Samstag, September 17, 2005

"Er ist auch mein Sohn." in: Mord am Meer. Porträt Glaubergs Familie Letzter Teil 5 (Heino Ferch - Anton Glauberg ) Regie: Matti Geschonnek. 2004










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"Er ist auch mein Sohn." in: Mord am Meer. Porträt Glaubergs Familie Letzter Teil ( 5a ) (Heino Ferch - Anton Glauberg ) Regie: Matti Geschonnek. 2004-2005


Text: ignazwrobel

Es ist Abend.

Wir hören eine Türglocke, jemand klingelt.

Kamerafahrt am Garten entlang, Rasenfläche, Kinderschaukel, Spielzeug. Es ist der Garten von Glaubergs. Die Hauskante kommt ins Bild, dann die rote Backstein-Hauswand, die Fenster mit den weißen Fensterkreuzen.

Warm und freundlich leuchtet uns durch die Fenster Licht entgegen, die Gardinen sind offen. Wir können durch die Stores hineinsehen. Drinnen sitzt Sylvia Glauberg und liest ein Buch. Felix, der siebenjährige Sohn, ist offensichtlich schon im Bett. Sie hört das wiederholte Klingeln und steht auf. Wir sehen sie, während sie von Raum zu Raum zur Haustür geht.

Schnitt.

Innen.
Sylvia öffnet.

Schnitt.
Draußen, wir blicken zur Tür, sehen Sylvia ins Gesicht. Sie sieht überrascht aus - negativ überrascht, unwillig.

Ihr Mund ist ein wenig geöffnet, ihr Blick driftet auf etwas, das sich auf Brusthöhe des Besuchers befindet, sie saugt Luft ein:

Der kommt mir nicht ins Haus! zischt sie.
Gegenschuß auf den Besucher. Es ist Anton Glauberg.

Da steht er mit seinen schwarzen Steifftier-Knopfaugen.

Im Arm hat er einen weißen wuschligen Welpen, ein Hund wie ein Watteflausch.Glauberg hält den Welpen wie ein Baby, das man über die Schulter sehen lässt. Eigentlich kann man das, was er mit dem Tier tut, nicht unbedingt halten nennen, er kuschelt sich geradezu an den Hund. Es sieht aus, als drückten Mann und Hund ihre Köpfe aneinander.

Wir hören den Welpen leise winseln.

Glauberg flüstert. Unruhig. Drängend, flehend. Er redet schnell, als hätte er Sorge, dass Sylvia ihm das Wort abschneidet oder die Tür wieder zuknallt.

Ich verspreche Dir, dass ich ihn SOFORT zurücknehme, wenn er sich nicht um ihn kümmert.

Schnitt auf Sylvia:

Sie ist nicht einverstanden, schaut abweisend, abwehrend, aggressiv. Ihre Hände hat sie in den Hosentaschen versenkt, das Kinn vorgeschoben.

Du hättest anrufen sollen!...

Du gehst ja nie ran!
Glauberg flüstert immer noch drängend, jetzt auch vorwurfsvoll.

Erregte Pause.


Glauberg ist aufgeregt, geradezu alarmiert, steht stark unter innerem Druck.

Er ist auch mein Sohn.

Pause.

Sylvia wird weicher. Wir sehen sie nah, nur ihr Gesicht. Sie überlegt, ist hin und her gerissen, ihr Hundertprozentwiderstand bröckelt. Sie atmet tief durch.

Glauberg hat jetzt eine Halb-Halb –Chance.

Ihre Augen irren ab, sie überlegt, während wir aus dem off seine Worte hören:

Ich will nicht, dass er ohne Vater groß wird.

Sylvia legt den Kopf schief, hört zu, überlegt.

Schnitt auf Glauberg.

Er drückt den kuscheligen Hund immer noch wie ein Menschenbaby an sich, hält ihn im Arm, schützend, beschützend. Mann und Hund drücken noch immer ihre Köpfe aneinander.

…..Daß er Gefahr läuft, nicht zu erkennen, was er wirklich braucht, was er liebt. ….

Glauberg ist sehr erregt, der Blick aus seinen schwarzen Augen spiegelt tief eingebrannte Trauer und akute Alarmiertheit zugleich. Ein Zug von bodenloser Traurigkeit liegt über den Brauen.

Für ihn geht es hier um extrem Wichtiges.

Eindringlichst:

….sein Bruder erst sterben muss, bevor er zur Besinnung kommt.

Jetzt ist klar, dass Glauberg auch über sich selbst redet. Sein Blick klickt immer wieder zur Seite, als hole er von dort Fakten. Er driftet in seine eigene Geschichte. Er war der Mann, dessen Bruder sterben musste, bevor er, Glauberg, zur Besinnung kam.

Seine Frau versteht ihn nicht.

Gegenschuß auf Sylvia: Sie steht da, die Hände in die Hüften gestemmt, zieht die Schultern hoch:

Was redest Du denn da für´n Mist? Er hat kein´Bruder! Bist Du bescheuert geworden…?

Glauberg sieht ihr irritiert ins Gesicht.


Auf einmal leuchtet sein Gesicht geradezu auf. Er freut sich. Es ist eine Mischung aus Freude, erwartungsvoller Spannung und großer Erleichterung. Er lässt den Hund zum Boden hinab, geht dabei in die Hocke.

Wir sehen, warum er plötzlich so heftig reagiert. Sein Gesichtausdruck hatte sich nicht nur erhellt, er war vor innerlicher Bewegung geradezu explodiert.

Aus dem Hausinneren kommt gerade im Schlafanzug sein Sohn Felix herbeigelaufen. Obwohl sein Vater geflüstert hatte, war der Junge aufgewacht. Er hatte mit dem Instinkt des Kindes gefühlt, daß da an der Haustür etwas Wichtiges auf ihn wartet.

……Wenn man zu spät kommt, ….

sagt Glauberg in aktiv optimistisch festem Ton

…….muss man sich schon was Besonderes einfallen lassen!

Der Junge kniet sich sofort vor den Hund, der winselt, wedelt mit dem Schweif, trappelt zu dem Kind hin.

Schnitt auf Glauberg, er ist hocken geblieben, wir sehen noch die Geste, mit der er den Hund zum Knaben laufen lässt.

Er steuert den Hund zu seinem Sohn hin. Lacht, angeregt, erwartungsvoll gespannt, sehr froh, stolz.

Felix:

Bitte Mama darf ich den behalten?

Mann und Knabe hocken am Boden, die Mama steht hoch über den beiden.

Close up Sylvia. Wir sehen, wie sie zu ihrem Sohn hinunterblickt.

…Das kommt gar nicht in Frage!

Der Knabe insistiert mit unwiderstehlichem Kindercharme:

Bitte! Ich paß´ auch immer auf ihn auf!

Schnitt auf Glauberg:

Er hört den beiden zu, macht sich noch ein wenig Sorgen, ob Sylvia hart bei ihrem Nein bleibt, schaut zu Boden. Er wartet und lauscht, hält sich selbst aus der Schusslinie.

Schnitt auf Felix:

Bitte Mama, bitte!

Der Knabe wird das schon schaffen.

Bitte Mama, ich paß auch immer auf ihn auf.

Glauberg weiß, das der Charme seines Jungen seine Ex-Frau weich machen wird. Gleich hat das Kind gewonnen, noch zwei Sekunden.

Jetzt.

Schnitt auf Glauberg: Er schaut seinen Sohn an, zwinkert ihm zu, so im Stil von „Wird schon!“

Schnitt auf Sylvia. Gesicht und Oberkörper.

Sie schnauft tief durch.

Na gut, - o.k.

Der Junge hebt den Hund auf und trottet mit ihm nach drinnen davon.


Inzwischen hat Sylvias Unterbewusstsein für sie gearbeitet, ihr die Lösung für die seltsamen Worte ihres Ex-Mannes zugespielt, sie hat kapiert, dass er über sich selbst geredet hatte.

Sie fragt, blickt nach unten auf ihren noch immer hockenden Ex-Mann:

Du hast´n Bruder?

Sie sieht sehr erstaunt aus.

Glaubergs Bilck ist zuerst noch weich und offen, er ist noch unter dem Eindruck der Szene mit seinem Sohn. Er steht auf.

Close up.

-- Shit! -- Sein Gesicht hat wieder die alte angespannte Traurigkeit angenommen. Er sagt:

…ja…

Sylvia:

Hast Du mir gar nicht erzählt. Sie wirkt ein wenig offener, freundlicher, obwohl ihre Hände noch immer in den Hosentaschen stecken.

Glauberg sieht nachdenklich zu Boden.

Ich hab´nie viel erzählt.

Das wird sich ändern.

.sagt er halb zu ihr, halb zu sich, nickt, selbstbestätigend.

Sylvia nimmt das Nicken auf. Zuckt mit den Schultern.

Ich muss, sagen, das ist alles n´bißchen…

Sie schaut zu Boden, schüttelt den Kopf….

Schnitt auf Glauberg

Ich weiß.


Pause. Er blickt ihr ins Gesicht. Forscht, wartet ab. Eine Frage formiert sich in ihm:

Mit leiser ironisch- jungenhafter Betonung sagt er, ein wenig kumpelhaft im Ton:

Wenn ich nur ab und zu nach dem Hund sehen dürfte…?

Er weiß es und signalisiert es auch Sylvia, dass das ein Vorwand, ein gentleman´s agreement ist, um häufigere Besuche mit einer objektiv-rationalen Begründung zu rechtfertigen.

Seine Haltung versucht, einen kameradschaftlichen Beiklang zu erzeugen, seine Exfrau nicht als Ex-Partnerin, sondern als Kameradin anzusprechen.

Sie sagt nichts, ist aber nicht dagegen.

Er beginnt ganz leicht zu lächeln, immer noch mit leiser Ironie gegen sich selbst. Wir fühlen erleichtert und erstaunt:

Da ist jetzt etwas in Ordnung.

Da ist etwas geordnet , was vorher im Chaos stak.

Da ist etwas wieder an dem Platz, an den es hingehört.

Es ist --

- sein Herz.

Es schlägt wieder in der Mitte seiner eigenen Brust.
Ohne den glühend-eisigen Schmerz unbewältigter Trennung.
Er ist nicht mehr die blutende Hälfte einer gewaltsam auseinandergerissenen Zweiheit. Er kann die Distanz zu seiner Ex-Frau akzeptieren, er ist wieder ein rundes geschlossenes Ich.

Hier ist er, dort ist der andere Mensch, Sylvia. Er zerrt innerlich nicht mehr an seiner Ex-Partnerin.

Die wiedergefundene Stabilität Glaubergs macht physische Nähe möglich. Sylvia hat die Veränderung in Glauberg erspürt, deshalb konnte sie signalisieren, dass sie nichts gegen Besuche hat, die dem Kind gelten.

Gut´Nacht, sagt er und dreht sich zum Gehen.

Sylvia´s Gesichtsausdruck ist befriedet, zufrieden, mittig.
Man meint, sie denkt so etwas wie:

Na gut. Warten wir´s ab, sieht ja alles ganz gut aus.

Schließt die Haustür. Wir sehen wieder die Türdekoration. Es geht auf Weihnachten zu.


Schnitt.

Totale

Glauberg geht von uns weg das Trottoir entlang.

Wir sehen eine kleiner werdende Figur, die sich langsam in die Nacht hinein entfernt, die Hände in den Hosentaschen,
nicht zu langsam,
nicht zu schnell.
Gerade richtig im Tempo.

Ende.

2004 Heino Ferch – Anton Glauberg, Birge Schade - Sylvia Glauberg, Leonhard Carow - Felix Glauberg
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"Du hast Recht, Plato.
Es ist nie vorbei."
Nick in "Spiel um Dein Leben" 1996-1997

"Zu Ende?
Es gibt kein Ende, Mimi.
Du stehst am Anfang (....)."
Hermes Aphroditus in "Vom Suchen und Finden der Liebe" 2004-2005
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