"...wir wären sehr glücklich geworden..." in: Die Luftbrücke. Teil 7 Schluss. (General Philipp Turner-Heino Ferch), Regie: Dror Zahavi, Buch: Martin R
von: ignazwrobel
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„...wir wären sehr glücklich geworden....viele Tage,
...viele Monate, ...vielleicht sogar viele Jahre." Audio.wma (Sprecher: Ignazwrobel)
Luise hat sich für ihren Mann und ihre Familie entschieden.
Sie weiss, dass Turners Aufgabe in Berlin beendet ist. Dass das den endgültigen Abschied für immer bedeutet.
Innere Unruhe treibt sie noch einmal an ihre ehemalige Arbeitsstätte. Sie rennt, so wie sie ist, im sonnenblumengelben Kleid, auf´s Gelände. Die Wachen kennen sie und lassen sie ohne weiteres passieren.
Sie betritt Turners Büro. Dort empfängt sie die aufgeräumte Leere der Abreise- und Aufbruchsstimmung.
Karten, Schränke, Stellwände, Material, Akten, alles ist bereits eingepackt. Das Modell der Luftbrücke verschwunden, die Stühle umgedreht auf den Besprechungstisch gestellt. Die Putzfrauen können kommen.
Luise durchquert das Büro. Ganz hinten findet sie einen Offizier aus Turners Mannschaft, Walker.
Er wendet sich ihr überrascht zu.
Luise!..ich war mir nicht sicher, ob Sie noch mal zu...
...er ist eben aus Washington zurückgekommen.
Die Tür geht auf.
Turner ist rasch hereingekommen, ohne Uniformjacke, Sonnenbrille, die Ärmel hochgekrempelt, so wie er im Flugzeug saß. Er muss direkt vom Flugfeld zum Büro gelaufen sein.
Luise und Walker wenden sich ihm zu.
Walker begrüßt ihn: ... Sir....
Schnitt auf Turner
Er nimmt sofort die Brille ab. Luise kann ihm jetzt in die Augen sehen.
Ein kurzer Blick zu Walker sagt wortlos: entschuldigen Sie uns.
Walker hat seinen vorgesetzten Offizier sofort verstanden. Eine höfliche Wendung zu Luise, dann verlässt er das Büro.
Philipp Turner und Luise Kielberg sind allein im Raum.
Die wenigen Schritte, die Turner tun muss, um zu Luise zu gelangen, begleitet eine wachsende Spannung, die sich in Sekundenbruchteilen bis zur Unerträglichkeit steigert.
Die Umarmung entlädt die Spannung, wie die Pole eines Trafos.
In der Umarmung sehen beide aus zwei Teilstücke eines größeren Gegenstandes, die getrennt waren und soeben wieder an ihren richtigen Platz gekommen sind.
Die zwei halten sich, bis die Spannung abgeklungen ist.
Turner lässt Luise los, tritt einen Schritt zurück. Er versucht, Distanz aufzubauen. Er ist ernst und korrekt, korrekt wie ein Offizier. Er ist hinter die imaginäre Trennungslinie zurückgewichen.
Ich habe einen Einsatzbefehl nach Guam bekommen. Meine Sachen sind schon gepackt.
Auf einmal zieht etwas wie eine frische kühlende Brise auf. Er atmet durch. Er ist freundlich. Er will den Abschied nicht hässlich werden lassen. Er wählt optimistische Worte.
Ich will, dass das Schönste noch vor uns liegt, hat Dein Mann gesagt.
Seine Schläfen ziehen sich zusammen, die Augen werden klein. Er will es sicher nicht, aber sein Gesicht ist wieder traurig.
Innerlich blickt er vielleicht gerade zurück to a place somewhere over the rainbow.
Wir wären sehr glücklich geworden,
...viele Tage,...
.... viele Monate, ...
...vielleicht sogar viele Jahre...
Luise Du weißt., dass ich nicht mit Dir kommen kann.
Ja, sagt Turner, ich weiß.
Seine Augenlider flackern.
Irgendwann hätte ich in Deinen Augen gesehen, dass Du einen zu hohen Preis für dieses Glück gezahlt hast.
Er sagt es ganz einfach, gefasst, beinahe ruhig. Sein Gesicht ist jetzt ganz in sich geschlossen.
Sein Blick fasst Luise fest. Er gibt ihr einen Haltepunkt, eine Wand, von der sie sich abstoßen kann, ohne zusammenzubrechen. Er wird es ihr und sich nicht schwerer machen, als es schon ist.
Er ist der Ältere, seine Lebenserfahrung sieht, was die junge Frau noch nicht ahnen kann.
Es funktioniert. Sie lächelt.
Schnitt. Vor dem Gebäude.
Turner kommt aus der Tür, eilt die Treppen herab auf uns zu .
Wir sehen, was er Luise nicht gezeigt hat. Wäre er jünger, würde er weinen. Ein General weint nicht. Als er bei uns ist, dreht er sich nach Luise um. Sie steht an den großen Panoramascheiben des Büros und grüßt ihn.
Sie legt ihre Handfläche an die Glasscheibe, als würde sie ihn berühren.
Am Flugzeug. Clay hat gewartet, geraucht.
Ungeduldig: wo bleiben Sie denn?
Turner murmelt Beschwichtigung, besteigt das Flugzeug, dreht sich im Türausschnitt um.
Close Up Turner.
Hier an der Flugzeugtür verabschieden wir uns von ihm,Genau hier haben wir ihn kennengelernt.
Gekommen ist damals ein kühler Kopf, eine Arbeitsmaschine.
Dem Mann, dem Menschen, der jetzt ein Jahr später hier steht, würden wir gerne etwas mitgeben, das seine Erinnerung an seine Zeit in Deutschland ein wenig aufhellt. Einen Tropfen Lethe vielleicht.
Als Turner im Flugzeug sitzt, legt auch er seine Hand an die Scheibe zu einer imaginären Berührung mit Luises Hand. Zeit, Raum und Umstände tragen beider Hände auseinander, immer weiter, bis der Kontakt ganz abreißt.
Ende der Szene.
Audio.wma (Sprecher: Ignazwrobel)
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---- -- - - -Auszeichnungen: Der Film erhielt die Goldene Kamera 2006 in der Kategorie Bester Deutscher Fernsehfilm 2005
Kommentar 1:
Turners Text Wir wären sehr glücklich geworden, ...viele Tage,...... viele Monate, .....vielleicht sogar viele Jahre...
ist für die Zeit der Vierzigerjahre ungewöhnlich. Damals hätte man an Hochzeit und Gemeinsamkeit bis ans Lebensende gedacht. Auffälliges hat meist eine zweite Bedeutung. Ich finde, die Worte wirken wie ein kleines freundliches Denkmal, eine Erklärung im Nachhinein.
Ein Blick zurück in die andere Nachkriegs-Geschichte im Deutsch-Amerikanischen Umfeld mit einer Dreierbeziehung und einer Frau, deren Name ganz ähnlich klingt „Lisa – Luise“ : Deutschlandlied.
Dort kommen am Schluß der Beziehung von Hanno und Lisa (die Schlussszene in Deutschlandlied findet übrigens auch am Arbeitsplatz des Mannes statt) die Hände der beiden aufeinander zu liegen, als Hanno sein Bettzeug, das Symbol ihrer Gemeinsamkeit, zurücknehmen muss.
Lisa zieht ihre Hand weg. Sie weint zwar, aber sie wendet sich ab, geht zu ihrem Mann zurück. Es ist ihre Entscheidung. Lisa hatte Hannos Kind nicht zur Welt kommen lassen. Ihre Entscheidung fiel gegen das neue Leben. Ende.
Heute und hier in Luftbrücke legt das Liebespaar seine Hände aneinander, imaginär, über die Glasscheiben. Heute sind es Zeit, Raum und die Umstände, die die Hände voneinander weiter und weiter entfernen. Und: „Irgendwann, sagt der Mann, hätte ich in Deinen Augen gesehen, dass Du einen zu hohen Preis für dieses Glück gezahlt hast.“
Der Preis wäre gewesen, die eigene Familie zu verlassen, um an der Seite eines Mannes, der unstet von Projekt zu Projekt eilt, vielleicht nicht glücklich zu werden. Auch Luise hat sich für die Familie entschieden. Luise wird Turners noch ungeborenes Kind in dieser Welt begrüßen. Ihre Entscheidung fiel für das neue Leben.
"..Ich habe keinen von denen verloren, die Du mir gegeben hast......" (Joh., 18, 9)
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Kommentar 2:
Philipp Turner - Was gefällt mir an dieser Figur ?
Ich finde die Figur wesentlich komplexer, als ein flüchtiger erster Blick (und die dazu publizierten Zuschauer-Kritiken („Stock verschluckt“) vermittelt.
Turner zeigt zwei Seiten seiner Person: die des tatkräftigen Organisators mit harten Gefühlen wie Ungeduld, Wut, Aggression, auch schlechter Laune und die Seelenlage seiner privaten Situation. Diese ist vom ersten bis zum letzten Moment von Trauer überflort. Auf dieser Folie bewegen sich alle persönlichen Gefühle des Mannes.
Ich finde sehr schön, wie sich Emotionen sozusagen „von hinten“ aus der Tiefe der Seele immer wieder bis an die disziplinierte äußere Fassade des Mannes auf uns zu, auf sein Gesicht zu, bewegen.
Die Figur thematisiert die zwei Entitäten Disziplin für Pflicht auf der einen und Emotion, emotionale Bedürfnisse auf der anderen Seite. Die Situation, die Turner und Luise durch ihren Verzichtversuch konstruieren, prononciert noch diese Spannung zwischen Disziplin und Emotionalität.
Seine lebhaft modulierende Sprachmelodie hat der Darsteller m.E. mit größter Selbstbeobachtung und Disziplin sozusagen von Dur nach Moll übersetzt, so dass in den "verminderten", zurückgenommenen "Intervallen" Zwischentöne entstehen, die sehr feine emotionale Bewegungen erzeugen.
Sie spiegeln minimale Verschiebungen in der seelischen Gestimmtheit, die uns durch ihren virtuosen Einsatz keine heftigen Stöße geben, sondern uns nur ein wenig -mit sorgsamer Hand sozusagen- hin- und herbewegen. Ein Höhepunkt dieser Darstellung ist m.E. die Szene, in der Turner den Kondolenzbrief diktiert.
Eine ähnliche seelische Gestimmtheit von Trauer, ja Depression, auf der Folie einer anderen starken Persönlichkeitsstruktur zeigt Dr. Alexander Kielberg. Zwischen diesen beiden sehr dreidimensionalen emotionalen Anrufen an uns Zuschauer wäre als Gegengewicht eine präsente emotional wahrhaftige weibliche Hauptrollenträgerin dringend nötig gewesen, um durch Gegendruck, durch weibliche Gegenspiegelung dieses Gebilde im Gleichgewicht zu halten.
Nachtrag vom 7.4.2008:
ogott, was sehe ich da?
Die Abschiedsszene General Philipp Turner - Luise ist natürlich eine Paraphrase mit verkreuzter Rollenverteilung auf diese berühmte Abschiedsszene auf dem Flughafen zwischen Rick und Elsa in Casablanca...-> (maybe not today, maybe not tomorrow...where I´m going you can´t follow..) my apologies, Leute, für meine Blindheit...dabei spürte ich damals, als ich die Deutschlandlied-Interpretation vorlegte, dass das irgendwie falsch war, ich spürte nur nicht, warum....
Casablanca: Elsa zwischen Victor László und Rick
Auch die Frau, Luise, zwischen zwei Männern, die Wichtiges für ihre humanitäre Sache leisten, hier Turner der Menschenleben rettet und Kielberg, der in seinem Beruf ebenfalls Menschenleben rettet
und in Casablanca, Rick, der Menschen aus Nazideutschland auszuschleusen hilft, also ihre Leben rettet und dem Widerstandskämpfer Victor László, ist identisch, genauso wie der konziliante Ausgang zwischen den beiden Männern im Werben um Elsa bzw. Luise...
Und: In beiden Fällen stehen zwei Staatssysteme zur Diskussion Diktatur gegen Demokratie:
Die Luftbrücke: die Demokratische Koalition Amerika-Frankreich gegen die Diktatorische Macht: UdSSR.
Casablanca: die Demokratie, die Freiheit: Frankreich/Marocco gegen die Diktatur: Nazi-Deutschland.
Dazu ebenfalls ähnlich die Charakterisierung von Turner und Rick. Beide zeigen eine bedrückte, nach aussen leise wirkende Besorgnis, durch Disziplin zurückgehaltene Emotionalität, sehr sehr ähnlich.
Beide, Rick und Turner sind so geworden durch den Verlust nahestehender Menschen..
... und kein Zuschauer hat´s gesehen. Spät kam die Erkenntnis, aber sie kam, meglio tardi che mai.
Darum werden auch die Bilder von Casablanca seit ewigen Zeiten nicht aus der Google - Trefferliste gelöscht: sie sind erwünscht....
Labels: Luftbrücke Casablanca Heino Ferch Rick Laszlo Elsa Luise ignazwrobel
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