Freitag, Februar 10, 2006

"....wir können sie doch jetzt nicht allein lassen." Heino Ferch als Dr. Michael Mühlhausen in: Das Konto. Szene Hotel Regie: Markus Imboden 2004

"....wir können sie doch jetzt nicht allein lassen." Heino Ferch als Dr. Michael Mühlhausen in: Das Konto. Szene Hotel ; Regie: Markus Imboden, Buch: Markus Imboden, Martin Pristl. 2003 - 2004
von: ignazwrobel
Quelle: www.daserste.de, Bilder: Boris Laewen

„Du, das is´so lange her…ich denk´ da gar nich´ mehr dran.“


Szene Nachts im Hotelbett in einem Hotel in Zürich, Vater und Tochter sind auf der Flucht.

Charlotte, Mama, ist tot. Sie wurde aus dem dritten Stock aus einem Fenster des Hotels Atlantic in Hamburg gestoßen. Der Mord ist erst wenige Stunden her, beide, Vater und Tochter (das Mädchen ist vierzehn), sind noch unter dem ersten lähmenden Schock, trauern, weinen immer wieder.


Es ist kein Licht angeschaltet im Raum. - Halbdunkel.

Vom Fenster her ein wenig mattes Streiflicht über den Gesichtern, den Bettdecken. Kaum Farben. Kein Raum des Sehens, ein Raum des Lauschens, des Sprechens.

Das Kind schläft. Mühlhausen liegt auf dem Rücken, bewegt sich ein wenig, wir bemerken, er ist wach. Er trägt Reste seiner Tageskleidung, ein grünes kurzärmeliges T-Shirt. Schnitt auf das Kind, wir sehen seine großen schwarzen Augen weit geöffnet. Hannah ist aufgewacht.


Papa?

Mühlhausen liegt noch eine Weile reglos, mit offenen Augen. Sieht in Richtung Fenster, dann dreht er ein paar Zentimeter den Kopf. Er blickt zur Decke. Er muss seiner Tochter jetzt nicht ins Gesicht sehen, er hört und fühlt nur halbwach in ihre Richtung.


Ja.


sagt er leise.


Hannah: Du wolltest doch links schlafen. Die Beiden liegen genau anders herum, er rechts.

Er hebt mit einer sich in die Fakten ergebenden Geste ein wenig die Hände, lässt sie auf die Bettdecke zurückfallen.

Ja..


sagt er, leise, freundlich



Pause.

War Mama die erste Frau mit der Du zusammen warst?

Mühlhausen sieht weiter zur Decke, er liegt ganz flach auf dem Rücken, die Bettecke deckt seinen Brustkorb auf. Sein Körper wirkt ein wenig, wie aufgebahrt.

Er bewegt sich ein bißchen, wie man sich im Bett räkelt, wendet den Kopf noch etwas mehr in die Richtung seiner Tochter, sieht aber weiter zur Decke.


Pause.


Nein..
leise


Pause.

Warst Du der erste Mann für Mama?

Der Ton des Kindes wirkt ganz klein. Winzigkleine Wörtchen. Fast unwirklich. Die Szene ist eine Szene „zwischen der Zeit“ „ohne Zeit“ in einem eigenen kleinen Raum. Eine zart schillernde Seifenblase ernster Fragen und Antworten, die nur jetzt, im Kokon der Trauer, entstehen kann.

Nein, auch nich´…

Wie is´ das, wenn Du an eine von diesen Frauen denkst?

Das Kind ist ganz unter die Decke geschlüpft, nur der Kopf ist sichtbar. Die Gesichter der beiden sind kaum zu erkennen. Mageres Streiflicht von der Fensterseite her..

Hannah: …von früher mein ich..?

Pause.

Mühlhausens Stimme ist, als er antwortet, verschattet, überhaucht von einem melancholischen Schleier, der schwerelos über seinen Worten liegt, sich seiner Stimme anschmiegt, wie ein Foulard aus Chiffon.


Du, das is so lange her…


Er scheint zu überlegen


…ich denk´ da gar nich´ mehr dran.
Hannah insistiert: …aber wenn…

Er atmet durch, dann setzt er noch einmal an.

Wir sehen sein Gesicht ganz nah, zwischen Halblicht und Dunkelheit ein ruhiges, ernstes Gesicht. Augen, die absichtslos nichts fokussieren.

Er versucht, sich zu erinnern. Seine Stimme ist leise, ganz leise, beinahe alterslos, als spräche ein junger Mensch. Wir können die Stimme gerade mal so hören, manchmal bricht der Ton.

Er denkt nach, … seine Züge wirken ein wenig, wie eine Totenmaske. Dann:

Ich dachte jedes Mal, es ist die Richtige.

Im Halbdunkel schimmern die schwarzen Pupillen gläsern, tief, wie man es manchmal bei Tieren des Waldes sieht. Als wäre dort ein Raum, ein Fühlen, ein Sein, ein Wissen, das wir nur ahnen, aber nicht greifen können.


Mühlhausen: Ich war immer verliebt…..

Aber dann , -nach und nach, - merkt man….

…dass es doch nicht so läuft.


Die Stimme wird noch leiser, bedauernd.

Hannah: Ich kenn nur, dass es nich so läuft.

Sie hat ihn mit diesem Satz ganz aufgeweckt.

Er sieht zu ihr hin.

Mühlhausen, tröstend:
Das kommt schon noch.
Er redet so leise, dass die Stimmbänder nicht mehr ansprechen.

Pause.

Er blickt wieder weg.

Wechselnde Close ups in Mühlhausens Gesicht und das seiner Tochter.

Hannah: Hat bei Mama alles gepaßt, gleich so, alles? … von Anfang an?

Mühlhausen: Na ja, weißt Du, sie hat es mir nicht leicht gemacht.

Seine Stimme streichelt. Sie streichelt in der Erinnerung seine Frau. Drin und draussen oszillieren, verweben sich, es ist wie ein Hauch, der zwischen innen und aussen hin- und herstreicht.

Mühlhausen:

Wenn ich zu den anderen Mädchen gesagt hab: „Ich liebe Dich!“ haben die immer geantwortet: „Ich liebe Dich auch.“ Oder: „Oh, wie schön.“

Bei ihr war das ganz anders.

Seine Stimme ist traurig.

Sie hat gesagt: Mir haben das schon so viele gesagt. Die sind alle weg.
Sag´nich: ich liebe Dich – tu´s einfach.

Wir blicken Mühlhausen so dicht ins Gesicht, als lägen wir direkt neben ihm.
Wir sehen seinen sanften Wildtier-Blick. Der Blick glänzt dunkel. Ein Widerschein wie fernes Licht in tiefem Wasser. Da scheint ein Raum, der nur zu ahnen, aber unbetretbar ist. Wir folgen diesem Blick aus einem ganz privaten Damals in unser Hier und Jetzt.

Mühlhausen: So hat sie gelebt.

Hannah:

Und Du? …hast Du sie mal…..?


Mühlhausen: …meinst Du , ob ich sie betrogen hab´? Nicht so, wie Du das jetzt meinst, aber es gab mal eine Zeit, da wußt´ ich wohl nich´ so richtig, was ich an ihr hab´ und auch nich´, wie wertvoll mir so eine Freundschaft is´.

.. und wie ernst ihr alles is´.


Hannah: … und wenn sie Dich betrogen hätte…?


Mühlhausen: Weißt Du, eine Liebe is´ nich´ gleich zu Ende, wenn einer von Beiden mal einen Fehler macht…..

Er sieht jetzt klar und wach zu seiner Tochter hin, die aufmerksam zugehört hat.

Hannah: Können wir zu ihrer Beerdigung fahren?
Wir können sie doch jetzt nicht allein lassen…


Nein, sagt er, das könn´ wir nich`.



Ende dieses traumhaften Hauches einer wunderbaren, leisen Szene, die ihre Wirkung besonders als ruhiger Kontrapunkt im Gesamtfluss der vorher und nachher schnellen aufgeregten Filmhandlung entfaltet.
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2003- 2004 Heino Ferch - Dr. Michael Mühlhausen, Julia Jäger – Charlotte Mühlhausen Filmographie Julia Jäger, Nadine Fano – Hannah Mühlhausen. Buch : Markus Imboden wikip. Markus Imboden ; filmportal.de Markus Imboden ; Internet Movie Database Markus Imboden
(Szenenstrukturen s.a. Winterschläfer: Szene: Rebecca: …ich liebe Dich …wenn Du willst; und: Der Tunnel: Szene Wohnung: Harry tröstet Fritzi, die weint, weil ihre Mama gerade verstorben ist. )
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