Montag, Juni 14, 2010

Filmszenen I ...ist DAS ein Einhorn?.. in: Vision. Heino Ferch - Volmar. Regie: Margarethe von Trotta 2008-09



Bildquelle und Bildrechte: Concorde Filmverleih

Ein nicht sehr weites Gelass, eine grobe Holztür, ein romanisches kleines Kruzifix an der Wand. Die Tür geht auf, wir sehen gerade noch den kinnhohen Stapel Bücher, den Volmar auf dem linken Arm balanciert, dann dreht er uns schon den Rücken zu, um mit der freien Rechten die Tür zu schließen.

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Er wendet sich zu uns um, scheinbar sucht er etwas oder jemanden. Die Bücher sind schwere in Leder gebundene Quartfolianten, Handschriften.

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Was er sucht, scheint er gesehen zu haben: wir begleiten ihn, als er mit wenigen schnellen Schritten den Raum durchquert und durch einen offenen Durchgang nach draussen blickt. Dort steht, im Gärtlein ihrer Klause, Hildegard. Sie beschäftigt sich mit einem kleinen Kräutergärtlein, das sie in der Umfassungsmauer ihrer Klausur angelegt hat.

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Volmar spricht sie vorsichtig an:

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Ehrwürdige Mutter.

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Hildegard wendet sich ihm zu, entdeckt die vielen Bücher. Kommt erstaunt näher.

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Jetzt ist sie im Innenraum. Sie wirkt richtiggehend erschrocken.

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Bücher waren zu dieser Zeit etwas Sensationelles und sehr Seltenes. Jedes Buch war ein Unikat, es gab keine andere Vervielfältigungsmöglichkeit, als das ganze Buch komplett abzuschreiben. Dies geschah in klösterlichen Skriptorien.


Das heißt, das Erlangen von Wissen war extrem schwierig, da nur sehr wenige bevorzugte Personen überhaupt Zugang zu Bibliotheken hatten. Nicht jeder durfte alles lesen. Das Gedankengut antiker Schriftsteller galt der Kirche als Ketzerei.

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Volmar verschwörerisch:

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Bischof Siward von Uppsala ist zu Besuch gekommen und hat seine Reisebibliothek mitgebracht. Ich habe ihn gebeten, mir einige Bücher für Dich ausleihen zu dürfen.

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Hildegard schlägt die Hände vor den Mund. Wir sehen ihre atemlose Begeisterung .

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Sie eilt zur Zellentür und legt den Riegel vor.

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Volmar hat einen Stapel von sieben gewichtigen Folianten auf dem Schreibpult abgelegt. Auch er ist erregt. Was da vor ihm liegt, ist nicht nur Papier. Es ist die Möglichkeit, den geistigen Horizont jetzt hier und sofort zu erweitern.

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Volmar

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Du kannst wählen.

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Er wendet sich den Büchern zu.

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Vier Bücher über Medizin. Eines über Edelsteine. Und zwei antike Klassiker. Der Herr Bischof lässt Dir ausrichten: Er schätzt besonders den Dioskurides.

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Hildegard eilt herbei und ergreift das Buch.

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Volmar

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….und…

den Physiologus.

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Hildegards Blick entnehmen wir, dass sie von Physiologus noch nie etwas gehört hat.

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Volmar erklärt also:

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Es ist eine Mischung aus Fabeln und Beobachtungen aus dem Reich der Natur.

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Er reicht Hildegard den Folianten.


Stammt aus Alexandria. Zweites Jahrhundert.

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Hildegard setzt sich damit in die Fensternische auf die Steinbank. Sie ist so erregt, wie wir es wären, wenn wir ein Gewinnlos in Händen hielten.

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Volmar steht neben ihr und hält ein weiteres Buch in der Hand. Jetzt kommt der Höhepunkt. Er bringt Hildegard antike, verbotene, ketzerische Autoren:

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Volmar:

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Ausserdem enthält es Ausschnitte aus den Werken von Aristoteles,

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Hildegard blickt überrascht auf. Volmar weiss, was er gerade sagt.

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Volmars Blick, freundlich und ein wenig konspirativ:

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Plutarch – und Plinius.

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http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/6/67/Naturalishistoria.jpg


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Hildegard blättert auf.

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Auf der Seite eine Abbildung eines weissen gemsartigen Tieres mit einem langen Horn auf der Stirn.


Bildquelle und Bildrechte wikipedia.de


Hildegard:

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Ist das ein Einhorn?



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Auch Abbildung und Glaube an das mythische Sagentier Einhorn waren eigentlich nicht erlaubt.

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Volmar, kurz: Ja.

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Hildegard, schnell:

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Ach.


Volmar ergänzt die Beschreibung des Tieres:

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Kein Jäger vermag es zu erlegen, oder zu fangen, einem jungfräulichen Mädchen aber .. springt es in den Schoss. – heißt es darin.

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Hildegard lacht ihm verschmitzt zu.

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Das Tier befindet sich, in Abbildung zwar nur, aber doch, im Buch - in ihrem Schoß.

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Schnitt.

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Heino Ferch (im Alter von 46) – Mönch und Beichtvater von Hildegard Volmar, Barbara Sukowa – Hildegard von Bingen.