Mittwoch, November 16, 2005

"...Willst Du´s mir heimzahlen...?? in : Hölle im Kopf. Teil 1 ( Heino Ferch - Marc Hoffmann ) Regie: Johannes Grieser, Buch: Holger Joos. 2004-2005

"...Willst Du´s mir heimzahlen...?? in : Hölle im Kopf. Teil 1 ( Heino Ferch - Marc Hoffmann ) Regie: Johannes Grieser, Buch: Holger Joos. 2004-2005

Text: ignazwrobel

Zur Orientierung: Filmhandlung/Storyline Hölle im Kopf
Fotostrecke: Fotostrecke Hölle im Kopf

Zur Architektur:

Die Handlung spielt auf drei architektonischen Ebenen:
Der Galerie oben. Dort befindet sich die Kommandoeinheit der Video-Überwachungsanlage mit dem Beobachtungsmonitor. Dem Untergeschoß. Dort findet Sarah ein Lebenszeichen von Marc. Dem Wohnzimmer im Erdgeschoß. Dort treffen Marc und Sarah aufeinander.----------------------------------------------------------------------------------------------------------------

„…bis dass der Tod Euch scheidet…“

Sarah hat sich die Pistole aus dem Schrank im ersten Stock geholt.

Sie erschrickt. Die gesamte Wand dem Schrank gegenüber ist mit orangefarbenen Zetteln beklebt. Zettel von genau der Sorte und Machart, wie sie von Marc selbst, das heißt, einem schizophren abgespaltenen Ich-Anteil von Marcs Persönlichkeit, zu stammen schienen.

Die orangefarbenen Zettel tauchten immer wieder, immer häufiger, im Haus auf.

Sie enthielten zunehmend bösartige Botschaften und hatten Marc in eine selbstmordgefährdete Extremlage manövriert. Er glaubte, schizophren zu werden oder zu sein.

Jetzt muss solche Zettel Sarah entdecken. Die Zettel enthalten keine Botschaften, sie sind die Botschaft.

Als sie sie sieht, weiß Sarah, dass ihr Mann nicht tot ist, sondern im Haus.

Sie hat verstanden, dass er ihr Vorgehen durchblickt hat und sie jetzt die Konsequenzen spüren lassen wird.

Sie vermutet sich in akuter Lebensgefahr. Sie muss annehmen, dass er Rache nehmen wird für ihren Versuch, ihn psychisch so zu martern, dass er sich selbst töten werde.

Totale. Wohnzimmer von schräg oben aus dem ersten Stock, von der Galerie herab.

Die Perspektive suggeriert den Blick durch Marcs Augen, so als stünde er oben und sehe auf seine Frau hinunter.

Wir beobachten Sarah, wie sie angstvoll und aufgehetzt sich im Wohnzimmer hin- und herbewegt und nach Marc sucht.

Wo bist Du?

flüstert sie

Wo bist Du?

Was willst Du?

Sie irrt im Zimmer herum, läuft zur Raumgrenze, korrigiert, zur nächsten Raumgrenze. …unsicher, wütend, angsterfüllt. Sie wirkt wie ein Tier in einer Versuchsanordnung, dessen Trial and Error, die gestellte Aufgabe zu lösen, wir kalt beobachten.

WO BIST DU?

schreit sie jetzt, explodierend.

Was willst Du von mir?

Im Hintergrund ein einzelner schlagend hallender Ton, sie fährt herum, als hätte sie ihn gehört. Sie geht in den Keller.

Dort läuft die Waschmaschine. Jemand muß sie angeschaltet haben. Wer anderes als Marc?

Sie steht unschlüssig lauernd da, flüstert

Was willst Du?

Ihre Aufmerksamkeit wird zu einer Stimme gerissen, die aus dem Erdgeschoß von einem Tonband kommt.

…frage ich Sie, Marc Hofmann, wollen Sie sie zu ihrer rechtmäßigen Ehefrau nehmen….

Schnitt.

Sarah im Erdgeschoß, wir sehen sie von der Küche aus, sie ist im Gang, gerade die Treppen heraufgekommen…

Stimme vom Band:

…sie lieben und ehren……………….. in schlechten Zeiten….sagt der Pastor.

Marcs Stimme wiederholt: … Dich lieben und ehren in guten wie in schlechten Zeiten.

Pastor: ..bis dass der Tod uns scheidet.

Schnitt.

Wir stehen oben an der Treppe, sehen hinunter zu Sarah, die vorsichtig dort am Treppenfuß zur Galerie lauscht und zu uns heraufblickt.

Marcs Stimme: …bis dass der Tod uns scheidet.

Sarahs Stimme: … ich will Dich, Marc Hofmann. …

Pastor: …zu meinem rechtmäßigen Ehemann nehmen…
Sarah: …zu meinem rechtmäßigen Ehemann nehmen…ich will Dich lieben und ehren, bis dass der Tod uns scheidet.

Schnitt.

Sarah ist am oberen Ende der Treppe direkt neben dem Monitor angekommen, blickt entsetzt auf das Bild, das dort zu sehen ist.

Die Kamera fährt auf den Schirm.

Dort sehen wir in Nahaufnahme Marc und Sarah vor dem Pastor – Was hier läuft, ist die Videoaufzeichnung ihrer kirchlichen Trauung. Marc im schwarzen Anzug, Sarah mit Hochfrisur, Flower-power-pop-op-Blumen im Haar. Sie lächelt glücklich.

Schnitt auf Sarah von heute.
Die verfolgt die Szene entsetzt, auch verbittert, so als fühle sie resignierten Hass.

Wir sehen ihren vom Sturz in den Spiegel zerschnittenen Arm, wie der den Aus-Knopf des Geräts betätigt.

Kaum klickt das Band in Off-Position, reißt Marcs Stimme aus dem Wohnzimmer Sarahs und unsere Aufmerksamkeit an sich.

Amerkanische Marc. Da steht er. Foto

Sein Gesicht ist aschfahl.

Fleckiges Licht-Schattenspiel der halboffenen Jalousien zerreißt die Physiognomie, die Augenhöhlen sind grau unterlaufen, glänzen ölig.

Sein Blick sticht, böse und hart, hart wie Stahl.

Die Brauen - scharf zusammengezogen, Zornfalte zwischen den Augen, - die rabenschwarzen Pupillen sind so erschreckend eisig, dass wir kaum Luft bekommen.

Schwarze Schatten an der Innenseite der Augenhöhlen geben dem Gesicht etwas mephistophelisch Lauerndes.

Der Mund ist ein schmaler harter Strich, ein bitter stahlkalt unnachgiebiger Zug um die Mundwinkel, auf den Wangen.
Diese Seele ist zu Stahl, zu Titan, geworden.

Die verfluchte ruhige Starre lässt ihn Abscheu erregend gefährlich erscheinen. Der Anblick löst ein Gefühl aus, als ob wir uns plötzlich übergeben müssten vor Abneigung und Angst.

Die einzige und letzte Spur von Menschlichkeit ist seine Stimme. Sie ist leise, fast sanft, ohne Druck, der Hass oder Wut spiegeln würde, eigentlich ist sie trauernd, traurig.

Schnitt. Totale.

Wir blicken auf die Wand der Galerie, über ihr fährt ruckartig Sarahs Kopf hoch, sie schaut hinunter zu ihrem Mann, wir mit ihr.

Unten steht Marc. Fest in den Boden gestemmt, wie eine Wand. Er trägt nicht mehr die hochelegante Baldessarini-Kleidung des Herrn Architekten, er trägt einfache Jeans, Jacke, schwarzes T-Shirt, schwarzblaues Hemd, auf das Licht und Schatten der herabgelassenen Jalousie ein Muster zeichnen als wäre es blau kariert.

Sie flüstert ihn aggressiv an, bleckt die Zähne Was willst Du?

Erinnerst Du Dich? fragt er, nicht laut, nicht lauernd, einfach so.

Langsam kommt sie die Treppe herunter.

Willst Du´s mir heimzahlen, Marc? Ist es das? Das schaffst Du nicht.

Hochaggressiv ratternd, als er sich bewegt:

Was-machst-du-da, was-machst-Du-da?

Wir sehen jetzt, dass er ein Stück Papier in den Händen hält. Er sagt:

Du hast mich belogen.

(…..)

Leise, würgend: Ich hab´ Dir vertraut, Sarah.

Er ist grau, versteinert, seine Haut scheint aus Stein zu sein. Letzendlich heißt das: auch sein Herz ist zu Stein geworden, er ist kein lebender Mensch mehr, oder er fühlt das Leben nicht mehr.

Sie schreit extrem aggressiv:

Verdammte Scheiße, weißt Du, was, ich hab´ Dir auch vertraut.

Sie fängt an zu weinen, in einem hohen wimmernd hysterischen Ton

Das hättest Du Dir vorher überlegen müssen, bevor Du es mit dieser Schlampe getrieben hast!!

Er sagt leise ohne seelische Bewegung, hebt dabei kurz anmahnend die Brauen:

Du wolltest mich umbringen.

Ihre weinerliche Stimme kippt in hohen Diskant:

Du wolltest mich verlassen.

Wegen dieser Frau.

Jetzt ist ihre Stimme ein infantil hohes Winseln.

Das hättest Du nicht tun dürfen. So was macht man nicht! Das macht man nicht!

Ihre Arme hängen brettsteif herab, die Hände zu Fäusten geballt.

Marc´s Blick sackt kurz ab. Während ihrer Anklage geht ein nervös zuckender Lidschlag über seine Augen. In diesem Punkt muss er ihr Recht geben. Dann blickt er sie sofort wieder hart und starr an.

Sie ist in völliges, totales, hoch winselndes Weinen übergegangen. Ihr Gesicht ist tränenverschmiert, die Haare wirr, ihre Haltung die eines steif weinenden Kindes.

Er, leise:

Sarah..

Sie äfft ihn nach:

Saraaah!

Hebt die Pistole gegen ihn,- zielt.


Sie weint trotzig infantil weiter:

Du wolltest mich lieben und ehren. Bis dass der Tod uns scheidet.

Ihr Gesicht verzerrt sich zu einer weinenden Grimasse.

Klack.

Ihre Züge sind ruckartig ruhig, kalt, offen – entladen; zeitgleich mit dem klackenden Geräusch.

Sie hatte abgedrückt.

Gott sei Dank waren Lauf und Magazin der Pistole leer.

Marc sieht sie weiter unverwandt an.
Seine Rechte greift in die Tasche seiner Hose und holt eine Handvoll Patronen heraus.

Sarah ist ungläubig überrascht, zielt weiter auf ihn.

Marc sagt leise, ohne Veränderung des Ausdrucks:

Reicht das?

Sie weiß damit nichts anzufangen, starrt ihn fragend an:

Was--?

Reicht das?

wiederholt er. Sie folgt seinem Blick, an ihr vorbei nach hinten.
Schräg hinter ihr steht der Kommissar. Er war Zeuge der gesamten Szene.


Die Polizei führt Sarah ab.

Draußen, vor beider Haus, wartet der Polizeiwagen im Hof.
Marc steht dabei, vor seiner offenen Haustüre, als Sarah in den Wagen einsteigen muss.
Während sie zum Wagen geführt wird, blickt er zu Boden.

Kurz, bevor sie einsteigt, ein steinharter Blick von ihm zu ihr.

Sarah erwidert den Blick, steinern, voller Abscheu, latent hassend.

Er weicht ihrem Hassblick aus, blickt weg, zu Boden.

Das Polizeiauto fährt weg. Zurück bleibt die weiße Wand der Gartenmauer. Sie ist kahl, leer. Marcs und unser Blick fällt darauf. (Wir erinnern uns an das Symbol der Wand im Schlußbild von „Der Anwalt und sein Gast“ Dort nahm die Wand den sprachlosen Schmerz des Mannes auf. Hier nimmt sie seinen Blick auf und zeigt uns -- nichts, Leere, tabula rasa. )

Schnitt.

Schlußbild:

Marc steht da, vor seinem Haus, vor der offenen Haustür.
Kalt hart, versteinert, dunkel, grau - allein.

Direkt hinter ihm bemerken wir das schwarze Relief eines japanischen Schriftzeichens an der Wand seines Hauses.

Es hat die Form eines Kreuzes.
Davor ein schwarzes Geländer aus einem Rechtkantträger.

Diese Schlußeinstellung ist ein Symbolbild.

Wir, die wir in der christlich geprägten Kultur Deutschlands assimiliert sind, erkennen in Relief und Geländer nicht dessen japanische Bedeutung.

Wir vergleichen mit unseren traditionellen Symbolbildern und erkennen:

Ein schwarzes Kreuz, ein Karfreitagskreuz
- und davor: eine Betbank, ein Altartisch.

Das ganze: ein Altar, ein Karfreitagsaltar.

Davor steht Marc; wie ein Priester beim Altar steht.

Das ist das Bild eines Gerichtstands, einer Richtstatt.
Am Karfreitag wurde Gericht gehalten und verurteilt.

Reicht das? hatte Marc den Vertreter des Gesetzes gefragt.
(Wir meinen: Es reicht.)

Die Kamera verlässt den Mann und seine Gefühlswelt, sie fährt nach oben, in die Überblicksperspektive. Dort unten sehen wir jemanden stehen, vor seinem Haus, allein. Er wird kleiner, es ist irgendein Haus, irgendein Mensch steht davor.



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2004-2005 Heino Ferch – Marc Hoffmann, Claudia Michelsen – Sarah Hoffmann, Michael Gwisdek Filmographie Michael Gwisdek - Inspektor Galleo.

Kommentar 1:

Der eiskalt bohrende Blick, das stur erstarrte, zu unnachgiebiger Härte geronnene Schmerz des Verlassen-Worden-Seins - dieses Herz, es will nicht verzeihen. Es schließt sich selbst in einen bleiernen Kerker der Unnachgiebigkeit ein.