Filmszenen I ..Assassino! Assassino!...in: Kennedy´s Hirn. Heino Ferch - Dr. Holloway. Regie: Urs Egger, 2009-10
Bildquelle und Bildrechte ARD Degeto 2009
...Assassino! Assassino! in: Kennedy´s Hirn. Heino Ferch - Dr. Holloway. Regie: Urs Egger, 2009-10; nach dem gleichnamigen Roman von Henning Mankell.
Vor der Szene
Die Archäologin Louise Cantor (Iris Berben), gerade von einem Grabungsprojekt heimgekehrt, findet ihren Sohn tot in seiner Wohnung. Er liegt im Pyjama auf dem Bett. Schlaftabletten. Man vermutet Selbstmord.
Louise ist überzeugt: Ihr Sohn Henrik, investigativer Journalist, wurde ermordet. Er war aus Afrika zurückgekehrt, wo er recherchiert hatte. Ein Skandal, eine ganz große Sache.
Louise macht sich an der Seite ihres Exgatten Aron nach Afrika auf. Sie will wissen, warum Henrik sterben musste.
In den persönlichen Sachen von Henrik fand sich die Adresse einer Frau: Eine Weisse, Diana Botha in Kapstadt, die für die Speditionsfirma Starsky & Templeton arbeitet. Die zweite Spur ist eine Fotografie eine schöne schwarze Frau in einem Vergnügungspark in Moçambique: Lucinda.
Beide Frauen waren Henriks Freundinnen.
Louises Versuch, mit ihrem Exgatten Aron zusammen in Kapstadt bei Diana und Starsky & Templeton näher an die möglichen Hintergründe für Henriks Ermordung heranzukommen, endet für Aron ebenfalls mit dem Tod. Ein Handlanger von Starsky & Templeton ermordet ihn. Louise findet ihren Gatten im Leichenschauhaus wieder.
Statt nach Hause nach Schweden zu fliegen, bucht Louise um: Nach Maputo in Moçambique. Über die dortige Botschaft erfährt sie, dass Henrik, selbst HIV-positiv, drei Monate für die Aidsklinik in Xei-Xei gearbeitet hatte, bevor so plötzlich umkam.
Louise findet Lucinda. Diese arbeitet heute in der Fiera Popolar als Bedienung, war aber früher Krankenschwester in Xei-Xei.
Mit Henriks altem 1991 Saab fährt sie nach Xei-Xei. Der Chef, Dr. Holloway, dessen Ruf als Wohltäter ihm vorauseilt, empfängt sie.
Die Szene
Sie fährt am Kliniktor vor. Die Klinik ist mit einem Gitterzaun gesichert.
Louise zur Torwache.
Ich möchte zu Dr. Holloway. Louise Cantor.
Die Wache deutet in das Gelände auf ein Gebäude. Louise soll wohl dorthin gehen.
Schnitt.
Im Schatten der Veranda des ersten Gebäudes. Ein untersetzter Mann mit weissem Kittel, weissem Hemd und korrekter Krawatte gibt gerade Louise die Hand. Es ist der Stellvertreter von Dr. Holloway.
Frau Cantor! Herzlich Willkommen!
Er bedeutet ihr mit einer höflichen Handbewegung die Richtung an.
Bitte.
Beide gehen ein paar Schritte. Wir sehen unter Bäumen ein Filmteam in Aktion, Dr. Holloway in der Szenenmitte.
Er steht in blütenweisser Arztkittelpracht und flankiert von zwei Moderatoren vor der Kamera. Der erste stellt Holloway dem Publikum vor. Holloway fordert offenbar die Bevölkerung auf, zu einem Aids-Test zu erscheinen.
Er sagt
Venga todos au test. ..custa nada.
Dem Anschein nach ist der Test kostenlos.
Der Stellvertreter zu Louise:
Nicht dass Sie denken, so was findet hier jeden Tag statt.
Die beiden bleiben stehen.
Schnitt auf Holloway und das Fernsehteam.
Holloway fasst die beiden Moderatoren ebenso jovial wie werbewirksam um die Schultern und lächelt in die Kamera. Die Geste wirkt überzogen und unecht. So unecht, wie angelernte Politikergesten.
Corta! – Schnitt!
hören wir.
Das Fernsehtem ist zufrieden
….muito bono.
Im Hintergrund sehen wir ein großes Schild, weiss auf blauem Grund:
WORLD HOSPITALS: XAI- XAI.
Obrigado!
sagt Holloway, und schlendert dann zu Louise herüber.
Holloways makellos blütenreine Arzttracht, das diszipliniert bis auf einen Schatten kopfhautkurz geschorene Haar und die feine Goldrandbrille lassen ihn wie einen Mann erscheinen, dessen Korrektheit keine Kritik an ihm denkbar macht.
Frau Cantor!
Er gibt Louise sofort die Hand entgegen.
Ich freue mich, Sie kennen zu lernen.
Der Kollege Gabriel hat mir von ihrer Begegnung auf dem Empfang erzählt.
Die entschlossene Härte, die wir umso mehr fühlen, da Louise freundlich fraulich und weich diese Begegnung einleitet, scheint auf eine militärische Vergangenheit Dr. Holloways hinzudeuten.
Dr. Holloway hält seine Augen ohne die kleinste Pause oder Abweichung auf Louise fixiert. Ein Verhalten, das am Anfang einer Begegnung fast aggressiv wirkt. Beobachtet er Louise?
Louise, small talk:
Sie haben Talent.
Holloway verneint.
Das habe ich sicher nicht.
Holloway nimmt das Kompliment nicht an. Er verneint glatt, ohne höfliche Konzilianz. Seine Stimme ist zwar unagressiv, aber diese klare Verneinung am Gesprächsanfang mit einer Unbekannten ist eine Abweisung und ein Signal, dass er nicht plant, mit Louise zu einem Gleichschritt zu finden.
Louise weiter:
Dem Regisseur hat´s doch gefallen.
Prosaischer Grund:
Er wird ja auch dafür bezahlt.
Aha. Leute verhalten sich kooperativ des Geldes wegen.
Louise lächelt und senkt fast ein wenig beschämt den Kopf. Holloways Knallhärte hat ihr einen symbolischen Treffer verpasst.
Holloway wartet mit freundlichem Lächeln, bis Louise den Schlag verdaut hat. Dann:
Wie kann ich Ihnen behilflich sein?
Louise wirft einen Blick in die Umgebung.
Ich würde gern sehen, wo mein Sohn gearbeitet hat.
Holloway
Bei uns hilft jeder jedem. Henrik hatte also überall zu tun.
Louises Blick deutet an, dass diese Auskunft ihr nicht genügt.
Holloway leise, er fasst sie kurz am Arm:
Kommen Sie!
Und geht voraus.
Hier entlang..
Schnitt Wir stehen vor einem Lastwagen.
Kisten werden auf die Ladefläche gehoben. Wir sehen Holloway und Louise näher kommen.
Louise
Was wird da verladen?
Holloway
Das ist für die mobilen HIV – Tests . Übermorgen geht´s wieder raus.
Im Vorbeigehen blickt Louise durch verglaste Fenster in einen offenbar klimatisierten Reinraum.
Holloway erklärt:
Das ist das Herz unserer Anlage. Hier werden die Bluttests gemacht und die Seren für die Behandlung aufgearbeitet.
Louise und Holloway betreten die Veranda eines anderen niedrigen Holzgebäudes. Wir hören Stöhnen. Holloway
Hier liegen Fälle, bei denen die Krankheit bereits ausgebrochen ist.
Wir blicken im Vorbeigehen auf Bettenreihen, die von Moskitovorhängen umgeben sind. Das Leid der Kranken ist so deutlich sicht- und hörbar, dass wir gar nicht hinsehen und schnell weiter gehen wollen. Die Menschen sind abgezehrt, entkräftet, man fühlt das kollektive Sterben.
Holloway:
Der Rest der Welt begreift immer noch nicht, was hier vor sich geht.
Louise
Geholfen wird vermutlich immer gerade da, wo die Fernsehkameras stehen.
Holloway
Ja.
- und einen Kilometer weiter kann das Sterben dann ruhig weiter gehen.
Holloway geht voraus in einen anderen Raum, ein Labor, wie es scheint. Er hält Louise den Moskito Vorhang auf als Zeichen, zu folgen.
Schnitt
Nahaufnahme einer Glaskaraffe, aus der eisgekühltes Wasser in ein Glas geschüttet wird. Offenbar ist Zeit vergangen. Louise hat sich gesetzt. Ein zweites Glas wird gefüllt.
Louise
Es ist wirklich bemerkenswert, was Sie hier machen.
Holloways Hände nehmen die Gläser, er geht zu Louise. Holloway:
Ein winziger Tropfen auf einem glühend heissen Stein.
(…)
Wir können die Krankheit nicht aufhalten – aber wir sollten zumindest Feuer legen.
Louise beobachtet durchs Fenster einen Zwischenfall. Ein Einheimischer randaliert am Tor. Mörder Mörder schreit er Assassino! Assassino!
Holloway erklärt: Die Einheimischen machen manchmal die Klinik für den Tod ihrer Verwandten verantwortlich, denn: Technik ist ganz ganz böse.
Der Mann am Tor wird niedergeprügelt und hinausgestoßen. Die Tore werden geschlossen.
Heino Ferch (im Alter von 46) – Dr. Holloway, Iris Berben – die Archäologin Louise Cantor, Henriks Mutter, Hans-Michael Rehberg – Ingvar, Louises Vater, Michael Nykvist – Lars Hakansson, Finanzexperte der Schwedischen Botschaft in Moçambique.
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Kommentar 1:
Interessant ist, zu sehen, wie eine Szene, betrachten wir sie langsam, enthüllt, wie viel schauspielerische Arbeit im Acting selbst steckt. Im Acting, das uns die Subtextbotschaften vermittelt. Wir haben nach dem ersten Treffen Holloway als Person wahrgenommen, die zwar sympathisch scheint, aber uns mit einem unguten Gefühl zurücklässt. Irgend etwas ist mit Holloway nicht in Ordnung. Da steckt ein Tiger im Gebüsch.
Kommentar 2:
Wir erwähnen hier sehr wohlwollend die
Filmmusik von Marius Ruhland (imdb) . Marius Ruhland (wikipedia) machte die Filmmusik für den oscargekrönten Film „Die Fälscher“.
Jede Filmmusik ist selbstverständlich epigonal. Epigonalität kann für Filmmusik nicht als Qualitätsmerkmal verwendet werden, denn sie muss epigonal sein, um auch über das kulturelle Gedächtnis des Publikums Gefühle zu aktivieren.
Interessant bei Filmmusik ist vor allem, wie sie der Szene Stimmungsfarbe gibt und die Szene rhythmisiert. Töne und Bewegungen erhöhen sich gegenseitig in der Wirkung.
Kleiner Test. Gehen Sie mal bei leichtem Wind durch Wald und Flur und hören Sie dazu 1. den Score von A Beautiful Mind (Musik James Horner, machte auch: Avatar, Flightplan, Troy, Titanic) : die Blattbewegungen an den Bäumen werden Ihnen irgendwie bedrohlich vorkommen.
Und dann 2. von Gladiator (Musik: Hans Zimmer): dieselben Blattbewegungen werden ein heroisches Wogen und Weben, das Sie zu tiefem Durchatmen veranlasst.
Nun, bei Kennedys Hirn müssen sie weder das eine noch das andere. Der Score selbst erinnert in Stimmung und Durchführung sowohl an
A Beautiful Mind: schwebend, wallend, mit großen Melodiebögen; als auch in anderen Teilen an Gladiator.
a.) Gleich am Anfang von KH Teil 1, als Louise am Grabungsort arbeitet, hören wir Musik, die an Szene das Go-Spiel in A Beautiful Mind erinnert. „Looking for the next great idea“
b.) Als Louise in Teil 1 aus dem Kommissariat kommt und ihren Vater trifft – der Tote hinterließ keinen Abschiedsbrief . - hören wir Musik, die an Alicias Lied im Abspann aus A Beautiful Mind erinnert, („Teaching again“ - I will guide you through thy darkness, stay till your heart learns to see…)
c.) Als Louise Lucinda auf der Fiera popolar kennenlernt , hören wir Musik, die an Gladiator, Titel „Earth“ und vor allem an den Titel „Reunion“ erinnert.
Marius Ruhland erfreut unsere Ohren mit anderen, nicht ausgetretenen Wegen in der Erzeugung von Stimmungen, zum Teil mit lokal afrikanisch gefärbter Instrumentierung, mit einem Score, der spannend und emotional gleichzeitig ist, ohne auf einen süßlichen Geigenklangteppich treten zu müssen.
Die Anklänge an die Filmmusik von Gladiator mit der _prägnanten_ Frauenstimme sind geradezu wohltuend anders, ebenso wie der tiefe Atem der Musik, die aus A Beautiful Mind inspiriert zu sein scheint.
Mit A Beautiful Mind verbindet die Filmmusik wörtlich eine Stelle. Es wird in beiden Filmen dieselbe Mozart -Motette (KV 331, Andante Grazioso) gespielt, die intradiegetisch in der Szene: John F. in seinem Arbeitszimmer im Hintergrund läuft.
John F. verweigert die Medikamentation und sammelt die Tabletten heimlich.
In KH: erste Hintergrundsmusik auf dem Empfang in Maputo, den der schwedische Botschafter gibt.
good choice, General Tunner!
text: intellectual property of ignazwrobel
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Thread RC:
Dirt Music. nach einem Roman von Tim Winton. Regie: Phillip Noyce
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