Montag, September 26, 2005

"..ich warte nicht, bis der Alte Mann mich erschlägt..." Teil 2 Heino Ferch als Franz Wolbert in: Das Wunder von Lengede, Regie: Kaspar Heidelbach,



Bildquelle und alle Bildrechte bei Zeitsprung Film+ TV Productions GmbH für SAT.1



"..ich warte nicht, bis der Alte Mann mich erschlägt..." Teil 2


Homepage des Films

Text: ignazwrobel

Die Szene:


Wieder Stunden später.

Alle schlafen, zusammengekauert an ihren schmalen Plätzen zwischen Wand und der Wasserfläche des Flutwassers, das zu ihren Füßen einen See bildet.

Franz allein ist wach.

Er ist nicht so strukturiert, dass er passiv warten kann, bis der Tod langsam nach ihm greift. Er muss handeln, auch wenn die Chancen gegen ihn sprechen. Entweder, er schafft es, oder das Ende kommt schnell, mitten im Tun, in der Aktion.

Er hat seine Helmlampe mit dem langen Kabel zur Batterie am Gürtel angeschaltet, sie vom Helm abgenommen. Seine Jacke hat er ausgezogen, sitzt da in Hose und seinem blaukarierten Hemd.

Plötzlich ist er hochaktiv, bewegt sich schnell. Er hängt das Lampenkabel um seinen Hals, steht auf. Bruno und Salvatore werden von der Unruhe geweckt.

Franz fragt Bruno, was hast Du vor?

Schnitt.

Blick auf die Teichoberfläche mit dem schlammigen Wasser.

Direkt unter der Oberfläche sehen wir das im Tod von entsetztem Erstaunen entstellte Gesicht des Kumpels, der von einem Steinschlag vor Tagen dort festgeklemmt worden war.
Vor Stunden war der Wasserpegel noch so tief, dass sein Kopf über die Wasseroberfläche herausragte, nun ist er völlig untergegangen.

Salvatore ist völlig wach, schaltet seine Helmlampe an.

Schnitt auf Franz.

Franz blickt festgefroren starr geradeaus, während er mit schnellen Bewegungen sein kariertes Hemd auszieht.

Salvatore versucht, Franz zurückzuhalten.

Franz? Franz? Aspetta (warte), Du bist verrückt.....Komm, Du hast keine Kraft mehr, du... dann tot...

Franz reagiert mit keinem Blick, Salvatore packt ihn, versucht, ihn zurückzuhalten, ganz ohne Erfolg.

Franz starrt weiter geradeaus und macht sich fertig zum Tauchen.

Ich warte nicht, bis mich der alte Mann erschlägt.

sagt er, ohne zu Salvatore hinzusehen, ohne in diese Gegenwart ganz zurückzukehren. Innerlich ist er bereits unterwegs.

Er zieht sein Hemd ganz herunter, drückt es Salvatore in die Hände, fixiert den Gürtel, der die Batterien der Helmlampe trägt und beginnt, ins Wasser zu waten.

Als Salvatore sieht, dass er gegen Franz´ Willen nichts ausrichten kann, versucht er, wenigstens sicher zu stellen, dass sein Sprengmeister zurückfinden kann.

Aspetta, aspetta! Piano piano! (Warte, warte, langsam, langsam!)

Er sucht am Boden nach einem Kabel, findet eines, es ist ein Lichtstromkabel, und schlingt es Franz um die Taille.

Franz scheint das gar nicht zu bemerken, er nimmt die Helmlampe zwischen die Zähne, watet ins Wasser, bückt sich zum Wasser hin.

Salvatore hat alle Mühe, das Kabel noch schnell an dem Mann zu befestigen, der sich, immer noch völlig starr geradeaus ins Nichts blickend, vorbereitet, durch den gefluteten Stollen zurückzutauchen zum Hauptstollen.

Jetzt steht Franz bis zur Taille in dem neun Grad kalten Wasser, nimmt einige tiefe Atemzüge, um möglichst viel Sauerstoff ins Blut zu bekommen. Dann holt er Luft.

Franz ist verschwunden. Sekundenbruchteile, nachdem er getaucht ist, verliert sich der Lichtschein seiner Lampe im schmutzigen Brackwasser.

Salvatore gibt Kabel aus.

Close up Salvatore.

Sein Gesichtsausdruck ist zweifelnd, er hält den Versuch seines Kameraden für Wahnsinn, bekreuzigt sich, wir sehen, dass er ein ganz kurzes Stoßgebet, ein zwei Worte nur, spricht.

Wir begleiten die Odyssee von Franz Wolbert unter Wasser.

Die Lichtführung ist nicht realistisch, im Schlammwasser wäre gar nichts zu sehen, ausser einem kurzen Lichttunnel der schwachen Helmlampe. Für uns ist das Wasser klarblau. Licht strömt von schräg oben ein.

Wir sehen Gegenstände, die im gefluteten Tunnel herumschwimmen, eine Grubenlampe, Jacken, eine Brotbüchse, ein Gummistiefel....

Schnitt auf Franz.

Er tastet, zieht sich mit den Armen an den Stempeln vorwärts und schwimmt zügig voran.

Sein Gesicht ist extrem verzerrt von der immensen Anstrengung und der Angst, die Schläfenadern zum Platzen geschwollen, die Stirn in furchtbarer Anspannung, sein Blick bohrt aus schwarzen Augen nach vorn, weiter weiter, weiter...

Kommt rechtzeitig eine Möglichkeit Luft zu holen?

Schnitt.

Nahaufnahme. Wir sind knapp über der Wasseroberfläche.

Aus dem Wasser taucht direkt vor uns der Kopf von Franz auf. Er ist im allerletzten Moment, scheinbar kurz vor dem Ersticken, hochgekommen. Hier befindet er sich in einem Luftloch - irgendwo auf der Strecke.

Der Blick aus weitaufgerissenen Augen und die kurz stoßenden kehligen Laute, die Schreie wären, wenn sie nicht von der Lampe zwischen seinen Zähnen gedämpft würden, zeigen seinen tiefen Schrecken, als er unmittelbar vor sich im Licht seiner Lampe in das tote Gesicht eines hier erstickten oder ertrunkenen Kumpels blicken muss.

Er läßt sich nur wenige Sekunden Zeit, um sich zu orientieren.

Als er merkt, dass es hier keinen Ausweg gibt, pumpt er sofort wieder mit einigen wiederholten Zügen Sauerstoff in sein Blut, holt tief Atem und taucht wieder ab.



Franz Wolbert – Heino Ferch, Bruno Reger – Jan Josef Liefers, Salvatore – Benjamin Sadler.


Auszeichnungen: Grimme Preis 2004 für Heidelbach, Liefers, Ferch, Michael Souvignier. (executive producer) Bambi 2003 für Ferch, Liefers, Makatsch (Filmographie Makatsch), Rohde (Filmographie Armin Rhode), Uhl (Filmographie Uhl) .



"..ich warte nicht, bis der Alte Mann mich erschlägt..." Teil 1 Heino Ferch als Franz Wolbert in: Das Wunder von Lengede, Regie: Kaspar Heidelbach, 2








Bildquelle und alle Bildrechte bei Zeitsprung Film+ TV Productions GmbH für SAT.1



"..ich warte nicht, bis der Alte Mann mich erschlägt..." Teil 1



Text: ignazwrobel


Vor der Szene:

Am vierundzwanzigsten Oktober 1963 ereignet sich im Kohle-Bergbauort Lengede in der Nähe von Braunschweig ein Gruben-Unglück.

500.000 Liter Schlammwasser aus einem Klärteich an der Oberfläche brechen in 60 Meter Tiefe in die Stollen ein.

Dort unten ist jetzt, bis auf wenige Luftblasen, alles unter Wasser. Es kann kein Rettungsteam über die Stollen zu den verschütteten Bergleuten vordringen.

Die einzige Rettungsmöglichkeit wäre eine separate Bohrung, 60 Meter tief und mit 62 cm lichter Weite, um verschüttete Männer in einer sogenannten „Dahlbusch-Bombe“, einem Miniaufzug, einzeln heraufzuholen.

Jetzt ist bereits der erste November, seit acht Tagen und Nächten sitzen die Männer da unten in völliger Ungewissheit, ob sie gerettet werden können. Sie wissen nicht einmal, ob noch nach ihnen gesucht wird.

Bei den Kumpels stellen sich erste Halluzinationen ein. Es ist eiskalt und fast völlig dunkel. Nur einige Helmlampen funktionieren noch, werden ab und zu angeschaltet. Die Männer haben seit acht Tagen nichts gegessen - entsprechend ist ihr Hunger. Sie beginnen, sich an besonders gute Mahlzeiten, ihre Lieblingsgerichte, zu erinnern.

Salvatore, ein italienischer Kumpel, sitzt in der Nähe des Sprengmeisters Franz Wolbert und dessen Freund Bruno Reger. Salvatore ist still, sagt eigentlich nie etwas, wer ihn jedoch genauer beobachtet, sieht, dass Salvatores Lippen sich manchmal bewegen:
er betet, leise und ausdauernd.

Jetzt laufen Tränen über seine Wangen, seine schönen schwarzen Augen sind starr aufgerissen, die langen gebogenen Wimpern tränenverklebt. Plötzlich beginnt er zu reden. Er beschreibt auf italienisch ein ordentliches Essen mit Spaghetti und Rotwein, wird unterbrochen.
Aufhören, da wird einem ja kotzübel vor Hunger.

Zwei Kumpels prügeln sich um ein Stückchen Schokoloade, Franz schlichtet.
Die Männer sind völlig verdreckt, die Kleider durchnässt und befleckt, die Gesichter beschmiert mit Kohlestaub, die Haare nass und fettig, der Bartwuchs läßt die Gesichter noch schmutziger und desolater aussehen.

Oben über Tage wird fieberhaft nach einer Lösung gesucht, man vermutet die elf Männer im toten Stollenende, dem „Alten Mann“, wo sie sich tatsächlich befinden - und überlegt, wie man diese Vermutung durch eine Bohrung verifizieren könnte.

Ein weiterer Tag ist vergangen.

Unten herrscht jetzt drückende Bewegungslosigkeit, die Männer sitzen, schlafen, oder starren ins Nichts.

Wir sehen Bruno Reger und Franz Wolbert.

Franz, der bis jetzt vorbildlich pragmatisch und gefasst war, hat einen Tiefpunkt.
Seine Nerven schleifen am Boden. Er sitzt mit angezogenen Armen und Beinen neben Bruno, nagt nervös an seiner Hand, presst den Daumen gegen die Zähne.

Er ist in einem völlig reduzierten Zustand verkrampfter Verzweiflung. Er ahnt, dass er und die anderen dabei sind, langsam hier unten sterben zu müssen;

er beginnt zu begreifen, dass das hier keine Lösung haben wird, als das unabwendbare Verdämmern und Versickern in Dunkelheit und dem Nicht-Wiedersehen des Draussen.

Franz erinnert sich an seine Frau, daran, was er versäumt hat, dass ihr nie gesagt hatte, dass er glücklich mit ihr war.

Sein denkendes Ich, seine ganze Persönlichkeit, ist auf einen minimalen Punkt zusammengeschmolzen.

Er ist scheinbar erstarrt, still, aber ein zweiter, genauerer Blick zeigt, dass er leise unaufhörlich weint.

Wir sehen sein extremes Gemartertsein, - die Schläfenadern geschwollen, der Atem schwer und bemüht, schluckt er gewaltsam, versucht immer wieder die Tränen wegzublinzeln.
Ohne Erfolg, immer neue Tränen kippen über die Lidränder, laufen über seine Wangen, ziehen eine nasse Bahn in den Staub und Schmutz auf seinem Gesicht.

Er sieht aus, als würde er stark frieren, gegen die Kälte ankämpfen.

Aber die frierende Verkrampfung ist nichts anderes als das leise verzweifelte Weinen eines Menschen, der die Hoffnung auf Rettung verloren hat, und der weint, weil er sich klar ist, dass alles was ihm wichtig war, ihn glücklich gemacht hatte, verloren ist;

....der keinen Weg weiss, die Situation vorwärts zu bewegen, der mit der Gewissheit zurechtkommen muss, dass kein „weiter“ auf ihn wartet.

Er weint die Tränen eines lebendig Begrabenen.




Franz Wolbert – Heino Ferch, Bruno Reger – Jan Josef Liefers Darstellerporträt Liefers, Salvatore – Benjamin Sadler. Auswahlfilmographie Sadler

Homepage des Films

Auszeichnungen: Grimme Preis 2004 für Heidelbach, Liefers, Ferch, Michael Souvignier. (executive producer) Bambi 2003 für Ferch, Liefers, Makatsch, Rohde, Uhl. Gesendet 9. November 2003 in Deutschland.

Mittwoch, September 21, 2005

"...Sie betreten den Französischen Sektor!" Die Flucht Teil 4. in: Der Tunnel. ( Harry Melchior - Heino Ferch ) Regie: Roland Suso Richter, teamworxx




Bildquelle und Bildrechte bei teamworx Filmproduktionsgesellschaft



Foto des Tunnels

"... Sie betreten den Französischen Sektor!"

Ihre Antwort lenkt Harry einen Moment ab, er sieht hochalarmiert, die Augen weit aufgerissen, zu Fritzi hinüber.

Sofort nutzt der Oberst seine Chance. Seine Hand hebt sich langsam zu Harrys ausgestrecktem Arm mit der Waffe.

Harry hat es bemerkt. --

Er befiehlt dem Oberst, seine Leute wegzuschicken.

Die ziehen sich draussen tatsächlich zurück. Harry stößt die Tür endlich mit dem Fuss zu.

Nach ein Paar Sekunden, in denen der Oberst durch Reden Zeit zu gewinnen versucht, tut Harry das Einzige, was jetzt möglich ist. Er schlägt den Oberst mit der Waffe nieder, so dass dieser einen Moment halb bewußtlos ist.

Wir sehen Fritzi jetzt im Loch verschwinden – mit dem weinenden Baby auf dem Arm.

Nun endlich springt auch Harry in den Tunneleingang. Unten warten immer noch Fred, Vic, Matthis, dazu jetzt Harry, Fritzi und das Baby.

Harry schreit im Stakkato:

Raus los weg schnell haut ab, alles weg, Matthis!!

Matthis kommt nicht. Er kommt nicht.

Sie haben nur noch Sekundenbruchteile, bis der Oberst nachkommt und Matthis sitzt einfach da. Er hat Carola, seine Frau, noch erwartet.

Er starrt ungläubig zum Tunnelausgang. Harry läuft schon ein paar Schritte, merkt, dass Matthis nicht kommt.. Matthis! schreit er.

Matthis: Wo ist Carola?

Sie kommt nicht. .... Matthis......los komm!!!

Matthis bewegt sich nicht.

Harry versucht, ihn zu aktivieren, schreit

los komm,... komm..!!!

Oberst Krüger ist aufgewacht, ruft seine Leute. Die stürmen in den Kellerraum, die ersten sind am Loch, unten sitzt immer noch Matthis unbeweglich.

Harry rennt zurück, packt Matthis an beiden Armen, schüttelt ihn.

Eindringlichst, direkt in Matthis Gesicht:

Sie wird nicht kommen! Flüstert:

es tut mir leid,

alarmierter Blick Richtung Geräusche der Verfolger, Matthis immer noch wie gelähmt.

Jetzt packt Harry seinen besten Freund unter den Armen und zerrt ihn rückwärts den Tunnel entlang. Matthis tut nichts, er blickt immer noch hirnleer unter Schock zum Tunnelausgang, während er von Harry weggezogen wird.

Endlich beginnt er selber zu laufen, Harry ist jetzt der Letzte der Fliehenden. Der Oberst und seine Leute sind nun im Tunnel,

Matthis und Harry rennen schnell, ihre Muskeln sind das gebückte Laufen gewöhnt, der Oberst hinterher, er hat deutliche Probleme, gebückt zu laufen. Das bringt unseren Leuten Sekunden.

Der Tunnelverlauf ist versetzt gebaut, damit kein durchgängiges Schußfeld von hinten nach vorne möglich ist. Der Oberst muss um Ecken biegen und sieht die Fliehenden also erst kurz, bevor er hinter ihnen ist.

Vorne rennen die letzten Flüchtenden, Zwischenschnitte auf den Tunneleingang, wo helfende Hände die Ankommenden hochziehen, in der Mitte des Tunnels Matthis und Harry, verfolgt von Oberst Krüger.


Jetzt biegt Krüger um die Ecke, er ist er so nah, dass Blickkontakt möglich ist.
Schnitt.

Wir sehen eine handgemalte Tafel:

Sie betreten den französischen Sektor!

steht quer unter dem Tunnelplafond.

Matthis und Harry rennen unter dem Schild durch, schauen sich nach ihren Verfolgern um.
Der Oberst holt auf, er ist wenige Schritte vor dem Schild. Wir in des Obersts Rücken.

Das völlig Unfassliche, geradzu Unglaubliche, passiert. Wir können nicht glauben, was wir da sehen und hören.

Aus dem Off ruft eine Stimme:

Stopstopstopstop...

Stop.stop.

Der Oberst hält tatsächlich vor dem Schild an.

Schnitt auf Harry.

Der hatte, erst wenige Meter auf dem Französichen Sektor stehend, angehalten, sich herumgedreht.

Amerikanische auf Harrys Oberkörper.

Er steht, gezwungen vom niedrigen Plafond, vorgebeugt, atmet heftig.

Er pumpt mit offenem Mund vor Anstrengung, ist schweissnass, sein Gesicht noch gezeichnet von gestreßter Angst, überwach, schwarze alarmierte Augen, er tänzelt unruhig am Platz, wie jemand, der in der nächsten 100stel Sekunde wieder losstarten wird.

Als er merkt, dass das Schild seine Zauberwirkung tut, - die DDR-Leute dürfen Flüchtlinge nur bis auf den Zentimeter exakt zur Grenzlinie verfolgen - erhellt immer mehr ein triumphierendes Lächeln sein Gesicht.

Das Lächeln wird ein zähnezeigendes Siegerlachen, er stößt verächtlich Luft aus – hebt sarkastisch-ironisch die Hand an das imaginäre Mützenschild zum militärischen Gruss und - dreht sich weg.


Geschafft.

Die Flucht aller zweiunddreissig Personen ist gelungen. Hä. Hä.

Ende der Szene.

2000-2001 Heino Ferch - Harry Melchior, Sebastian Koch - Matthi Langensiep, Claudia Michelsen - Carola Langensiep, Heinrich Schmieder - Theo Lohmann, Alexandra Maria Lara - Lotte Lohmann, Fritzi Scholz - Nicolette Krebitz, Vic Costanza - Mehmet Kurtulus
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Kommentar:

Die hochdramatische Fluchtszene ist Filmerfindung. Die Figur Harry Melchior hat ein historisches Vorbild - es ist er ehemalige Deutsche Meister im Schwimmen Hasso Herschel. Hasso Herschel ist sein Leben lang Fluchthelfer geblieben und hat insgesamt über 1000 Personen zur Flucht in den Westen verholfen.

Interview mit Hasso Herschel und Foto

Kommentar 2:

Auf der DVD sind längere Interviews mit Hasso Herschel zu sehen. Heino Ferch hat, wie ich finde, Atem und Herzschlag dieses Mannes in der Figur von Harry Melchior atemberaubend genau getroffen.

Der Charakter der Figur zeigt eine schöne Balance von Aufgeräumtheit, Geradlinigkeit, Knappheit, Kompaktheit und Pragmatismus, schmackhaft gewürzt mit einem nicht aufdringlichen Schuss 'authentischer Männlichkeit'.

Die Figur ist in ihrer unkompliziert selbstverständlichen Mannhaftigkeit und tatkräftigen Aufgeräumtheit eine meiner Lieblingsfiguren, sie hat einen sehr klaren interferenzfreien seelischen Zug, der ein angenehmes Gefühl hinterläßt.

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-Aus dem Film wurde eine Szene "Betrunken" herausgeschnitten, in der Harry Vic eiskalt maßregelt. Wäre diese Szene im Film geblieben, hätte die Figur Harry eine grausame, harte, empathieunfähige Komponente bekommen, die den Charakter Figur m.E. so verändert hätte, daß ihre nachhaltig beeindruckende Wirkung ausgeixxt worden wäre.

Fotostrecke "Der Tunnel"

Die Adresse http://www.filmszenen.info/ leitet Euch direkt weiter auf auf unser Filmszenen-Weblog blogigo/ignazwrobel

Samstag, September 17, 2005

"...Kennwort: n´Kaffee und n´Cognac!" Die Flucht Teil 1, in: Der Tunnel. ( Harry Melchior - Heino Ferch ) Regie: Roland Suso Richter, teamworxx 2000-2









Bildquelle und Bildrechte bei teamworx Filmproduktionsgesellschaft


"...Kennwort: n´Kaffee und n´Cognac!" Die Flucht Teil 1, in: Der Tunnel. ( Harry Melchior - Heino Ferch ) Regie: Roland Suso Richter, teamworxx 2000-2001

Text: ignazwrobel

Die Flucht

Zusammenfassung der Filmhandlung

Der Eintrag besteht aus zwei Teilen. Teil 1 beschreibt den Ablauf vor der eigentlichen Szene und zeigt, wie die DDR-Stasi zeitlich immer dichter aufholt, zuerst Stunden, dann Minuten, zuletzt haben unsere Leute nur noch einen Sekundenvorsprung.

Vor der Szene 1: Tag X

Es geht um einen Tag.

Im Hauptquartier der Abteilung Republikflucht, Konferenzsaal.

Oberst Krüger und Leutnant Bellows besprechen die Lage. Man vermutet, dass ein Tunnel gegraben wurde.

Leutnant Bellows:

Wenn heute der Tag X ist, dann muss es eine Stelle geben, die unserer Aufmerksamkeit bislang entgangen ist.
Im November gab es diesen Grenzdurchbruch von der Brunnenstraße in die Ruppiner Straße. Wegen dieses Ereignisses wurde eine akustische Bodenüberprüfung vorzeitig abgebrochen.
Gegenüber der Grenzanlage gibt es eine leerstehende Fabrik.
Diese Stelle wäre ideal.

Oberst Krüger bestellt telefonisch sofort zwei Einheiten zur Durchsuchung des Geländes.

Schnitt.

Matthis Langensiep hatte vor einem Jahr die Republikflucht durch die Kanalisation geschafft, Carola Langensiep, seine Frau, nicht.

Carola war zum Fluchtzeitpunkt schwanger gewesen. Sie ist jetzt in der DDR allein mit dem Kind, das sie inzwischen zur Welt gebracht hat, Matthis junior.

Carola Langensiep war IM für Harrys Schwester Lotte Lohmann und deren Mann Theo.

Als sie zu solidarisch mit den Lohmanns wird, wird sie von Oberst Krüger von ihrer Spitzeltätigkeit entbunden und selbst observiert.

In der Wohnung der Langensieps.
Carola im Kinderzimmer. Sie nimmt den Mantel, Babygeschrei. Überlegt. Sieht ihre Observanten. Entschließt sich.

Schnitt.

Aussen Tag. Hinterhof.

Die Observanten sehen Carola, wie sie mit dem Kinderwagen von zu Hause weggeht. Die Spitzel folgen ihr.
Kurz danach kommt Theo Lohmann, der Ehemann von Harry´s Schwester Lotte, aus derselben Haustür. Er eilt zum Bus Pankow Kirche Linie 7, wo Carola bereits an der Haltestelle wartet.
Carola steigt in den Bus, Theo hilft ihr, den Kinderwagen hinaufzuheben.

Im Bus können sie ein paar Worte reden ohne von den Überwachern gehört zu werden.
Theo ist hoch unter Druck.

Die wissen allett.

Carola Ich weiss.

Theo Wir müssn die Aktion abblasn. Ick wars, ick hab Scheisse gebaut und jetzt ist schon eine tot.

Carola: Ich habs im Radio gehört. (Die Mutter von Fred von Klausnitz, Marianne von Klausnitz, hatte sich selbst erschossen, um ihren Sohn, der beim Tunnelbau aktiv dabei ist, nicht unter der auf sie wartenden Folter zu verraten.)

Theo Mensch, die laufen in ihr Verderben hinein. Ich möchte Lotte da rausholen, sag mir, wo sie is. Bitte.

Carola: die wissen nichts, Krüger weiss nichts, jedenfalls nicht genuch, sonst hätte er die Brüder doch schon längst abziehen lassen.

Carola streichelt ihr Baby.

Dann sagt sie:

Lotte braucht dich, lass sie nicht allein.

Theo ick kann doch nich.. ...

Carola Es wird alles gut gehen. Vertrau mir, ich bin die einzige Spur , die sie haben.

Die Observanten folgen in einem PKW dem Linienbus.

Ich bitte Dich nur um eins... beide sehen sich an, dann das Baby. Theo hat verstanden. Er wird das Baby mit in den Westen nehmen.


Vor der Szene 2: Endspurt.

Es geht um Stunden.

Schönwalder Strasse. Blick auf die Grenzmauer.

Vic und Matthis oben auf der Terrasse im Ausguck.

Sie sehen Oberst Krüger, Leutnant Bellows und die zwei Einheiten Verstärkung heranfahren und die Wagen verlassen.

Uniformierte Grenzsoldaten, Schäferhunde. Oberst Krüger gibt den Durchsuchungsbefehl für das ganze Gebiet.

Fritzi, die einzige Frau im Team der Tunnelgräber, hat einen Schweizer Pass, seit einer Woche, sie kann damit in den Ostteil der Stadt.

Harry:

Fritzi geht. Es bleibt bei achtzehn Uhr dreissig - kein unnötiges Risiko! Rotes Tuch heißt Stopp, weisses Tuch heißt es geht los – Kennwort: n´Kaffee und n´Cognac.

Vic kommt herunter: Sie gehen von Haus zu Haus!!!


Schnitt. Draussen

Soldaten mit Gewehr und Helm. Wir hören Befehle:

Erste Gruppe, zweite Gruppe, dritte Gruppe...

Die Soldaten haben sich vermehrt, wie Ameisen an der Stelle eines beschädigten Ameisenhaufens.

..und ab! die Truppe schwärmt aus.


Schnitt.

Keller des Hauses Schönwalder Straße 7 im Ostteil von Berlin.

Wir sehen, wie Harry sich aus dem Tunnelausgang, einem kleinen Loch im Boden des Kellers herauszwängt.

Hier ist das Ende des 145 Meter langen Tunnels, der während des Verlaufs eines Jahres in sieben Metern Tiefe von West nach Ost gegraben wurde.

Matthis und Harry bereiten alles für die Ankunft der zweiunddreissig Fluchtwilligen vor. Hastige Nahaufnahmen, wackelnde subjektive Kamera, wir sehen nur Schatten, Bruchstücke, die Stimmung ist hoch gestreßt, drängend, angespannt.

Harry verschwindet wieder im Boden, zieht eine Kommode über das Loch. Löscht das Licht im Tunnel.

Die Kellertür geht auf. Zum Glück funktioniert das Kellerlicht nicht. Ein Soldat geht suchend herum, schiebt die Kommode beiseite, sieht den Tunneleingang, bückt sich.
Er ruft

Hallo?

- wird ruckartig in das Loch hineingezogen. Weg ist er.


Schnitt. Nachmittag.
Lotte Lohmann im Ostteil der Stadt auf der Straße mit ihrem Kind.

Die kleine Tochter fragt: Was machen denn die Polizisten?
Lotte Das weiss ich nicht, vielleicht suchen sie einen Räuber. Keine Ahnung.

Die beiden gehen ins Café Liedtke.

Das Café füllt sich mit langsam immer mehr mit Menschen, offiziell soll eine Betriebsversammlung dort stattfinden. Tatsächlich sammelt sich hier die Gruppe der Fluchtwilligen, die um 18:30h von Fritzi zum Tunnel dirigiert werden soll.


Schnitt.

Schönwalder Straße 7 , aussen, ( im Keller des Hauses ist, wir erinnern uns, der Tunnelausgang. ) Nachmittag.

Aus der Haustür kommt ein Grenzsoldat.

Beim zweiten Blick sehen wir: es ist Harry Melchior in der Uniform des Soldaten, der von ihm und Matthis in den Tunnel gezogen wurde.

Die Grenzsoldaten-Einheiten sammeln sich.

Wir hören immer wieder die Meldung

Nichts gefunden, Genosse Leutnant.

Harry stellt sich ins Glied und meldet ebenfalls

Nichts gefunden, Genosse Leutnant.

Fehlanzeige, meldet Leutnant Bellows an Oberst Krüger. Die Einheiten ziehen ab,
Drei Mann bleiben zur Unterstützung der Grenztruppen vorerst hier. Sie, Sie und Sie.
Oberst Krüger zeigt auf den Mann neben Harry. Harry muss mit den Grenzern einen Transporterlastwagen besteigen und ins Hauptquartier mitfahren.

Die eisernen Tore des Hauptquartiers schließen sich hinter Harry, er scheint gefangen, die Aktion ist in höchster Gefahr zu scheitern.


Vor der Szene 3. Falsche Fährte:

Carola Langensiep führt inzwischen Oberst Krüger auf eine falsche Spur.

Sie besteigt mit dem Kinderwagen ein Ausflugsboot, das die Spree befährt.

Als der Oberst mit seinen Beamten an Bord geht, alle Anwesenden wegen versuchter Republikflucht verhaften will, muss er erkennen, dass Carola sich selbst als Köder geopfert hat:
Sie kann nicht an der Fluchtaktion teilnehmen, aber: der Kinderwagen ist leer, ihr Baby soll mit in den Westen.

Die Flucht findet woanders statt.

Leutnant Bellows hat eine Vermutung: Schönwalder Straße, dort war ein Grenzsoldat nach der Suchaktion vermißt gemeldet.

Harry schafft es inzwischen, im LKW eines aus der Kaserne ausfahrenden Konvois wieder hinaus zu kommen.

Während der rechtmäßige Fahrer im Büro ist, um das Fahrtenbuch unterschreiben zu lassen, nimmt Harry dessen Platz am Steuer des LKW ein und verläßt die Kaserne.



"...keine Panik, er ist einer von uns! "

Ausguck der Tunnelbauer, Blick nach Osten über die Grenzmauer. Nachmittag.

Vic und Matthis sehen Theo Lohmann, den Ehemann von Harrys Schwester Lotte, im Taxi vorfahren und mit einer Tasche das Café Liedtke betreten.

In der Tasche ist Matthi Langensiep junior. Er wird durch den Tunnel mitgenommen werden.


Vor der Szene 4: Die Ereignisse überschlagen sich.

Es geht um Minuten.


Ausguck. Nacht. Zehn Minuten vor Sieben.

Vic Was ist ,wenn sie Harry entdeckt haben?

Matthis Wir warten, klar?

Vic extrem alarmiert: Matthis schau da runter, da sind dreissig Leute und Fritzi, jeden Moment es kann zu spät sein!

Matthis versucht mit sanfter Gewalt Vic zu beruhigen: Er wird es schaffen, verstehst Du, natürlich schafft er es.

Es ist unglaublich, aber der LKW, mit dem Harry die Kaserne verlassen hat, fährt um die Ecke und hält vor dem Café Liedtke, Vic und Matthis sehen es.

Schnitt. Im Cafe. Fritzi schaut angespannt zum Militär-LKW hinaus. Harry nickt ihr zu, Fritzi erkennt ihn.

O.K sagt sie den Leuten im Café, keine Panik, er ist einer von uns, er gehört zu uns.
Schnitt. Draussen.

Fritzi gibt das Signal:

O.K. Es geht los. Zuerst die erste Gruppe, das sind Sie, sie beide und sie drei. Es ist schräg gegenüber links, die Hausnummer Sieben, unten im Keller, Wir gehen jetzt ganz langsam da rüber, so als wenn nichts wär´die Betriebsversammlung ist einfach zu Ende.

Circa zehn Leute, Männer, Frauen, Kinder, gehen los.

Harry deckt die Aktion durch Patroullieren vor dem Café Liedtke.

Blickkontakt zu seiner Schwester ist jetzt möglich.
Lotte erkennt ihren Bruder durch die Scheiben des Cafés.

Er wirft seiner geliebten Schwester einen brennenden Blick zu, beide müssen so tun, als wäre nichts.


Schnitt. Unten im Tunnel.

Vic und Matthis rennen in gebückter Haltung – der Tunnel ist sehr niedrig - zum Tunnelausgang Ost, um den Flüchtlingen zu helfen.

Die Flucht geht zügig vonstatten, über eine Rutsche gelangen die Leute einzeln hinunter und beginnen unten zu rennen. Ein Kind schreit.

Oben, draussen, Ostseite der Mauer:

Das Telefon auf dem Wachturm an der Grenzmauer klingelt.

Zwei Soldaten nehmen den Anruf an.

Als der verkleidete Harry fragt: Was gibt´s Genossen?

Bekommt er die Antwort: Versuchte Republikflucht, im Cafe Liedtke – wir gehen rein!

Die Soldaten stürmen das Café, alle Anwesenden müssen sich auf den Boden setzen.
Harry greift ein.

Er betritt das Café , bedroht die beiden Grenzer mit dem Maschinengewehr, die beiden werden entwaffnet und nach hinten gebracht.

Als die zweite Gruppe abmarschbereit ist, halten die Wagen von Oberst Krüger und seinen Leuten vor dem Café. Die zweite Gruppe Flüchtlinge rennt über die Straße, zum Haus Nummer Sieben.

Harry gibt der Gruppe Feuerschutz, indem der mit dem Maschinengewehr in die Luft schießt.

Oberst Krüger und seine Leute zücken die Waffen, gehen hinter ihren Dienstwägen in Deckung.

Das Feuer ist eröffnet, jetzt zählen Sekunden.

"Er ist auch mein Sohn." in: Mord am Meer. Porträt Glaubergs Familie Letzter Teil 5 (Heino Ferch - Anton Glauberg ) Regie: Matti Geschonnek. 2004










Bildquelle und alle Bildrechte bei Network Movie Köln für ZDF Zweites Deutsches Fernsehen



"Er ist auch mein Sohn." in: Mord am Meer. Porträt Glaubergs Familie Letzter Teil ( 5a ) (Heino Ferch - Anton Glauberg ) Regie: Matti Geschonnek. 2004-2005


Text: ignazwrobel

Es ist Abend.

Wir hören eine Türglocke, jemand klingelt.

Kamerafahrt am Garten entlang, Rasenfläche, Kinderschaukel, Spielzeug. Es ist der Garten von Glaubergs. Die Hauskante kommt ins Bild, dann die rote Backstein-Hauswand, die Fenster mit den weißen Fensterkreuzen.

Warm und freundlich leuchtet uns durch die Fenster Licht entgegen, die Gardinen sind offen. Wir können durch die Stores hineinsehen. Drinnen sitzt Sylvia Glauberg und liest ein Buch. Felix, der siebenjährige Sohn, ist offensichtlich schon im Bett. Sie hört das wiederholte Klingeln und steht auf. Wir sehen sie, während sie von Raum zu Raum zur Haustür geht.

Schnitt.

Innen.
Sylvia öffnet.

Schnitt.
Draußen, wir blicken zur Tür, sehen Sylvia ins Gesicht. Sie sieht überrascht aus - negativ überrascht, unwillig.

Ihr Mund ist ein wenig geöffnet, ihr Blick driftet auf etwas, das sich auf Brusthöhe des Besuchers befindet, sie saugt Luft ein:

Der kommt mir nicht ins Haus! zischt sie.
Gegenschuß auf den Besucher. Es ist Anton Glauberg.

Da steht er mit seinen schwarzen Steifftier-Knopfaugen.

Im Arm hat er einen weißen wuschligen Welpen, ein Hund wie ein Watteflausch.Glauberg hält den Welpen wie ein Baby, das man über die Schulter sehen lässt. Eigentlich kann man das, was er mit dem Tier tut, nicht unbedingt halten nennen, er kuschelt sich geradezu an den Hund. Es sieht aus, als drückten Mann und Hund ihre Köpfe aneinander.

Wir hören den Welpen leise winseln.

Glauberg flüstert. Unruhig. Drängend, flehend. Er redet schnell, als hätte er Sorge, dass Sylvia ihm das Wort abschneidet oder die Tür wieder zuknallt.

Ich verspreche Dir, dass ich ihn SOFORT zurücknehme, wenn er sich nicht um ihn kümmert.

Schnitt auf Sylvia:

Sie ist nicht einverstanden, schaut abweisend, abwehrend, aggressiv. Ihre Hände hat sie in den Hosentaschen versenkt, das Kinn vorgeschoben.

Du hättest anrufen sollen!...

Du gehst ja nie ran!
Glauberg flüstert immer noch drängend, jetzt auch vorwurfsvoll.

Erregte Pause.


Glauberg ist aufgeregt, geradezu alarmiert, steht stark unter innerem Druck.

Er ist auch mein Sohn.

Pause.

Sylvia wird weicher. Wir sehen sie nah, nur ihr Gesicht. Sie überlegt, ist hin und her gerissen, ihr Hundertprozentwiderstand bröckelt. Sie atmet tief durch.

Glauberg hat jetzt eine Halb-Halb –Chance.

Ihre Augen irren ab, sie überlegt, während wir aus dem off seine Worte hören:

Ich will nicht, dass er ohne Vater groß wird.

Sylvia legt den Kopf schief, hört zu, überlegt.

Schnitt auf Glauberg.

Er drückt den kuscheligen Hund immer noch wie ein Menschenbaby an sich, hält ihn im Arm, schützend, beschützend. Mann und Hund drücken noch immer ihre Köpfe aneinander.

…..Daß er Gefahr läuft, nicht zu erkennen, was er wirklich braucht, was er liebt. ….

Glauberg ist sehr erregt, der Blick aus seinen schwarzen Augen spiegelt tief eingebrannte Trauer und akute Alarmiertheit zugleich. Ein Zug von bodenloser Traurigkeit liegt über den Brauen.

Für ihn geht es hier um extrem Wichtiges.

Eindringlichst:

….sein Bruder erst sterben muss, bevor er zur Besinnung kommt.

Jetzt ist klar, dass Glauberg auch über sich selbst redet. Sein Blick klickt immer wieder zur Seite, als hole er von dort Fakten. Er driftet in seine eigene Geschichte. Er war der Mann, dessen Bruder sterben musste, bevor er, Glauberg, zur Besinnung kam.

Seine Frau versteht ihn nicht.

Gegenschuß auf Sylvia: Sie steht da, die Hände in die Hüften gestemmt, zieht die Schultern hoch:

Was redest Du denn da für´n Mist? Er hat kein´Bruder! Bist Du bescheuert geworden…?

Glauberg sieht ihr irritiert ins Gesicht.


Auf einmal leuchtet sein Gesicht geradezu auf. Er freut sich. Es ist eine Mischung aus Freude, erwartungsvoller Spannung und großer Erleichterung. Er lässt den Hund zum Boden hinab, geht dabei in die Hocke.

Wir sehen, warum er plötzlich so heftig reagiert. Sein Gesichtausdruck hatte sich nicht nur erhellt, er war vor innerlicher Bewegung geradezu explodiert.

Aus dem Hausinneren kommt gerade im Schlafanzug sein Sohn Felix herbeigelaufen. Obwohl sein Vater geflüstert hatte, war der Junge aufgewacht. Er hatte mit dem Instinkt des Kindes gefühlt, daß da an der Haustür etwas Wichtiges auf ihn wartet.

……Wenn man zu spät kommt, ….

sagt Glauberg in aktiv optimistisch festem Ton

…….muss man sich schon was Besonderes einfallen lassen!

Der Junge kniet sich sofort vor den Hund, der winselt, wedelt mit dem Schweif, trappelt zu dem Kind hin.

Schnitt auf Glauberg, er ist hocken geblieben, wir sehen noch die Geste, mit der er den Hund zum Knaben laufen lässt.

Er steuert den Hund zu seinem Sohn hin. Lacht, angeregt, erwartungsvoll gespannt, sehr froh, stolz.

Felix:

Bitte Mama darf ich den behalten?

Mann und Knabe hocken am Boden, die Mama steht hoch über den beiden.

Close up Sylvia. Wir sehen, wie sie zu ihrem Sohn hinunterblickt.

…Das kommt gar nicht in Frage!

Der Knabe insistiert mit unwiderstehlichem Kindercharme:

Bitte! Ich paß´ auch immer auf ihn auf!

Schnitt auf Glauberg:

Er hört den beiden zu, macht sich noch ein wenig Sorgen, ob Sylvia hart bei ihrem Nein bleibt, schaut zu Boden. Er wartet und lauscht, hält sich selbst aus der Schusslinie.

Schnitt auf Felix:

Bitte Mama, bitte!

Der Knabe wird das schon schaffen.

Bitte Mama, ich paß auch immer auf ihn auf.

Glauberg weiß, das der Charme seines Jungen seine Ex-Frau weich machen wird. Gleich hat das Kind gewonnen, noch zwei Sekunden.

Jetzt.

Schnitt auf Glauberg: Er schaut seinen Sohn an, zwinkert ihm zu, so im Stil von „Wird schon!“

Schnitt auf Sylvia. Gesicht und Oberkörper.

Sie schnauft tief durch.

Na gut, - o.k.

Der Junge hebt den Hund auf und trottet mit ihm nach drinnen davon.


Inzwischen hat Sylvias Unterbewusstsein für sie gearbeitet, ihr die Lösung für die seltsamen Worte ihres Ex-Mannes zugespielt, sie hat kapiert, dass er über sich selbst geredet hatte.

Sie fragt, blickt nach unten auf ihren noch immer hockenden Ex-Mann:

Du hast´n Bruder?

Sie sieht sehr erstaunt aus.

Glaubergs Bilck ist zuerst noch weich und offen, er ist noch unter dem Eindruck der Szene mit seinem Sohn. Er steht auf.

Close up.

-- Shit! -- Sein Gesicht hat wieder die alte angespannte Traurigkeit angenommen. Er sagt:

…ja…

Sylvia:

Hast Du mir gar nicht erzählt. Sie wirkt ein wenig offener, freundlicher, obwohl ihre Hände noch immer in den Hosentaschen stecken.

Glauberg sieht nachdenklich zu Boden.

Ich hab´nie viel erzählt.

Das wird sich ändern.

.sagt er halb zu ihr, halb zu sich, nickt, selbstbestätigend.

Sylvia nimmt das Nicken auf. Zuckt mit den Schultern.

Ich muss, sagen, das ist alles n´bißchen…

Sie schaut zu Boden, schüttelt den Kopf….

Schnitt auf Glauberg

Ich weiß.


Pause. Er blickt ihr ins Gesicht. Forscht, wartet ab. Eine Frage formiert sich in ihm:

Mit leiser ironisch- jungenhafter Betonung sagt er, ein wenig kumpelhaft im Ton:

Wenn ich nur ab und zu nach dem Hund sehen dürfte…?

Er weiß es und signalisiert es auch Sylvia, dass das ein Vorwand, ein gentleman´s agreement ist, um häufigere Besuche mit einer objektiv-rationalen Begründung zu rechtfertigen.

Seine Haltung versucht, einen kameradschaftlichen Beiklang zu erzeugen, seine Exfrau nicht als Ex-Partnerin, sondern als Kameradin anzusprechen.

Sie sagt nichts, ist aber nicht dagegen.

Er beginnt ganz leicht zu lächeln, immer noch mit leiser Ironie gegen sich selbst. Wir fühlen erleichtert und erstaunt:

Da ist jetzt etwas in Ordnung.

Da ist etwas geordnet , was vorher im Chaos stak.

Da ist etwas wieder an dem Platz, an den es hingehört.

Es ist --

- sein Herz.

Es schlägt wieder in der Mitte seiner eigenen Brust.
Ohne den glühend-eisigen Schmerz unbewältigter Trennung.
Er ist nicht mehr die blutende Hälfte einer gewaltsam auseinandergerissenen Zweiheit. Er kann die Distanz zu seiner Ex-Frau akzeptieren, er ist wieder ein rundes geschlossenes Ich.

Hier ist er, dort ist der andere Mensch, Sylvia. Er zerrt innerlich nicht mehr an seiner Ex-Partnerin.

Die wiedergefundene Stabilität Glaubergs macht physische Nähe möglich. Sylvia hat die Veränderung in Glauberg erspürt, deshalb konnte sie signalisieren, dass sie nichts gegen Besuche hat, die dem Kind gelten.

Gut´Nacht, sagt er und dreht sich zum Gehen.

Sylvia´s Gesichtsausdruck ist befriedet, zufrieden, mittig.
Man meint, sie denkt so etwas wie:

Na gut. Warten wir´s ab, sieht ja alles ganz gut aus.

Schließt die Haustür. Wir sehen wieder die Türdekoration. Es geht auf Weihnachten zu.


Schnitt.

Totale

Glauberg geht von uns weg das Trottoir entlang.

Wir sehen eine kleiner werdende Figur, die sich langsam in die Nacht hinein entfernt, die Hände in den Hosentaschen,
nicht zu langsam,
nicht zu schnell.
Gerade richtig im Tempo.

Ende.

2004 Heino Ferch – Anton Glauberg, Birge Schade - Sylvia Glauberg, Leonhard Carow - Felix Glauberg
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"Du hast Recht, Plato.
Es ist nie vorbei."
Nick in "Spiel um Dein Leben" 1996-1997

"Zu Ende?
Es gibt kein Ende, Mimi.
Du stehst am Anfang (....)."
Hermes Aphroditus in "Vom Suchen und Finden der Liebe" 2004-2005
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Sonntag, September 11, 2005

"Der Hochzeitsblick" aus: Comedian Harmonists, Regie Josef Vilsmeier, Drehbuch: Klaus Richter, perathon 1997









"Der Hochzeitsblick" aus: Comedian Harmonists, Regie Josef Vilsmeier, Drehbuch: Klaus Richter, perathon 1997


Text: ignazwrobel

(11. September 2005, Besucherzählerstand: 6537 .

Der unten folgende Text war der Anfang von "Filmszenen".

Der Text hat, wie ihr sicher gleich bemerkt, hier noch nicht seine spätere erzählerische Form gefunden, es sind Beobachtungen, gemischt mit Kommentaren.

Ausschlaggebend für "Filmszenen" war die Beobachtung, bei Heino Ferch eine neue, bisher nicht dagewesene Art mimischer Darstellung zu erleben, die einzigartig und für mich als Zuseher emotional unausweichbar packend ist.

Es entstand der Wunsch, die Antwort auf die generische Bemerkung "Super Schauspieler, Ausnahmetalent" zu finden, mit konkretem Inhalt zu füllen: durch genaues Hinsehen und Hinfühlen - durch Szenenbeschreibungen. Was ist die Ausnahmeleistung? Wie funktioniert sie?

Der Blick: Seele und Verstand, Herz und Hirn konzentrieren ihre Bewegungen, ihre Inhalte, im Blick der Figur.

Der Blick ist in einmaliger, neuartiger Weise eingesetztes Transportmedium für einen Reichtum an Gefühlen und Gedanken, der neben dem Text eigene Storylines eröffnet, manchmal sogar Storylines, die den Text konterkarieren. Er ist Magier des Very Close Up im Film.

(Ich kenne keinen Darsteller, der die Ringmuskulatur um seine Augen so differenziert bewegen kann wie Ferch und hiermit eine Fülle von Ausdrucksnuancen erzeugen kann.)

Dazu kommt die Stimme. Die Stimmführung bewirkt etwas ähnliches wie der Blick. Tempo, Druck, Lautstärke, und vor allem die Sprachmelodie ist ein Pfeil, der immer wieder überraschend ins Herz trifft, bei einem einzigen Wort Tränen auslösen kann. Faszinierend.

Differenzierung: Emotionale Abläufe sind nicht nur mainstreammäßig dargestellt, sondern mit einer rasch wechselnden Fülle von Konnotationen und Nuancen, die sich schnell und dicht zu einer Geschichte addieren plus eine darüber gespannte Gesamtaussage kommunizieren. Nuancen, die die Erinnerung des Zuschauers an erlebte Gefühle so stark in die Gegenwart zerren, dass er einer physischen Reaktion nicht entkommen kann.

Identifikation: Heino Ferchs Figuren bieten sich einem deutschen Rezipienten hundertprozentig zur Identifikation an.

Ferchs Figuren sehen aus wie wir, sind so schön oder häßlich wie wir, sie sprechen wie wir, sie bewegen sich wie wir, sie fühlen wie wir, sie haben denselben kulturellen Hintergrund, dieselben sozialen Probleme, sind nicht wie Amerikaner, nicht fremd, nicht anders.

Die bewegen sich in unserer deutschen und europäischen Heimat, in München, in Hamburg, in Franken, Salzburg, Reinsbüttel oder Paris. Da war ich auch schon, das erkenne ich sofort wieder, hier bin ich auch zu Hause.
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Beschreibungen, auch sorgfältigst beobachtende, bleiben immer hilfloses Gestammel.

Film-Schauspielerische Darstellung ist eine darstellende Äußerung, die eben nur durch sich selbst funktioniert, jede "Übersetzung" in eine andere Darstellungsform, wie die Erzählung, die Beschreibung kann nur knappste stenografische Skizze bleiben.



Szene aus "Comedian Harmonists" Regie: Josef Vilsmaier, 1997 perathon.

Film-Standfotos von Petro Domenigg

Roman Cycowski und seine Verlobte, Mary, haben sich nach jüdischer Sitte auf den Friedhof mit dem Rabbi zusammen ans Grab der Eltern begeben, unmittelbar, bevor die Hochzeitszeremonie in der Kirche stattfindet.

Roman stellt im fiktiven Gespräch mit seinen verstorbenen Eltern seine Auserwählte, Mary, die zum jüdischen Glauben konvertiert ist, vor und teilt ihnen mit, dass er sie heiraten wird.

Mary spricht die Eltern ebenfalls an, sagt, dass sie Roman, ihrer beider Sohn, heiraten wird.
Nach jüdischem Brauch schließen nun beide, Frau und Mann, die Augen. Sie wünschen sich füreinander und für ihre gemeinsame Zukunft, etwas Gutes.

Schweigend denken sie ein paar Sekundenbruchteile lang einen hoffnungsfrohen Gedanken für den Anderen und für die gemeinsame Zukunft. Dann öffnen sie langsam die Augen, um einander anzusehen.


Der Blick

Wir stehen im close up einen halben Schritt entfernt vor Roman Cycowski und erleben aus nächster Nähe, wie er die Augen öffnet, sein Blick das Bild seiner Frau, die er gleich heiraten wird, aufnimmt und umschließt.

Die Lider heben sich langsam. Die sich öffnenden Augen geben uns, wie ein sich hebender Theatervorhang, den Blick auf eine große berauschend attraktive Welt von schönen, freundlichen und magisch anziehenden Gefühlen frei, die ausschließlich in Romans Blick, in den Glanzlichtern seiner Pupillen transportiert werden.

Es wirkt, als hätte sich eine Woge von innen nach aussen an den geschlossenen Lidern aufgestaut, die sich jetzt nach aussen verströmt durch die Fenster einer Seele, eines Herzens.

Wir stehen in diesem Strom, erleben ein Potpourri farbig schimmernder Einzelblüten von Gefühlen und Gedanken des Zugetan-Seins.

Dieser Blick in dem freundlichen Gesicht sagt gleichzeitig: Ich stehe zu Dir, ich bin glücklich, Dich bei mir zu haben, ich bin loyal, Du bist mein Augenstern, ich wünsche Dir das Beste, ich freue mich ganz tief innen und noch einmal: ich bin zutiefst loyal. Verlaß Dich auf mich, keine Angst mehr, Du bist zu Hause angekommen.

Man hatte den Eindruck. daß in diesem Kopf und in diesem Herzen dicht an dicht wache Gedanken und Gefühle ablaufen, die sich durch die Glanzlichter in den dunkel erscheinenden Augen nach draussen bewegen, in die sichtbare Welt.

Dieser Hochzeitsblick träufelt Balsam in lange entzündete Wunden, beruhigt den Schmerz des Getrennt- des Vereinzeltseins, erlebter Herzenskälte, an der jeder schon gelitten hat.


Kommentar:

Was sagt der Schaupieler dazu?

Er sagte an anderer Stelle: „Klaus Maria Brandauer hat einmal gesagt, er möchte soweit kommen, dass er Hamlet , wenn er ihn spielt , gar nicht mehr sprechen, sondern nur noch denken muss - und das Publikum trotzdem mitbekommt, was für eine Geschichte erzählt wird.“
Genau das zeigt dieser Blick.

Das neue, andere ist m.E. die Darstellung eines maximalen Masses innerer Handlung, bei äusserster Reduktion der Actionhandlung, umgesetzt in einer mimischen Unmissverständlichkeit und Intensität, die, wie ich glaube, neu ist.

Vorbei an intellektuellen Abwehrmechanismen durchbricht sie blitzlichtartig die Schranken zu unserer emotionalen Innenwelt und löst unmittelbar einen Ping aus. Wäre diese Intensität nur ein Yota übertrieben, wäre sie unglaubwürdig. Sie hält exakt das Mass des Wahrscheinlichen und wirkt deshalb wahrhaftig und ins Herz treffend.

Diese Art der Darstellung ist - kann das sein? - bis heute ohne Vergleich in der Filmschauspielkunst der aktuellen Jahrhundertwende.

Es ist eine neue Art von Mitteilung, von körpersprachlicher Mitteilung, die ich vorher noch nie gesehen habe und die die Möglichkeit des Films, feinste mimische Bewegungen durch close ups makroskopisch zu zeigen, genial nutzt.



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Ferchs Figuren lachen nie ein breites Dauerlächeln. Ihr Lächeln flammt auf wie eine Piezo-Zündflamme und geht dann augenblicklich über in ein strahlendes Glühen über, das ihre ganze Erscheinung erfasst und durch alle Poren zu glühen scheint.

Mary- Katja Riemann http://katjariemann.de/, Roman - Heino Ferch

„Scheiß drauf…“ Paula und Anton Glauberg (Heino Ferch ) in: Mord am Meer, Regie: Matti Geschonneck 2004-05










Bildquelle und alle Bildrechte bei Network Movie Köln für ZDF Zweites Deutsches Fernsehen


„Scheiß drauf…“

Text: ignazwrobel



Nacht. Berlin. Vor der Kneipe.


Wir stehen auf dem Gehsteig, in ca. zehn Meter Entfernung von der Eingangsfront der Kneipe und sehen durch die Scheiben Glauberg, wie er drinnen zur Tür geht. Er öffnet die Tür, betritt die Straße.

Die Kamera fährt rückwärts. Links, direkt bei uns, kommt Paula ins Bild. Sie ist an ein Wandstück gelehnt und kehrt der Kneipe den Rücken.

Glauberg kommt näher, die Hände in den Hosentaschen, den Jackettkragen wieder hochgeschlagen.

Paula ist frustriert, wir bemerken soeben, dass sie geweint hat, sie schnieft noch ein bißchen. Als sie fühlt, dass Glauberg direkt hinter ihr ist, sagt sie:

Ich geb´den Fall ab, ich laß mich nicht verarschen.

Glauberg: Ich würd´mir das noch mal überlegen.

Scharfes Laternenlicht steil von oben verschattet die Gesichter der Beiden, die Augenhöhlen sind dunkel. Paula sieht désoleé aus, ihr Haar ist wirr, das Gesicht hat seine puppenhaft hübsche Spannkraft ganz und gar verloren, die Gesichtsmuskulatur ist erschlafft, tiefe Schatten ziehen über ihre Wangen.

Wir treten näher, sehen beider Kopf und Oberkörper. Glauberg bleibt aufmerksam, angespannt, neben ihr stehen, zugewandt.

Er wagt unter Ausnutzung von Paulas Betrunkensein einen frechen Vorstoß in seinem eigenen Interesse als Ermittler.

Können Sie mir die Nummer von Jäger geben?

Ha. sagt Paula Sie bringen mich da echt in eine blöde Situation.

Die getrunkenen Schnäpse bewirken eine Wurstigkeit, die sie wahrscheinlich in nüchternem Zustand kontrolliert hätte.

Scheiß drauf…

Sie dreht sich zu Glauberg hin. Seine Rechte fährt schnell zur Brusttasche seiner Jacke, zückt einen dort wohl immer wohlverwahrten Filzstift, den er ihr gibt.

Dann greift er mit der Linken in die innere Brusttasche der Jacke, um nach einem Stück Papier zu suchen, auf das Paula die Nummer notieren könnte.

Sein Blick schweift dabei einen Moment ab, wie man es tut, wenn man nach etwas sucht, das man nicht sieht. Er tastet, findet nichts.

Da packt die zarte Paula sein Handgelenk und zieht die Hand aus dem Revers.

Sie will -ganz pragmatisch- seine Hand als Notizpapier benutzen.

Wir sehen Glaubergs Überraschung. Er hatte Paulas Absicht nicht bemerkt.
Die unvermittelte Berührung löst ein Echo aus.

Eine Spur zart staunenden Genusses begleitet die Bewegung seiner sich öffnenden Hand, während er sie, geführt von Paulas Griff, in einem langsamen Viertelkreis bis hinab zu Paulas Taille absenkt,- die Handfläche nach oben, damit sie hineinschreiben kann.

Die Hand des Mannes -eben noch eine Faust - öffnet sich wie eine Blüte. Das unisono seiner körperlichen und seelischen Öffnung löst ein angenehmes Kitzeln in unserer Magengrube aus.

Paula senkt den Kopf und kritzelt die Nummer quer über seine Handinnenfläche. Ihr Haar ist direkt vor Glaubergs Gesicht.

Während Paula schreibt, fühlen wir sein leise horchendes Zu-Ihr-Hinspüren, ein zartes Timbre erotischer Sehnsucht.

Es ist, als würde ihn nur seine Traurigkeit davon abhalten, etwas zu tun, zu reagieren, sie an sich zu ziehen. Er bleibt völlig ruhig stehen.

Insert auf die Hände.

Paulas zierliche Hände, wie sie Glaubergs Männerhand festhalten und hineinschreiben.

Als sie fertig ist, ihm den Stift in die Hand drückt und seinen Fingern etwas nachhilft, damit sie sich um den Stift schließen, wirken seine Finger für eine Millisekunde so, als wollten sie nicht nur den Stift, sondern auch Paula festhalten.


Paula, die Betrunkene, hat von Glaubergs Stimmung nichts bemerkt, sie blickt auf, Glauberg direkt ins Gesicht erkennt nicht, dass er von ihr angezogen ist.

Sie dreht sich weg und geht, die Hände in die Gesäßtaschen ihrer Jeans versenkt.

Glauberg lässt sie ein Paar Schritte gehen, dann sagt er:


Gehen Sie mit mir in die Oper?

Sie dreht sich um, lächelt, nickt.

Ja.

Ende der Szene.

2004 - Anton Glauberg: Heino Ferch, Paula Reinhardt: Nadja Uhl

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Kommentar:

Glauberg ist kühl und logisch ermittelnder Kommissar, bedrückter, ausgegrenzter Mensch und erotisch nicht abgestumpfter Mann. Alle drei Eigenschaften, Rollen, kollidieren miteinander in der gesetzten Situation - in moralisch nicht einwandfrei lösbaren Zielkonflikten.


“..ich habe eine Andere...“: Teil 1a. (Hermes Aphroditus - Heino Ferch ) in : Vom Suchen und Finden der Liebe. Regie: Helmut Dietl. 2004







Bildquelle und alle Bildrechte bei Constantin Film AG, München


“..ich habe eine Andere...“: Teil 1a. (Hermes Aphroditus - Heino Ferch ) in : Vom Suchen und Finden der Liebe. Regie: Helmut Dietl. Buch: Patrick Süßkind und Helmut Dietl. 2004


Text: ignazwrobel

Fotostrecke : Vom Suchen und Finden der Liebe

".....ich habe eine Andere.."

Venus ist durch den Brunnen im Garten der Villa Helena in die Unterwelt gekommen.

Wir sehen sie als kleine weisse Gestalt über die unendliche graue Wüstenei wandeln, ganz in Unschuldsweiss gekleidet. Eine schwarzgraue Bergkette dräut dunkel am fernen Horizont - .

Schnitt.

Blick auf ein nebelumwogtes graues Flussufer: Der Styx, über den die Seelen der Verstorbenen durch Charon, den Flößer, hinüber in die Unterwelt, den Hades, gebracht werden.

Venus ruft zögerlich ihren Geliebten :

Mimi...dann immer lauter. Ihre zerbrechliche weisse Gestalt steht vor dem bleigrauen Wasser des Flusses, sie ruft in den dichten weissen Nebel hinein:

Mimi!

Mimi!


Schnitt .

Im Palast des Hermes Aphroditus.

Hermes hört Venus´ Rufe. Er versichert sich, dass Mimi weiterschlafen wird. Wir sehen, dass er sich zu handeln entschließt.

Schnitt.

Jenseitiges Ufer des Styx.

Venus steht auf dem Fährfloß, Charon, ein uralter weisshaariger Mönch mit schwarzer Kutte und Kapuze, hat Venus herübergerudert.

Das Floß legt an.

Von links tritt Mimi ins Bild, mit seinem schwarzgrauen griechischen wallenden Gewand bekleidet. Mimi in schwarz, Venus in weiss, Yin und Yang.

Wir sehen, dass Mimi nicht seine eigenen Sandalen trägt.

Seine Füße stecken in den hochhackigen goldbeflügelten Sandalen von Hermes Aphroditus.

Wir begreifen, dass nicht Mimi es ist, der Venus begrüßt, sondern Hermes Aphroditus in Gestalt des Mimi.

Venus erfreut und erleichtert: Mimi!

MimiHermes blickt ihr unbewegt mit verdüsterter Mine entgegen. Venus springt vom Floß, breitet die Arme aus und eilt auf ihren Geliebten zu. Der kühle Ton des Mimi bremst sie.

MimiHermes: Was willst du hier?

Sie bleibt erschrocken stehen.

Was..was ich will?

Ich bin gekommen, Dich zu holen...

Close up Mimi. Sein Gesicht ist völlig unbewegt, seelisch starr, todernst.

Freust Du Dich nicht?

Er sagt leise, ganz leise und mit einem Hauch von Dramatik:

Du kommst zu spät.

Nein...

Doch.

...nein...


Jetzt muss Venus hören, was sie nicht fassen kann. Mimi:


Ich habe eine Andere.

Eine ...Andere?

Venus ist verzweifelt entsetzt, scheint nicht begreifen zu können, was sie hört.

Auf Mimis Gesicht erscheint ein kleines triumphierendes Lächeln:

...mit der ich sehr glücklich bin. Sehr, sehr glücklich.

...Nein, ...nein!

Venus will zu Mimi hineilen, wird von einer herrischen Geste am ausgestreckten Arm zurückgestoßen, derselben Geste, mit der Hermes Aphroditus vorher schon einmal Mimi zurückgestoßen hat.

Bitte schrei hier nicht herum! Dies ist ein Ort des Friedens, der Ruhe und der Harmonie.


Venus weicht zurück, HermesMimi verschränkt die Hände, steht ganz in sich ruhend da.

Venus: Du... Du kannst mich doch nicht so schnell vergessen...haben...

Mimis Gesicht ist verschlossen, aber ruhig, emotionslos.

Als er spricht, bewegt sich nichts in seiner Mimik, nur der Mund spricht Worte:

Doch. Um die Wahrheit zu sagen; ich kenne Dich gar nicht mehr.

Und ich will Dich auch nicht mehr sehen und nichts mehr von Dir wissen.

Er hebt mit der für Hermes typischen Geste die Hand zum Abschied, zu einem kleinen Winken:

Adieu.

Venus ist völlig entsetzt über Mimis Verhalten.

Mit gebrochener Stimme fragt sie:

Warum bist zu plötzlich so anders, Mimi?

Ich bin nicht anders, Sternchen. Ich bin nur... verliebt.

Er hebt eine Augenbraue, wartet, dann strahlt ein (Moritz Bleibtreu-(!goof!!)) Lächeln auf, das Venus gegenüber nichts weniger als grausam ist, seine Augen werden klein, berechnend.

Venus fragt drängend, ärgerlich, mit Tränen in den Augen:

In wen?

Mimi, lyrisch, mit dem kleinen Kopfrucken, das für Hermes typisch ist:

In die Frau meiner Träume... in den Traum von einer Frau.

Mimis Augen werden groß und schwarz, tief, begeistert betroffen :

Sie ist... wunderbar! Unbeschreiblich. (...)

Venus Züge sind zu einer Maske von fast unerträglicher halt- und grenzenloser Trauer mutiert.

Wir sehen sie da stehen, stehen rechts hinter HermesMimis Rücken.

Ihr Kopf sinkt kraftlos herab, sie zögert. Als sie sich wieder aufrichtet, ihr Blick nach Mimi tastet, sagt sie:

Dann wünsch´ich Dir viel Glück, Mimi.


Die Szene ist hier nicht zu Ende. Venus Morgenstern wird jetzt die Arie beginnen,

.. ach ich habe ihn verloren

..all mein Glück ist nun dahin

...wär o wär ich nie geboren...

Hier ist ein Höhepunkt des Films. Trotzdem brechen wir unsere Erzählung vorher ab.


2004-2005 HermesMimi – Moritz Bleibtreu, Venus Morgenstern - Alexandra Maria Lara
Was? Was? Was?, nach 75 Einträgen eine Szene OHNE Heino Ferch. Scheinbar ja. Aber HF ist doch dabei. Moritz Bleibtreu wird, um es salopp zu sagen, longiert, sozusagen Fahrschule vom Sattel. Er bewegt sich in der Körpersprache des Hermes, und diese ist der Arbeit von Heino Ferch an der Figur entsprungen. Es ist also auch dies - indirekt - eine Szene mit HF.


Donnerstag, September 08, 2005

“..ich habe eine Andere...“: Teil 1b Kommentare. Porträt Hermes Aphroditus ( Heino Ferch ) in : Vom Suchen und Finden der Liebe. Regie: Helmut Dietl.









Bildquelle und alle Bildrechte bei Constantin Film AG, München



Kommentare

von: ignazwrobel

Kommentar 1:

Über Vom Suchen und Finden.. liessen sich leicht Hundert bis Zweihundert Seiten Kommentar füllen, hätte man den Impetus, die Handlungslinien und Symbolkomplexe des Films nur halbwegs nachzuzeichnen. Hier nur ein punktuelles Blitzlicht:

Hermes Aphroditus

Interessant ist der hohe Stilisierungsgrad der Figur Hermes Aphroditus. Wie er spricht, was er sagt, wie er es sagt, ist retro bühnenhaft und somit emotional abstrahiert.
Das ganz und gar golddurchwirkte Kostüm schafft Anonymisierung, ebenso das ‚hübsche’ aufgemalte Gesicht, durch das sehr irritierend immer wieder Bitternis und Trauer hindurchscheint.

(Die Stärke der Trauer ist ganz besonders extrem zu sehen in den Morphings, in denen das junge ein wenig traurige Gesicht von Venus oder Mimi in die untröstlich atemlos traurigen Züge des Hermes Aphroditus mutiert, der Ausdruck von Trauer sich um ein Vielfaches potenziert. Die höhere Anzahl an Lebensjahren des Hermes Aphroditus scheint eine Maßgabe für die Stärke des Ausdrucks von Trauer, hier hat die Zeit den Brunnen der Tränen weiter angefüllt. )

Immer wieder bricht die Figur Erwartungsklischees, ozilliert zwischen tuntigen Bewegungen, die ja gefallen wollen und einer beinernen Härte, -wie er Mimi aufs Bett wirft, soll leidenschaftlich sein, ist aber auch klare Ansage, dass Mimi keine Wahl haben wird;

wie er Mimi mit ausgestrecktem Arm zurückstößt, als der Hermes drängend nach Venus fragt – hat eine fast grausame Härte, die natürlich Echo darauf ist, dass Mimi sich nicht gewinnen läßt, aber darüber hinaus von einer spröden, lang angestauten Frustration erzählt, die uns irritiert.Die Stilisierung wirkt umso stärker, da Mimi, wenn er im Dialog mit Hermes ist, bei einem ‚normalen’ Alltags-Gefühlsausdruck bleibt, dessen Stil auf naturalistische Wahrhaftigkeit des emotionalen Ausdrucks hin angelegt ist. So prallt Stilisierung und Normalität aufeinander und hebt Hermes ab, dorthin, wo er hingehört, in eine Traum-Märchen-Götterwelt.

Hermes Aphroditus ist groß, wuchtig, mächtig, beeindruckend, Mimi wirkt gegen ihn zerbrechlich. Trotzdem hält Hermes , sobald er steht, seine Arme in einer Geste vor den Leib, die unsicher, suchend und wie ein Selbstschutz wirkt, er versteckt sich geradezu in der Draperie seiner goldenen Flügel, erstaunlich. Diese Haltung könnte einfach nur tuntig sein, - oder..von der emotionalen Unsicherheit des Halbgottes erzählen. In sich schon ein Wunder.

Ganz frei präsentiert sehen wir Hermes´ Körper nur einmal, in dem Moment, da er sich mit dem Objekt seiner Begierde, Mimi, vom Brunnenrand springend hinab in sein eigenes Reich begibt, dorthin, wo seine emotional-erotischen Hoffnungen liegen. In diesem Moment bekommen wir in Autopsie einen Blick auf das, was der Halbgott körperlich anbieten wird.

Warum sind Götter Götter? Kann er sich nicht selbst helfen? Der Schauspieler Heino Ferch zum Thema: er [Hermes Aphroditus] kann einem Menschen, dem er sich in Liebe hingibt, alles bieten, kann es [aber] nicht erzwingen. Das ist es, was er erfahren muss.

Für die Interpretation des Hermes Aphroditus aus unserem Themenblickwinkel hier auf Filmszenen sind viele viele viele Faktoren von Bedeutung. u.a.:

ad 1: Hermes Aphroditus ist nicht nur er selbst. Er ist auch Venus Morgenstern. (siehe morphing des Hermes Aphroditus, als er Mimi zeigt, dass Mimi nicht mit Sternchen im Bett war, sondern mit Hermes Aphroditus im Leib der Venus Morgenstern. Dieses Morphing hat m.E. nicht nur eine episch-erzählende Bedeutung für die storyline, sondern auch - ganz altmodisch -eine symbolische Bedeutung, die durch Assoziation erzeugt wird. Bilder werden gezeigt, die miteinander in Bedeutungszusammenhang treten. )

ad 2: Hermes Aphroditus ist nicht nur er selbst. Er ist auch Mimi Nachtigal. (siehe morphing aus der Gestalt des Mimi in seine eigene Gestalt zurück, unwillkürlich, sogar unwillentlich, als Venus Morgenstern durch ihre Trauer und Verzweiflung "...ach, ich habe ihn verloren... " Hermes Aphroditus´ Herz plötzlich anrührt. Nach dem Morphing geschieht es dem Gott, dass er weinen muss, unwillentlich, er wischt sich, verwundert über die Anrührung seines Herzens, eine Träne von der Wange.)

ad 3 : Konsequenz aus 1 und 2 ist, dass alles, was Venus und Mimi tun und denken, auch Hermes Aphroditus unmittelbar betrifft, projiziert in diese Beiden.

ad 4: Hermes Aphroditus wird aus menschlich dimensionierter Sicht als schwuler Zwitter, als Transe, gesehen.
Das ist unterhaltsame Oberfläche und gehört zur Abteilung Komödie.

Darunter ist - Zitat Heino Ferch: ''Hermes ein tieftrauriger Mensch'' [das tönt wie Donnerhall ]-, ''ein Gott, (...) für den (..) die größte Sehnsucht ist, die (...) ewige Liebe zu finden.'' - ''er kann einem Menschen, dem er sich in Liebe hingibt, alles bieten, kann es [aber] nicht erzwingen. Das ist es, was er erfahren muss.(....) Deshalb ist er eine zutiefst traurige und auch lächerliche Figur. ''''..er versucht [es] bis zur Lächerlichkeit, (...) er ist lächerlich und rührend. (Uff)


ad 5: Hermes Aphroditus, der Gott, der über den menschlichen Dimensionen steht, kennt für Mimi das Mittel zur Auflösung seiner Qualen. Er besitzt ein Heilmittel. Es ist die Lethe. Wasser. Wasser des Vergessens. Er schenkt Mimi dieses Wasser, läßt ihn dieses Heilmittel trinken. Du musst einfach viel Wasser trinken, Mimilein. Viel, viel Lethewasser aus dem Fluß des Vergessens, und Hermes kennt auch den anderen Weg aus dieser Pein:

...oder... dich einfach wieder neu verlieben....

Was heißt das? Hermes Aphroditus kennt alle Qualen einer Liebe (Mimi und Venus), die sich durch den Alltag auseinandergelebt hat, bei der die beiden Beteiligen jedoch nicht voneinander lassen können (er ist ja auch - siehe ad 1 und 2), aber: ER KENNT AUCH EINE LÖSUNG. Es ist: Das Vergessen und die Neue Liebe.

Musik des Films: Klasse. Die Musik ist nicht nur zur Emotionalisierung der Szenen verwendet, sondern leitmotivisch, wie in einer Wagneroper. Hermes´ hat eine ihm zugeordnete Musik, ein Schicksalsmotiv aus äh aus (hier verließen sie sie..es geht doch nichts über eine solide Halbbildung) äh Tosca? Es ertönt, als Hermes Aphroditus zum ersten Mal auftritt und es ertönt wieder, als er in Gestalt der Venus körperliche Liebe von Mimi Nachtigal erzwingt und noch einmal, als er in Mimi Nachtigals Gestalt Venus Morgenstern am Ufer des Styx zurückweist (s...ich habe eine andere....).
Dieses musikalische Motiv hat auch Text, der (der fleißige Opernbesucher hat ihn natürlich gegenwärtig) mit in die Interpretation der Figur des Hermes einzufließen hat.Die schöne, nicht veränderte Einspielung der Che faro?.. Arie,
und
Quando men vo, quando men vo soletta per la via, la gente sosta e mira e la belezza mia, quando ricerca in me.. ed asaporo allor´la bramosia sottil che dagli occhi traspira….così l´efluvio del´desio…die Arie der Mimi als Abspann, direkt nachdem wir gesehen haben, dass Venus ihre Schönheit durch Alter verloren hat, super, Meet me tonight in dreamland under the silvery moon (mit der großartigen Stimme einer 50er Jahre Diva- Judy Garland, der Somewhere over the rainbow-Interpretin) als Hermes mit Mimi tanzt, geil , die dramatischen Tosca-und Butterfly-Motive - suppi.


Kommentar 2 : Schlüsselszene

Es ist - scheinbar - unmöglich, EINE Schlüsselszene in diesem Film festzumachen. Schlüsselszene ist in diesem Fall der komplette Film, alles, was Mimi und Venus betrifft, man müsste den gesamten Dialogtext der Figuren Mimi, Venus und Hermes Aphroditus hier wiedergeben.

(...Hermes, Mimi und Venus sind nicht nur für den Erfinder dieser durch und durch emblematischen Geschichte Dietl Facetten eines alter ego. )

Ausweg aus diesem Schlüsselszenendilemma ist vorerst der im obigen Text gezeigte. Die obige Szene ist sozusagen eine Anti-Schlüsselszene, allerdings nur bis zur hier gezeigten Stelle. Sie ist das, was ablaufen müsste, damit der liebeskranke Mimi gesunden könnte und der liebeskranken Venus die Chance geben könnte, auch zu gesunden.

Die Prognose des FIlms für Venus ist, dass sie sich nicht weiterbewegen wird, sie ist im Alter wieder allein, hat ihr Herzensbiografie nicht mit einem anderen Mann weitergeschrieben, den Anderen wieder aufgegeben.

Die Prognose für Mimi ist, dass er sich mit zärtlich-nostalgischer, aber innerlich erwacht-distanzierter Zuneigung (die Distanzierung ist geboren aus der Wahrnehmung des Alterns, des Gealtertseins seiner großen Liebe) an Venus erinnern wird. Er ist in eine andere, neue Welt gegangen (Zitat Hermes: [an einen] Ort der Ruhe, des Friedens und der Harmonie), er ist - der Sieger.

''Es ist schwer, Veränderungen anzunehmen, aber auch befreiend.''svb

Kommentar 3: Genre

m.E. ist dieser Film nicht problemlos in das Genrefach Komödie einzuordnen, es ist eine Tragikkomödie, eine Parabel, ein Märchen, eine Aneinanderreihung emblematischer Bilder, fellinesk, keinesfalls eine Slapstick-Komödie.

Wer mit dieser Erwartung an den Film herangeht, kann nur enttäuscht werden. Ich verstehe auch nicht die Hauptkritik, die immer wiederholt wurde, dass der Film scheinbar keine Richtung hat. Er erzählt in Venus und Mimi und in Theo und Helena über zwei Formen der Liebe.

Und er erzählt davon, dass das Altern, das Gealtertsein die glühende Leidenschaft zu einer zart freundschaftlich sentimentalen Erinnerung mutieren läßt. Mimi darf diese Erfahrung machen, als er seinen Dreistundenausgang nach Berlin-Mitte wahrnimmt.

Der Film spricht sehr stringent in Symbolen. Alles ist wichtig.

Ich weiß nicht, ob dem Regisseur das sehr gefallen würde,- aber die Konstruktion des Films, das Ineinanderwirken von Menschlichem und Göttlichem, gewürzt mit witzigen, sehr menschelnden Dialogen, hinterlegt von einer "Großen Wahrheit", das erinnert mich alles sehr an Wiener Volkstheater, Ferdinand Raimund, Johann Nestroy, sozusagen Wiener Volkstheater des 21. Jh.s. Das soll nicht pejorativ sein, ich liebe Ferdinand Raimund, wie z.B, es ist, glaube ich, in: Der Bauer als Millionär, Jugend und Alter (der in dieser Szene göttliche Otto Schenk, Salzburger Festspiele anno xy) einander gegenüberstehen, großartig. - Wenn der Film nicht gefallen hat, dann hat er ein Publikumsproblem, kein Qualitätsproblem. Ähnlich wie der schlöndorffsche "Unhold" . Der Film ist großartig, aber das Publikum war zu diesem Zeitpunkt nicht empfänglich für den Inhalt.

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