Montag, März 05, 2007

Filmszenen I ...Nu mach´doch mal n´schöneret Jesicht!... in: Die Mauer.

Porträt Hans Kuhlke - Heino Ferch. 2005-06

 Teaser - Film: Die Mauer - Berlin ´61

"...Nu mach´doch mal n´schöneret Jesicht!...." in: Die Mauer-Berlin ´61. Teil 2. Porträt Hans Kuhlke - Heino Ferch. 2005-06

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Bildquelle und alle Bildrechte bei teamWorx Filmproduktionsgesellschaft und WDR (Westdeutscher Rundfunk)

Hans und Erwin im Auto. Erwin am Steuer.

Close Up auf Kuhlkes Gesicht. Er wirkt, als wäre ihm die Situation unangenehm, warum, wissen wir noch nicht.

Erwin: Nu mach´doch mal n´schöneret Jesicht!

Kuhlke versucht es tatsächlich.

Erwin: Biss´ doch ´n Glückspilz. Ha? Komms´ rüber, hass´ gleich Arbeit...

Erwin forciert künstliche Fröhlichkeit.

Gleich durchstart´n, hm?

Lacht unternehmerisch. Wie sehen, dass er noch einmal zu Kuhlke hinüberblickt. Was er da zu sehen scheint, ist offensichtlich ein Null-Echo.

Schnitt.

Eine offene Wohnungstür.

Kuhlke steht im Türausschnitt.

Über dem einzigen Hemd, das er jetzt noch besitzt, dem „Westhemd“, trägt er eine viel zu große Anzugjacke, offensichtlich Leihstück von Erwin, der recht stämmig ist. Unter dem Arm eine zerschlissene Aktentasche. Er sieht erbarmungswürdig „falsch“ aus.

Er fühlt sich unwohl. Er stammelt

Ich...a....ich bin von Möbel-Sawatzke. Sie sind drei...

Schnitt auf die angesprochene Person. Ein älterer korpulenter Mann mit Brille und Hauskleidung, Großvater-Strickweste, Karohemd.

Der Mann hört zwar zu, versteht Kuhlkes Gestammele aber offensichtlich nicht ganz.

....drei Raten in Rückstand und wir haben Sie jetz´ schon vier Mal...

Kuhlkes Text klingt auswendig gelernt und von ihm selbst nicht verstanden.

Wieder Schnitt auf Kuhlke:

Scheinbar fühlt er auch, dass etwas nicht stimmt. Er schüttelt den Kopf wie ein Schüler, der sich beim Vorsprechen eines Gedichts vertan hat und sieht in einem Zettel nach, den er in der Hand hat. Er blättert.

..Sie sind...

Er findet die entsprechende Stelle nicht.

Wir sehen, dass er sich immer schlechter fühlt.

Er zögert einen Moment. Wir fühlen, dass in diesem Zögern ein einziges Gefühl stark und präsent ist:

Der Wunsch, weit weg zu sein aus dieser Situation. Der Zettel in seiner Hand scheint ein sinn- und bedeutungsloses Stück Papier.

Er blickt auf.

...Sie sind vier Raten in....

Wieder sieht er in den Zettel. Jetzt vielleicht, um dem Mann nicht mehr ins Gesicht sehen zu müssen. Noch mehr brauchen wir nicht mitzubekommen. Die Situation ist verloren.

Schnitt

Wieder im Wagen. Erwin ist sauer, schweigt Kuhlke verärgert an.

Kuhlke schielt nach ihm, Verlierergesicht, schuldbewusst.

Zweiter Versuch.

Wir stehen hinter Kuhlke und blicken dem zahlungsrückständigen Kunden ins Gesicht. Ein Fleischertyp mit Cholerikerphysiognomie.

Der Fleischer knurrt:

Wasss denn...?

Kuhlkes ängstlich unterlegen gequältes Beschwichtigungs-Verliererlächeln weckt in uns den Wunsch, sofort wegzusehen, um dieser Prostitution des Selbstwertgefühls eines Menschen nicht mehr durch unsere Blicke eine noch größere Beschämung hinzuzufügen.

Jetzt traut sich Kuhlke zwei Worte zu sagen, schüchtern:

...Möbel Sawatzke. ..

Knall. Die Wohnungstür fällt ins Schloß.

Kuhlke legt den Kopf ein wenig schief, es kommt noch ein Wort, obwohl die Tür schon zugeknallt ist:

...ich....

Oh Jesus Christ, ist das furchtbar. Wie kann ein Mensch nur so ohne jede seelische Stabilität auf einer Eisscholle innerer Verlorenheit treiben...(Jungs wo seid ihr denn alle? Marc Bittner, gib ihm was von Deinem lauernden Sadismus, Hanno gib ihm was von Deiner Zukunftsgläubigkeit, Georg Meier, gib ihm was vom Deiner Renitenz, Barbie, gib ihm Deine Wut, Weber, gib ihm Dein Ego, Mühlhausen, gib ihm ein Gran deiner geistigen Wendigkeit!
Keine Antwort.
Ich weiß auch nicht, wo sie sind. Scheinbar irgendwo in der Vergangenheit verschwunden.)

Die Quälerei hat ein schnelles Ende. Kuhlke hat nicht mal einen Eröffnungssatz geschafft.

Auto.

Kuhlke, zerknirscht:

Ich kann das im Moment nich...

Erwin. Ach, hoe´ doch uff, wat isdenndadabei? Immer zuerst den Fuss in die Tür....

Kuhlkes Blick? Uns sträubt sich die Feder. (Haben Sie schon mal ein nicht sehr großes Tier angeschrien, ihren Hund vielleicht, ihre Katze? Erinnern Sie sich?)

Erwin. Det is doch janz klaar.

Schnitt.

Dritte Wohnung.

Ein junges Paar. Die Frau in Latzschürze, der Mann im Karohemd. Arme Leute. Wir stehen wieder schräg hinter Kuhlke.

Die Frau weint. Kuhlke hat Sawatzkes Forderung offensichtlich schon vorgetragen.

Schnitt auf Kuhlke.

Er steht wieder im Türrahmen. Hinter ihm ein Tapetenmuster, als hätte jemand Sauerkraut an die Wand geworfen. Neben seinem Kopf sehen wir ein Wandschmuckbild- Holzschnitt im weissen Balkenrahmen: Rotkäppchen und der Wolf.

Kuhlke ist kein Wolf. Er hat Mitleid. Er sagt nichts. Er sieht der Verzweiflung der Frau selbst verzweifelt zu.

Schnitt.

In Erwins Möbelhaus.

Erwin hängt Lampen auf und erzählt Katharina Kuhlke, was er mit ihrem Mann erlebt hat:

....na ja, und denn – isser losjerannt........einfach los.

Is abjehaun...

..... na kann man ja auch irjendwie vaschtehn...

.... is ja auch furchtbar allet....

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2005-2006 Heino Ferch – Hans Kuhlke, Inka Friedrich – Katharina Kuhlke, Axel Prahl – Erwin Sawatzke.

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Donnerstag, März 01, 2007

Filmszenen I "...dass das erlaubt ist..." in: Die Mauer. Teil 1.

Heino Ferch - Hans Kuhlke. 2005-2006

Teaser Film: Die Mauer - Berlin ´61

Bildquelle und alle Bildrechte bei teamWorx Filmproduktionsgesellschaft und WDR (Westdeutscher Rundfunk)

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"...dass das erlaubt ist....!" in: Die Mauer - Berlin ´61. Porträt Hans Kuhlke - Heino Ferch. Regie: Hartmut Schoen, Buch: Hartmut Schoen, 2005-2006

Hören statt Lesen - Kino für die Ohren: Audio.mp3

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Vor der Szene:

August 1961.

Hans Kuhlke, ein Bauarbeiter, seine Frau Katharina und sein Sohn Paul, ca. vierzehn, leben im Ostteil Berlins.

Nach einem Besuch der Geburtstagsfeier des Möbelhaus-Besitzers Erwin Sawatzke und seiner Frau Renate im Westteil der Stadt ist Hans und Katharina der Rückweg nach Hause versperrt.

Als sie am Ende der Heimfahrt den U-Bahnhof zu Hause im Ostteil der Stadt verlassen wollen, ist der Ausgang vergittert.

Soldaten überall. Die Grenzen wurden in dieser Nacht dicht gemacht, nachdem monatelang Tausende und Tausende von Menschen aus dem Osten in den Westen abgewandert waren.

Die Mauer wird gebaut.

Hans und Katharina bleiben zunächst bei Sawatzkes. Paul, der Sohn, war an diesem Abend zu Hause in der elterlichen Wohnung im Osten. Jetzt ist die Familie auseinandergerissen.

Hans und Katharina sind plan- und ratlos, was sie tun können. Sie haben nichts. Kein Geld, keine Arbeit, nicht mal Kleidung zum Wechseln.

Hans ist machtlos gegenüber der Situation, dem Vorgehen der staatlichen Instanzen, er kann kaum begreifen, in welchen Alptraum er eintaucht. Er vermisst seinen Sohn, zu dem er eine besonders enge und tiefe väterliche Bindung hat.

Zeit vergeht.

Paul darf nicht in den Westen. Der Staat kümmert sich um seine Erziehung im sozialistischen Geist.

Hans und Katharina gehen immer wieder zum Zaun, der West und Ost trennt. Sie geraten in eine Straßenschlacht. Hans wird geschlagen und blutet aus der Nase.

Sie gehen zu Sawatzkes zurück, mit denen sie sich vorher eigentlich wegen Renates Unfreundlichkeit überworfen hatten.

Die Szene.

Erwin Sawatzke am Telefon:

Renate.. ich...ja.. ja....

Totale. Nacht. Kunstlicht.

Wir sehen, dass die drei im großen Ausstellungsraum des Möbelhauses Sawatzke sind. Hans sitzt auf einer Ausstellungscouch, den Kopf im Nacken. Er versucht, die Blutung zu stillen.

Katharina geht unruhig hin und her. Sie sieht in der Zeitung ein Foto von sich und Hans. Beide hatten versucht, schwimmend das Ostufer zu erreichen, waren aber zurückbefohlen worden.
Ein Sensationsfoto von ihnen, nur in Unterwäsche, alarmiert und verängstigt, auf der Titelseite der Zeitung.

Katharina: Dass das erlaubt ist....

Erwin kommt vom Telefon zurück:

Tja, tut mir leid, det klappt leider nich... ...die Handwerker war´n bereits da und ham det janze Zimmer vollgestellt, also bei mir zu Hause könnter leider nich´ übernacht´n ..

Aber – wie jesacht - det is ja hier allet fabrikneu, zum Teil schon Winterware – für Euch nur det Feinste vom Feinst´n...

Katharina hat sich auch gesetzt, stützt ratlos den Kopf in die Hände.

Erwin lächelt pseudoverbindlich.

Erwin, ernster: Na ja, jez versucht erstma´ n´ bisschen zu schlafen..

Er sieht sich nach Hans um. Hans hält noch immer den Kopf hoch, um die Blutung zu stillen. Immer wieder muss er ein Taschentuch gegen sein Gesicht drücken, Blut fließt nach...

Erwin dreht sich zu Hans um:

Braucht ihr noch watt...?

Hans, leise, schüttelt den Kopf:

Nee.

Erwin:

Mannomannomann! ..die könn´ doch unmöglich so ´ne Stadt wie Berlin—ach wat sachich, die wolln´ja janz Deutschland zerteil´n.

Na ja - aber wartet´s mal ab: ihr werdet schon sehn´, nächste Woche is dat allet wieder vorbei, da wern´ wir nur noch drüber lachen, hmm?

Schnitt auf Hans.

Er hört den aufmunternden Ton nicht. Er will ihn nicht hören.

Wir fühlen, dass mit Hans eine Veränderung geschieht. Er wirkt ablehnend, verschlossen, bleiern. Sein Blick, seine Augen zeigen etwas, was uns beunruhigt. Da ist kein Wille mehr, kein Blick, der eine Zukunft sähe.

Uns weht etwas an, das sich anfühlt, wie die resignierte Traurigkeit eines im Zwinger vergessenen Tieres.

Erwin: Oder?

Als Hans den Kopf hebt, die Lippen zusammenpresst, wissen wir, dass seine Antwort, würde er etwas sagen, ablehnend wäre.

Es scheint, als würde etwas in ihm abgleiten, abrutschen, in die Tiefe fallen, wie ein Stück Erde, ein Stein, der über eine Kante ins Bodenlose fällt.

Wir empfinden deutlich, dass wir einem Mann zusehen, dessen Gefühl, allein gelassen zu sein, ihn beinahe mitreißt, hinunterdrückt, wie eine hohe Wasserwelle.

Erwin zieht sich zurück, ein wenig schüchtern vor Hans´ schweigender Ablehnung.

Jez schlaftma erstma. Gut nacht!

Erwin löscht das Licht.

Der Raum ist dunkel, Licht kommt nur von draussen, von der Straßenbeleuchtung, die durch die großen Schaufenster hereinscheint.
Wir begreifen, dass das Ehepaar wie zwei Dekorations-Ausstellungsobjekte von draussen zu sehen wäre, wäre Licht im Raum angeschaltet.

Schnitt auf Hans.

Er ist zusammengesunken. Atmet schwer, als wäre jeder Atemzug eine Anstrengung. Er wirkt völlig lethargisch, innerlich erstarrt, dumpf, erschöpft. Er stützt sich auf die Armlehne, steht mit bleiernen Bewegungen auf, geht ein paar Schritte.

Schnitt auf Katharina.

Wir sehen sie von hinten. Sie steht da und blickt aus dem Schaufenster.
Sie scheint zu frieren.

Hans geht zu einer Liege hinüber.

Er hält sein Taschentuch in beiden Händen. Es ist keine besondere Bewegung oder irgendwie auffällige Haltung. Aber die Art, wie diese beiden Hände sich an dem Stück Stoff festhalten, erschüttert. Die Geste ist umweht von einer resignierten, unbeschützten Einsamkeit, bei der wir nicht wissen, ob wir wegschauen, wegrennen oder weinen sollen.

Hans lässt sich auf der Liege nieder, jede Bewegung ist bemüht, angestrengt. Wieder presst er das Tuch gegen die Blutung.

Atmet durch.

Er dreht den Kopf.

Wir folgen seinem Blick und sehen seine Frau an der großen Glasfront des Schaufensters stehen. Draussen gehen Passanten vorbei.

Hans sieht eine Weile nach ihr, dann lässt er den Kopf auf die Brust sinken. Im Halbdunkel wirkt sein Gesicht verzweifelt, verhärmt.
Jeder steht für sich allein.

Keine Worte.

Keine Brücken.

Ende der Szene.

- - -

2005-2006 Heino Ferch – Hans Kuhlke, Inka Friedrich – Katharina Kuhlke, Axel Prahl („Das Wunder von Lengede“, „Sommer vorm Balkon“, „Nicht alle waren Mörder“) – Erwin Sawatzke, Frederick Lau – Paul Kuhlke.

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