Dienstag, Juni 29, 2010

Filmszenen I ... dann wirst Du Dir wünschen, zu leben...in: Des Teufels General. Curd Jürgens- General Harry Harras. Regie: Helmut Käutner, 1955

Bildquelle und Bildrechte: Arthaus Filmverleih und Divisa Home Video.





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Vor der Szene


Frau Kammersängerin Geiss ist mit dem General der Luftwaffe Harry Harras (Curd Jürgens) schon so lange befreundet, dass sie wie verschwägert, verwandt, verschwistert wirken.


Sie hat zu einer Nachpremierenfeier zu sich nach Hause geladen, das Haus ist voller Gäste.


In der Küche weiht sie Harry in ein lebensgefährliches Geheimnis ein: dass sie ein jüdisches Ehepaar, ihre alten Freunde Professor Rosenfeld und Frau, im Hause versteckt hält.


Harry willigt sofort ein, den beiden eine nächtliche Flucht per Kleinflugzeug über die Grenze in die sichere Schweiz, gleich in den nächsten Stunden, zu ermöglichen.


Aus der Flucht wurde nichts mehr. Am Morgen werden Passanten das Ehepaar Rosenfeld tot auf einer Parkbank finden. Selbstmord.


Der General steht selbst ganz vorne auf der Abschussliste der Gestapo. Er ahnt es zwar, will es aber nicht wahr haben. Seine Macht als Sternegeneral schützt ihn, so glaubt er.


Das Netz um ihn zieht sich immer dichter zu. Doch jetzt ist erst einmal die Nacht vorbei und der General kommt nach Hause.


Dort schläft auf einem Sofa Oberst Hartmann, der ja nach der aufgelösten Verlobung nicht mehr bei Mohrung bleiben konnte. Der General hatte den jungen Mann erst mal unter seine Fittiche genommen.


Die Szene


Bei General Harras zu Hause. Es ist früher Morgen.


Wir stehen in einem weitläufigen Wohnzimmer, altdeutsche Eiche, Bartresen mitten im Raum, Perserteppich, exotische Waffen, Elefantenfuss-Aschenbecher und ein Zebrafell an der Wand sagen uns, dass der Besitzer dieser exotischen Souvenirs wohl schon bis nach Afrika und weiter noch gekommen ist. General Harras kennt die Welt.


Die Tür geht auf, …wenn man vom Teufel spricht...


Der General kommt herein. Er streckt sich und gähnt. Dann steuert er straks auf den Bartresen zu, knipst das Licht einer Tischlampe an, die launig über und über mit Kofferaufklebern von Hotels von Sylt bis Samoa verziert ist und gießt sich noch einen Cognac ein. Er nimmt Diddos Liebesgabe, den Veilchenstrauss, aus dem Revers und wässert ihn hochprozentig im Glase.


Ein Stöhnen von der Couch lässt ihn neugierig näher zu uns herantreten. Wir stehen an Hartmanns Bett, der Chaiselonge neben der Bar. Hartmann hat nur das Jackett abgenommen. Hemd Hose und sogar Schlips und Manschettenknöpfe sind korrekt an ihrem Platz.


Der General schaltet das Radio direkt neben Hartmanns Kopf an.

Laute Marschmusik.
Harras geht zum Fenster und öffnet die gigantischen Vorhänge.

Auch dieser Bereich des Wohnsaales ist eine Mischung aus altdeutscher Gemütlichkeit und Karl May Kara Ben Nemsi Waffensammlung an der Wand. Die Deckenhöhe des Raumes ist mindestens Vier_Meter_fünfzig. Unser Blick geht aus hohem Stockwerk auf die Großtaten der Naziarchitektur.


Hartmann rappelt sich hoch. Er dreht sich erschreckt nach der Lärmquelle uns. Schaltet das Radio aus, steht auf.


Harras


Morgen Hartmann. Gut geschlafen?


Hartmann fährt hoch wie ein Rekrut beim Morgenappell, fährt sich über den Scheitel, nimmt beinahe vorschriftsmäßige Haltung an.


Harras aus dem off.


Ich mach uns Frühstück.


Der General steht in der Tür zu den anderen Zimmern, das Innenleben aufgeknöpft, sprich, Jacke offen.


…ahh…. Badezimmer is da.


Er deutet auf eine Tür im platzreichen Korridor und macht selbst ein paar Schritte Richtung Küche. Dann wendet er sich noch einmal zu uns zurück.


Wir hams nämlich eilich. Sie müss´n acht uhr dreissig marschbereit sein. Alle Urlaube sind aufgehoben.


Hartmann lauscht. Dann, ängstlich überrascht:


Zurück an die Front?


Hartmann greift sein Uniformjacket.


Harras leise


Ja. Undzwar nach Russland.


Tut mir leid.


Hartmann , er schlüpft in seine Jacke. Erleichtert:


Gott sei Dank.


Harras zögert einen Moment. Er scheint nicht recht einordnen zu können, was Hartmann gerade gesagt hat. Leise, lauernd.


Was war das?


Harras kommt näher. Bleibt dicht vor Hartmann stehen. Er baut sich mit erhobenem Kopf vor dem Oberst auf. Jetzt überragt er den jungen Mann um halbe Haupteslänge.


Was ham sie da eben gesagt?


Hartmann knöpft seinen Kragen zu.


Gott sei Dank, Herr General.


Harras, er hat die Hände breit in die Taille gestützt, Stachelfisch-Pose, weiter lauernd:


Was mein´Sie damit?


Hartmann, er rückt die Krawatte zurecht.


..ich meine, ich bin gerne draußen bei den Kameraden.


Harras von oben


Weg mit der Tarnung, Hartmann. Ich will wissen, was Sie sich mit diesem GottseiDank gedacht haben.


Hartmann zerrt sein Jacket in Position, knöpft mit tausend Mal geübten schnellen Bewegungen zu.


Harras


Na? Wird’s bald?


Hartmann, er hält die Augen gesenkt, sein Atem geht schneller. Trotzig, atemlos erregt:


Ich hab mir gedacht, wenn ich auch für´s Leben nicht tauglich bin… zum Sterben reicht´s bestimmt.


Sofort fährt die Hand des Generals nach vorne und gibt Hartmann eine schallende Ohrfeige. Hartmann reagiert mit einem erschrockenen Blick in des Generals Gesicht. Der sieht ihm wütend, zornig in die Augen.


Beide verharren. Harras Blick sprüht Funken nach dem jungen Mann. Hartmanns Atem zittert.


Harras geht langsam weg, wirft dem Geohrfeigten noch einen harten Blick zu. Der junge Oberst bleibt in Haltung stehen. Der General ist jetzt in seinem Rücken.


Er nimmt Hartmanns Ordensband vom Tisch und geht damit zu dem jungen Mann.



Hör mal zu, mein Junge.


Ich bin selbst ein alter Soldat. Ich versteh was von dem Geschäft und ich sage Dir -


Er beginnt, Hartmann den Orden am Band, es ist ein Ritterkreuz, mit wütenden Bewegungen anzulegen.


Jeder der was wert sein soll, da draussen - oder überall - der muss die Hoffnung haben, durchzukommen. Und den Willen. Sag mal freust Du Dich denn gar nicht, wieder zu Hause zu sein?


Er dreht Hartmann um und schließt mit harten Bewegungen das Ordensband im Nacken des Oberst.


Wenn dieser Scheiß-Krieg einmal vorbei ist...




Scheinbar reicht das, ihm den Mut zu geben, endlich zu antworten:


Ich hab nie ein richtiges Zu Hause gehabt, bis ich in die Hitlerjugend kam. Meine Heimat war das Schulungslager. Und dann… meine Staffel.


Harras streicht ihm von hinten über die Schultern, als wolle er ihn beruhigen. Er packt ihn und dreht ihn zu sich her.


Hör´n Se mir zu, Hartmann. Sie sind jung.


Wir sehen den General fast nicht, wir stehen hinter ihm. Aber wir sehen das junge und doch schon alte Gesicht des Oberst. Die Augen halb geschlossen, die Region um die Brauen schmerzerfüllt , die Züge wie lauschend, müde. Er hört zu, er scheint mit den Tränen zu kämpfen.


Aber Sie wissen´s nicht. Vor Ihnen liegt das Leben. Aber Sie wissen ja gar nicht, was det Leb´n ist.


Jetzt sehen wir in des Generals Gesicht. Er ist einen halben Kopf größer als Hartmann, er blickt seinen jungen Schützling aus nächster Nähe an, seine Augen strahlen, er wirkt, als zöge er mit seiner Energie den jungen Mann zu sich hoch.


Diese Welt ist wunderbar, glauben Sie mir.

Wir Menschen tun zwar sehr viel, um sie zu versauen, und wir haben auch gewissen Erfolg damit.


Drängend


Aber wir kommen nicht auf gegen das ursprüngliche Konzept.

Und das Konzept ist gut.


Ich weiss nicht, was sein Sinn ist , aber – in unseren besten Stunden – haben wir manchmal eine Ahnung davon.


Der General senkt den Blick, entlässt die Augen des jungen Oberst vom Leitstrahl seines Blicks, der Ausweichen unmöglich machte. Er nestelt noch einen Handgriff an der Uniform des Oberst, dann:


Komm wieder, Junge. Dann wirst Du nicht mehr an den Tod denken. Dann wirst Du Dir wünschen zu leben. Lange zu leben. Alt zu werden. So wie ich´s mir wünsche.


Es klingelt.


Schnitt.


Curd Jürgens (Im Alter von 40) – General der Luftwaffe Harry Harras, Harry Meyen – Oberst Hartmann.




Sonntag, Juni 20, 2010

Filmszenen I....danke!... in: Vision. Heino Ferch - Volmar. Regie: Margarethe von Trotta, 2008-2009



Bildquelle und Bildrechte: Concorde Filmverleih

...danke!... in: Vision- Aus dem Leben der Hildegard von Bingen. Heino Ferch - Mönch Volmar. Regie: Margarethe von Trotta, 2008-2009


Vor der Szene


Richardis, Markgräfin von Stade (Hannah Herzsprung), tritt im Alter von sechzehn ins Kloster am Disibodenberg als Novizin ein, zunächst zur Erziehung durch Hildegard, später, um im Orden ihre ewigen Gelübde abzulegen.


Hildegard weiss nicht, dass für Richardis die Ausbildung zur benediktinischen Magistra nur ein Karriereschritt ist, dem weitere, politisch relevante, dem Willen ihrer Familie, derer von Stade, nach folgen sollen.


Denn Richardis wird nicht, wie sonst üblich, bis zum Tode im Kloster ihrer Weihe bleiben, sondern selbst im Schachspiel der Macht an einen strategisch wichtigen Platz gesetzt werden.


Bildquelle: kino.de, Bildrechte: Concorde Filmverleih 2009 click auf das Bild, um es im Originalzusammenhang auf kino.de betrachten zu können.



Die Szene.


Scriptorium.


Zwei Hände falten der Länge nach ein papierernes Quartblatt. Eine Hand nimmt ein Falzbein und kneift den Falz glatt.


Die Kamera fährt zurück auf Halbnah.


Wir sehen, die Hände gehören einem Mönch. Er legt das Blatt auf einen bereits fertig gefalteten Stapel. Wir senken unseren Blick auf den Stapel und sehen eine Hand, die ihn ergreift.


Wir folgen der Bewegung, als die Hand das Papier an sich nimmt und erkennen, es ist Volmar, der sich hier gerade im Skriptorium Schreibpapier holt.


Hildegard hat die Erlaubnis, ihre göttlichen Visionen schriftlich niederzulegen. Volmar schreibt nach ihrem Diktat, ebenso Richardis.


Volmar geht einige Schritte weiter. Wir sehen, dass das niedrige Skriptorium, dessen grobe Steinwände ein Kreuzrippengewölbe überspannt, eng mit Schreibpulten bestückt ist. Mönche führen die verschiedenen Arbeitschritte der Bucherstellung und Manuskript-Kopie durch.


Einer zieht mit einem langen Lineal Schreiblinien auf ein Blatt. Volmar legt seinen unlinierten Stapel dem Bruder hin und nimmt sich statt dessen einen bereits fertig linierten Stapel.


Er geht weiter. Am nächsten Schreibpult sehen wir ein Beispiel der hohen Kunst der Buchillumination. Eine Doppelseite mit Text und Bildverzierungen ist fertig auf dem Pult aufgespannt. Ein junger Mönch ergänzt Buchstaben.


Wir eilen Volmar einige Schritte voraus, als er sich nach dem letzten Pult umdreht. Wir sehen Richardis von Stade, die an einem Stehpult etwas abseits von den Brüdern Texte von Hildegard ins Reine überträgt.


Sie wendet sich an Volmar.


Hier steht: Daher bin ich auch der lebende Quell, weil alles was geschaffen ist, wie ein Schatten in mir war. Die ehrwürdige Mutter hat geschrieben: ..erat, umbra in me fuerunt. , es heißt aber, fuit, - darf ich das verbessern?


Volmar überlegt einen Moment, dann lächelt er. Wir sehen, er freut sich über die wache Aufmerksamkeit der jungen Novizin. Er blickt ihr kurz in die Augen:


Ja.


Und wendet sich dann unverzüglich ab, um zu seinem eigenen Pult an der Stirnseite des Saales zu gehen. Im Gegenlicht eines schmalen Rundbogenfensters bleibt er stehen. Er scheint zu überlegen, dreht sich zurück zu Richardis.


Er geht wieder auf Richardis zu.


Ich werde unserer Magistra vorschlagen, dass Du bei unseren Arbeitssitzungen dabei sein kannst.


Ein ungeheuerlicher Gedanke, eine fast undenkbare Bevorzugung für eine junge Novizin, eigentlich ein unglaublicher Verstoß gegen jede Klosterdisziplin.


Richardis erschrickt. Ihr ist klar, welch ungeheurer Vorschlag ihr gerade gemacht wurde.


Sie ist zu jung, um an sich zu halten. Ihr kindlichen Überschwang lässt sie, wohlgemerkt vor allen Mönchen des Skriptoriums, auf Volmar zueilen. Sie wagt es, ihn anzufassen. Sie gibt Volmar einen Kuss auf die Wange.


Ausserhalb der Klostermauern sicherlich ein legitimes Zeichen kindlicher Dankbarkeit, in dieser Umgebung angesichts des Kontaktverbotes zwischen Mönchen und Nonnen eher geeignet, einen sofortigen Ausschluß aus der Klostergemeinschaft zu bewirken.


Richardis hat alle Keuschheitsregeln geordneten Zusammenlebens verletzt.


Sie ruft


Danke!


Und lässt einen sehr verdutzten Volmar stehen, um am Schreibpult ihre Arbeit wieder aufzunehmen.

Volmar lässt sich tatsächlich ein wenig aus seiner zölibatären Ruhe bringen.


Ein zerstreutes


Ja.


Und eine schnelle Abwendung vertuschen vor ihm selbst, was er da gerade erlebt hat.


Er setzt sich hinter sein hohes Schreibbrett, nimmt eine Feder zur Hand…

…und wirft noch einmal einen Blick nach Richardis.


Er beginnt, zu lächeln, als er die ersten Zeilen des Blattes vor sich liest.


Diese, Volmars, Eigenschaft, die Dinge nach ihrem beabsichtigen Wesen zu betrachten und nicht knöchern nach Geboten und Verboten zu urteilen, ist nicht nur für Richardis eine wertvolle Hilfe in dieser von rigiden Regeln geprägten Umgebung.


Unser letzter Blick erfasst das ganze Skriptorium. Alle arbeiten konzentriert und still, keiner wirft Blicke nach Richardis oder Volmar. Nur Richardis lächelt glücklich. Der Vorfall blieb wohl nicht unbemerkt, aber unzensiert.


Heino Ferch (im Alter von 46) – Mönch Volmar, Hannah Herzsprung – Novizin Richardis von Stade, Barbara Sukowa – Hildegard von Bingen.


- .- -

A very warm welcome to one visitor from Niue, an island south of Samoa and west of the Cook Islands.




.and one return visitor from Tuvalu. pic



Montag, Juni 14, 2010

Filmszenen I ...ist DAS ein Einhorn?.. in: Vision. Heino Ferch - Volmar. Regie: Margarethe von Trotta 2008-09



Bildquelle und Bildrechte: Concorde Filmverleih

Ein nicht sehr weites Gelass, eine grobe Holztür, ein romanisches kleines Kruzifix an der Wand. Die Tür geht auf, wir sehen gerade noch den kinnhohen Stapel Bücher, den Volmar auf dem linken Arm balanciert, dann dreht er uns schon den Rücken zu, um mit der freien Rechten die Tür zu schließen.

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Er wendet sich zu uns um, scheinbar sucht er etwas oder jemanden. Die Bücher sind schwere in Leder gebundene Quartfolianten, Handschriften.

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Was er sucht, scheint er gesehen zu haben: wir begleiten ihn, als er mit wenigen schnellen Schritten den Raum durchquert und durch einen offenen Durchgang nach draussen blickt. Dort steht, im Gärtlein ihrer Klause, Hildegard. Sie beschäftigt sich mit einem kleinen Kräutergärtlein, das sie in der Umfassungsmauer ihrer Klausur angelegt hat.

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Volmar spricht sie vorsichtig an:

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Ehrwürdige Mutter.

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Hildegard wendet sich ihm zu, entdeckt die vielen Bücher. Kommt erstaunt näher.

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Jetzt ist sie im Innenraum. Sie wirkt richtiggehend erschrocken.

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Bücher waren zu dieser Zeit etwas Sensationelles und sehr Seltenes. Jedes Buch war ein Unikat, es gab keine andere Vervielfältigungsmöglichkeit, als das ganze Buch komplett abzuschreiben. Dies geschah in klösterlichen Skriptorien.


Das heißt, das Erlangen von Wissen war extrem schwierig, da nur sehr wenige bevorzugte Personen überhaupt Zugang zu Bibliotheken hatten. Nicht jeder durfte alles lesen. Das Gedankengut antiker Schriftsteller galt der Kirche als Ketzerei.

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Volmar verschwörerisch:

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Bischof Siward von Uppsala ist zu Besuch gekommen und hat seine Reisebibliothek mitgebracht. Ich habe ihn gebeten, mir einige Bücher für Dich ausleihen zu dürfen.

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Hildegard schlägt die Hände vor den Mund. Wir sehen ihre atemlose Begeisterung .

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Sie eilt zur Zellentür und legt den Riegel vor.

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Volmar hat einen Stapel von sieben gewichtigen Folianten auf dem Schreibpult abgelegt. Auch er ist erregt. Was da vor ihm liegt, ist nicht nur Papier. Es ist die Möglichkeit, den geistigen Horizont jetzt hier und sofort zu erweitern.

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Volmar

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Du kannst wählen.

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Er wendet sich den Büchern zu.

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Vier Bücher über Medizin. Eines über Edelsteine. Und zwei antike Klassiker. Der Herr Bischof lässt Dir ausrichten: Er schätzt besonders den Dioskurides.

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Hildegard eilt herbei und ergreift das Buch.

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Volmar

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….und…

den Physiologus.

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Hildegards Blick entnehmen wir, dass sie von Physiologus noch nie etwas gehört hat.

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Volmar erklärt also:

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Es ist eine Mischung aus Fabeln und Beobachtungen aus dem Reich der Natur.

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Er reicht Hildegard den Folianten.


Stammt aus Alexandria. Zweites Jahrhundert.

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Hildegard setzt sich damit in die Fensternische auf die Steinbank. Sie ist so erregt, wie wir es wären, wenn wir ein Gewinnlos in Händen hielten.

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Volmar steht neben ihr und hält ein weiteres Buch in der Hand. Jetzt kommt der Höhepunkt. Er bringt Hildegard antike, verbotene, ketzerische Autoren:

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Volmar:

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Ausserdem enthält es Ausschnitte aus den Werken von Aristoteles,

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Hildegard blickt überrascht auf. Volmar weiss, was er gerade sagt.

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Volmars Blick, freundlich und ein wenig konspirativ:

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Plutarch – und Plinius.

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http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/6/67/Naturalishistoria.jpg


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Hildegard blättert auf.

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Auf der Seite eine Abbildung eines weissen gemsartigen Tieres mit einem langen Horn auf der Stirn.


Bildquelle und Bildrechte wikipedia.de


Hildegard:

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Ist das ein Einhorn?



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Auch Abbildung und Glaube an das mythische Sagentier Einhorn waren eigentlich nicht erlaubt.

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Volmar, kurz: Ja.

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Hildegard, schnell:

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Ach.


Volmar ergänzt die Beschreibung des Tieres:

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Kein Jäger vermag es zu erlegen, oder zu fangen, einem jungfräulichen Mädchen aber .. springt es in den Schoss. – heißt es darin.

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Hildegard lacht ihm verschmitzt zu.

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Das Tier befindet sich, in Abbildung zwar nur, aber doch, im Buch - in ihrem Schoß.

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Schnitt.

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Heino Ferch (im Alter von 46) – Mönch und Beichtvater von Hildegard Volmar, Barbara Sukowa – Hildegard von Bingen.

Montag, Juni 07, 2010

Filmszenen I ...hängen Se die Papiere Ihrer Grossmutter auf den Abtritt! in: Des Teufels General. Curd Jürgens - General Harras. R.: H.Käutner 1954-55

Bildquelle und Bildrechte: Arthaus Filmverleih und Divisa Home Video.

....und hängen Sie die Papiere Ihrer Grossmutter - auf den Abtritt!! in: Des Teufels General. Curd Jürgens - General Harry Harras. Regie: Helmut Käutner 1954 - 1955. Nach einem Bühnenstück von Carl Zuckmayr.


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Vor der Szene


Der Abend bei Frau Kammersängerin ist weit fortgeschritten, im weitläufigen Wohnzimmer werden Operettenarien geschmettert, die Gesellschaft ist weitgehend alkoholisiert.


Im Nebenzimmer küssen sich der General und Diddo, die blutjunge Nichte von Frau Kammersängerin. Diddo ist schön und ernst und weit über ihr chronologisches Alter hinaus erwachsen. Und der General hat sich dieses Mal wirklich ernsthaft verguckt.


Die klare junge Frau hat in Harras eine Saite zum schwingen gebracht, die ihn daran erinnert, dass es noch mehr gibt, als Krieg, Sarkasmus und Alkohol. Diddo ist für Harras Leben. Unschuld. Hoffnung - mitten in einem zerstörungslüsternen Land.


Die Szene


Im Wohnzimmer


Man walzt froh und saftig.


„Wie ein Wunder kam die Liebe über Nacht…“


Die Tür geht auf. Diddo und Harras kommen herein, jeder ein Tablett mit vielen gefüllten Kaffeetassen in der Hand.


Sondermeldung: Der Kaffee ist fertig.


Die Gesellschaft strömt den Tabletts entgegen, auch von der Antichambre her. Nur Eilers und seine Gattin bleiben am Rauchertisch in zwei bequemen Fauteuils sitzen.


Wir nähern uns in Harras Rücken den beiden.


Oberst und Kriegsheld Friedrich Eilers, in Uniform, zu seiner Frau:


Weißt Du, Anne, manchmal bin ich direkt glücklich, ich hab´s neulich an Oderbruch geschrieben, - glücklich dass ich kämpfen darf.


Für dich, für die Kinder und für eine bessere Zukunft.


Harras durchbricht Eiler´s melancholische Stimmung.


Na – drüben gibt’s Kaffee. Drüben.


Harras ist deutlich angetrunken. Er schwankt. Er kämpft geübt gegen die Wirkung des Alkohols, dennoch sehen wir, dass der Hüne einiges an Hochprozentigem intus hat.


Seine schwere Hand drückt Eilers in den Sessel zurück. Harras hält sich am Treppengeländer fest.


Nu sach doch wo - wo issn eingtlich dea Conjack hinjekomm.


Eilers versucht zum zweiten Mal aufzustehen. Er sagt zu Harras:


Es war ein reizender Abend.


Harras, er hält sich hinter seinem Rücken mit beiden Händen am Geländer fest, schwankt nach vorne:


Nu – n bisschen bunt, nich… aber…


Er verschwindet aus dem Bild.


Eilers und Gattin lachen. Sie lieben den blonden blauäugigen Hünen, der auch beschwipst noch immer eine äußerst eindrucksvolle Figur macht in der betressten Generalsuniform mit den weissen Rockaufschlägen. In der Uniform steckt ein Mann von friederizianischem Gardemass, - Brustkorb wie ein Bär und Schultern, die jeden anderen neben ihm filigran aussehen lassen.


Harras stößt die Türen zum Gartenzimmer auf. Drin herrscht Halbdunkel. Ganz hinten am weiten Durchgang zum Wintergarten steht jemand, die Hände in den Hosentaschen.


Frau Eilers, aus dem Off:


Leutnant Hartmann ging da eben hinaus.


Harras wendet sich zu den beiden zurück.


Ach.


Wieder mit Blick in das Nebengelass.


Armer Kerl. Is der im Dienst auch so duckmäuserisch.


Eilers tritt neben Harras, schnell:


Na ganz im Gegenteil. Immer vorne ran. Immer freiwillig. Aber immer ernst. Manchmal könnte man denken, dem is das Leben überhaupt nüscht wert.


Harras


Das hör ich garnich gerne.


Ruft in den Wintergarten:


Leutnant Hartman!!


Von drinnen


Herr General?


Hartmann dreht sich um nimmt Haltung an, knallt die Hacken.

Harras geht zu ihm hin, Hartmann verharrt in Haltung.


Was is denn mit Ihn´los?


Hartmann


Nichts, Herr General.


General Harras und Oberst Hartmann stehen jetzt beide an der Grenze zur Terrasse. Kahles Geäst hinterfängt ihre Silhouetten. Jenseits eine stille Straße, Villen, Nebel.


Harras, er schiebt seine Hände bequem unter der Uniformjacke zum Gürtelbund hoch, ein Zeichen für Informalität.


Na, dann stehnse mah bequem. Und knöpfen Se ihr Inn´leben auf.


Hartmann lässt kaum in der Haltung nach.


Harras, er schwankt ein wenig nach vorne.


Toter Punkt – oder Liebeskummer?


Hartmann lässt den Blick sinken.


Harras, er versteht, zweiteres.


Na also. Wat issn mit der Kleen Mohrum?


Hartmann:


Es ist aus Herr General, wir werden uns nicht verloben.


Die Kamera fährt nahe an Hartmanns Gesicht heran. Wir sehen einen germanisch-arischen Schädel, wie von Arno Breker gemeisselt.


Harras


Ach. Und warum nich?


Hartmann


Ich weiss es nich, - wahrscheinlich wegen….es ist da etwas mit meinem -….Nachweis. Eine meiner Urgroßmütter scheint aus dem Ausland gekommen zu sein.


Harras, lauscht wohlwollend, schwankt. Seine wasserhellen Augen schwimmen. Mit gespieltem Entsetzen:


Ach, dann sind Se wohl nich´ganz arisch, was?


Hartmann, leise:


Man hat das oft in rheinischen Familien – jedenfalls sind die Papiere nicht aufzufinden.


Harras, mit gespieltem Bedauern:


Na ja – dann begreif´ich natürlich Frollein Mohrum.

Dann sind Sie ja ein Mensch zweiter Ordnung, hm?

Dann könn´Se´ja keine Parteikarriere mach´n.


Hartmann, traurig:


Nein, Herr General.


Harras, mit gespieltem Ekel:


Schrecklich. Diese alten verpanschten rheinischen Familien –


Harras geht an ihm vorbei, beginnt zu lachen. Dreht sich zu Hartmann um. Stützt den Arm auf eine Gartenvase. Dann, stark leidenschaftlich, suggestiv:


Stelln Se´sich doch bloß mal Ihre wohlmögliche Ahnenreihe vor!


Da war – ein – römischer Feldherr.

Schwarzer Kerl.


Der hat einem blonden Mädchen – Latein – beigebracht.


Flüsternd:


Dann kam ein jüdischer Gewürzhändler in die Familie.


Er tritt ganz nahe an Hartmann heran, streckt den Kopf vor.


Das war ein ernster Mensch. Der is schon vor der Heirat Christ geworden. Und hat die katholische Haustradition begründet.


Er wendet sich über die Schulter ab. Geht ein paar Schritte.

Dreht sich mit Schwung zurück zu Hartmann. Weiter:


Dann kam ein griechischer Arzt dazu.

Ein keltischer Legionär.

Ein Graubündener Landsknecht.

Ein schwedischer Reiter


Er kommt wieder näher zu Hartmann, sieht ihm wild und fordernd ins Gesicht:


. ..und ein französischer Schauspieler.


Er treibt sein Spiel immer weiter. Jetzt ist er flammend leidenschaftlich freudig erregt. Laut:


…ein… böhmischer… Musikant!!


Er starrt mit wildem Blick auf Hartmann, umkreist ihn mit wenigen Schritten. Wieder leiser, mit dramatischen Pausen:


..und das alles…. hat am Rhein…gelebt!!


Mit wildem Pathos:


...gerauft…gesoffen…gesungen…und

…Kinder gezeugt.


Jetzt lässt er das Pathos sausen und lächelt. Dicht in Hartmanns Gesicht.


Mhm.


Er legt nach, in Plauderton:


..und der Goethe, der kam aus demselben Topf.


Wir sehen, dass Harras betrunken ist. Ihm fallen immer mehr Namen ein.


Und der Beethoven. Und der Gutenberg. Und der ….Matthias Grünewald.


Er reckt den Hals, wirft Hartmann die Namensträger der abendländischen Kunst ins Gesicht. Jeder Name eine Welt. Jeder Name ein Baustein, jeder Name Träger von Werken die synonym stehen für Bereicherung unseres Menschseins, für das Gute, das Schöne, das ein Volk hervorbringen kann.


Und so weiter, und so weiter.


Er geht um Hartmann herum. Schwankt. Leise:


Das waren die Besten, mein Lieber.


Er stiert Hartmann aus aufgerissenen Augen an. Er ist pathetisch. Er ist betrunken.



Bildquelle und Bildrechte: Arthaus Filmverleih und Divisa Home Video.


Er ist wunderbar.


Vom Rhein sein, das heißt: --- vom Abendland. Das ist natürlicher Adel.


Harras packt Hartmann bei den Schultern.


Das is Rasse!


Er hält ihn an den Schultern.


Harras.


Sei´n Se´stolz drauf, Leutnant Hartmann! Und..

Hängen Se´die Papiere Ihrer Großmutter ..


.. auf den Abtritt!!!


Hartmann


Das kann ich Frollein Mohrum niemals begreiflich machen.


Harras, schon an der Tür, dreht sich zurück:


Ja, weil se ne dumme Gans is.


Hartmann


Herr General!


Harras.


Ach sei´n Se´doch froh, dass Se´die Schneppe los sind!

Die is doch keine Briefmarke wert! Bisschen Spass für acht Tage Urlaub.


Hartmann dreht sich weg.


Harras


Bestenfalls.


Schnitt.



Curd Jürgens (im Alter von 40) - General der Luftwaffe Harry Harras, Harry Meyen - Leutnant Hartmann, Marianne Koch - Dorothea "Diddo" Geiss, Camilla Spira - Frau Kammersängerin Olivia Geiss.