Sonntag, September 04, 2005

Blicke. in: Nachts im Park, Porträt Hennings Teil 2. Heino Ferch - Dr. Hennings, . Regie: Uwe Janson 2001-02







Bildquelle und Bildrechte Tradewind Pictures für Highlight Film



Blicke. in: Nachts im Park, Porträt Hennings Teil 2. Heino Ferch - Dr. Hennings, Heike Makatsch - Dr. Lumis. Regie: Uwe Janson, Buch: Jens Urban, 2001-02



Text: ignazwrobel

Looks – Blicke.

Behandlungszimmer im Krankenhaus, in dem Dr. Hennings gearbeitet hat.
Die Szene ist eine Dreierszene – mit den Doctores Steffen Hennings, Katharina Lumis und Bernhard Rosenblum.

Dr. Lumis monologisiert während der ganzen Szene fließend, ruhig, mit sachlicher Stimme. Dr. Rosenblum, der beim Anblick von Blut das Bewußtsein verliert, hat sich ein Handtuch über die Augen gedeckt, während Lumis die Halswunde von Dr. Hennings versorgt. Das heißt, nur akustisch ist die Szene eine Dreierszene, visuell sind Lumis und Hennings unter sich.

Very Close Up auf Hennings´ Gesicht. Wir sehen ihn im Profil, Augen bis Kinn. Dazu unscharf, weil sehr nah, die mit sterilen Handschuhen bekleideten Hände von Dr. Lumis.

Schnitt.

Die beiden im Close up von vorn. Dr. Hennings sieht nach vorne,zu uns. Wir begreifen, dass beide vor einem Spiegel sitzen. Wir sind quasi der Spiegel, in den die beiden blicken.


Hennings sieht zwar geradeaus, das muss er auch, damit die Halswunde versorgt werden kann, der Spiegel ermöglicht ihm trotzdem, das obskure Objekt seiner Begierde, Dr. Lumis, anzublicken.

Close Up auf Hennings Halswunde. Es ist ein schockierend schlimm aussehender Streifschuss, der die Halshaut vollständig durchtrennt hat. Frau Dr. Lumis ist mit dem Vernähen der Wunde fast fertig, ein kleinerer Teil klafft noch zentimeterweit auf.


Dr. Hennings sitzt bewegungslos, er wirkt traurig, gleichzeitig aber auch gedämpft, fatalistisch hinnehmend. Ich glaube, er hört gar nicht, was die Frau redet, er hat zu denken - irgendwas über Sehnsucht und Verlust. Eigentlich sehen nur seine Augen traurig aus, die aber dann richtig schwarzfeucht, häufchenelendhaft. Es ist ein schwarzer, leise vor sich hinbettelnder Dackelblick, mit dem er Lumis unverwandt ansieht.


Lumis bemerkt das nicht, da sie an der Wunde zu tun hat und gleichzeitig redet.
Jetzt ist sie fertig, sie wirft einen Blick in den Spiegel, sieht Hennings Hundeblick und erschrickt.

Jetzt – ogottogott- sehen wir vier schöne schwarze feuchte Dackelaugen mit vier lyrisch-romantisch leuchtenden Glanzlichtern knapp an uns vorbei frontal in diesen Spiegel blicken. Beide mit identischer Kopfhaltung. Ja, es ist very appealing, ja es ist schockierend schön und lustig gleichzeitig. Blicke.


Lumis bricht det janze nach ein paar Sekundenbruchteilen ab, schlägt leicht lächelnd die Augen nieder. (Sie mag den Mann inzwischen, vorhin hat sie ihn mit Verve und Energie vor dem Kriminalbeamten geschützt.)

Hennings folgt der Ansage, den Blickkontakt zu unterbrechen und schlägt augenblicklich auch die Augen nieder, allerdings nur, um sofort in ihre Richtung zu lauschen.


Kaum wendet sich Lumis wieder der Wunde zu, um sie mit einem sterilen Tuch abzutupfen, - sie stützt sich dabei mit der Hand auf Hennings´Schulter,- nimmt er sofort seinen schwarzfeuchten Dackelblick wieder auf.


Lumis sieht noch einmal hoch. Das Blickspiel wiederholt sich. Schnitt. Halbtotale. Dr. Lumis legt auf die Wunde ein großes weisses Verbandpflaster und streicht es fest. Hennings hält still, wie ein Junge, dem die Mama die Nase putzt.


Kaum ist Lumis fertig, greift er nach der Schnellfeuerwaffe, die er vor sich abgelegt hatte und sagt – gänzlich ohne Bezug zu allem, was die Frau geredet hat – nicht sehr laut, eher leise

...wir müssen...

die Stimme klingt wie ein Streicheln, das ein angenehmes Rieseln über die Haut auslöst.
Seinem fast unhörbar geflüsterten

Danke!

dem ein kleiner aus dem Augenwinkel geschleuderter Blick zu Lumis folgt, werfen wir sofort unser Herz hinterher. ..ist auch nötig, denn die beiden Doctores Hennings und Rosenblum sind Augenblicke später aus dem Behandlungszimmer verschwunden, um ihrer Mördersucherei weiter nachzugehen.

Kommentar 1:

Erzähltechnisch dient die Szene dazu, durch verbalen Report die Spielhandlung voranzutreiben. Frau Dr. Lumis fasst referierend zusammen, was die beiden, Hennings und Rosenblum, bis dato unternommen haben, um den tatsächlichen Frauenmörder zu finden, zieht daraus ihre Schlüsse und kann deshalb einen Ausblick über die weiteren Pläne der beiden geben.

Kommentar 2:
Die Szene zeigt einen Topos aus Ferch´s Arbeit : die Verletzung (über) der Lebensader. Topoi sind Leitmotive, die in immer neuer Verkleidung, Inszenierung, im Werk eines Künstlers (hier: Schauspielers) wiederkehren und jenseits der aktuellen Bedeutung im Spielzusammenhang eine zeitlose übergreifende Symbolbedeutung haben, hier: Lebensbedrohung, Verletztsein, Schmerz durch ein zerstörendes Bedrohen der lebendig funktionierenden Ganzheit und - (wenn die Wunde versorgt wird) Linderung des Schmerzes, Besänftigung, Heilung, Hoffnung.

Kommentar 3:
Qualität des Films: It´s a film you can afford to miss.
Warum?
ad eins: Ich warne vor Filmen mit diesem Drehbuchautor. Die Dialoge funktionieren nicht. Der Drehbuchautor hat m.E. kein Gefühl dafür, wie Menschen in verschiedenen Erregungsstufen sprechen. Eine Person in Todesangst bildet keine ellenlangen Sätze mit Nebensätzen oder erinnert sich lyrisch in epischer Erzählbreite an sanfte Gefühle vergangener Zeiten. Personen unterschiedlichen Alters haben unterschiedliche Sprachstile und psychische Reifestufen, die bei diesem m.E. Autor nicht umgestzt werden. Hier redet ein Mittdreissiger den Text eines Sechzehnjährigen, ein 66jähriger den Text eines 20jährigen.

ad zwei: Uwe Janson hoffte, das schauspielerische Leistungsniveau im Film durch drei stützende Säulen erhalten zu können. Er meinte im Regiekommentar, dass die drei Qualitätsschaupieler Ferch, Degen und Makatsch die Anfänger- Leistungen der anderen ausgleichen könnten. (M.E. sind das keine Debütantenleistungen, sondern zähneziehend quälende Mangelbegabungen.)
Gute, exzellente Filmschauspielleistung erreicht nicht die bewußt reflektierende Ebene des Zusehers. Die gute Leistung wird rein auf emotionaler Ebene als "stimmig, schön, mitreissend, tief" empfunden.

Schlechte, laienhafte, steife Schauspielleistung dringt augenblicklich bis in die bewußt reflektierende Wahrnehmungsebene des Zusehers vor und wird aktiv als Mangel wahrgenommen, ähnlich einem Fleck auf einem monochromen Stück Stoff. Wir müssen immer auf den Fleck starren, nicht auf den Rest des Stoffes, auch wenn dieser sehr schön ist.

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