Montag, September 26, 2005

"..ich warte nicht, bis der Alte Mann mich erschlägt..." Teil 2 Heino Ferch als Franz Wolbert in: Das Wunder von Lengede, Regie: Kaspar Heidelbach,



Bildquelle und alle Bildrechte bei Zeitsprung Film+ TV Productions GmbH für SAT.1



"..ich warte nicht, bis der Alte Mann mich erschlägt..." Teil 2


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Text: ignazwrobel

Die Szene:


Wieder Stunden später.

Alle schlafen, zusammengekauert an ihren schmalen Plätzen zwischen Wand und der Wasserfläche des Flutwassers, das zu ihren Füßen einen See bildet.

Franz allein ist wach.

Er ist nicht so strukturiert, dass er passiv warten kann, bis der Tod langsam nach ihm greift. Er muss handeln, auch wenn die Chancen gegen ihn sprechen. Entweder, er schafft es, oder das Ende kommt schnell, mitten im Tun, in der Aktion.

Er hat seine Helmlampe mit dem langen Kabel zur Batterie am Gürtel angeschaltet, sie vom Helm abgenommen. Seine Jacke hat er ausgezogen, sitzt da in Hose und seinem blaukarierten Hemd.

Plötzlich ist er hochaktiv, bewegt sich schnell. Er hängt das Lampenkabel um seinen Hals, steht auf. Bruno und Salvatore werden von der Unruhe geweckt.

Franz fragt Bruno, was hast Du vor?

Schnitt.

Blick auf die Teichoberfläche mit dem schlammigen Wasser.

Direkt unter der Oberfläche sehen wir das im Tod von entsetztem Erstaunen entstellte Gesicht des Kumpels, der von einem Steinschlag vor Tagen dort festgeklemmt worden war.
Vor Stunden war der Wasserpegel noch so tief, dass sein Kopf über die Wasseroberfläche herausragte, nun ist er völlig untergegangen.

Salvatore ist völlig wach, schaltet seine Helmlampe an.

Schnitt auf Franz.

Franz blickt festgefroren starr geradeaus, während er mit schnellen Bewegungen sein kariertes Hemd auszieht.

Salvatore versucht, Franz zurückzuhalten.

Franz? Franz? Aspetta (warte), Du bist verrückt.....Komm, Du hast keine Kraft mehr, du... dann tot...

Franz reagiert mit keinem Blick, Salvatore packt ihn, versucht, ihn zurückzuhalten, ganz ohne Erfolg.

Franz starrt weiter geradeaus und macht sich fertig zum Tauchen.

Ich warte nicht, bis mich der alte Mann erschlägt.

sagt er, ohne zu Salvatore hinzusehen, ohne in diese Gegenwart ganz zurückzukehren. Innerlich ist er bereits unterwegs.

Er zieht sein Hemd ganz herunter, drückt es Salvatore in die Hände, fixiert den Gürtel, der die Batterien der Helmlampe trägt und beginnt, ins Wasser zu waten.

Als Salvatore sieht, dass er gegen Franz´ Willen nichts ausrichten kann, versucht er, wenigstens sicher zu stellen, dass sein Sprengmeister zurückfinden kann.

Aspetta, aspetta! Piano piano! (Warte, warte, langsam, langsam!)

Er sucht am Boden nach einem Kabel, findet eines, es ist ein Lichtstromkabel, und schlingt es Franz um die Taille.

Franz scheint das gar nicht zu bemerken, er nimmt die Helmlampe zwischen die Zähne, watet ins Wasser, bückt sich zum Wasser hin.

Salvatore hat alle Mühe, das Kabel noch schnell an dem Mann zu befestigen, der sich, immer noch völlig starr geradeaus ins Nichts blickend, vorbereitet, durch den gefluteten Stollen zurückzutauchen zum Hauptstollen.

Jetzt steht Franz bis zur Taille in dem neun Grad kalten Wasser, nimmt einige tiefe Atemzüge, um möglichst viel Sauerstoff ins Blut zu bekommen. Dann holt er Luft.

Franz ist verschwunden. Sekundenbruchteile, nachdem er getaucht ist, verliert sich der Lichtschein seiner Lampe im schmutzigen Brackwasser.

Salvatore gibt Kabel aus.

Close up Salvatore.

Sein Gesichtsausdruck ist zweifelnd, er hält den Versuch seines Kameraden für Wahnsinn, bekreuzigt sich, wir sehen, dass er ein ganz kurzes Stoßgebet, ein zwei Worte nur, spricht.

Wir begleiten die Odyssee von Franz Wolbert unter Wasser.

Die Lichtführung ist nicht realistisch, im Schlammwasser wäre gar nichts zu sehen, ausser einem kurzen Lichttunnel der schwachen Helmlampe. Für uns ist das Wasser klarblau. Licht strömt von schräg oben ein.

Wir sehen Gegenstände, die im gefluteten Tunnel herumschwimmen, eine Grubenlampe, Jacken, eine Brotbüchse, ein Gummistiefel....

Schnitt auf Franz.

Er tastet, zieht sich mit den Armen an den Stempeln vorwärts und schwimmt zügig voran.

Sein Gesicht ist extrem verzerrt von der immensen Anstrengung und der Angst, die Schläfenadern zum Platzen geschwollen, die Stirn in furchtbarer Anspannung, sein Blick bohrt aus schwarzen Augen nach vorn, weiter weiter, weiter...

Kommt rechtzeitig eine Möglichkeit Luft zu holen?

Schnitt.

Nahaufnahme. Wir sind knapp über der Wasseroberfläche.

Aus dem Wasser taucht direkt vor uns der Kopf von Franz auf. Er ist im allerletzten Moment, scheinbar kurz vor dem Ersticken, hochgekommen. Hier befindet er sich in einem Luftloch - irgendwo auf der Strecke.

Der Blick aus weitaufgerissenen Augen und die kurz stoßenden kehligen Laute, die Schreie wären, wenn sie nicht von der Lampe zwischen seinen Zähnen gedämpft würden, zeigen seinen tiefen Schrecken, als er unmittelbar vor sich im Licht seiner Lampe in das tote Gesicht eines hier erstickten oder ertrunkenen Kumpels blicken muss.

Er läßt sich nur wenige Sekunden Zeit, um sich zu orientieren.

Als er merkt, dass es hier keinen Ausweg gibt, pumpt er sofort wieder mit einigen wiederholten Zügen Sauerstoff in sein Blut, holt tief Atem und taucht wieder ab.



Franz Wolbert – Heino Ferch, Bruno Reger – Jan Josef Liefers, Salvatore – Benjamin Sadler.


Auszeichnungen: Grimme Preis 2004 für Heidelbach, Liefers, Ferch, Michael Souvignier. (executive producer) Bambi 2003 für Ferch, Liefers, Makatsch (Filmographie Makatsch), Rohde (Filmographie Armin Rhode), Uhl (Filmographie Uhl) .