Rauffeisens Tod. Abel und Kain: "..verflucht seist Du auf der Erde, die ihr Maul hat aufgetan.." Teil 6 in: Der Unhold, Regie Volker Schlöndorff, 1996
Rauffeisens Tod. Abel und Kain: "..verflucht seist Du auf der Erde, die ihr Maul hat aufgetan.." Teil 6 in: Der Unhold, Regie Volker Schlöndorff, 1996 Rauffeisen: Heino Ferch
von: ignazwrobel
Kampf. Die Burg wird sukzessive zerschossen, es brennt überall.
Abel beginnt, wie Christophorus den KZ-Knaben auf der Schulter, durch das Kampfinferno zu fliehen.
Seine Augen sind verletzt und er trägt einen Verband über den Augen, der ihn vollständig blendet.
Der Junge auf seiner Schulter lotst ihn durch das brennende Gelände, feuert ihn an. Gespenstische Szenerie, überall tote Kinder.
Schießen, schießen, dramatische Trompetenfanfaren im Hintergrund, es schneit, weisse Flocken stäuben auf tote Arme, Beine.
Plötzlich hören wir furchtbare, kehlige Schmerzenslaute, die wie von einem Ertrinkenden zu kommen scheinen, der sich mit letzter Kraft über Wasser hält.
Die Kamera fährt den Boden entlang, zwischen toten Kindern sehen wir zuerst ein paar Beine, die sich über den Boden fortrobben, dann den Körper, - bis wir entsetzt erkennen, dass dieser Mensch, oder das, was von diesem Menschen übrig ist, und
sich mit unverständlicher Härte und letzter Kraft vorwärtsrobbt, niemand anderer ist
als Obersturmbannführer Rauffeisen.
Sein Gesicht ist schwerst verletzt, eine entsetzliche Fratze der Zerstörung, aus beiden Augen läuft dunkelrotes Blut in Bahnen über die bläulich-grauen Wangen - ein Auge ist ausgeschossen, - -Blut rinnt aus der Nase, aus dem Mund, ---------
Raufeisen schreit, schreit, schreit, ein furchtbarer Anblick von Zerstörtheit, -----
Er richtet sich auf die Knie, reisst am gestreckten Arm die Waffe hoch, will schiessen....
Die Kamera fährt rasch zurück in die Totale, wir sehen, dass Rauffeisen unmittelbar vor einem russischen Soldaten war.
Der hatte knapp die Waffe angehoben und Rauffeisen schnell und kalt abgeknallt.
Rauffeisen wird zurückgeschleudert, bleibt tot im Schnee liegen.
Der russische Soldat steigt ungerührt über ihn hinweg.
Aus.
Die Burg geht in Flammen auf.
Abel rettet, wie Christophorus, den Knaben durch ein Wasser watend.
---Und Adam erkannte sein Weib Eva, und sie ward schwanger und gebar den Kain und sprach: Ich habe einen Mann gewonnen mit Hilfe des HERRN.
Danach gebar sie Abel, seinen Bruder. Und Abel wurde ein Schäfer, Kain aber wurde ein Ackermann.
Es begab sich aber nach etlicher Zeit, daß Kain dem HERRN Opfer brachte von den Früchten des Feldes. Und auch Abel brachte von den Erstlingen seiner Herde und von ihrem Fett.
Und der HERR sah gnädig an Abel und sein Opfer, aber Kain und sein Opfer sah er nicht gnädig an.
Da ergrimmte Kain sehr und senkte finster seinen Blick.
Da sprach der HERR zu Kain: Warum ergrimmst du? Und warum senkst du deinen Blick?
Ist's nicht also? Wenn du fromm bist, so kannst du frei den Blick erheben.
Bist du aber nicht fromm, so lauert die Sünde vor der Tür, und nach dir hat sie Verlangen; du aber herrsche über sie.
Da sprach Kain zu seinem Bruder Abel: Laß uns aufs Feld gehen!
Und es begab sich, als sie auf dem Felde waren, erhob sich Kain wider seinen Bruder Abel und schlug ihn tot.
Da sprach der HERR zu Kain: Wo ist dein Bruder Abel?
Er sprach: Ich weiß nicht; soll ich meines Bruders Hüter sein?
Er aber sprach: Was hast du getan? Die Stimme des Blutes deines Bruders schreit zu mir von der Erde.
Und nun: Verflucht seist du auf der Erde, die ihr Maul hat aufgetan und deines Bruders Blut von deinen Händen empfangen.
Wenn du den Acker bebauen wirst, soll er dir hinfort seinen Ertrag nicht geben. Unstet und flüchtig sollst du sein auf Erden.
Kain aber sprach zu dem HERRN: Meine Strafe ist zu schwer, als daß ich sie tragen könnte.
Siehe, du treibst mich heute vom Acker, und ich muss mich vor deinem Angesicht verbergen und muß unstet und flüchtig sein auf Erden.
So wird mir's gehen, daß mich totschlägt, wer mich findet.
Kommentar:
Rauffeisens Figur steht exemplarisch für den Verlauf des Hitlerregimes, glänzend zuerst, dann am Schluss eine furchtbare Fratze völliger Zerstörung.
In der Schlußszene wird die Allusion zwischen Rauffeisen und Abel auf die Geschichte aus der Bibel von Kain und Abel manifest.
Abel, der sanfte Bruder (der Schäfer, der auf die Herde aufpasst) , Kain, der Ackermann (der die Früchte des Zorns säht und erntet) der unfromme, grimmige Bruder. Rauffeisen (der versucht, Abel von der Burgzinne herunterzuschießen) hat seinem sanften "Bruder" gegenüber Tötungsabsicht, so wie in der Bibel Kain. (oder abstrakter: Das Prinzip Kain/Krieg vernichtet das Prinzip Abel/Frieden.)
Unstet und flüchtig musste Kain/Rauffeisen auf der Erde werden. (Rückzug von der Ostfront, die Russen jagen die Deutschen vor sich her.)
Die Erde hat das Blut Abels (Prinzip Frieden) von Deinen (Kains/Rauffeisens/Prinzip Krieg) Händen empfangen und gibt hinfort keinen Ertrag (verbrannte Kriegserde) .
Und schlussendlich: so wie in der Bibel beschrieben, musste Rauffeisen sterben: es schlug (schoss) ihn tot, der ihn fand.
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Rauffeisens/Kains und Abels Augen sind während der und durch die Katastrophe beschädigt - Symbol für ihre eingeschränkte geistig-seelische Sicht.
1996-Heino Ferch - Rauffeisen, John Malcovich - Abel
Die Geschichte von Kain und Abel in dramaturgischem Zusammenhang zu benutzen, ist nicht ganz unüblich. In William Shakespeares auf uns überkommenen 38 Theaterstücken erscheint die Geschichte von Kain und Abel fünfundzwanzig Mal. (zit. n. Bryson, Bill: Shakespeare, wie ich ihn sehe, S. 66, Goldmann, München 2007)
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