Mittwoch, September 21, 2005

"...Sie betreten den Französischen Sektor!" Die Flucht Teil 4. in: Der Tunnel. ( Harry Melchior - Heino Ferch ) Regie: Roland Suso Richter, teamworxx




Bildquelle und Bildrechte bei teamworx Filmproduktionsgesellschaft



Foto des Tunnels

"... Sie betreten den Französischen Sektor!"

Ihre Antwort lenkt Harry einen Moment ab, er sieht hochalarmiert, die Augen weit aufgerissen, zu Fritzi hinüber.

Sofort nutzt der Oberst seine Chance. Seine Hand hebt sich langsam zu Harrys ausgestrecktem Arm mit der Waffe.

Harry hat es bemerkt. --

Er befiehlt dem Oberst, seine Leute wegzuschicken.

Die ziehen sich draussen tatsächlich zurück. Harry stößt die Tür endlich mit dem Fuss zu.

Nach ein Paar Sekunden, in denen der Oberst durch Reden Zeit zu gewinnen versucht, tut Harry das Einzige, was jetzt möglich ist. Er schlägt den Oberst mit der Waffe nieder, so dass dieser einen Moment halb bewußtlos ist.

Wir sehen Fritzi jetzt im Loch verschwinden – mit dem weinenden Baby auf dem Arm.

Nun endlich springt auch Harry in den Tunneleingang. Unten warten immer noch Fred, Vic, Matthis, dazu jetzt Harry, Fritzi und das Baby.

Harry schreit im Stakkato:

Raus los weg schnell haut ab, alles weg, Matthis!!

Matthis kommt nicht. Er kommt nicht.

Sie haben nur noch Sekundenbruchteile, bis der Oberst nachkommt und Matthis sitzt einfach da. Er hat Carola, seine Frau, noch erwartet.

Er starrt ungläubig zum Tunnelausgang. Harry läuft schon ein paar Schritte, merkt, dass Matthis nicht kommt.. Matthis! schreit er.

Matthis: Wo ist Carola?

Sie kommt nicht. .... Matthis......los komm!!!

Matthis bewegt sich nicht.

Harry versucht, ihn zu aktivieren, schreit

los komm,... komm..!!!

Oberst Krüger ist aufgewacht, ruft seine Leute. Die stürmen in den Kellerraum, die ersten sind am Loch, unten sitzt immer noch Matthis unbeweglich.

Harry rennt zurück, packt Matthis an beiden Armen, schüttelt ihn.

Eindringlichst, direkt in Matthis Gesicht:

Sie wird nicht kommen! Flüstert:

es tut mir leid,

alarmierter Blick Richtung Geräusche der Verfolger, Matthis immer noch wie gelähmt.

Jetzt packt Harry seinen besten Freund unter den Armen und zerrt ihn rückwärts den Tunnel entlang. Matthis tut nichts, er blickt immer noch hirnleer unter Schock zum Tunnelausgang, während er von Harry weggezogen wird.

Endlich beginnt er selber zu laufen, Harry ist jetzt der Letzte der Fliehenden. Der Oberst und seine Leute sind nun im Tunnel,

Matthis und Harry rennen schnell, ihre Muskeln sind das gebückte Laufen gewöhnt, der Oberst hinterher, er hat deutliche Probleme, gebückt zu laufen. Das bringt unseren Leuten Sekunden.

Der Tunnelverlauf ist versetzt gebaut, damit kein durchgängiges Schußfeld von hinten nach vorne möglich ist. Der Oberst muss um Ecken biegen und sieht die Fliehenden also erst kurz, bevor er hinter ihnen ist.

Vorne rennen die letzten Flüchtenden, Zwischenschnitte auf den Tunneleingang, wo helfende Hände die Ankommenden hochziehen, in der Mitte des Tunnels Matthis und Harry, verfolgt von Oberst Krüger.


Jetzt biegt Krüger um die Ecke, er ist er so nah, dass Blickkontakt möglich ist.
Schnitt.

Wir sehen eine handgemalte Tafel:

Sie betreten den französischen Sektor!

steht quer unter dem Tunnelplafond.

Matthis und Harry rennen unter dem Schild durch, schauen sich nach ihren Verfolgern um.
Der Oberst holt auf, er ist wenige Schritte vor dem Schild. Wir in des Obersts Rücken.

Das völlig Unfassliche, geradzu Unglaubliche, passiert. Wir können nicht glauben, was wir da sehen und hören.

Aus dem Off ruft eine Stimme:

Stopstopstopstop...

Stop.stop.

Der Oberst hält tatsächlich vor dem Schild an.

Schnitt auf Harry.

Der hatte, erst wenige Meter auf dem Französichen Sektor stehend, angehalten, sich herumgedreht.

Amerikanische auf Harrys Oberkörper.

Er steht, gezwungen vom niedrigen Plafond, vorgebeugt, atmet heftig.

Er pumpt mit offenem Mund vor Anstrengung, ist schweissnass, sein Gesicht noch gezeichnet von gestreßter Angst, überwach, schwarze alarmierte Augen, er tänzelt unruhig am Platz, wie jemand, der in der nächsten 100stel Sekunde wieder losstarten wird.

Als er merkt, dass das Schild seine Zauberwirkung tut, - die DDR-Leute dürfen Flüchtlinge nur bis auf den Zentimeter exakt zur Grenzlinie verfolgen - erhellt immer mehr ein triumphierendes Lächeln sein Gesicht.

Das Lächeln wird ein zähnezeigendes Siegerlachen, er stößt verächtlich Luft aus – hebt sarkastisch-ironisch die Hand an das imaginäre Mützenschild zum militärischen Gruss und - dreht sich weg.


Geschafft.

Die Flucht aller zweiunddreissig Personen ist gelungen. Hä. Hä.

Ende der Szene.

2000-2001 Heino Ferch - Harry Melchior, Sebastian Koch - Matthi Langensiep, Claudia Michelsen - Carola Langensiep, Heinrich Schmieder - Theo Lohmann, Alexandra Maria Lara - Lotte Lohmann, Fritzi Scholz - Nicolette Krebitz, Vic Costanza - Mehmet Kurtulus
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Kommentar:

Die hochdramatische Fluchtszene ist Filmerfindung. Die Figur Harry Melchior hat ein historisches Vorbild - es ist er ehemalige Deutsche Meister im Schwimmen Hasso Herschel. Hasso Herschel ist sein Leben lang Fluchthelfer geblieben und hat insgesamt über 1000 Personen zur Flucht in den Westen verholfen.

Interview mit Hasso Herschel und Foto

Kommentar 2:

Auf der DVD sind längere Interviews mit Hasso Herschel zu sehen. Heino Ferch hat, wie ich finde, Atem und Herzschlag dieses Mannes in der Figur von Harry Melchior atemberaubend genau getroffen.

Der Charakter der Figur zeigt eine schöne Balance von Aufgeräumtheit, Geradlinigkeit, Knappheit, Kompaktheit und Pragmatismus, schmackhaft gewürzt mit einem nicht aufdringlichen Schuss 'authentischer Männlichkeit'.

Die Figur ist in ihrer unkompliziert selbstverständlichen Mannhaftigkeit und tatkräftigen Aufgeräumtheit eine meiner Lieblingsfiguren, sie hat einen sehr klaren interferenzfreien seelischen Zug, der ein angenehmes Gefühl hinterläßt.

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-Aus dem Film wurde eine Szene "Betrunken" herausgeschnitten, in der Harry Vic eiskalt maßregelt. Wäre diese Szene im Film geblieben, hätte die Figur Harry eine grausame, harte, empathieunfähige Komponente bekommen, die den Charakter Figur m.E. so verändert hätte, daß ihre nachhaltig beeindruckende Wirkung ausgeixxt worden wäre.

Fotostrecke "Der Tunnel"

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