Sonntag, September 04, 2005

...liebst Du mich noch? in: Todfeinde. Regie: Oliver Hirschbiegel, Drehbuch: Don Bohlinger, 1998









Bildquelle und alle Bildrechte bei Mc One und ProSieben 2001



...liebst Du mich noch? in: Todfeinde. Regie: Oliver Hirschbiegel, Drehbuch: Don Bohlinger, 1998



von: ignazwrobel

...liebst Du mich noch?


Eine Wohnstrasse in der Vorstadt von Frankfurt. Wetter grau in grau. Die Bäume schon kahl ohne Blätter.

Vogelperspektive. Totale.

Links und rechts Reihenhäuser mit Satteldächern, Typ Sozialbau, Vorgärten handtuchgroß, keine Zäune.
Alles alt, die Hausfassaden schmutziggrau, neuer Anstrich seit zehn Jahren überfällig, der Asphalt der Straße voller Ausbesserungen, die Gehsteige wellig, weil alt.
Die Hauseingänge fast ebenerdig. Einzelne Wagen parken halb auf den Gehsteigen. Vorstadt-Tristesse.

Ein roter Volvo kommt die Straße heraufgefahren, parkt in der Einfahrt der Eckeinheit eines Vierspänner-Reihenhauses.

Schnitt.

Wir stehen auf der Straße vor der schmutzigen Hausfassade. Parabolantenne an die Wand geschraubt, Rollädenkästen nachgerüstet, Windfang Fünfzigerjahre, Eindruck von Enge und Kleinbürgertristesse. Deprimierend.

Die Wagentür geht auf, der Streifenpolizist Max Klausmann steigt aus, geht die zwei Schritte zur Haustür, sperrt auf. Es ist früher Morgen. Klausmann kommt von der Nachtschicht.

Schnitt. Hausinneres.

Wir sehen ihn drinnen von schräg oben. Wir stehen auf der sehr steilen Treppe des Hausflures, weil wir in der Einquadratmeterdiele des Häuschens keinen Platz haben.

Altmodische Streifentapete, Kleidung an der Garderobe verengt den Freiraum noch mehr.

Klausmann begrüßt den kleinen weissen Terrier der Familie. Der rennt nach draussen.

Schnitt.

Küche.

Altmodische Möblierung, zusammengewürfelt. Sieht aus, als hätte die Familie die Sachen vom Sperrmüll geholt. Keine Einbauküche. Alte billige hundertmal überstrichene Holztüren, Aluklinken.

Herd, Waschmaschine, Microwelle, alles neben- und aufeinandergestellt, der Tisch voller Frühstücksutensilien, ein sauberer unbenutzter Teller und ein Glas O-Saft warten auf Klausmann.

Wir stehen der Küchentür gegenüber. Klausmann kommt auf uns zu, wirft den Schlüssel auf den Tisch und trinkt sofort das Glas O-Saft leer.

Seine Frau kommt herein, bereits fürs Büro korrekt gekleidet, die Handtasche in der Hand, sie wird gleich weggehen. Sie ist jung, zart, hübsch, jedoch nicht aufgetakelt, praktischer Kurzhaarschnitt, fast kein Make up.

Klausmann begrüßt sie

Morgen!

Sie will an ihm vorbeigehen, er fängt sie ab, schließt sie in die Arme.

Schnitt. Nahaufnahme.

Wir sehen über Klausmanns Schulter hinweg Anna Klausmann ins Gesicht. Sie lächelt glücklich, freut sich über ihren Mann, schlüpft bei der Umarmung unter seine Achsel.
Seine Polizeilederjacke knirscht leise. Der Ritter kehrt heim.

Anna: Anstrengende Nacht gewesen?

Max geht nicht darauf ein. Er fühlt ihre Stirn.

Du fühlst Dich heiss an. Bist du o.k.?

Ja, ich bin nur spät dran.

Wieso denn spät, ist doch erst sechs.

Das übliche socialising-blabla zwischen Eheleuten.

Anna Wir kalkulieren den Großauftrag, Gerald holt mich gleich ab.

Max Gerald! Jetzt holt er Dich schon ab! Ich sag´ Dir, der Typ steht auf Dich.

Anna und Max stehen jetzt vor dem Küchentisch, essen und trinken im Stehen.

Anna Du spinnst!

Max Du kennst die Männer nicht!

Anna Hmm?

Anna geht zur Tür, sie ist in Eile.

Im Wohnzimmer liegt der Brief für Moritz Lehrer, den musst Du unterschreiben. Und pass auf, daß er ihn auch wirklich mitnimmt. Mittagessen is im Kühlschrank, tu´s zwei Minuten in die Microwelle, ja?

Sie schlüpft in ihren Mantel.

Max steht in der Küche, neben der Tür, sieht ihrem Hin und Her zu. Irgendwie wirkt er unruhig, bedrückt.
Anna ist im Mantel, kommt noch einmal in die Küche zurück, wirft einen prüfenden Blick auf den Tisch, ob sie auch nichts vergessen hat, wendet sich dann um zur Haustür. Sie will gehen.

Anna verläßt die Küche, da ruft er ihr hinterher:

...liebst Du mich noch?

Wir sind direkt hinter Anna.

Sie dreht sich um : Hmm??

Sie bleibt erstaunt stehen. Schaut zurück in die Küche.

Schnitt.

Close Up auf Max.

Wir sehen nur sein Gesicht im Profil neben dem Türrahmen. Er wirft ihr einen Blick aus dem Augenwinkel zu. Er wollte sehen, ob sie sich umdreht.

Als er merkt, dass sie stehenbleibt, schaut er schnell weg, geradeaus.

Er läßt sich von ihr ansehen. – und lauscht dabei in ihre Richtung.

...ob Du mich noch liebst?

Sie kommt zurück, an uns vorbei. Sie lächelt angeregt.

Jetzt steht sie dicht vor ihm. Er sieht sie ernst an. Sehr süß. So ein Süßer.

Wir spüren seine Verletzbarkeit, seine Besorgnis und finden ihn einfach hinreissend in seiner Unsicherheit. Das spürt Anna vielleicht auch. Ihr angeregtes Lächeln konterkariert ihren Text:

Nein.
(Was??? Nein???)

dann:
...ich bin nur scharf auf Deine Millionen!

Max: Eben.

Anna: Hör auf mit dem Quatsch! Sie gibt ihm einen Kuss.

Max nimmt ihn nicht recht an. Er öffnet den Mund nicht.

Anna macht weiter im Ehepartner-Abstimmungsblabla Erinnere Nico an Moritz Geburtstag... Wieder geht sie zur Tür.

Close up auf Max.

Sein Gesichtsausdruck bleibt zweifelnd, frustriert.

Bums. Die Haustür ist ins Schloß geflogen. Anna ist weg.

Er steht allein in der Küche, macht ein paar Schritte zum Gangfenster. Er biegt zwei Lamellen der Jalousie auf und lauert auf die Straße hinaus.

Draussen ist ein Generaldirektoren-BMW-Panzer vorgefahren. Ein eleganter, teuer gekleideter Mann öffnet gentleman-like Anna den Wagenschlag.
Die Begrüßung zwischen den beiden ist unangebracht persönlich, ein Küßchen Küßchen auf beide Wangen. Gerald hofiert Anna.

Close Up auf Max.

Sein Blick hängt eingefroren auf dem Draussen.
Dann läßt er mit einer knappen kalten Bewegung die Lamellen der Jalousie wieder in geschlossene Position schnappen.

Wir müssen seinen Zweifeln recht geben. So etwas kann er Anna nicht bieten. Vielleicht läßt Anna sich von diesem Glanz verführen?


1997-98 Heino Ferch (im Alter von 34/35) – Max Klausmann, Julia Jäger – Anna Klausmann Filmographie
Zusammenfassung der Filmhandlung und Foto


Kommentar 1:

Max Klausmann ist in ziemlichen Schwierigkeiten. (siehe Zusfassg. der Filmhandlung)
Er ist nicht sicher, ob seine Frau ihn noch liebt.

Er wohnt mit seiner Frau in einem kleinen schäbigen engen Haus zur Miete. Er hat drei Söhne. (Drei! Söhne! Drei Söhne!) Er möchte seiner Familie mehr Licht und Luft bieten können. Max möchte den sozialen Aufstieg.

Wir sehen ihn als Ehemann, als Liebhaber, als liebevoll fürsorglichen und einmal als vor Streß ausflippenden Vater. Wir sehen ihn auch als Mann, der Karriere machen könnte aufgrund seiner softskills, der aber im letzten Moment ausgesondert wird, weil sein Bildungsniveau nicht ausreicht.

Sein Profil reicht nicht aus, weil er keinen Schein, keine entsprechende Qualifikation, istgleich Studium, hat, obwohl er in den Augen seines Vorgesetzten der bessere Mann ist.

Er hat damit zu kämpfen, dass seine Frau mehr Geld verdient, als er. Sie ist Prokuristin. Er möchte unbedingt bessere Verhältnisse für seine Familie, er will beweisen, dass er es stemmen kann.

Klausmann muss erst im Dachgeschoss wüten, dann bei Nico weinen, als er erfährt, dass der Kollege ihm vorgezogen wurde, dass er nun doch nicht die 1000 DM mehr pro Monat verdient, nicht Gruppenleiter wird. Für ihn ist es eine Frage des Selbstbildes.

Der Chef seiner Frau wird immer zudringlicher, am Schluss sitzt er in der Wohnung von Klausmann und spielt mit den Kindern von Klausmann. Er dringt immer tiefer ein in die Privatsphäre der Klausmanns.

Der Deus ex Machina wird Peter Gerlach sein, der Chef der SOKO Task Force Drogen vom BKA, eine Vaterfigur . Klausmann wird in sein Team berufen. Obwohl Gerlach bald merkt, dass Klausmann ihn angelogen hat, wirft er ihn nicht weg.
Klausmann hatte sich verplappert. Er hatte, ohne Akteneinsicht, den Wagentyp des ermordeten Kontaktmannes genannt.

Es geht darum, dass Klausmann Wert und Unwert seiner selbst definieren muss.

Die Geschichte hat mehrere Handlungsstränge. Es geht um die Mafia, es geht darum, dass sein Freund Nico Möller langsam Selbstmord aus Liebeskummer betreibt, es geht um seine Familie.
Es geht darum, für Nico ein Freund zu sein. Er ist nicht Nicos Freund, er sieht Nico als Partner im Dienst, sie sind ein Streifenwagen-Team. Umgekehrt möchte Nico teil seiner Familie sein. Klausmann verliert Nico, Nico provoziert niedergeschossen zu werden, er stirbt vor Klausmanns Augen, seine letzten Worte richtet er an Max.

Es geht um Klausmanns Fähigkeiten und Unfähigkeiten, um sein Selbstbild, um seinen finanziellen und, daraus folgend, sozialen Status.