Filmszenen I ..Sie erwarten von mir, dass ich alles aufgebe, wofür ich gearbeitet habe?...
Filmszenen I ..Sie erwarten von mir, dass ich alles aufgebe, wofür ich gearbeitet habe?...In: Der Schatz von Troja. Teil 3. Heino Ferch – Schliemann. 2006-2007
....Sie erwarten von mir, dass ich alles aufgebe, wofür ich gearbeitet habe?...In: Der geheimnisvolle Schatz von Troja. Heino Ferch – Heinrich Schliemann. Regie: Dror Zahavi, Buch: Don Bohlinger und Martin Rauhaus, 2006-2007
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Die Szene.
Unter einem Kutschenboden blicken wir hinaus auf das kleine Trittpodest, das dem Aussteigenden das Überwinden der Höhendifferenz aus der Kutsche zum Erdboden erleichtert.
Wir hören: die Kutschentür wird geöffnet. Gleich darauf betritt ein zierlicher Frauenfuß in lederner Stiefelette das Trittpodest, ein zweiter gleitet vorbei, umschwebt von weissem Volant und lachsfarbenem Brokat.
Fokusverschiebung von Nah zu fern. Weit hinten sehen wir einen Grabungsabschnitt von Hissarlik.
Männer schaufeln, eine Leiter ragt zu uns herauf. Jetzt erscheint auf ihr die Gestalt Schliemanns. Er kommt aus einer tiefer gelegenen Ebene auf unser Niveau.
Den Englischen Cut hat er längst gegen einen zweckmäßigen – jetzt staubigen – grauen Anzug und einfache graue Jacke eingetauscht. Der steife Kragen und das korrekte Plastron mussten der Hitze ebenso weichen, wie Stock und Hut.
Nur auf seine Taschenuhr hat der korrekte Preuße auch hier im Ausgrabungslager auf dem Hellespont nicht verzichtet. Die goldene Uhrkette baumelt von Westenkopf zu Einstecktasche.
Schnitt.
Wir sehen die Besitzerin der zierlichen Füße, sie geht auf Schliemann zu, lächelt freundlich.
Ihr opulent korallenrotes Brokatkleid, die weissen Spitzen und Glacéhandschuhe scheinen so wenig in die staubige Lagerumgebung zu passen, wie der Stapel seidenbandumschlungener Bücher, den sie in ihrer Rechten vor sich her trägt, präsentationsbereit.
Schliemann hat sie erkannt, kommt auf sie zu.
Sein weisses Schnupftuch muss für eine flüchtige Reinigung der Handflächen - für den Gruss auf die Schnelle- genügen.
Die Dame blickt ihm entgegen. Erwartungsvoll.
Beide im Profil.
Schliemann steht jetzt vor ihr. Sie reicht ihm die Hand.
Schliemann ergreift sie - und:
Frau Neumann –
verbeugt sich formvollendet zum Handkuss.
Die Europäische Höflichkeitsgeste wirkt zwischen Zeltplanen, Fes-behüteten Grabungshelfern, Pferdekruppen, Versorgungsmaterial und Massen an Staub ein wenig fremd.
Schliemann nimmt nach der Höflichkeitsreverenz augenblicklich beide Hände auf den Rücken. Zurückhaltende, kühle Erwartung. Frau Neumann erklärt den Grund ihrer Anwesenheit:
Ich habe Ihnen die Bücher mitgebracht, um die Sie mich gebeten haben..
Als Schliemann zu antworten beginnt, fühlen wir verletzte Verärgerung, sehr bewusste Distanz und ... Stärke und Stolz unter der Fassade höflicher Korrektheit. Eine Fassade, die seine Zurückweisung abmildert:
Sie und ich wissen, dass ich Sie nie um etwas gebeten habe.
....Trotzdem – vielen Dank! Er nimmt ihre Bücher.
Schnitt.
Wir sehen die beiden durch die Ausgrabungsstätte flanieren.
Aus den wenigen Grabungslöchern zu Anfang ist inzwischen eine Großbaustelle geworden mit unzähligen Arbeitern auf Holzgerüsten und in verschiedenen Ausgrabungsstrassen auf mehreren Höhenniveaus. Die ganze Baustelle wirkt wie ein gigantischer Ameisenhaufen, in der jede Ameise die für sie vorgesehene Arbeit erledigt.
Schliemann: Wie geht es eigentlich Ihrem Mann?
Michaela: Er ist heute Morgen nach Konstantinopel gereist. Dann, erregt:
– hören Sie! Michaela hält Schliemann am Arm auf und veranlasst ihn, sich ihr zuzudrehen. Beide bleiben stehen.
Michaela: Sie müssen Hissarlik verlassen!
Ihre Beschwörung unterstützt sie mit ihrer Hand. Sie berührt Schliemann mit den Fingerspitzen auf Magenhöhe. An Schliemann läuft diese Berührung ab, wie Wasser an einer Glasfläche. Er reagiert nullkommanull darauf.
Er: Sie erwarten von mir, dass ich alles aufgebe, wofür ich gearbeitet habe?
Ihre Hand verliert den Kontakt mit ihm, zögert in der Luft, sucht noch einmal... Er dreht sich weg, geht los. Sie folgt ihm.
Er: Dass ich ihm Troja überlasse? – Nein!
Sie: Die ganze Welt weiss, dass Sie es entdeckt haben.
Pause.
Ich werde ihn verlassen.
- Indirekte Botschaft, dass sie frei für Schliemann sein wird.
Sie geht jetzt neben ihm. Ihre Hände locker vor ihrem Leib, bei sich.
Sie fragten mich einmal, ob ich Sie zu Ihrer Grabung begleiten wolle, ich sagte nein.
Noch ein Versuch, in ihn zu dringen:
Standphoto: Stephan Rabold.
Sie wendet sich ihm schnell zu, ihre Hände halten seinen Fortschritt auf.
Wieder drückt sie ihre Finger gegen seinen Leib. Wieder keine Reaktion seinerseits.
Michaela: Es gibt noch viele Orte zu entdecken.-
Schliemann sehr nachdrücklich und wie ein Fels:
Aber es gibt nur ein Troja.
Schliemann ist hoch aufgerichtet. Wir fühlen erneut seinen Stolz, seine Überzeugung. Er wird und will nicht auf Michaelas Werben eingehen.
Schnitt.
Schliemann begleitet Michaela zu ihrer Kutsche, wir blicken aus der Kutsche hinaus zu den Beiden.
Sie: Ich werde noch zwei Tage in Konstantinopel sein.
Michaela steigt ein, blickt ihn lange an:
Denken Sie über meine Worte nach. Ein Lächeln.
Schliemanns Antwortlächeln ist reine Höflichkeit. Alle weiteren Gesten, die jetzt folgen, sind von einer beleidigenden und beleidigten Schärfe, die sehr stark an einen saftigen Fusstritt für Michaela erinnern.
Er klopft schnell und fordernd an die Glasscheibe für den Kutscher. Er soll losfahren. Und die Art, wie er für Michaela die Hand zum Gruss erhebt, sieht fast aus wie ein „haub´ ab“!
Die Kutsche entfernt sich. Schliemann blickt ihr nach, unbewegt.
Nach der Szene:
Viel später...
Schliemann hat sein ungeheuerliches Vorhaben, die antike Stadt Troja aus dem Hügel Hissarlik auf dem Hellespont auszugraben, zu einem guten Ende bringen können.
Er und seine junge Frau Sophia haben gemeinsam nicht nur tief unter der Erdoberfläche die Mauern des antiken Troja entdeckt – sie konnten etwas mit nach Berlin bringen, das in der Geschichte als der „Schatz des Priamos “
berühmt wurde.
Priamos war der sechste und letzte König von Troja während des Krieges der Trojaner gegen die griechischen Achäer.
Die goldenen Geschmeide, Halsketten, Ohrgehänge, Armketten, Schilde und Ringe, Silbervasen und Goldgefäße, die Schliemann jetzt in Berlin den Gelehrten der Akademie und dem Kaiser präsentiert, sprechen eine beredte Sprache für seine Theorie, Durchsetzungskraft und seinen unerschütterlichen Glauben an seine Sache.
Die Akademie applaudiert, - applaudiert ihm und seiner Frau Sophia Engastromenos, die Schliemann mit auf die Bühne gebeten hat.
Die Szene.
Schliemann und Sophia auf der Bühne der Akademie.
Er in hochoffiziellem Frack, Sophia in einem goldfarbenen Kleid mit Taillenschärpe.
Als Schliemann zu sprechen beginnt, ist hinter ihm und Sophia der samtene rote Bühnenvorhang noch geschlossen.
Von dem sensationellen zweieinhalbtausend Jahre alten Schatz sehen wir nur zwei Stücke - Sophia zeigt sie uns an ihrem eigenen Körper:
Es sind die Ohrgeschmeide aus Goldperlen, Goldfäden und goldenen Plättchen, die sie selbst und ihr Mann in einem Gefäß tief unter der Erde gefunden hatten. (Filmdramaturgie bitte nicht mit Historie zu verwechseln!!)
Überrascht entdecken wir im Publikum eine einzige Frau: Michaela Neumann.
Als Schliemann die einleitenden Worte spricht:
Ich kann mich an Zeiten erinnern, wo ich hier in Berlin wesentlich weniger freundlich aufgenommen wurde, .. und einen Publikumslacher erntet,
reagiert sie mit einem wohlwollend solidarischen Lächeln, das ohne Zweifel für Schliemann ist.
Sie hat das Werben um ihn gegen die junge Frau, gegen Sophia, verloren. Dennoch scheint sie nicht gegen, sondern für den Mann zu sein. Schliemann fährt fort:
Ich stehe hier heute Abend vor Ihnen, um Ihnen zu berichten, dass Troja existiert! Homer selbst hat es mir verraten, wo es sich zweitausendfünfhundert Jahre versteckt gehalten hat.
Aber das allein hätte nicht ausgereicht. Es bedurfte der Arbeit zahlloser Männer, es der Erde zu entreissen.
Schnitt auf Michaela.
Sie hört extrem aufmerksam und gespannt zu.
Schliemann spricht weiter, seine Rede wird eine Eloge an Sophia, an seine griechische Gattin:
..aber vor allem bedurfte es des großen Herzens und der ungeheuren Kraft einer einzigartigen Frau...
...und dass ich hier vor Ihnen sagen darf, dass diese Frau meine Frau ist, macht mich zum stolzesten Mann auf dieser Welt...
Schliemann verbeugt sich sehr ernst mit offiziellem Habitus und sehr deutlicher Hochachtung vor Sophia und richtet sich erst wieder auf, als das Publikum durch Applaus seinen Worten akklamiert.
Wieder Schnitt auf Michaela.
Was wir vorher nur ahnten, sehen wir jetzt in aller Deutlichkeit:
Sie ist berührt, gerührt, sie ist alles außer neidisch, außer eifersüchtig.
Ganz kurz muss sie wegblicken, nach unten, um ihre Fassung wiederzugewinnen, ihre Tränen wegzudrücken. Es sind Tränen der Rührung und des Stolzes für diesen Mann. Sie kann zurücktreten, sie kann sich für ihn freuen.
Kein Hass, kein peinlicher Narzißmus. Michaela hebt den Kopf, eine kleine Schmerzlichkeit hängt zwischen ihren Brauen, aber der Stolz, die Freude über den Erfolg und das Glück dieses Mannes überwiegt, sie applaudiert.
Sie kann von sich selbst absehen.
Eine Frau von Format, eine Haltung die sie adelt. Wie eine Gräfin.
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2006-2007 Heino Ferch (im Alter von 43) – Heinrich Schliemann, Claudia Michelsen – Michaela Neumann, die Gattin von Schliemanns archäologischem Widersacher .
Kommentar 1:
Die Entwicklung der Grabungsstätte von einigen wenigen kleinen Grabungsstellen auf einer Ebene, die nicht sehr tief ging, zu einem gigantischen Projekt, einer Baustelle mit vielen verschiedenen Höhenniveaus und Bedeutungen, unzähligen Arbeitern, die ihren verschiedenen Aufgaben nachgehen und der Komplikation einer Großbaustelle kann als Karrieresymbol gelesen werden. Von den unscheinbaren Anfängen hat sich die Karriere des Hauptrollenträgers zu einem gigantischen und aspektreich verflochtenen und Riesenprojekt mit erheblichem Managementaufkommen vergrößert und verkompliziert. Hierzu gehört auch die (Taschen-) uhr: Zeit, Pünktlichkeit, Selbstorganisation, Termine,...Dinge, die der Darsteller wiederholt in neueren Interviews thematisiert.
Kommentar 2:
Szenenbeginn mit Close Up - Verfolgen eines schönen Frauenfusses der einem Transportmittel entsteigt. s.a. Erste Szene in "Möwengelächter" Vorstellung Frejya.
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