Filmszenen I ...Dein Geist wird Dich leiten, nicht Dein Körper... in: Vision. Teil 1. Heino Ferch - Mönch Volmar. Regie: Margarethe von Trotta 2008-09
Bildquelle und Bildrechte: Concorde Filmverleih
Vor der Szene
Als Kind tritt Hildegard von Bingen ins Kloster ein. Dort wird sie von Jutta von Sponheim erzogen und umfassend unterrichtet. Wir treten herzu, als Hildegard erwachsen und Jutta von Sponheim am Ende ihres Lebens angelangt ist.
Die Szene
Jutta von Sponheim liegt auf ihrem Sterbebett in ihrer Zelle. Sie hat sich gerade von Hildegard verabschiedet. Die Tür geht auf.
Der Priester tritt ein: Volmar (Heino Ferch). In der Linken hält er ein Salbgefäß auf einer Messingschale.
Jutta blickt nach ihm. Sie hat keine Angst.
Schnitt auf Volmar. Er trägt die offizielle offizielle Kasel und Stola über seinem Mönchsgewand, Zeichen für eine priesterliche Amtshandlung.
Volmar nimmt das Salbgefäß und gießt klares Chrisam in die Schale. Beide, Priester und Sterbende, sind ruhig gefasst, fast glauben wir, Freude zu sehen.
Beide wissen, dass Jutta eine Reise zum Ziel ihres Lebens antritt.
Schnitt.
In einem größeren Raum des Klosters. Meterdicke Wände, alles karg und kahl. Es ist dunkel. Nur eine Stundenkerze beleuchtet schwach ein wertvolles Standkreuz.
Hildegard steht aus knieender Haltung auf, bekreuzigt sich und tritt vor. Ihr Gesicht, eng umwunden von der schweren weissen Falten-Haube und dem hüftlangen schwarzen Schleier der Nonnen, die das ewige Gelübde abgelegt haben, leuchtet im Licht von Kerzen auf, die wir nicht sehen.
Schnitt auf die Gegenseite.
Dort sitzt an einem schweren Holztisch im schwarzen Mönchshabit der Benediktiner Abt Kuno. Neben ihm steht, ebenfalls in schwarzem Benediktinerhabit, Volmar. Er hat die Hände in den weiten Ärmeln der Kutte verborgen.
Der Abt richtet das Wort an Hildegard:
Seit Jutta von Sponheim zu Gott gerufen wurde,
ist niemand da, der sich um das geistliche und körperliche Wohl der Schwestern kümmert.
Wir sollten diesen Zustand baldmöglichst beenden und eine neue Magistra bestimmen.
Ich habe an Dich gedacht.
Hildegard blickt nicht hoch. Der gesenkte Blick ist Notwendigkeit. Er bestätigt ihre Demut und Unterwerfung unter den Abt. Darüber hinaus herrscht im Kloster ein Verbot für die Nonnen, den Mönchen ins Gesicht zu sehen.
Trotzdem:
Oh, nein.
Bitte nicht, ehrwürdiger Vater.
Abt Kuno, geduldig:
Das wäre sicher auch der Wunsch der verstorbenen Magistra. Du warst ihre Vertraute. Sie hat all ihr Wissen, das Geistliche, und Menschliche an Dich weiter gegeben.
Hildegard weigert sich:
Ich bin unwürdig.
Abt Kuno bleibt unbewegt. Dennoch, jetzt ein wenig strenger:
Das habe ich zu entscheiden, ob Du würdig für ein solches Amt bist.
Hildegard blickt Abt Kuno ins Gesicht. Eine Insubordination. Auch ihre Worte kommen einer offensiven Insubordination gleich:
Nein, ehrwürdiger Vater. Das haben meine Mitschwestern zu entscheiden.
Schnitt auf Volmar. Er versteht die Protokoll – Verletzung Hildegards. Seinem Lächeln entnehmen wir, dass er sie Hildegards flammend leidenschaftlichem Temperament zuordnet. Er senkt den Blick und lächelt.
Hildegard, mit großen runden Augen:
In der Regel heißt es, dass die Schwestern selber wählen wer sie leitet.
Abt Kuno bricht das Gespräch nicht ab. Er argumentiert:
Das gilt für ein Frauenkloster. Ihr lebt hier in einem Gemeinschaftskloster und hier habe ich zu bestimmen.
Hildegard weicht kein Jota. Sie schüttelt leicht den Kopf:
Ich kann die Wahl nur annehmen, wenn meine Schwestern mich wählen.
Schnitt auf Abt Kuno. Kuno scheint verärgert, lässt seinem Unmut jedoch nicht freien Lauf.
Hildegard:
Ich müsste Sie allerdings bitten zu bedenken, dass ich oft – sehr krank bin. Ich bin nur eine schwache Frau.
Wir blicken noch einmal in Volmars Gesicht. Volmar ist ganz offensichtlich Hildegard´s Temperament sehr gewogen. Noch immer lächelt er leicht.
Schnitt
In einer Zelle. Die Farbe ist in großen Stücken von den Wänden abgefallen. In einer Wandnische Kerzenleuchter und Kruzifix. Der kahle Raum ist nur mit einer Gebetsbank möbliert, auf der Hildegard kniet. Sie hält die Hände gefaltet. Eine Demutshaltung während eines Beichtgespräches.
Ihr Beichtvater ist Volmar. Er steht einige Schritte entfernt vor der Kniebank. Wieder erzählt uns die Stola um seinen Hals, dass er in priesterlicher Funktion mit Hildegard spricht.
Die beiden diskutieren offenbar schon länger Hildegards Bestimmung zur künftigen Oberin des Frauentraktes des Klosters.
Hildegard, in vorwurfsvollem Ton:
Du hast seit vielen Jahren mit angesehen, wie oft ich unsere Regel nicht habe erfüllen können, weil ich krank war. – oder zu geschwächt.
Volmar, ruhig, zugewandt, sachlich, freundlich:
Unsere großen Heiligen waren sehr oft von Krankheiten befallen.
Dein Geist wird Dich leiten. - Nicht Dein Körper.
Pause. Volmar wartet. Hildegard hat die Augen niedergeschlagen. Wir verstehen, dass sie sich weigert.
Volmar gibt jetzt seiner Meinung doch noch Nachdruck. Er tritt zwei Schritte näher. Streng:
Du weißt, dass Du unserem Abt zu absolutem Gehorsam verpflichtet bist.
Hildegard hält den Kopf zwar vorschriftsmäßig gesenkt, hebt jedoch trotzdem die Augen und blickt ihrem Beichtvater ins Gesicht. Trotzig:
Es ist unser göttliches Recht, dass wir über uns selbst bestimmen.
Heino Ferch (im Alter von 45) – Mönch Volmar, Barbara Sukowa – Hildegard von Bingen, Alexander Held – Abt Kuno
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