"...oder wenn das, was man noch hat, wertlos geworden ist." Szene Teil 1 aus: Julius Caesar. Vercingetorix - Heino Ferch. Regie Uli Edel, Drehbuch: He
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"...oder wenn das, was man noch hat, wertlos geworden ist." Szene Teil 1 aus: Julius Caesar. Vercingetorix - Heino Ferch. Regie Uli Edel, Drehbuch: Herman Weigel, D, IT, USA, 2002
Text: ignazwrobel
...deswegen quält es Dich, mich sterben zu sehen.
Vor der Szene:
Gaius Julius Caesar hatte als Kolonialfeldherr acht Jahre lang Länder erobert. Damit hatte er das Römische Imperium nach Norden und Westen immens vergrößert.
Drei Jahre schon besetzt er Gallien, als es ihm endlich gelingt, den dortigen König Vercingetorix zur Kapitulation zu zwingen. Vercingetorix übergibt sich Caesar vollständig. Er wirft sich vor ihm und 2000 Besatzungssoldaten vor der Festung Alesia in den Staub. Er bittet, sein Volk leben zu lassen.
Wie im alten Rom üblich, zieht Caesar nach Abschluss des Kolonialisation als erfolgreicher Feldherr in einem riesigen Triumphzug in der Hauptstadt Rom ein, Kriegsbeute als augenfälliger Beweis seines Sieges im Tross. Kriegsbeute sind auch Menschen, neue Sklaven. Die Hauptattraktion: Vercingetorix.
Nach dem Triumphzug wartet Vercingetorix in den römischen Stadt-Kerkern auf seine öffentliche Hinrichtung.
Sie soll ein Riesenspektakel für das römische Volk werden. Zweck: Demütigung des Verlierers, Rache, Statuierung eines Exempels und Unterhaltung der Massen.
Die Kerkerszene.
Finsteres Gewölbe, piranesihaft, scharf bläuliches Tageslicht streift eine Mauer aus riesigen Naturquadern, Gewölbezwickel, Eisengitter, Wachsoldaten, Fackeln und Pechpfannen erhellen den Kerker spärlich. Menschen als schwarze Silhouetten, von draussen kommt ein Mann herein, die Wache nimmt Haltung an: es ist Gaius Julius Caesar persönlich.
Er kommt zu uns die Treppen herunter.
Wir steigen ein Stockwerk tiefer, in einen Keller.
Schnitt.
Caesar ist vor einer vergitterten Zelle angekommen.
Wir hören leises Kettengeklirr, eine Wache vor der Zelle nimmt Haltung an, Pechfackeln, Düsternis, Schmutz, bräunliche Beleuchtung.
Caesar tritt an das Zellengitter und sieht hinein.
Schnitt.
Wir blicken durch Gitterstäbe in ein enges niedriges Gewölbe.
Drin, direkt unter dem Gewölbescheitel, ein querschlitzartiges vergittertes Loch, durch das helles Licht hereindringt. Die milchig-staubige Luft der Zelle leuchtet im hereingleissenden Tageslicht blau auf.
Eine Lichtbahn trifft den Körper eines Menschen, der an der Zellenwand stehend, gerade noch zum Licht geschaut hat. Jetzt fährt er herum. Er hat den Besucher bemerkt.
Blick auf Caesar. Der wartet, bis die Wache die Gittertür geöffnet hat.
Schnitt
Blick auf den Gefangenen.
Wir stehen einen Meter vor ihm. Er steht im Profil und wendet uns sein Gesicht zu. Seine Hände sehen wir nicht.
Der löwenartige Kopf mit dem taillenlangen roten Haar und dem wuchtigen Bart ist verschattet.
Unser Auge wird von seinem nackten Oberkörper angezogen.
Es ist ein schwerer Körper mit athletischem Rücken, Schmuckornamente auf Brust und Schultern.
Blendend weisses Streiflicht entblöst diesen Leib unserem Blick.
Als wir zusammen mit dem Besucher nähertreten, an ihm vorbeigehen, erhellt aus der Tiefe der Kerkergewölbe weiches goldenes Reflexlicht von Fackeln kurzzeitig Gesicht und Körper des Mannes. Der schaut dem Besucher gefasst und ruhig entgegen.
Schnitt. Totale.
Caesar ist vor das vergitterte Fensterloch getreten und blickt hinaus.
Die Silhouette seines römischen Cäsarenkopfes leuchtet auf, den Rest schluckt die Dunkelheit.
Rechts, vor der Kerkerwand, im Licht der Körper von Vercingetorix.
Wir sehen wieder das Löwenhafte seines Kopfes, die Haare eine taillenlange Mähne, den ungeschützt dargebotenen Körper.
Seine Körperhaltung verstärkt den Eindruck von Entblöstheit, die Arme hängen seitlich, die Hände verschwinden in der Dunkelheit.
Der Mann war gerade noch Befehlshaber über 250.000 Mann, ein Fürst, ein König. .. .. und jetzt?
Die samtene Finsternis zwischen den beiden Männern wirkt wie ein geheimer Raum, in dem sich ein beinahe privater Dialog entfalten kann.
Draussen Stimmengewirr einer großen Menschenmenge. Caesar steht zum Licht gewendet, er schaut hinaus. Nach einiger Zeit sagt er, ohne den Gefangenen anzublicken:
Die Männer und Frauen von Rom fordern Deinen Kopf.
Vercingetorix bleibt still.
Caesar: Für einen Augenblick sah ich sie mit Deinen Augen.
Du weißt nicht, wie ich sie sehe.
Vercingetorix weißt das Alignment-Angebot zurück.
Wieder eine Zeitlang Stille zwischen den beiden Männern.
Jetzt rückt Caesar mit seiner Kernfrage heraus:
Wie behälst Du Dein Ziel so klar vor Augen?
Vercingetorix´ Gesicht ist fast völlig verschattet, das Haar umhängt ihn wie nasse Schlangen, ein silberner Schmuckring um den Hals glänzt auf, wir ahnen seinen Blick.
Caesar:
Als ich Dir in Deinem Dorf begegnet bin, konnte ich erkennen, dass Du Dein Ziel klar vor Augen hattest – und es war rein.
Vercingetorix hört zu.
... und ich sehe, dass sich bis heute daran nichts geändert hat.
Wie schaffst Du es, um Dir das zu bewahren?
- Das ist Caesars Credo: Die Vision. Er ist fest davon überzeugt, dass es die Vision ist, die den Erfolg herbeiführt und er hat genau das in den vergangenen 20 Jahren bewiesen. –
Wieder sehen wir die beiden Männer in der Totale, der Frager verschattet, der Befragte im Licht. Dazwischen ein dunkler Raum.
Vercingetorix macht einen Schritt auf Caesar zu. Wir hören schwere Ketten klirren. Erst jetzt begreifen wir die eigenartige Körperhaltung des Arvernerfürsten: er ist nicht nur eingekerkert – er ist ausserdem angekettet.
Die Ketten halten seine Arme zurück.
Wir spüren eine Spannung aufgehen zwischen körperlicher Ohnmacht und der geistig-seelischen Macht einer innerern Unversehrbarkeit.
Eigenartig spiegelverkehrt die inneren und äusseren Positionen der beiden Männer.
Caesar, der Herrscher, zeigt mit seiner Frage Unsicherheit, Vercingetorix, der Gefangene, zeigt uns Freiheit, geistige Freiheit.
Willst Du das wirklich wissen?
Ja.
...
Ich bekämpfe nur meine Feinde.
...
Du denkst, wir sind uns ähnlich, nicht wahr?
Pause.
Deswegen quält es Dich, mich sterben zu sehen.
Close up auf Caesars Gesicht. Das wirkt traurig, gequält. Er wendet sich ab, blickt zum Fenster.
Aber wir sind sehr verschieden, Du und ich.
Ich weiss, wann es vorbei ist. (Caesar wird es, wenn seine Stunde -an den Iden des März- gekommen ist, nicht wissen.)
...oder wenn das, was man noch hat, wertlos geworden ist.
Vercingetorix wirkt ruhig. Ganz weit hinten fühlen wir einen Hauch Trauer, der aber tief unter der Oberfläche bleibt.
Was er sagt, ist mehr eine realistische Feststellung, ganz ohne Pathos.
Caesar wendet sich Vercingetorix wieder zu.
Vercingetorix hat ein Anliegen.
Jetzt ist der Moment gekommen, in dem er es vorbringt: Wir sehen in der Dämmerung fast nur noch die klaren Glanzlichter seiner Augen, als wir ihn mit erhobener Stimme sagen hören:
Gewähre mir die Ehre, es allein zu beenden.
Mit meinen eigenen Händen.
Und nicht bei einem öffentlichen Spektakel vor dem römischen Pöbel.
Heino Ferch - Vercingetorix, Jeremy Sisto - Gaius Julius Caesar
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