Donnerstag, Oktober 20, 2005

„…Málle-witsch.“ "Malewitsch!! Mal-[:jeh]-wit[:sch])!“ in: Der Anwalt und sein Gast. Teil 4a. Porträt Christian Weller ( Heino Ferch ).










Bildquelle und Bildrechte bei MementoFilm

„…Málle-witsch.“ "Malewitsch!! Mal-[:jeh]-wit[:sch])!“ in: Der Anwalt und sein Gast. Teil 4a. Porträt Christian Weller ( Heino Ferch ). Regie: Thorsten C. Fischer. Buch: Jörg von Schleebrügge 2002 - 2003

Text: ignazwrobel


Die Szene.

„…Málle-witsch.“ „….Malewitsch!! Mal-[:jeh]-wit[:sch])!“


Christian verliert Katja.


Abend. Es ist dunkel.


Kameraschwenk vom Ausblick aus dem Fenster auf die Terrasse und das reetgedeckte Alte Bootshaus am See hinein in das Esszimmer der Wellers.


Drin gediegene Bauhausstil-Einrichtung, Eßgarnitur mit Marcel-Breuer Chromstahl-Freischwingern.

Monochrom anthrazitgrauer Teppich, am weiss eingedeckten Tisch edle schlichte Riedel Grand Cru Gläser.

Mobiliar zeitlose Design-Klassiker, die die Geschmackswenden der Moden überdauert haben.


Der Tisch erhellt von einer gefrosteten Milchglashängelampe, die wie ein Vollmond über dem Esstisch schwebt und in der Perfektion ihrer Kugelform die vornehmlich rechtwinklige Formensprache im Raum aufbricht und akzentuiert.


Die Einrichtung -Klassische Moderne- spricht von der Geschmackssicherheit ihrer etablierten Bewohner.


Die Schönheit der klaren schlichten vollkommenen Form, Gerade, rechter Winkel, Kreis, dominiert. Ornament wäre hier Verbrechen.


Aus der Bang&Olufsen- Stereoanlage hören wir klassische Orchestermusik. Sie ergänzt die beruhigende Atmosphäre moderner Sachlichkeit, die der große Raum ausstrahlt.


Malewitsch.


An der anthrazitfarbenen Rückwand die Wellers bei Tisch,
vorne bei uns spielt kniend Karmann mit dem Kind.


Er passt in seiner Borderliner-Abgerissenheit und seinen geschmacklos-zusammengewürfelten Proll-Klamotten per se nicht in diese Atmosphäre leiser, arrivierter Kultiviertheit.


Karmann zeigt dem Kind, wie man kämpft, nein wie man schlägert.


.. auf´s Kinn musste schlagen, auf die Leber .. super !


Katja ist fasziniert,
Christian verärgert.


Man begreift, dass er Gewalt nicht thematisiert sehen will.


Er blickt abwehrend verschlossen zu Boden, schottet sich ab.

Mehr kann er jetzt und hier nicht tun.

Katja und er haben zu den Vorgängen nicht dieselbe Meinung.

Übt Christian Druck auf Karmann aus, kommt sofort Gegendruck von Katjas Seite.
Katja würde vor unterschwelliger Aggression gegen Christian nicht zurückschrecken.
Weil diese ganze Sache quasi nonverbal abläuft, ist sie so ungreifbar und Christian völlig machtlos.
Jeder seiner eruptiven Versuche, aufzubegehren, wird von Katja ausgebremst.

Du musst der Erste sein, laß Dich auf keine Diskussionen ein, gleich auf die Nase! Und wenn gar nichts mehr hilft - diesen da! (Zeitlupenschlag zwischen die Beine).
belehrt Karmann das Kind.


Als Christians strafender Blick ihn trifft, versucht er einzulenken:


Prügeln ist eigentlich blöde. Wennde was im Kopf hast, brauchste Deine Hände höchstens noch für´s W… Karmann wird niveaulos.


Auch dazu lächelt Katja.


Christian versucht, seinen Sohn aus dem direkten Zugriff Karmanns wegzulotsen.


Daniel , nu komm´ doch mal her und iß´ Deinen Nachtisch!


Das Kind gehorcht. Karmann will den Jungen schwerlich gehen lassen, hält ihn bis zum letzten Moment am gestreckten Arm an der Hand.


Später.


Christian hat die Zeitung vor sich liegen und liest aus einem Artikel vor, der eine Ausstellung russischer Suprematisten und Konstruktivisten in Berlin bespricht.


Christian:

Lass´ uns doch am Wochenende rüber nach Berlin fahren.


Vielleicht kriegst Du auch n´paar neue Anregungen für´s Haus!


... soll sich allein schon lohnen wegen der sehr selten ausgestellten Werke von Mállewitsch.


Den magst Du doch so!


Seine Stimme klingt hell, zwar kultiviert, aber auch leise, flach, papierdünn, setzt sich nicht durch.


Er blickt sie mit seinen wach glänzenden schwarzen Augen aufmerksam an.


Wir fühlen, er versucht, sie zu ziehen, ihr Zugewandtsein zu erringen mit einem ihrer Lieblingsthemen. Er versucht es auf die ihm bekannte Weise, die in zehn gemeinsamen Jahren zwischen ihnen eingespielt ist: auf der intellektuellen Ebene.


Trotzdem: Jetzt, hier, genau in diesem Augenblick, verliert er sie.


Er merkt es, als sie ihn korrigiert: Mal-[:jeh]-wit[:sch]!!


Er begreift nicht gleich, was er hört, was sie sagt .


Kaum hörbar: ....was?


Sie wiederholt die Korrektur, die sein Bildungsniveau vor einem Dritten beschämt:


Mal-[:jeh]-wit[:sch]!!!


Er sieht sie an. Sein Blick irrt ab, kehrt nach Sekundenbruchteilen in ihre Augen zurück. Es ist offensichtlich: Er spürt den Bruch. Diese Art der Gesprächsführung seiner Gefährtin ist neu , unangenehm, bestürzend undemokratisch.


Er spürt, dass seine Frau nicht mehr bei ihm ist, er spürt irritiert, dass sie von ihm weiter weggedriftet ist, als er zu befürchten wagte.


Er fühlt, da ist etwas kalt geworden, fast erloschen, gleichgültig.


Zwischenschnitte auf Karmanns Gesicht; der versucht, sich zu orientieren, mit beinahe ängstlicher Resignation – ob er hier gewünscht ist?

-Sieht ein bißchen verloren aus. Das sieht Katja allein. Christian nicht, er sitzt von Karmann weggewandt.


In dem kurzen Moment der Verunsicherung, als Christian spürt, - der Kontakt zu ihr ist gestört, er schafft den seelischen Brückenschlag zu seiner Frau nicht,- grinst Karmann lasziv auffordernd Katja an und sieht dann gleich wieder weg, bescheiden, scheu wie ein Reh.


Close up auf Christian.


Er schaltet seine wachen Scheinwerfer aus. Sein Ausdruck, gerade noch offen und präsent, fällt in sich zusammen.Der Wechsel seiner Ausstrahlung sieht aus, wie eine Flamme, die eben noch hoch loderte und jetzt verlischt.


Er nimmt seinen Blick zurück zu sich selbst.


Murmelt, ob der ungewohnt maßregelnden Korrekur, die ihn beschämt:


….ja….


Sein letzter Blick auf sie, bevor er wegschaut, sagt deutlich: er hat erkannt, dass er allein steht Die unsichtbare Brücke beständiger erotischer Freude am Anderen ist gesprengt.


Sein Ausdruck zeigt. Er hat verstanden, dass hier gerade ein neues Kapitel im Buch ihrer Beziehung aufgeschlagen wird. Ein Kapitel, in dem ein Ich und ein Ich das Wir ersetzt.


Der Fluss, auf dem beide gemeinsam gefahren sind, hat plötzlich die Fließrichtung geändert, unvermittelt steht er im Gegenstrom.


Close up auf Katja. Christian im verlorenen Profil.


Katja´s Augen glänzen angeregt, sie lächelt verschmitzt, fast verführerisch, versteckt ihr Angeregtsein hinter dem Weinglas, an dem sie nippt – eine schüchterne , aber eben auch betörende Geste.


Wir wissen nicht, ob sie noch einmal ihren Mann so anlächelte oder, an ihm knapp vorbei blickend, Karmann mit diesem Lächeln beschenkte.


Aber es steht zu befürchten.


Close up Karmann.


Der blickt wieder demütig zu Boden – aber er hat es gesehen.


Katja hat soeben die Seilschaft gewechselt.


Invasion Stufe 7:


Karmann sitzt jetzt am Tisch der beiden.


Katja erlaubt sich jetzt tatsächlich über den gesenkten Kopf ihres Mannes hinweg- er liest weiter in der Zeitung, aus der er zitiert hat – Karmann Zeichen zu geben. Sie bedeutet Karmann, dass ihr Mann wohl müde ist und somit als Gesprächspartner nicht mehr recht zurechnungsfähig.


Warum, so fragen wir uns, warum stellt sich Katja so konsequent gegen ihren Mann und schützt den Eindringling?


2002 – 2003 Heino Ferch – Christian Weller, Götz George – Frank Karmann, Claudia Michelsen – Katja Weller.