Freitag, Februar 10, 2006

"...Los Komm! Einsatz! -....was machen Sie hier?" Heino Ferch als Klaus Asmus in: Wedding. Teil 1 Regie: Heiko Schier, Buch: Heiko Schier, 1988-89

"...Los Komm! Einsatz! -....was machen Sie hier?" Heino Ferch als Klaus Asmus in: Wedding. Teil 1 Regie: Heiko Schier, Buch: Heiko Schier, 1988-89
Text: ignazwrobel
„Einsatz! Komm!“ “..….was machen Sie hier?“


Vor der Szene.

Wir begegnen Klaus Asmus, als seine persönliche Katastrophe bereits begonnen hat.

Wir begleiten ihn am Punkt des Umschlags von Normalität zu Amoklauf,- in dem Moment, in dem er beginnt, den Rahmen alltäglicher Handlungsmöglichkeiten zu verlassen.

Gerade hat er, von rasender Eifer- und Kontrollsucht gegen seine Frau Susanne getrieben, seinen Job als S-Bahn-Führer hingeschmissen.
Er ließ einfach seinen Führerstand und den S-Bahn-Zug in irgendeinem S-Bahnhof im Stich, weil er jetzt sofort seine Frau zur Rede stellen wollte.

Er sucht Susanne an ihrem Arbeitsplatz in einem Möbelhaus auf, macht ihr eine Eifersuchts-Szene, und als sie auf seine Frage:

Liebst Du mich noch? …..Du hast mich doch noch lieb? Foto Klaus und Susanne

entnervt und entmutigt mit der Antwort reagiert, dass sie sich jetzt, sofort, nach vier Jahren Ehe, von ihm trennen wird, verliert er ruckartig die Kontrolle und beantwortet ihr Sich-Abwenden mit extremer körperlicher Gewalt gegen sie.

Von diesem Punkt der Realität aus, die er damit geschaffen hat, gibt es definitiv kein Zurück mehr in die Partnerschaft.
Er zerrt seinen vielleicht vierjährigen Sohn aus dem Kindergarten und verbarrikadiert sich mit dem Kind zusammen zu Hause.

Dort hat er dann wohl – wir müssen es annehmen, da die Polizei gerufen wurde – randaliert.

Die Szene:
Einsatz! Komm! “..….was machen Sie hier?...“

Wir fahren im Polizeibus vor. Eine Wohnsiedlung.

Mehrere Wohnblöcke, Unterführungen, Durchfahrten für PKWs, Feuerwehrzufahrten zu rückwärts gelegenen Wohnblöcken. Der Polizeiwagen durchfährt einen dieser Zugänge, zu einem der weiter hinten gelegenen Wohnblock-Abschnitte, B, C, D oder E-Block im geschlossenen Areal.

Wir biegen um die Ecke, sehen die Fassade des betreffenden Hauses, tausend kleine Beton-Balkonverblendungen zeigen, dass das Haus in Massen winziger Apartments unterteilt ist.

Im Hof viele Kinder, es ist Nachmittag, Sommer, die Sonne scheint. Eigentlich ein schöner Tag.

Während wir im Polizeiauto in den Hof einfahren, hören wir das Klirren einer Fensterscheibe, die zerbricht. Dann den Schrei eines Mannes. Klingt nicht gut.

Kinder sammeln sich neugierig, eine Frau winkt den Polizei-VW-Bus heran. Die Frau scheint die Polizei erwartet zu haben, wahrscheinlich ist es die Hausmeisterin und wahrscheinlich war sie es, die die Polizei gerufen hat.

Die Polizisten steigen aus, setzten ihre Dienstmützen auf. Wir bleiben im Polizeiwagen und sehen ihnen zu, wie sie zusammen mit der Hausmeisterin und begleitet von der Kinderschar, im Glas-Alu-Eingang des Mietblockes verschwinden.

Schnitt.

Treppenhaus.

Vor der Wohnungtür der Asmus.

Alles voller neugieriger Kinder, die herumstehen und zuschauen wollen, was da passiert. Die Polizisten, ein älterer Polizeimeister Mitte Vierzig und sein blutjunger, höchstens zwanzigjähriger Kollege, klingeln.

Wir stehen zwischen den Kindern.

Von drinnen keine Antwort.

Der ältere Polizist:

Seien Sie vernünftig, machen Sie auf.

Stille.

Verstehen Sie mich?

Stille.

Der junge Polizist schafft auf Anweisung des älteren die Kinder weg. Der Ältere lauscht weiter. Immer noch Stille.

Die beiden und die Hausmeisterin warten. Lauschen. Stehen.

Warum machen Sie nicht auf? Wir können in Ruhe über alles reden. Machen Sie auf… ist doch nichts passiert..

Stille.

Verstehen Sie mich?

Der Ältere bedeutet der Hausmeisterin, aufzuschließen. Die tritt vor, öffnet und zieht sich schnell wieder von der Tür zurück.

Schnitt.

Wir blicken aus dem Wohnzimmer von innen auf die Wohnungstür, die gerade vorsichtig bis zum Anschlag nach innen aufgedrückt wird.

Die offene Tür zeigt die beiden Polizisten und die Frau in einer Reihe, wie sie vorsichtig-neugierig-gespannt in die Wohnung hineinlauern. Offensichtlich sehen sie Klaus.

Haben Sie keine Angst, wir wollen ihnen helfen.

Stille.

Mein Name ist Korn. …...Verstehen Sie mich? ….Wir können Ihnen helfen, Herr Asmus.

….Lassen Sie doch den Jungen los.

Der Polizist streckt ihm langsam die Hand entgegen.

Schnitt.

Close up Klaus. Gesicht und Schultern.

Klaus steht vor den großen Wohnzimmerfenstern.

Er hatte die Polizisten gar nicht angeblickt, sein Kopf war gesenkt.

Seine Verfassung ist nicht gut. Er wirkt ganz zerlaufen, aufgelöst. Er scheint innerlich woanders zu sein.

Sein Gesicht ist grau, er wirkt krank, geschwächt. Das weiße T-Shirt mit dem ausgeleierten Halsbund lässt ihn noch zerflossener aussehen.

Als er aufblickt und langsam innerlich von irgendwoher in die Gegenwart des Zimmers kommt, scheint er schwer und langsam aus einem inneren Stillstand zu erwachen.

Sein Kopf hebt sich schrittweise immer weiter, in drei Anläufen, als versuche er mehrmals, sich innerlich einen Anstoß zu geben, aus dem Stillstand in irgendeine Bewegung hineinzufinden.

Sein Mund steht ein wenig offen, als brauche er Atemluft.

Als er den Kopf endlich ganz angehoben hat, saugt er, wie erstaunt, Luft ein.
Seine großen schwarzen Augen wirken, als wären sie noch von eben vorher tränenverklebt.

Er entdeckt endlich die Leute in seiner Wohnung. Leise, ein klein wenig aggressiv-erstaunt fragt er

Was machen Sie hier? Sein Mund bleibt offen, wie atemlos.
Der ältere Polizist tut, was er gelernt hat.

Mit Borderlinern muß man reden.

Ärger mit der Frau – Ärger im Beruf – plötzlich denkt man – s´ist alles vorbei….

Der Polizist kommt dabei langsam näher.

Jetzt nimmt seine Stimme Tempo auf:

Was halten Sie davon? Wir setzen uns da an den Tisch und reden über alles.

Schnitt.

Wir sehen den Unterkörper von Klaus, ab Taille, bis Oberschenkel.

Er hat seinen Sohn an sich gedrückt, hält ihn ganz dicht an sein Bein gepresst.

Der Junge blickt ruhig herum. Er hat keine Angst.
Klaus´ andere Hand hält ein langes stilettoartiges Küchenmesser, spitz wie ein Dolch, so eines, wie man zum Haut Abziehen benutzt.

Seine Hand ruht. Der Daumen ist in die Gürtelschlaufe eingehängt, er hält das Messer eher passiv bereit, zeigt über seine Handhaltung, dass er ein Messer hat, er droht nicht damit aktiv.

Jetzt wird er lauter, allerdings steht er nicht fest, er scheint zu schwanken:

Abhaun, aber sofort! ….. Hat Euch meine Frau geschickt? Foto Klaus

Der ältere Polizist zieht sein Programm weiter durch. Er redet ruhig, sachlich. Ganz ohne Erregung.

Uns hat niemand geschickt, wir wollen nur mit Ihnen reden.

Der junge Polizist kommt einen Schritt näher, bereit, das Kind an sich zu nehmen.

Korn, der ältere Polizist: Geben Sie uns das Kind.

Klaus: Das ist mein Junge.

Korn: Wie heißt denn der Kleine?

Schnitt auf das Kind. Es drückt sich eng an das Bein seines Vaters, sieht jetzt ängstlich zu den Polizisten hinüber.

Klaus Ich weiß doch, was ihr wollt. Ich geb´ Euch das Kind und dann knallt ihr mich ab.

Klaus redet ruhig, er wirkt jetzt normal, ansprechbar. Lächelt sogar leicht sarkastisch, als er spricht und auch, als er der Antwort des Polizisten zuhört.

Herr Asmus, wir wollen Ihnen helfen. sagt der.


Totale.


Wir stehen hinter den schützenden Rücken der Polizisten. Der jüngere der beiden versucht einen Vorstoß. Er hat mit dieser Situation noch keine ausreichende Erfahrung und macht den üblichen Anfängerfehler: auf den Borderliner zu schnell zuzugehen.

Wir sehen Klaus.
Er scheint ruhig, seine Haltung ist die leichter Ironie, freundlich-sarkastischer Ironie.
Er hat die Entspannung eines Menschen erreicht, der weiß, dass er bereits jenseits steht.

Er hat sich schon vorher ausgeklinkt.

Er ist innerlich so ruhig, weil er sich durch den Ausstieg aus allem Normalen, allen Pflichten und Rollen, einen kurzen, kleinen Freiraum erobert hat.

Es ist der Freiraum des Amokläufers, der Gesetze, Verhaltensregeln und soziale Übereinkünfte gesprengt hat, der nun, für ein paar freie Atemzüge, in einem regelfreien Raum steht.

Dieser Raum wird eine sehr kurze Halbwertszeit haben. Das weiß er.
Deshalb kann er lächeln. - Das Lächeln der Verzweiflung.

Er hat alle Bindungen gekappt und keine Ahnung, wohin jetzt.

Er weiß nur, dass er das, was er gelebt hat, abgeschafft hat.

Sein Gehirn kennt kein anderes Modell , keinen denk- und beschreitbaren Weg.

Er steht innerlich in einem weißen Raum ohne Haltepunkte. Deshalb hat er jede Handlungsfreiheit, kann alles tun,wenn die zwei falsch reagieren, wird er auch alles mögliche tun.
Der ältere, Korn, weiß das, der junge Polizist nicht.

Prompt macht er auch den Fehler, auf Klaus körperlich einzudringen. Er, der Regelbewacher, kann sich nicht vorstellen: Keine Regel gilt mehr.

Der junge Polizist geht auf Klaus und sein Kind zu.
Der Alte mahnt ihn: Bleib´ hier!

Der Junge zu Klaus: Geben Sie mir das Messer!

Korn zu seinem Kollegen: Mach kein Quatsch, bleib hier!

Wir stehen hinter Korn und sehen Klaus und sein Kind jetzt in der Totale.

Klaus steht ruhig, aber bereit.

Man spürt, dass seine Muskeln geladen sind. Er könnte in jeder Sekunde eine blitzartige Bewegung gegen sich, das Kind oder gegen den Polizisten führen.

Schnitt auf den Jungen. Er guckt zu seinem Vater hoch, als der schnell und monoton antwortet: stehen bleiben..

Papa! quiekt der Kleine, wirft er sich plötzlich zu Boden und krabbelt schnell zu Korn hin, der erregt nach dem Kind greift, es hochnimmt und rückwärts geht. Der junge Polizist ist jetzt auf drei Schritte an Klaus heran gekommen. Noch einmal sagt er:

Geben Sie mir das Messer!

Klaus steht allein vor der Fensterfront des Zimmers.

Geben Sie´s mir!

Es geht so schnell, dass wir gar nicht mitbekommen, wie die zwei aneinander geraten sind.

Wir sehen, wie Klaus und der junge Polizist um das Messer ringen. Klaus entreißt dem Polizisten das Messer, dreht sich und springt zur offenen Balkontür hinaus.

Seine Wohnung ist Hochparterre. Der Balkon höchsten zwei Meter über dem Außen-Bodenniveau. Klaus springt auf die Brüstung, steht dort eine Millisekunde - und springt diesseits herunter.

Er rennt sofort los. Sprinttempo.

Der Polizist nimmt denselben Weg über die Balustrade und spurtet ihm hinterher. Er nimmt, wie es immer heißt, die Verfolgung auf.

Beginn der finalen Szene.

Klaus rennt.



1988 – 1989 Heino Ferch (im Alter von 25 (in Worten: fünfundzwanzig) Jahren) – Klaus Asmus, Angela Schmid-Burgk – Susanne Asmus, Wolfgang Bathke - Korn. http://www.filmszenen.info/ ist blogigo-ignazwrobel-filmszenen

we moved to our new home.