Mittwoch, September 07, 2005

Tango. in: Comedian Harmonists. Heino Ferch - Roman Cycowski. Regie: Josef Vilsmeier, Drehbuch: Klaus Richter, perathon 1997



Bildquelle und Bildrechte bei Universum Film 2002



Tango. in: Comedian Harmonists. Heino Ferch - Roman Cycowski. Regie: Josef Vilsmeier, Drehbuch: Klaus Richter, perathon 1997



Text: ignazwrobel

Film-Standfotos von Petro Domenigg

Tango.


Vor der Szene:

Roman Cycowski hatte sich bei einem Vorsingtermin auf den ersten Blick in eine Dame aus dem Chor verliebt. Mary. Mary ging es genauso. Die beiden haben sich bereits seit längerer Zeit angenähert. Sie mögen sie sich, sehr.


Die Comedian Harmonists sind auf Tournee. Die Stationen ihrer Reise sind Mailand, Brüssel, Kopenhagen, Warschau, Paris, Amsterdam, Moskau, Prag, Berlin.

Akustische Überblendung aus Hintergrundsmusik auf ein Streicherquartett, dezente Livemusik im Tanzlokal–Restaurant eines offensichtlich renommierten Belle-Epoche-Hotels. Die Damen und Herren spielen einen altmodischen weich klingenden Kaffeehaus-Tango.

Das Motiv:

Ein wunderschönes glanzvolles Jugendstil-Restaurant, groß wie ein Saal, - mit Tanzfläche, wohl in einem Hotel.

Glitzernd und das Auge erfreuend - große Kronleuchter im Art Deco Stil, poliertes Holz überall, Ornamente mit Goldverzierungen, weisse Tischdecken, schweres Silber auf den Tischen, roter weicher Teppich, grüne Fächerpalmen, ein Glitzern und Gleißen, ein Schimmern, Leuchten - Ähnlich dem Montreux-Palace in Genf oder dem Krasnapolski in Amsterdam.-


Der Tanz:

Der Saal ist leer, es ist später Abend, die Gäste sind schon gegangen, ein einzelner Kellner bewegt sich dezent zwischen den menschenleeren Tischen.

Im Hintergrund ein tanzendes Paar: Roman und Mary.

Überblendung auf die Oberkörper der beiden.

Sie machen eine fantastisch schöne, gleitende Drehung, bewegen sich schwebend verhalten mit dosierter Energie im Tangoschritt - wie auf Schienen.

Die Bewegungen der beiden - wie zusammengeschweisst, aus einem Guss.

Romans Blick auf Mary ist eingenordet, als wäre sein Blick eine Kompassnadel und sie der magnetische Pol.

Eine starke, anziehende Energie ist fühlbar, ähnlich zwei Magneten, die dicht voreinander gehalten werden. Kopf- Schulterhaltung der beiden - perfekt ästhetisch lecker schön.

Hinreissend.

Die beiden gleiten tanzend nach rechts aus dem Bild.

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Zwischenszene. (Erich und seine Verlobte im Hotelzimmer. Erich steht am Fenster, draussen die Wiener Staatsoper. Das Hotel muss also das Sacher sein. Oder?)
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Dann dürfen wir den beiden noch einmal zusehen.

Tango ist ein Halten, Aufstauen und Loslassen von tänzerischer Energie, ein Zurückhalten und Vorangleiten, das die beiden uns in Perfektion vorführen.

Erotische Spannung prickelt auf der Haut. Blicke und Bewegungen, ein Balztanz von vollendeter Eleganz.

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Zwischenszene. (Biberti bestellt sich eine Dame aufs Zimmer. "Lassn Se se ma aussehen, wie ne Studentin, die sich n´bissken was dazuverdient.")

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Ein drittes Mal. Jetzt sehen wir die schönste Figur.

Roman und Mary im Wiegeschritt, die Gesichter nah beieinander.

Sie lösen sich ein wenig voneinander, Mary gleitet zurück, ihr Oberkörper beugt sich tief rückwärts, Roman hält sie, kraftvoll, gleichzeitig zart, dosierend.

Einen Lidschlag lang geniessen wir Mary´s höchste Körperspannung ..

Vom Tiefpunkt der Bewegung lenkt Roman sie fließend in eine weite Drehung -sensibel und trotzdem spannungsvoll, hochelegant.

Ein angedeutetes Lächeln überfliegt sein Gesicht.

Mozzaffiato.

Atemberaubend.



(Beiseite: Ja, Ja, Ja!
Endlich endlich endlich!!
Endlich wieder zwei deutsche Schauspieler, die tanzen können, wirklich tanzen. )

Bilder zum Film

1997 Heino Ferch - Roman Cycowski, Mary – Katja Riemann.

Kommentar 2:

Den erzählerischen Aufbau der ganzen Sequenz: Eleganz des Tanzes - Zwischenszene: gröber, - Eleganz des Tanzes:Steigerung - Zwischenszene: sehr grob - Eleganz des Tanzens: Höhepunkt. finde ich sehr schön. Dieser Josef Vilsmeier und dieser Klaus Richter sind verdammt geniale Erzähler.
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Themawechsel-
Marginalie:

Der renommierte Starfotograf Jim Rakete porträtierte für das Best Life Magazin den Schauspieler Heino Ferch in 2004. Das Ergebnis: http://www.bestlife-magazin.de/d/31597

Kommentar:


Der Versuch, mittels Porträt-Fotos das Charisma des Schauspielers Heino Ferch einzufangen,
ist in etwa so erfolgreich, wie der Versuch,
sich einen Eindruck vom Klang einer Beethoven-Sinfonie dadurch zu verschaffen,
dass man ein Foto vom Deckblatt der Partiturnoten schiesst.


(hähä - gutes Bonmot - oder?)


Nachtrag Mai 2005

SAT.1 hat neue Fotos (2005) von Heino Ferch im Archiv, leider ohne Autorenangabe.
Diesen Fotos ist es wenigstens gelungen, die Partitur aufzuschlagen und zumindest die ersten Zeilen der Noten abzubilden:
Porträtfoto Heino Ferch 2005 (auf das Foto zum Vergrößern klicken, das große Foto ist gelungen)

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Thema 2:

Topoi - Leitmotive :

Identische Situationen, man kann auch dazu sagen, Topoi, gibt es in Filmen mit Ferch als Protagonist auffällig viele.
Der prüfende Blick in den Spiegel, das Aufeinandergeworfensein in einer zellenartigen Umgebung, die Rückkehr des Protagonisten in seine altgewohnte Umgebung, in der er durch das, was er inzwischen erlebt hat, völlig fremd geworden ist, die Verwundung an der Halsschlagader (geradezu ein Markenzeichen, ein Ferch´sche idee fixe), das Angebundensein an eine bestimmte Umgebung wider den eigenen Willen, das knallartige Erwachen aus einem Alptraum, das besorgte Ansichdrücken eines Kindes, als wäre das Kind die eigene Seele, das Sterben von Kindheit, Unschuld in unmittelbarer Nähe des Protagonisten, der Blick in die eigene Vergangenheit (z.B. durch Blättern in alten Fotoalben), das Abtauchen unter eine Wasseroberfläche (wo die Zeit drängt, die Lebenssekunden verstreichen, oder eine Lösung wartet), oder der Abschied von Nahestehenden, weil der Tod dazwischentritt.