Montag, Oktober 10, 2005

„Robin Hood ...ist einfach n´bißchen dicke!“ in: Der Anwalt und sein Gast. Teil 1b. ( Heino Ferch ist Christian Weller) Regie: Thorsten C. Fischer. Buch: Jörg von Schleebrügge 2002 - 2003

Text: ignazwrobel

„Robin Hood der Anwaltschaft ist einfach n´bißchen dicke!“

Aussen. Tag. ( -Der Feind der Kunst.)

Platz mit Gerichtsgebäude, klassizistische Tempelarchitektur mit hohem korinthischem Säulenportal, in direkter Nachbarschaft Plattenbürobauten.

Eine riesige Familienkarre kreuzt auf und parkt vor dem Gebäude.


Schnitt. Direkt über dem Autodach.

Wir sehen Kopf und Rücken des Gewissens des Gerichtssaals. Es entsteigt der Familienkarre, wirft, ohne sich zum Wagen umzudrehen, per Ultraschall-Key das Schließsignal über seine Schulter und strebt dem Ort seines Wirkens zu.

Schnitt.

Gerichtsgebäude innen.
Prachtvolle palladianische Eingangshalle. Gediegenheit und Tradition als Versprechen auf Recht und Ordnung.

Die Gestalt unseres Anwalts schält sich aus dem Gegenlicht der Eingangsfront.

Aus dem unscheinbaren Jogger vom Anfang ist ein hocheleganter Herr geworden. Dunkelgrauer Anzug, dunkelgraue Krawatte, Oxfords, perfekter Haarschnitt, Lederkoffer - und die Krönung: ein beiger Kamelhaar – Kurzmantel.

Der Herr erklimmt federnden Schrittes die breite Pferdetreppe ins Obergeschoß.

Während er die Stufen hochschnellt und dann in eine der langen Gänge einbiegt, hören wir im Off einen Kollegen mit ironischem Unterton aus dem Artikel der Märkischen Allgemeinen zitieren.

Jurist als Robin Hood......privates Gewissen nicht zynisch zu trennen wie...Er wollte sich nicht ausschließlich in den Dienst des kleinen und großen Verbrechens stellen.....

Wir sehen die Zeitung in den Händen des Kollegen.

...sondern sein Können und Wissen einsetzen....

Der Kollege lacht verständnislos. Der Artikel wird in der Runde von den Anwesenden offensichtlich heiß diskutiert.

Als unser Anwalt im ersten Stock um die Ecke biegt, touchieren ihn beinahe zwei junge Mädchen, die görenhaft kichern. Das Kichern gilt ihm.

An der Tür zu seinem Büro will ihm jemand etwas zurufen:

...heute schon einen....

Unser Anwalt legt den Finger an den Mund

Pschhhhht. Ist der Spruch gut?

Sein Zeigefinger sticht auf den Sprecher zu, beschwört, hält hin..

Ein Blick zur Seite, er läßt dem Anderen Zeit zum Innehalten, dann schießt sein Blick wie eine abgefeuerte Waffe wieder auf den Zurufer.

Ist der wirklich gut?

Der andere verstummt – eingeschüchtert.

Unser Anwalt verschwindet durch eine opulent verzierte Jugendstiltür in seinem Büro.
Schnitt.

Wir mit ihm drinnen. Er hält inne. Scheint zu überlegen oder Spannung abzubauen oder sich Sorgen zu machen oder alles zusammen. Er wankt beinahe, hält sich am Türholm fest, sieht aus, als hätte er ein Kreislaufproblem.

Dann knallt seine Hand den Schweinslederkoffer auf einen Stuhl.

Beim Schwenk nach oben entdeckt die Kamera für einen Moment an der Wand eine schöne glutäugige junge Frau, die dort sitzt. Sie wartet, beobachtet.

Der Anwalt hat sie - wohl aufgrund seines leichten Unwohlseins- übersehen. Er wähnt sich allein, geht zum Fenster, wir sehen seinen Rücken dunkel gegen den hellen Fensterausschnitt. Er scheint zu denken. Jetzt fährt er herum. Die junge Frau hat etwas gesagt.

Die Sekretärin hat mich reingelassen.

Der Anwalt sieht sie abwartend an, er fordert sie wortlos auf, ihr Anliegen zu enthüllen, sie sagt.

...der zweite Teil des Interviews. Wir sind verabredet.

Er löst seine starre aber auffordernde Haltung, erinnert sich, dreht sich zur Seite. Das paßt ihm jetzt gar nicht.

Er hängt – immer noch wortlos – seinen Mantel auf, fixiert die junge Frau mit strafendem Blick.

Die Frau

Sie also auch. Kitschig und verlogen hat der Redakteur gesagt. Typisch Hospitantin.
Aber ich hab das schließlich nicht erfunden. Man spricht nun mal so über Sie...

Der Anwalt sieht sie richtig böse an. Zornfalte zwischen den Brauen, hart angespannte Oberlippe – (aua!)

Er wirft ihr noch einen beleidigten Blick zu – schlägt dann die Zeitung auf.

Schlagzeile:
Fangt die Bestie.

Sie: Sie haben ihn übrigens gefaßt, nachem er eine dritte Frau umgebracht hat – kam vorher im Radio.

Die Hospitantin hat – man muss es einfach sagen - ungewöhnlich schöne, große, sanft und tief lebensvoll glühende, bernsteinfarbene Rehaugen mit langen schwarzen Wimpern und schneeweißen Augäpfeln.

Jede ihrer Augenbewegungen ist ein Ereignis.

Totale.

Überblick über das großzügige Büro des Anwalts, riesiges Modern Art Gemälde an der Wand, gestische Striche in schwarzweiß, könnte Beuys-Schüler sein. Einrichtung im übrigen eine Mischung aus Designermöbeln und Traditionsmobiliar.

Der Anwalt beugt sich über die Zeitung, die Arme verschränkt auf dem Tisch aufgestützt. Wir merken, daß er hofft, die Frau möge kapieren, daß sie gehen soll. Damit sie´s auch versteht, reißt er nach zwei Sekunden den Blick mit einem gehen Sie bitte – Appell in den Augen zu ihr hoch.

Sie schaut – versteht - eingeschüchtert, resigniert, geht zur Tür, zögert am Türblatt.

Es tut mir leid.

sagt sie und tastet sich unsicher hinaus.

Als sie es nicht mehr mitbekommen kann, läßt die Spannung in des Anwalts Gesicht graduell nach. Das, was wir jetzt darauf ablesen können, wäre, wenn es sich nur um ein Jota verstärken würde, ein verzeihendes, ein wenig amüsiertes Lächeln.

Sein Versuch, die Lekture wieder aufzunehmen, wird von einer Entdeckung unterbrochen: wir sehen - durch seine Augen - ein braunes amorphes Objekt auf dem Besucherstuhl. Es ist offenbar ein Schal. Sie hat ihren dicken Jungmädchen-Strickschal auf seinem Besucherstuhl liegengelassen.

Als sich leichte Schritte nähern, fixiert er sofort wieder die Tür seines Büros. Er erwartet die junge Frau in der nächsten Sekunde wieder im Zimmer.

Die Tür öffnet sich, er deutet augenblicklich mit dem Kopf zum Stuhl. Er hat übrigens noch kein einziges Wort Text gesprochen, die ganze Zeit nur via Körpersprache kommuniziert. Wir haben ihn ausgezeichnet verstanden und nichts vermißt.

Die Sekretärin im off: Anwaltskanzlei Weller, Hallo.

So.

Jetzt wissen wir offiziell, wo wir sind und wie unser Anwalt eigentlich heißt: Weller.

Die Hospitantin ergreift ihren Schal.

Während sie schon wieder zur Tür gehen will, hält er sie auf. Seine ersten Worte wirft er ihr hinterher wie einen Gegenstand, der sie buchstäblich im Rücken trifft:

Robin Hood der Anwaltschaft ist einfach n´bißchen dicke.

Der Blick auf sie ist nicht mehr kalt, das Lächeln zwar ironisch süffisant, aber seine Augen sind hochwach und eher freundlich. Sie hat seine Absolution.

Ja, sagt sie schüchtern und wischt sich eine Haarsträhne aus dem Mundwinkel.
Der nächste Artikel wird dann wieder professionell zynisch.

(Ätsch. Sie hat die Gelegenheit genutzt und den Ball sofort zurückgespielt: Gleichstand, 1:1)
Sie geht.

Es wird auch höchste Zeit, denn Kunde droht mit Auftrag.
Der mutmaßliche Dreifachmörder will Weller als Anwalt, sagt seine Sekretärin, die jetzt in der Tür erschienen ist.



Ende der Szene.

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2002-2003 Heino Ferch - Christian Weller, Marie Zielcke - Juliette, die Hospitantin. Filmographie Marie Zielcke

Kommentar 1:

Zur Orientierung - Die Filmhandlung:

Die Filmhandlung - chronologischDie Filmhandlung (Prisma online)Die Filmhandlung (offizieller Text von 3SAT)Die Filmhandlung - Schwerpunkt Ehedrama
Foto Ferch - Zielcke

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