Sonntag, September 04, 2005

"..essen Sie das noch?" in: 2 Männer 2 Frauen 4 Probleme, Regie: Vivian Naefe, Drehbuch: Barbara Jago, Pamela Katz, Vivian Naefe, 1997-98. Nick: Heino



Bildquelle und Bildrechte bei Buena Vista und Olga-Film. Higrd: Caravaggio Madonna von Loreto


"..essen Sie das noch?" in: 2 Männer 2 Frauen 4 Probleme, Regie: Vivian Naefe, Drehbuch: Barbara Jago, Pamela Katz, Vivian Naefe, 1997-98. Nick: Heino Ferch

von: ignazwrobel

...essen Sie das noch?

in: 2 Männer 2 Frauen 4 Probleme, Regie: Vivian Naefe, Biografie Naefe Drehbuch: Barbara Jago, Pamela Katz, Vivian Naefe, 1997-98

Vor der Szene:

Die Mutter zweier Kinder im Alter von drei und sechs, Eva, hat den Staranwalt Nick Leonhard, einen Mittdreissiger, gekidnappt.

Eva, Nick und die Kinder Florian und Rosa sind in einem uralten Ford Granada Richtung Venedig unterwegs.

Dort will sie Nicks Frau Charlotte Leonhard und ihren eigenen Mann Louis zur Rede stellen. Venedig ist für eine Woche Liebesnest für Louis und Charlotte.

Auf Nicks Frage, wozu er mit nach Venedig müsse, meint Eva:

„Die beiden müssen zur Vernunft gebracht werden. Das kann ich nicht allein, dazu brauche ich Sie (Nick). Die beiden, (Louis und Charlotte) müssen wissen, dass sie nicht allein auf der Welt sind.“

Damit Nick nicht entkommen konnte, hatte Eva seine Hände mit zwei Handschellen im Wageninneren festgekettet.

Nick reizt Eva mit seinen süffisanten und arroganten Bemerkungen so sehr, dass sie ihn nach acht Stunden Fahrt mitten in der Nacht aus dem Wagen wirft – ohne Jackett, ohne Pass, ohne Geld, nur in Hemd und Hose, bei strömendem Regen, irgendwo nach der Grenze im Gebirge.

Szene 1:

Scheune im Gebirge.

Eva hat mit den Kindern eine Scheune aufgesucht, um dort zu übernachten. In einer großen Blechpfanne hat sie ein Feuer entzündet, an dem sie sich wärmt. Die Kinder schlafen bereits. Es scheint warm und gemütlich zu sein. Reste des Abendessens, Pizza, liegen noch da.

Die Scheunentür geht auf, Nick kommt herein.

Er ist völlig durchgefroren, bis auf die Knochen durchnäßt, von oben bis unten verschmutzt, sein Atem zittert vor Kälte.

Eva: Was ist, haben Sie´s ohne mich nicht ausgehalten?

Zähneklappernd, aber wütend antwortet er

Sie sind mit meinem Aktenkoffer und mit meiner Brieftasche weggefahren.

Er pirscht sich näher ans Feuer heran und streckt den Flammen seine Hände entgegen, um sich zu wärmen. Es ist dunkel in der Scheune, nur das Licht des offenen Feuers flackert über die Gesichter der beiden.

Den Koffer mit den Akten braucht Nick für seinen nächsten Prozess. Gewinnt er ihn, verlieren 200 Menschen ihren Arbeitsplatz.

Diesen Prozess zu verlieren, damit die Leute ihre Jobs behalten können, das kommt für Sie nicht in Frage, was?

Dafür werde ich nicht bezahlt.

Klar, Sie wollen den Fall gewinnen und in Ruhe Geld scheffeln.

Nick versucht, weiteren Wärmeverlust zu verhindern und verschränkt die Arme.

Ich arbeite sehr hart für meinen Erfolg, ja? - Fünfzehn Stunden am Tag. (Punktum!)

Die verschränkten Arme wirken jetzt renitent. Er ist erregt und wütend.

Eva: Fünfzehn Stunden?

Der Herr Anwalt nickt bestätigend, schaut stur vor sich hin und presst die Lippen zusammen.

Wo bleibt da noch Platz für Ihre wunderbare Charlotte?

Die arbeitet genauso viel.

Jetzt sieht er Eva an und sagt in sich selbst bestätigendem und Eva belehrendem Ton:
Ja - das ist die Bedingung, wenn man etwas erreichen möchte.

Seine Augen beginnen abzuirren. Wir sehen, dass er das unappetitliche Reststück Pizza auf der fettbefleckten Pizzaschachtel ins Auge fasst. Nick hat seit schätzungsweise zwölf Stunden nichts mehr gegessen. Er deutet mit einer unpräzisen Geste Richtung Pizza.

Sagen Sie, - essen Sie das noch?

Eva lächelt. Sie weiss, was jetzt kommt. Vor Stunden noch hatte Nick das Angebot, Pizza zu essen, überheblich abgelehnt und ihr unterstellt, dass Louis, Evas Mann, vielleicht auch deswegen fremdginge, weil ihn Evas unkultivierte und unästhetische Essensmanieren angewidert hätten.

Gier und Selbstachtung kämpfen einen kurzen Kampf in Nick, er sichert mit schwarzem Blick zu Eva, fasst dann wieder die Pizza ins Auge. Die Gier siegt.

Mit steifen Schritten geht er zum Pizzakarton, beugt sich darüber - und schlingt das Pizzastück unter Hintanlassung jedes Restes von Tischmanieren in ekelerregender Art und Weise in sich hinein.

Teigstücke hängen ihm aus dem Mund, Salamireste fallen zu Boden. Wir hören schweinische Kaugeräusche. Er atmet schwer. (-Igitt!)

----

Zwischenszene Charlotte und Louis. Die beiden haben ihren ersten Streit – über die italienische Küche.

--------

Fortsetzung der Szene in der Scheune:

Nick hat sich seines nassen Hemdes entledigt, steht da im Unterhemd – konservativer Schiesser Feinripp – und hält das nasse Oberhemd an einem langen Stock über das Feuer, um es zu trocknen.

Er sagt:

Charlotte ist nicht bei Ihrem Mann!
Sie hat auch keine Affären!

Das haben wir bei der Eheschließung festgelegt.
Wir haben einen Ehevertrag.

Was, einen Vertrag?

Nick blickt konzentriert und beleidigt ins Feuer.

Ja.

Das klingt eher nach einer Geschäftsverbindung als nach einer Ehe.

Nick belehrt Eva mit aggressivem Unterton:

Wir wären ohne einander nicht da, wo wir jetzt sind. Charlotte ist hochintelligent. Sie ist eine talentierte Geschäftsfrau. Sie ist...

Schnitt auf Eva. Die beendet den Satz für Nick....

...sexy.

Schnitt auf Nick. Der sieht Eva mit erstaunt – versteinertem Gesicht an.

Er wirkt erstarrt, nur die Bewegung der flackernden Flammen belebt seine Erscheinung.

Dann, mit einer kultiviert-gewählten Kopfbewegung zu Eva hin:

...auch das. Selbstverständlich.

Die Erinnerung, dass seine Frau sexy sein könnte – auch für jemand anderen als ihn – hat ihn so unaufmerksam gemacht, dass seine Hand abgesunken ist. Das Hemd kam zu dicht an die Flammen und hat jetzt Feuer gefangen.

Mensch, passen Sie auf! schreit Eva.

Zu spät. Das Hemd brennt lichterloh.

Nick reagiert schnell, er wirft das Hemd zu Boden und tritt die Flammen aus. Trotzdem ist das Kleidungsstück jetzt eine Ruine.

Diese Ruine hat der für den Rest der Reise zu tragen.



1997 Heino Ferch (im Alter von 34 Jahren) – Nick Leonhard, Aglaia Szyzskowitz – Eva.

Bilder zum Film

Kritiken von Zuschauern aus China, Canada, Australien, Niederlande

Kommentar:

2 Männer 2 Frauen 4 Probleme ist eine Beziehungskomödie, deren äusserst unterhaltsame Qualität im temporeichen und ausdrucksstark exuberanten Spiel von Heino Ferch und Aglaia Syszkowitz als stark kontrastierendem ruhigen Charakter entsteht.

Nick Leonhard ist eine facettenreiche Figur, deren Charakter sich schillernd auf breitem emotionalen Plateau entfalten kann.

Anmaßung, Überheblichkeit, angelernte Herzenskälte auf der einen Seite und bemitleidenswerter Regieverlust in Panikattacken und Hysterien auf der anderen Seite bereiten komödiantischer Darstellung ein weites Feld.

Farbige Akzente setzen Charakterzüge wie Angst und Mut, Exuberanz und Resignation, Egomanie und Altruismus, Renitenz und Offenheit.

Am Ende seiner Entwicklung und der des Filmes durchstößt der Staranwalt Nick Leonhard die engen geistigen Grenzen seiner Yuppie-Erfolgswelt durch die Begegnung mit Eva und ihrem ganz anderen Werteraster hin zu einer persönlichen Wahrheit, die er bisher in seinem Leben verleugnet und durch Arbeitswut ersetzt hatte.


Kommentar 2:

Der Film hat zwei Schwachstellen, die den flüchtigen Beobachter zu einer Abwertung des Plots verleiten könnten. Das eine ist die Szene mit dem Schwein, das andere die Szene, in der Eva im Nobelrestaurant Klavier spielt.

Das Schwein. Eva hatte wütend ihrem kleinen Sohn das Wort „Staranwalt“ dechiffriert als „grosses fettes Schwein.“ Als die Kinder auf ihrer Reise ein grosses Schwein sehen, deutet der kleine Sohn in Gegenwart von Nick auf das Tier und sagt Schau, ein Staranwalt. Die Szene ist bleiern und bemüht.

Das Klavierspiel Evas im Restaurant. Die Anwesenden sind hingerissen, „fascinoso, großartig“ wird das Spiel beurteilt. Auch ein musikalisch nicht Versierter kann hören, dass es nur simpelstes Richard Kleidermann – Geklimper ist.
An dieser Stelle hätte man doch ein paar Mark GEMA Gebühren in ein Stück investieren können wie das Regentropfenprelude von Chopin oder etwas technisch ähnlich anspruchvolles (nicht zu phonstarkes), damit sich die Faszination von Evas Klavierkünsten auch auf uns übertragen kann.