Montag, Juni 07, 2010

Filmszenen I ...hängen Se die Papiere Ihrer Grossmutter auf den Abtritt! in: Des Teufels General. Curd Jürgens - General Harras. R.: H.Käutner 1954-55

Bildquelle und Bildrechte: Arthaus Filmverleih und Divisa Home Video.

....und hängen Sie die Papiere Ihrer Grossmutter - auf den Abtritt!! in: Des Teufels General. Curd Jürgens - General Harry Harras. Regie: Helmut Käutner 1954 - 1955. Nach einem Bühnenstück von Carl Zuckmayr.


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Vor der Szene


Der Abend bei Frau Kammersängerin ist weit fortgeschritten, im weitläufigen Wohnzimmer werden Operettenarien geschmettert, die Gesellschaft ist weitgehend alkoholisiert.


Im Nebenzimmer küssen sich der General und Diddo, die blutjunge Nichte von Frau Kammersängerin. Diddo ist schön und ernst und weit über ihr chronologisches Alter hinaus erwachsen. Und der General hat sich dieses Mal wirklich ernsthaft verguckt.


Die klare junge Frau hat in Harras eine Saite zum schwingen gebracht, die ihn daran erinnert, dass es noch mehr gibt, als Krieg, Sarkasmus und Alkohol. Diddo ist für Harras Leben. Unschuld. Hoffnung - mitten in einem zerstörungslüsternen Land.


Die Szene


Im Wohnzimmer


Man walzt froh und saftig.


„Wie ein Wunder kam die Liebe über Nacht…“


Die Tür geht auf. Diddo und Harras kommen herein, jeder ein Tablett mit vielen gefüllten Kaffeetassen in der Hand.


Sondermeldung: Der Kaffee ist fertig.


Die Gesellschaft strömt den Tabletts entgegen, auch von der Antichambre her. Nur Eilers und seine Gattin bleiben am Rauchertisch in zwei bequemen Fauteuils sitzen.


Wir nähern uns in Harras Rücken den beiden.


Oberst und Kriegsheld Friedrich Eilers, in Uniform, zu seiner Frau:


Weißt Du, Anne, manchmal bin ich direkt glücklich, ich hab´s neulich an Oderbruch geschrieben, - glücklich dass ich kämpfen darf.


Für dich, für die Kinder und für eine bessere Zukunft.


Harras durchbricht Eiler´s melancholische Stimmung.


Na – drüben gibt’s Kaffee. Drüben.


Harras ist deutlich angetrunken. Er schwankt. Er kämpft geübt gegen die Wirkung des Alkohols, dennoch sehen wir, dass der Hüne einiges an Hochprozentigem intus hat.


Seine schwere Hand drückt Eilers in den Sessel zurück. Harras hält sich am Treppengeländer fest.


Nu sach doch wo - wo issn eingtlich dea Conjack hinjekomm.


Eilers versucht zum zweiten Mal aufzustehen. Er sagt zu Harras:


Es war ein reizender Abend.


Harras, er hält sich hinter seinem Rücken mit beiden Händen am Geländer fest, schwankt nach vorne:


Nu – n bisschen bunt, nich… aber…


Er verschwindet aus dem Bild.


Eilers und Gattin lachen. Sie lieben den blonden blauäugigen Hünen, der auch beschwipst noch immer eine äußerst eindrucksvolle Figur macht in der betressten Generalsuniform mit den weissen Rockaufschlägen. In der Uniform steckt ein Mann von friederizianischem Gardemass, - Brustkorb wie ein Bär und Schultern, die jeden anderen neben ihm filigran aussehen lassen.


Harras stößt die Türen zum Gartenzimmer auf. Drin herrscht Halbdunkel. Ganz hinten am weiten Durchgang zum Wintergarten steht jemand, die Hände in den Hosentaschen.


Frau Eilers, aus dem Off:


Leutnant Hartmann ging da eben hinaus.


Harras wendet sich zu den beiden zurück.


Ach.


Wieder mit Blick in das Nebengelass.


Armer Kerl. Is der im Dienst auch so duckmäuserisch.


Eilers tritt neben Harras, schnell:


Na ganz im Gegenteil. Immer vorne ran. Immer freiwillig. Aber immer ernst. Manchmal könnte man denken, dem is das Leben überhaupt nüscht wert.


Harras


Das hör ich garnich gerne.


Ruft in den Wintergarten:


Leutnant Hartman!!


Von drinnen


Herr General?


Hartmann dreht sich um nimmt Haltung an, knallt die Hacken.

Harras geht zu ihm hin, Hartmann verharrt in Haltung.


Was is denn mit Ihn´los?


Hartmann


Nichts, Herr General.


General Harras und Oberst Hartmann stehen jetzt beide an der Grenze zur Terrasse. Kahles Geäst hinterfängt ihre Silhouetten. Jenseits eine stille Straße, Villen, Nebel.


Harras, er schiebt seine Hände bequem unter der Uniformjacke zum Gürtelbund hoch, ein Zeichen für Informalität.


Na, dann stehnse mah bequem. Und knöpfen Se ihr Inn´leben auf.


Hartmann lässt kaum in der Haltung nach.


Harras, er schwankt ein wenig nach vorne.


Toter Punkt – oder Liebeskummer?


Hartmann lässt den Blick sinken.


Harras, er versteht, zweiteres.


Na also. Wat issn mit der Kleen Mohrum?


Hartmann:


Es ist aus Herr General, wir werden uns nicht verloben.


Die Kamera fährt nahe an Hartmanns Gesicht heran. Wir sehen einen germanisch-arischen Schädel, wie von Arno Breker gemeisselt.


Harras


Ach. Und warum nich?


Hartmann


Ich weiss es nich, - wahrscheinlich wegen….es ist da etwas mit meinem -….Nachweis. Eine meiner Urgroßmütter scheint aus dem Ausland gekommen zu sein.


Harras, lauscht wohlwollend, schwankt. Seine wasserhellen Augen schwimmen. Mit gespieltem Entsetzen:


Ach, dann sind Se wohl nich´ganz arisch, was?


Hartmann, leise:


Man hat das oft in rheinischen Familien – jedenfalls sind die Papiere nicht aufzufinden.


Harras, mit gespieltem Bedauern:


Na ja – dann begreif´ich natürlich Frollein Mohrum.

Dann sind Sie ja ein Mensch zweiter Ordnung, hm?

Dann könn´Se´ja keine Parteikarriere mach´n.


Hartmann, traurig:


Nein, Herr General.


Harras, mit gespieltem Ekel:


Schrecklich. Diese alten verpanschten rheinischen Familien –


Harras geht an ihm vorbei, beginnt zu lachen. Dreht sich zu Hartmann um. Stützt den Arm auf eine Gartenvase. Dann, stark leidenschaftlich, suggestiv:


Stelln Se´sich doch bloß mal Ihre wohlmögliche Ahnenreihe vor!


Da war – ein – römischer Feldherr.

Schwarzer Kerl.


Der hat einem blonden Mädchen – Latein – beigebracht.


Flüsternd:


Dann kam ein jüdischer Gewürzhändler in die Familie.


Er tritt ganz nahe an Hartmann heran, streckt den Kopf vor.


Das war ein ernster Mensch. Der is schon vor der Heirat Christ geworden. Und hat die katholische Haustradition begründet.


Er wendet sich über die Schulter ab. Geht ein paar Schritte.

Dreht sich mit Schwung zurück zu Hartmann. Weiter:


Dann kam ein griechischer Arzt dazu.

Ein keltischer Legionär.

Ein Graubündener Landsknecht.

Ein schwedischer Reiter


Er kommt wieder näher zu Hartmann, sieht ihm wild und fordernd ins Gesicht:


. ..und ein französischer Schauspieler.


Er treibt sein Spiel immer weiter. Jetzt ist er flammend leidenschaftlich freudig erregt. Laut:


…ein… böhmischer… Musikant!!


Er starrt mit wildem Blick auf Hartmann, umkreist ihn mit wenigen Schritten. Wieder leiser, mit dramatischen Pausen:


..und das alles…. hat am Rhein…gelebt!!


Mit wildem Pathos:


...gerauft…gesoffen…gesungen…und

…Kinder gezeugt.


Jetzt lässt er das Pathos sausen und lächelt. Dicht in Hartmanns Gesicht.


Mhm.


Er legt nach, in Plauderton:


..und der Goethe, der kam aus demselben Topf.


Wir sehen, dass Harras betrunken ist. Ihm fallen immer mehr Namen ein.


Und der Beethoven. Und der Gutenberg. Und der ….Matthias Grünewald.


Er reckt den Hals, wirft Hartmann die Namensträger der abendländischen Kunst ins Gesicht. Jeder Name eine Welt. Jeder Name ein Baustein, jeder Name Träger von Werken die synonym stehen für Bereicherung unseres Menschseins, für das Gute, das Schöne, das ein Volk hervorbringen kann.


Und so weiter, und so weiter.


Er geht um Hartmann herum. Schwankt. Leise:


Das waren die Besten, mein Lieber.


Er stiert Hartmann aus aufgerissenen Augen an. Er ist pathetisch. Er ist betrunken.



Bildquelle und Bildrechte: Arthaus Filmverleih und Divisa Home Video.


Er ist wunderbar.


Vom Rhein sein, das heißt: --- vom Abendland. Das ist natürlicher Adel.


Harras packt Hartmann bei den Schultern.


Das is Rasse!


Er hält ihn an den Schultern.


Harras.


Sei´n Se´stolz drauf, Leutnant Hartmann! Und..

Hängen Se´die Papiere Ihrer Großmutter ..


.. auf den Abtritt!!!


Hartmann


Das kann ich Frollein Mohrum niemals begreiflich machen.


Harras, schon an der Tür, dreht sich zurück:


Ja, weil se ne dumme Gans is.


Hartmann


Herr General!


Harras.


Ach sei´n Se´doch froh, dass Se´die Schneppe los sind!

Die is doch keine Briefmarke wert! Bisschen Spass für acht Tage Urlaub.


Hartmann dreht sich weg.


Harras


Bestenfalls.


Schnitt.



Curd Jürgens (im Alter von 40) - General der Luftwaffe Harry Harras, Harry Meyen - Leutnant Hartmann, Marianne Koch - Dorothea "Diddo" Geiss, Camilla Spira - Frau Kammersängerin Olivia Geiss.