Promotionsvorhaben Exposé v2.0 2016
Das Erzählmotiv der Erblindung im
fiktionalen Film. Untersuchungen zur Ikonologie eines Topos.
Auf der Basis von 57 Filmen des Hollywood-, des Europäischen, des
Russischen und des Japanischen Spielfilms im Zeitraum beginnend mit den
Zwanziger Jahren des 20. Jh.´s bis zur Gegenwart 2013/2014 soll das Erzählmotiv
der Erblindung auf seine ikonographische und ikonologische Subtext-Bedeutung
befragt werden. (Filmliste:
http://www.filmszenen.net/LiteraturlistePromotionsprojekt.htm)
Dabei sollen jenseits der
intradiegetischen dramaturgischen Funktion des Erzählmotives Bedeutungs-Gruppen
oder -Komplexe gefunden, benannt und eine Deutung im zeitlichen und kulturellen
Kontext versucht werden.
Der Vorgang der Erblindung und dessen Konsequenz stellt für das Individuum
eine maximale Lebenskrise dar, die mit dem Verlust des visuellen Zugangs zur
hauptsächlich visuell erfassten und verstandenen Welt in seiner existenziellen
Tragweite mit einer Art Tod verglichen werden kann. Erfasst werden daher nur Spielfilme, in der
dem Subjekt ein visuelles Abbild der Welt durch eigene physische Erfahrung verfügbar
ist. Präzise ist der Vorgang des Erblindet
seins von der Eigenschaft des Blindseins, bzw. blind geboren Seins zu
unterscheiden. Im Gegensatz zur blind geborenen Person bleibt der Erblindete
ein Sehender, dem jedoch die Mechanik des Sehens nicht mehr verfügbar ist.
Die Filmerzählung, Narration, betreffend trägt das Erzählmotiv der Erblindung den paradoxen Effekt, Rollenträger und Zuschauer gleichermaßen das Bild der Welt im Moment des Verlustes des visuellen Zugangs schlaglichtartig ins Bewußtsein zu rufen.
Da die Erblindung eine massive Veränderung des Verhältnisses Subjekt/Ich –
Welt darstellt, öffnet dieser Erzähltopos vielfältige Möglichkeiten als Vehikel
für Aussagen in verschiedensten
Ikonographischen Bereichen. Drei
Beispiele: Oedipus Rex: Entzug der
(sichtbaren) Welt als Selbstbestrafung für dem Subjekt inakzeptable Verletzung
sozialer Normen. Der Dieb von Bagdad: Sehen und Nichtsehen als Metapher der
(sexuellen) Macht und Ohnmacht (Kastrationssymbol); Erbsen auf Halb Sechs: Die
Erblindung und die Beschreibung der ersten Wochen/Monate nach Eintreten der
Ich-Welt Bezugsveränderung mit Happy Ending im Bereich der sozialen Beziehungen
als ermutigende Darstellung einer Wegfindung nach/in existenzbedrohender Krise.
Darüber hinaus ist anzudenken, inwieweit aufgrund der Befragung von
historisicher Sekundärliteratur und zeitgenössischer Quellen wie Filmkritiken eine
Fragestellung beantwortet werden kann, die nach der Platzierung verschiedener Aussage-Varianten
dieses Topos zu einer bestimmten Zeit,
in einem bestimmten kulturellen Klima fragt.
Gerade für politische/wirtschaftliche Krisenzeiten bietet sich der Topos
der Erblindung als Metapher für Existenzbedrohung und dem Umgang damit an. Beispiel
1: Wenn in „.. und über uns der Himmel“,
einem Film von 1947, der Protagonist zeitweise erblindet, ist die
Interpretation des „nicht-mehr-Sehen-wollens“ von flächendeckendem Leid
naheliegend. Beispiel 2 (aus einem anderen metaphorischen Bereich) Wenn die Nazi-Filmdiva und Identifikationsfigur
der Dreissiger und Vierziger Jahre in Deutschland Zara Leander in „Heimat“(1938) nach jahrelangen Kriegsgräueln zu einer
Gottvater-ähnlichen Vaterfigur (Heinrich George) zurückkehrt, sich wie ein Kind
,das eine Missetat begangen hat ,an dessen Brust schmiegt und um Verzeihung und
Wiederaufnahme in Gnade bittet, ist aus heutiger Sicht eine Lesart als Bitte um
Vergebung des christlich sozialisierten Über-Ich Anteils für das Leid, das sie,
die Nazis, verursacht hatten, in der
Filmfigur als weibliche Stellvertreterfigur leicht zu dechiffrieren. (s.a. Die
Akte Zarah Leander Feature auf arte.tv Min
24:31 – 24:43 Georg Seeßlen erklärt Ikonographie des Sünderinnen – Motivs „eine
Frau, die etwas Schreckliches gemacht hat, so eine Bestrafungssehnsucht (…) weil
sie weiss, sie hat etwas Böses getan“ )
Immer funktioniert als metaphorische Allegorie der Erblindung des Subjekts als
Kondensationspunkt des Darstellung des Individuums im Kreis seiner sozialen
Beziehungen. Umgekehrt ist die erblindende / erblindete Figur
Kondensationspunkt und emotionaler Resonanzboden für Figuren aus dessen
Umgebung: für die allegorische Darstellung von Tugenden wie Empathie, Hilfsbereitschaft,
und Untugenden wie Grausamkeit. Häufig symbolisiert dieser Topos Fragen von:
Macht-Ohnmacht; Krise – Umorientierung und/oder Neuorientierung; Schuld –
Sühne; Schuld - Strafe; Handlungsmacht –
Handlungsohnmacht; Pessimismus – Optimismus.
Genrezuordnungen von Filmen sind Vorab-Abreden zwischen Akteuren und Publikum unter anderem über die Bedeutung bestimmter Topoi.
Die zahlenmäßige Verteilung der Genrezuordnungen der in Betracht zu ziehenden Filme ist Drama 42, Thriller 11, Biographical Picture 8, Adventure 6, Romance 6, Actionfilm 6, Mystery 5, Comedy 4, Horror 4, Fantasy 3, Science Fiction 1, Western 1.
Aus der deutlichen Überzahl des Genrebereichs Drama lassen sich Schlüsse über den hauptsächlichen Verwendungszweck des Topos ebenso schließen, wie über die emotionale Aufladung desselben für verschiedene Emotionen des Zuschauers, z.B. im Horror-, Mystery-, Thriller-Movie…, denn nicht immer ist die Form der eigenen Angst freundlich projizierte Empathie mit dem Helden, Identifikationsangebote mit unterstützenden Personen seiner Umgebung, sondern auch mit Emotionen wie Abwehr verknüpft.
Hier fungiert der Topos der Erblindung als Vehikel für Erregung und Ableitung von Abwehr- und Hassgefühlen.
Zu betrachten wäre auch das Verhältnis unterschiedlicher Kulturen zum Akt des Sehens, aus dem unterschiedliche Interpretationen des Sehverlusts im fiktionalen Film resultieren können.
Dient gesellschaftlich sanktioniert das Sehen in der Europäisch – westlichen Kultur hauptsächlich der Orientierung in der sichtbaren Welt, ist in der japanischen und chinesischen Kultur mit dem Akt des Sehens die Wahrnehmung der ästhetischen Erscheinung des Sichtbaren verpflichtend verknüpft. Beispiele: Origami, kunstvoll angerichtete Speisen, Steingärten, Haus-und Gartengestaltung folgt streng ästhetischen Regeln.
Doctoral thesis exposé v2. 0
The narrative motif of the blindness in the fictional
film. Study on the iconology of a topos.
On the basis of 57 films of Hollywood, of European,
Russian and of the Japanese film in the period starting with the twenties of
the 20th century until 2013/2014 to the present the narrative motif of
blindness should be questioned on his iconographic and ikonologic meanings of it´s
subtext.
Beyond the intradiegetic dramatic feature of the
narrative subject meaning groups or complexes should be found, and an
interpretation in the temporal and cultural context should be attempted.
The occurence of loss of sight and its consequence
represents a maximum life crisis for the individual that can be compared with with
a kind of death existential implications because of the loss of visual access
to the mainly visually captured and understood world. Included are therefore
only feature films, in which a visual image of the world through their own
physical experience is available to the subject. The process of being blinded has
to be accurately distinguished form the state of being blind, or blindly born.
In contrast to the blind-born person, the person who lost his-her sight remains
a viewing individual, with however the mechanics of vision no longer at his disposal.
Since the blindness represents a massive change in the
ratio of subject/me - world, this narrative topos opens possibilities as a
vehicle for statements in various iconographic areas. Three examples: Oedipus
Rex: withdrawal of the (visible) world as self-punishment for the subject for
unacceptable violation of social norms. The thief of Bagdad: Seeing and not
seeing as a metaphor of the (sexual) power and powerlessness (castration
symbol); Peas on half past five: the blindness and the description of the first
weeks/months after the occurrence of the me- world reference change with happy
ending in the area of social relations as encouraging representation of a
pathing to/in existantially menacing crisis.
In addition, is to think ahead to what extent on the
basis of the survey of historic secondary literature and contemporary sources such as
film reviews a question can be answered, requesting the placement of different
statement variants of this topos to a particular time in a particular cultural
climate.
The topos of blindness as a metaphor for the
existential threats and the way of handling especially suited for serving as allegories on political/economic
crisis. Example 1: When in “…and the sky above us" (1947), the
interpretation of "subject not want
to see any more" , the protagonist temporarily being blinded, it is easy
to interpret this as “does not want to see any more large-scale suffering
around him”. Example 2 (from another metaphorical area) when the Nazi film Diva
and identification figure of the 1930s and 1940s in Germany Zara Leander in
"Heimat"(1938) after years of war atrocities returns to a God like father figure (Heinrich George), at whose chest
she nestles like a child who has committed a crime, and asks for forgiveness
and recovery in grace, is from today's easy to interpret this as an asking for
forgiveness of the Christian socialized superego - for they, the Nazis, had caused, represented in
the film character as a female atonement figure is easy to decipher. (see also
The file Zarah Leander Feature on arte.tv , min 24:31 until 24:43 Georg Seeßlen
explains iconography of the sinners - subject "a woman who did something
terrible, so we see a punishment longing (...) because she knows she did
something bad")
The metaphorical allegory of the blindness topos
always works as the narrative condensation point if it comes to describe the
relation of the individual toward his surrounding,
his social relationships. Vice versa is the person who lost his-her sight is
dewpoint and emotional soundboard for characters from its surroundings: for the allegories of
virtues such as empathy, willingness to help, and allegories of vices such as
cruelty. Often this topos symbolizes questions by: power impotence; Crisis -
orientation or reorientation; Debt - Atonement; Debt - penalty; Action power -
action impotence; Pessimism - optimism.
Movies genre associations are agreements in advance between actors and audience, among others also about the importance of certain topoi.
The numerical distribution of the genre associations of the films to be considered is drama 42, thriller 11, biographical picture 8, adventure 6, romance 6, action movie 6, mystery 5, comedy 4, horror 4, fantasy 3, science fiction 1, Western 1.
From the significant majority of the genre range “drama” conclusions about the main purpose of the topos are as well to be examinded, as the different ways the is used for charging the viewer with different emotions, for example in the horror-movie the thriller movie , the mystery movie... that is: not always the form of our own fears is projected in a friendly empathic way onto the hero, or serves as identification offers with supportive people of his-her surrounding, the topos is also charged with emotions such as defense. Here, the topos of blindness acts as a vehicle for excitation and deriving defence and hatreds inside the viewer of the film.
A further point of consideration is the relationship of different cultures towards the act of seeing, which can result in the different interpretations of vision loss in the fictional movie.
The visual sense in a socially sanctioned way in the European - Western culture mainly serves the act of orientation in the visible world, however in Japanese and Chinese culture the the act of seeing is mandatorily associated with the perception of the aesthetic appearance of the visible. Examples: Origami, artfully presented food, rock gardens, House and garden design follows strictly aesthetical rules.
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