt.
Very Close Up.

Die Gesichter von Mann und Frau im Profil, beide nebeneinander, beide hantieren irgend etwas frühstückmäßiges im Stehen.

Sanfte Atmosphäre guter Laune, wir spüren das Zugetansein der Beiden zueinander, von seiner Seite mit einer Prise purrend surrender Lust auf seine Frau. Die Szene zeigt uns: alles o.k.

Seine Frau blickt nach unten.

Der Mann sieht die Gelegenheit.

Die schöne Kurve ihres gebogenen Nackens liegt frei direkt vor seinem Gesicht.

Er macht planvoll einen Schritt hinter sie und kitzelt sie an der empfindlichen Stelle über der Wirbelsäule, am Übergang vom Hals zum Nacken mit seinen Lippen, indem er ihr mit locker geöffnetem Mund einen Kuss aufhaucht.

Mhh - lecker ! uns stellen sich bei diesem Anblick die Nackenhaare auf.

Auch ihr gefällt´s.

Guten Morgen! sagt er.

Sie lächelt, erwidert seinen Gruss.

Guten Morgen!

Zwei Köpfe, zwei Schultern hintereinander dicht an dicht auf Körperkontakt.

Selbstverständliche Intimität - Gleichklang - Wir spüren die Wohligkeit des voneinander Angezogen-Seins der Beiden.

Kleines leises Intim-Blabla:

Er : Weißt Du, was ich vorher gedacht habe?

„.............“

So. so. sagt sie.
Sie dreht sich zu ihm und tupft ihm mit einer Na, du? Geste einen Klecks Kirschmarmelade auf die Nase. Er merkt es nicht, obwohl sie anschließend ihren Finger ableckt. (ja, ableckt! So ist das eben beim Frühstück.)

Was wir sehen, ist seine deutliche erotische Freude an seiner Frau. Die Luft prickelt wie Champagner unter seinem intensiven Blick und seinem gutem männlichen Selbstgefühl. Man geht in´s Eßzimmer.

Der Sohn sitzt am Tisch und isst. Die Erotik wird vorerst einmal vor dem Kind abgeschaltet.
Schnitt.

Der Mann hat jetzt auch am Frühstückstisch Platz genommen und greift nach der Tageszeitung. Ein gespielt drohender Blick zu seinem Sohn ist eigentlich liebevoll und erwidert dessen immer noch zahnefletschende Saurier-Grimasse. Auch das Vater – Sohn Verhältnis scheint bestens o.k.

Close up auf die Zeitung. Die Märkische Allgemeine. Zeitung für Brandenburg.
Hintergrundsmusik easy listenig , smooth, gute Laune .
Der Mann blättert die erste Lage ab.

Auf dem Titel der zweiten Lage blickt ihm sein eigenes Gesicht viertelseitengroß entgegen.

Uberschrift des dreiviertelseitigen Artikels: „Das Gewissen des Gerichtssaals“ Sub: Der Rechtsanwalt für sozial Benachteiligte.

Da sitzt der Anwalt der Entrechteten und Mittellosen, das mahnende Gewissen des Gerichtssaals - die Zeitung porträtiert ihn hochwichtig im schwarzen Anzug mit Krawatte.

... und doch ist er nur der Papa mit der roten Marmeladen-Nase!

Ende der Szene.



2002 – 2003 Heino Ferch- Rechtsanwalt Christian Weller, Claudia Michelsen – Frau Katja Weller, Fabio Beyer - der gemeinsame Sohn Daniel.

Kommentar 1:

Wozu wird dieses Idyll geschildert? Es ist der Zustand vor der Vertreibung aus dem Paradies, die in diesem Film in aller Gründlichkeit stattfinden wird. Nachdem wir dieses Arkadien gesehen haben, begreifen wir die blutige Fallhöhe unseres Helden Christian Weller (Heino Ferch) ins Unglück umso plastischer. - wie im antiken Drama.

Kommentar 2:

Zur Kameraführung:
Der Film verfolgt eine aussergewöhnliche, psychologisch geradezu investigierende Kameraführung: der gesamte Film besteht zu ca. 98,5 % aus very close ups von Gesichtern. Die Schnitttechnik ist sehr schnell, in unsere Beschreibung fließt die Bemerkung „Schnitt“ nur dann ein, wenn auf andere Weise der Zusammenhang unklar bliebe.

Auszeichnungen für den Film:

Deutscher Fernsehpreis 2003 für
beste Kamera: Theo Bierkens;
beste Regie: Thorsten C. Fischer;
beste Musik: Dieter Schleip (auch verantw. Für Musik in: 'Wer Kollegen hat braucht keine Feinde 1995, 2 Männer 2 Frauen 1998).

Nominiert Deutscher Fernsehpreis für
beste Nebenrolle: Julia Jäger als Staatsanwältin

Julia Jäger (war in „Todfeinde“ 1998 (Regie: Hirschbiegel) Max Klausmanns (Heino Ferch) Ehefrau Anna und in „Das Konto 2004 (Regie: Imboden 2006 auch Regie für: „Für immer und ewig und ein Tag 2005 - 2006“) die Ehefrau Charlotte von Dr. Michael Mühlhausen (Heino Ferch) )

Nominiert Dt. Fernsehpreis für
besten Schnitt: Benjamin Hembus.
„Robin Hood ...ist einfach n´bißchen dicke!“ in: Der Anwalt und sein Gast. Teil 1b. ( Heino Ferch ist Christian Weller) Regie: Thorsten C. Fischer. Buch: Jörg von Schleebrügge 2002 - 2003

Text: ignazwrobel

„Robin Hood der Anwaltschaft ist einfach n´bißchen dicke!“

Aussen. Tag. ( -Der Feind der Kunst.)

Platz mit Gerichtsgebäude, klassizistische Tempelarchitektur mit hohem korinthischem Säulenportal, in direkter Nachbarschaft Plattenbürobauten.

Eine riesige Familienkarre kreuzt auf und parkt vor dem Gebäude.


Schnitt. Direkt über dem Autodach.

Wir sehen Kopf und Rücken des Gewissens des Gerichtssaals. Es entsteigt der Familienkarre, wirft, ohne sich zum Wagen umzudrehen, per Ultraschall-Key das Schließsignal über seine Schulter und strebt dem Ort seines Wirkens zu.

Schnitt.

Gerichtsgebäude innen.
Prachtvolle palladianische Eingangshalle. Gediegenheit und Tradition als Versprechen auf Recht und Ordnung.

Die Gestalt unseres Anwalts schält sich aus dem Gegenlicht der Eingangsfront.

Aus dem unscheinbaren Jogger vom Anfang ist ein hocheleganter Herr geworden. Dunkelgrauer Anzug, dunkelgraue Krawatte, Oxfords, perfekter Haarschnitt, Lederkoffer - und die Krönung: ein beiger Kamelhaar – Kurzmantel.

Der Herr erklimmt federnden Schrittes die breite Pferdetreppe ins Obergeschoß.

Während er die Stufen hochschnellt und dann in eine der langen Gänge einbiegt, hören wir im Off einen Kollegen mit ironischem Unterton aus dem Artikel der Märkischen Allgemeinen zitieren.

Jurist als Robin Hood......privates Gewissen nicht zynisch zu trennen wie...Er wollte sich nicht ausschließlich in den Dienst des kleinen und großen Verbrechens stellen.....

Wir sehen die Zeitung in den Händen des Kollegen.

...sondern sein Können und Wissen einsetzen....

Der Kollege lacht verständnislos. Der Artikel wird in der Runde von den Anwesenden offensichtlich heiß diskutiert.

Als unser Anwalt im ersten Stock um die Ecke biegt, touchieren ihn beinahe zwei junge Mädchen, die görenhaft kichern. Das Kichern gilt ihm.

An der Tür zu seinem Büro will ihm jemand etwas zurufen:

...heute schon einen....

Unser Anwalt legt den Finger an den Mund

Pschhhhht. Ist der Spruch gut?

Sein Zeigefinger sticht auf den Sprecher zu, beschwört, hält hin..

Ein Blick zur Seite, er läßt dem Anderen Zeit zum Innehalten, dann schießt sein Blick wie eine abgefeuerte Waffe wieder auf den Zurufer.

Ist der wirklich gut?

Der andere verstummt – eingeschüchtert.

Unser Anwalt verschwindet durch eine opulent verzierte Jugendstiltür in seinem Büro.
Schnitt.

Wir mit ihm drinnen. Er hält inne. Scheint zu überlegen oder Spannung abzubauen oder sich Sorgen zu machen oder alles zusammen. Er wankt beinahe, hält sich am Türholm fest, sieht aus, als hätte er ein Kreislaufproblem.

Dann knallt seine Hand den Schweinslederkoffer auf einen Stuhl.

Beim Schwenk nach oben entdeckt die Kamera für einen Moment an der Wand eine schöne glutäugige junge Frau, die dort sitzt. Sie wartet, beobachtet.

Der Anwalt hat sie - wohl aufgrund seines leichten Unwohlseins- übersehen. Er wähnt sich allein, geht zum Fenster, wir sehen seinen Rücken dunkel gegen den hellen Fensterausschnitt. Er scheint zu denken. Jetzt fährt er herum. Die junge Frau hat etwas gesagt.

Die Sekretärin hat mich reingelassen.

Der Anwalt sieht sie abwartend an, er fordert sie wortlos auf, ihr Anliegen zu enthüllen, sie sagt.

...der zweite Teil des Interviews. Wir sind verabredet.

Er löst seine starre aber auffordernde Haltung, erinnert sich, dreht sich zur Seite. Das paßt ihm jetzt gar nicht.

Er hängt – immer noch wortlos – seinen Mantel auf, fixiert die junge Frau mit strafendem Blick.

Die Frau

Sie also auch. Kitschig und verlogen hat der Redakteur gesagt. Typisch Hospitantin.
Aber ich hab das schließlich nicht erfunden. Man spricht nun mal so über Sie...

Der Anwalt sieht sie richtig böse an. Zornfalte zwischen den Brauen, hart angespannte Oberlippe – (aua!)

Er wirft ihr noch einen beleidigten Blick zu – schlägt dann die Zeitung auf.

Schlagzeile:
Fangt die Bestie.

Sie: Sie haben ihn übrigens gefaßt, nachem er eine dritte Frau umgebracht hat – kam vorher im Radio.

Die Hospitantin hat – man muss es einfach sagen - ungewöhnlich schöne, große, sanft und tief lebensvoll glühende, bernsteinfarbene Rehaugen mit langen schwarzen Wimpern und schneeweißen Augäpfeln.

Jede ihrer Augenbewegungen ist ein Ereignis.

Totale.

Überblick über das großzügige Büro des Anwalts, riesiges Modern Art Gemälde an der Wand, gestische Striche in schwarzweiß, könnte Beuys-Schüler sein. Einrichtung im übrigen eine Mischung aus Designermöbeln und Traditionsmobiliar.

Der Anwalt beugt sich über die Zeitung, die Arme verschränkt auf dem Tisch aufgestützt. Wir merken, daß er hofft, die Frau möge kapieren, daß sie gehen soll. Damit sie´s auch versteht, reißt er nach zwei Sekunden den Blick mit einem gehen Sie bitte – Appell in den Augen zu ihr hoch.

Sie schaut – versteht - eingeschüchtert, resigniert, geht zur Tür, zögert am Türblatt.

Es tut mir leid.

sagt sie und tastet sich unsicher hinaus.

Als sie es nicht mehr mitbekommen kann, läßt die Spannung in des Anwalts Gesicht graduell nach. Das, was wir jetzt darauf ablesen können, wäre, wenn es sich nur um ein Jota verstärken würde, ein verzeihendes, ein wenig amüsiertes Lächeln.

Sein Versuch, die Lekture wieder aufzunehmen, wird von einer Entdeckung unterbrochen: wir sehen - durch seine Augen - ein braunes amorphes Objekt auf dem Besucherstuhl. Es ist offenbar ein Schal. Sie hat ihren dicken Jungmädchen-Strickschal auf seinem Besucherstuhl liegengelassen.

Als sich leichte Schritte nähern, fixiert er sofort wieder die Tür seines Büros. Er erwartet die junge Frau in der nächsten Sekunde wieder im Zimmer.

Die Tür öffnet sich, er deutet augenblicklich mit dem Kopf zum Stuhl. Er hat übrigens noch kein einziges Wort Text gesprochen, die ganze Zeit nur via Körpersprache kommuniziert. Wir haben ihn ausgezeichnet verstanden und nichts vermißt.

Die Sekretärin im off: Anwaltskanzlei Weller, Hallo.

So.

Jetzt wissen wir offiziell, wo wir sind und wie unser Anwalt eigentlich heißt: Weller.

Die Hospitantin ergreift ihren Schal.

Während sie schon wieder zur Tür gehen will, hält er sie auf. Seine ersten Worte wirft er ihr hinterher wie einen Gegenstand, der sie buchstäblich im Rücken trifft:

Robin Hood der Anwaltschaft ist einfach n´bißchen dicke.

Der Blick auf sie ist nicht mehr kalt, das Lächeln zwar ironisch süffisant, aber seine Augen sind hochwach und eher freundlich. Sie hat seine Absolution.

Ja, sagt sie schüchtern und wischt sich eine Haarsträhne aus dem Mundwinkel.
Der nächste Artikel wird dann wieder professionell zynisch.

(Ätsch. Sie hat die Gelegenheit genutzt und den Ball sofort zurückgespielt: Gleichstand, 1:1)
Sie geht.

Es wird auch höchste Zeit, denn Kunde droht mit Auftrag.
Der mutmaßliche Dreifachmörder will Weller als Anwalt, sagt seine Sekretärin, die jetzt in der Tür erschienen ist.



Ende der Szene.

-----------
2002-2003 Heino Ferch - Christian Weller, Marie Zielcke - Juliette, die Hospitantin. Filmographie Marie Zielcke

Kommentar 1:

Zur Orientierung - Die Filmhandlung:

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Foto Ferch - Zielcke

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Dienstag, Oktober 04, 2005

"..und er hat ein helles Licht..." Teil 4. Heino Ferch als Franz Wolbert in: Das Wunder von Lengede, Regie: Kaspar Heidelbach, Buch: Benedikt Roeskau,

25.09.2005 um 05:50 Uhr
"..und er hat ein helles Licht..." Teil 4. Heino Ferch als Franz Wolbert in: Das Wunder von Lengede, Regie: Kaspar Heidelbach, Buch: Benedikt Roeskau, TV-Zweiteiler 2002 - 2003

Text: ignazwrobel

Homepage des Films

....und er hat sein helles Licht bei der Nacht....

Unter Wasser.

Alles ist leuchtend Blau.

Der Raum scheint grenzenlos.

Vor uns Helligkeit, blendendes Licht.

Und da unten: in Bodennähe, von den Wasserbewegungen langsam hin und hergeschaukelt, schwebt ein Körper; ..die Arme ausgebreitet, passiv, leblos,...

Es ist Franz Wolbert.

Schnitt. Salvatore im Alten Mann.

Er handelt - ohne Wenn und Aber, augenblicklich.

Salvatore legt schnell den Helm ab, steigt entschlossen mit der Lampe in der Hand in das neun Grad kalte Wasser.

Als er die unbarmherzig eisige Kälte des Wassers fühlt, schimpft er auf Italienisch, nennt Franz einen Idioten. Trotzdem zögert er keinen Augenblick.

Er küßt noch einmal kurz das Kruzifix, das er an einem Halskettchen bei sich trägt, bekreuzigt sich – und taucht ab.

Wir begleiten Salvatore unter Wasser, er nimmt denselben Weg wie Franz, schwimmt schnell, schneller als Franz vorher, die Lampe in der Hand, vorbei an im Wasser schwebender Kleidung, vorbei an der Lore, an der sich das Kabel verfangen hatte...

Schnitt. Nahaufnahme.

Blick auf Franz, der mit offenen, nicht mehr fokussierenden Augen im Wasser driftet.
Salvatore kommt von hinten schnell heran, nimmt seine Helmlampe in den Mund, um die Hände frei zu haben und packt Franz´Kopf mit beiden Händen.

Der Kopf läßt sich ganz leicht drehen, Zeichen völliger Bewußtlosigkeit. Salvatore schüttelt Franz´Kopf ein paarmal, - ganz ohne Erfolg.

Es sieht aus, als schüttele er einen Toten, dessen offene Augen nichts mehr sehen. Salvatore läßt den Kopf von Franz fahren, blickt sich um, rudert rückwärts.

Franz Gesicht ist jetzt direkt vor uns, wenige Zentimeter entfernt. Es ist ruhig, unbewegt, da ist nichts mehr, - gar nichts: es sind die still gewordenen Züge eines Toten.

Salvatore packt Franz am Hemd und zerrt ihn mit sich rückwärts, wir sehen beide nach hinten verschwinden. Von oben schweben direkt vor uns Gegenstände vertikal durchs Bild. Schnitt.
Luftblase auf halber Strecke.

Wir sind direkt auf der Höhe der Wasserkante und sehen die beiden Köpfe zuerst unter Wasser, dann darüber auftauchen. Salvatore zieht Franz jetzt im Rettungsgriff in Rücklage über die Wasserlinie. Salvatore, er ist jung, schlank, durchtrainiert, ist schnell wieder bei Atem, spricht Franz sofort an

Franz!

Franz!

Dabei dreht er seinen Kameraden von der Rück- in die Bauchlage und sofort sinkt Franz´Kopf haltlos, im Genick kippend, bis über die Nasenlinie unter Wasser.
Immer noch fehlt jedes Lebenszeichen. Salvatore packt seinen Sprengmeister unter den Armen , zerrt ihn höher und brüllt ihn aus Leibeskräften an

Franz!

Ohne Erfolg.

Erneut nimmt Salvatore die Lampe in den Mund und taucht ab, Franz im Rettungsgriff mit sich ziehend.

Schnitt. Alter Mann.

Salvatore hat es mit seiner Last zurück in den Alten Mann geschafft. Wir sehen ihn auftauchen. Er zieht den leblosen Körper seines Kameraden rückwärts aus dem Wasser auf die Steine, umgreift von hinten dessen Brustkorb mit den Armen und drückt zweimal ruckartig zu.

Jedes Mal ergießt sich ein Schwall Wasser aus Franz` Mund, der offensichtlich tief aus Kehle und Bronchien kommt.

Jetzt.

Jetzt macht der Gerettete die erste selbständige Bewegung.

Er beugt sich vor und beginnt Wasser abzuhusten.

Close up beide.

Franz´ hustet und würgt, wird langsam klarer. Er stiert zu Boden, heftig atmend, ausgepumpt.
Direkt dahinter sehen wir das erschöpfte und tief besorgte Gesicht von Salvatore, dem es körperlich bereits wieder einigermassen gut geht.

Er stützt Franz immer noch mit festem Griff von hinten, schüttelt jedoch den Kopf, ungläubig - und zum Zeichen, dass er ganz und gar gegen Franz´Handlungsweise war und ist.

Nach ein paar Sekunden kann Franz fast schon wieder reden.

Er flüstert:

Es sah aus, wie die Sonne.



Ende der Szene.


Kommentar:
Salvatore hat, ohne auch nur einen Lidschlag lang zu zögern, Verantwortung für das Leben eines Kameraden übernommen. Er ist sogar soweit gegangen, mit unglaublicher Zivilcourage sein eigenes Leben einzusetzen, um die Überlebenschancen des Anderen wenigstens versuchsweise zu erhöhen. Er hatte Glück und eine schützende Hand über sich. Franz hatte das unverschämte Glück, zufällig neben einem Menschen wie Salvatore gearbeitet und gesessen zu haben.Salvatore leistete in akuter Todesnot dem Anderen ohne jedes Zögern ungefragt und selbstverständlich Beistand.

Aufgrund seiner Rettungsaktion im Eiswasser wird Salvatore genauso wie Franz stark unterkühlt werden und Gefahr laufen, eine Lungenentzündung zu bekommen. Im weiteren Verlauf des Filmes bleibt sein uneigennütziges hochcouragiertes Handeln unbedankt.

Der Name Salvatore ist Italienisch und heisst auf Deutsch „Der Retter.“
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2002-2003 Franz Wolbert – Heino Ferch, Salvatore – Benjamin Sadler. Filmografie Benjamin Sadler. Foto (2. v.l.m. Zigarette)27.9.: 0:00h: Der Eintrag "..und er hat sein helles Licht...." hat heute mit 211 Lesern alle auf diesem Weblog je an einem Tag erreichten Besucherrekorde geschlagen. Das hieß heute: alle 8,8 Minuten ein Leser!!! Danke! Danke! Danke! Danke für Euer Interesse! Ich nehme das persönlich!
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"... und er hat sein helles Licht..." Teil 3. Heino Ferch als Franz Wolbert, in: Das Wunder von Lengede, Regie: Kaspar Heidelbach, Buch: Benedikt Roes

"... und er hat sein helles Licht..." Teil 3. Heino Ferch als Franz Wolbert, in: Das Wunder von Lengede, Regie: Kaspar Heidelbach, Buch: Benedikt Roeskau, TV-Zweiteiler, 2002-2003

Text: ignazwrobel

... und er hat ein helles Licht bei der Nacht...

Unter Wasser.

Franz arbeitet sich zwischen im driftenden Gegenständen vorwärts. Kleidung schwebt wie Schilfbündel im Wasser. Franz zieht sich an der Kante einer Lore entlang.

Schnitt. Über Wasser.

Salvatore gibt weiter Kabel aus, flucht dabei leise aufgeregt, als er merkt, dass das Kabel mit einem Mal nicht mehr locker nachgibt.

Unter Wasser.

Franz schwimmt mit kraftvollen Zügen. Wir sind dicht vor ihm, begleiten ihn. Plötzlich stört ihn etwas, er blickt nach hinten.

Seine Schwimmzüge bringen ihn nicht mehr voran. Das Kabel hat sich gespannt und verhindert sein Weiterkommen. Es hat sich am Griff einer Lore verhängt.

Auch Salvatore bemerkt, dass etwas nicht stimmt, er versucht, das Kabel wieder einzuholen und seinen Sprengmeister dadurch zurück in den Alten Mann zu ziehen.

Franz ist schon zu weit geschwommen, um die Luft für den ganzen Rückweg noch anhalten zu können.

Er greift mit einer Hand hinter sich, packt das Kabel und zerrt mit ein paar kräftigen Rucken daran. Das Kabel streicht über die scharfe Eisenkante der Lore und reisst ab.

Er schwimmt weiter, so dicht an uns vorbei, dass uns seine Hand für einen Moment zu berühren scheint. Wir zucken unwillkürlich zurück.

Oben.

Salvatore kippt vom plötzlichen Spannungsabfall des Kabels rückwärts. Er setzt sich sofort wieder auf, holt fieberhaft ein, wickelt das Kabel um seine Hände, bis er plötzlich, für ihn unerwartet, das Ende in der Hand hat. Als er das abgerissene Endstück sieht, weiten sich seine Augen.

Er hebt den Blick und starrt ins Nichts, atemlos, entsetzt, mit offenem Mund. Wir sehen, dass für ihn die gerissene Verbindung zu Franz nichts anderes bedeutet, als das sichere Wissen: das ist das Todesurteil für seinen getauchten Kollegen.

Schnitt. Unter Wasser. Subjektive Kamera.

Wir biegen zusammen mit Franz um eine Ecke, es wird heller, der Raum weitet sich.
Gleissend helles Licht strömt ein, es gibt keine konkreten Gegenstände mehr zu sehen, alles ist in milchige Helle getaucht, wie in Nebel.

Franz schwimmt an uns vorbei, ihn scheint in dieser Weite die blendend helle Lichtquelle zu empfangen.

Schnitt.
Wir sind dort, wo das Licht ist.

Da hinten kommt Franz auf uns zugeschwommen. Er kommt näher und näher, ein zwei Luftblasen steigen hoch. Er hält schon extrem lange den Atem an.

Plötzlich läßt er den Griff der Grubenlampe aus seinem Mund fahren. Er macht eine hustend ruckartige Bewegung mit dem Kopf. Offensichtlich war der Drang einzuatmen nicht mehr zu unterdrücken, und er hatte Wasser in Nase und Kehle eingesaugt , das er sofort wieder auszuatmen versucht. Eine Menge großer Luftblasen entweicht seinem Mund und steigt, über sein Gesicht streichend, nach oben.

Jetzt hat er uns erreicht, ist direkt vor uns, vielleicht vierzig Zentimeter entfernt. Seine Arme sind noch seitlich ausgebreitet von den letzten Schwimmzügen, sie schweben im Wasser, die entschlossenen Bewegungen verebben. Weisses Licht liegt auf seinem Kopf, den Armen, dem Leib. In der Helle leuchtet das Halskettchen mit seinem Ehering daran auf.

Das Gesicht, - gerade noch immens angestrengt, - entspannt sich, die Wangen werden glatt, die Lippen liegen auf einmal ganz locker aufeinander, seine schwarzen Augen sind groß, erstaunt. Er legt, fast kindlich überrascht, den Kopf ein wenig zur Seite.

Was er wohl zu sehen glaubt?

Wir blicken einen Moment lang mit ihm zusammen ins Licht. Licht, das jetzt alles, jeden Winkel unter Wasser, vollständig auszufüllen scheint.

Franz` Blick trifft uns aus nächster Nähe frontal...

Der Blick hat jetzt etwas namenlos und kindlich Erstauntes, Fragendes.

Dieses überraschte Fragen, direkt in unsere Augen, ist das letzte, was wir von ihm sehen. Dann ist alles nur noch überfüllt von bläulichweiss gleissender Helle.

Eine Kinderstimme singt im Hintergrund das Schlaflied

... und er hat ein helles Licht bei der Nacht...
...und er hat sein helles Licht bei der Nacht....
....schon angezündt´....

Wir sehen es nicht konkret, aber wir begreifen, dass Franz´ Blick nicht bis zum Schluss der eines wachen Menschen ist.

Er hat das Bewußtsein verloren. Seine Überlebenschance ist quasi Null.

In hundertachtzig Sekunden wird sein Gehirn irreversiblen Schaden genommen haben, in weiteren zweihundertzwanzig Sekunden wird er hirntot sein.

Seine Lebensflamme flackert, ist winzig klein geworden.

Gleich, gleich wird der zarte Hauch darüberstreichen, der die Flamme zum verlöschen bringt. Nichts kann sie neu schüren ohne Sauerstoff...

Nichts?


Schnitt. Ende der Szene.

Homepage des Films

Franz Wolbert – Heino Ferch, Salvatore – Benjamin Sadler.Filmographie Benjamin Sadler
Auszeichnungen: Grimme Preis 2004 für Heidelbach, Liefers, Ferch, Michael Souvignier. (executive producer) Bambi 2003 für Ferch, Liefers, Makatsch (Filmographie Makatsch), Rohde (Filmographie Armin Rhode), Uhl (Filmographie Uhl) .

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