Freitag, Februar 10, 2006

"...Halt! Stehenbleiben!" in: Wedding. Teil 2. ( Klaus Asmus - Heino Ferch ) Regie und Buch: Heiko Schier, 1989

"...Halt! Stehenbleiben!" in: Wedding. Teil 2. ( Klaus Asmus - Heino Ferch ) Regie und Buch: Heiko Schier, 1989
Text : ignazwrobel

Halt, stehen bleiben!

(Quelle:filmportal.de)

Klaus rennt aus dem Wohnblockgelände hinaus auf die Straße. Der junge Polizist schreit ihm zu:

Halt, stehen bleiben!

Klaus ist auf der Straße, legt Tempo zu, der Polizist versucht hinterherzukommen, verliert ihn aber zunächst aus den Augen.

Wir blicken mit dem Polizisten zusammen suchend umher.

Unser Blick fällt auf ein offenes Maschendraht-Gittertor in einem Draht-Zaun, dahinter ein verlassenes Werksgelände, Hühner haben den Hof erobert, bevölkern ihn in Tornähe, watscheln herum, picken.

Der Polizist betritt langsam, lauernd, das Gelände, wartet, blickt suchend nach links und nach rechts, wir folgen ihm. Weit weg bellt ein Hund, der Polizist erschrickt ein wenig, sieht weiter suchend herum.

Wir stehen am Eingang und sehen ihm zu, wie er tiefer in das Gelände hinein geht. Die Hühner gluckern im Vordergrund, picken, gucken, ruckeln.


Schnitt.
Perspektivwechsel, der Polizist kommt auf uns zu.

Die rechte Bildhälfte füllt der Blick auf die Rückwand eines Holzschuppens, links sehen wir den Hof. Der Polizist nähert sich langsam.

Klaus steht an der Schuppenwand, erregt, lauert.
Er ist unter Hochspannung, pumpt noch heftig vom Rennen, lauscht, den Kopf in die Richtung gewandt, aus der der Polizist zu erwarten ist.

Als der Polizist noch zwei Schritte entfernt ist, spurtet Klaus wieder los. Der Polizist schreit ihm augenblicklich nach:

Stehenbleiben!

Die beiden jagen weiter, zwischen gelagertem Baumaterial hindurch, Klaus´ Gesicht spiegelt extreme Anstrengung, er rennt und rennt.

Die Kamera folgt dem schnellen Takt seiner fliegenden Schritte, dem hohen Tempo. Schnitte auf Klaus und den Polizisten im Wechsel, Klaus sieht sich gehetzt um, der Polizist fällt zurück, seine Kondition kann mit der von Klaus nicht mithalten.

Close up auf Klaus´ Schultern, den Kopf, wieder reißt er gehetzt den Kopf herum, schätzt ab, wie weit sein Verfolger herangekommen ist.

Close up auf den Polizisten, wir sehen die Dienstwaffe am Gürtel.

Klaus hat immer noch das Messer in der Hand, sein Tempo ist beachtlich, er lässt nicht nach. Anders der Polizist, der kann nicht mehr.


Wir bleiben bei ihm und bemerken, dass er Klaus verloren hat. Der Polizist verlangsamt sein Tempo, läuft aus, ist jetzt im Schritttempo, bleibt vor dem offenen Tor einer leeren Wellblech-Lagerhalle stehen, sieht hinein.

Drin ist es stockdunkel, bis auf ein quadratisches Fenster am hinteren Hallenende. Dort sehen wir eine kleine hastige Bewegung, erkennen Klaus, wie er das Fenster aufreißt, um hinauszuspringen. Er muß begreifen: das Fenster ist von aussen vergittert, kein Ausweg.

Schnitt. Wir in der Halle.

Amerikanische auf den Polizisten. Seine dunkle Silhouette, umrahmt vom hellen Ausschnitt des Sommmerhimmels draußen, wird größer, er kommt näher. Wir hören ihn schwer atmen, sein Gesicht glänzt. Er bleibt stehen, schaut, atmet, orientiert sich.

Schnitt auf Klaus. Noch immer hat er die Hand am Außengitter. Er starrt den Polizisten an. Nach einer Sekunde reißt er sich vom Fenster weg und rennt zum zweiten Hallentor. Er schreit. Der Schrei gellt durch die leere Halle, ohrenbetäubend.

Das zweite Tor ist abgeschlossen. Trotzdem versucht er, sich über die Klinke und den Türholm hochzukatapultieren, das Oberlicht der Halle zu erreichen.

Der Versuch ist nicht das Ergebnis von Überlegung, sondern das kopflose Ausbrechen eines Menschen, dessen Adrenalinschub seinen Körper durchflasht.

Klaus und der Polizist haben die Situation so verengt, dass beide jetzt in direkter Konfrontation stehen.

Klaus wirft sich mit dem Rücken gegen die Wand und reißt an den gestreckten Armen das Messer hoch, droht, verteidigt sich selbst, angststarr.

Der Polizist hat seine Dienstwaffe gezückt und hält sie beidhändig gestreckt vor sich, zielt auf Klaus.


Klaus schreit, er schreit mit jedem Atemzug, er schreit, bis er keine Luft mehr hat, neu Atem einsaugt und wieder schreit. Die beiden umkreisen sich, Klaus bewegt sich seitwärts und zwingt den Polizisten so in eine spiegelgleiche Gegenbewegung.

Die beiden umtänzeln einander, beide mit der gezückten Waffe, beide zielen an ausgestreckten Armen aufeinander, beide in höchster Erregung. Jedes Wort des Polizisten geht im nächsten Schrei von Klaus unter.

Die gellenden Schreie verängstigen den jungen Polizisten immer mehr. Klaus hört nichts mehr, er schreit nur noch.

Der irre Tanz setzt sich fort. Klaus entsetzliche Schreie, die in der leeren Halle ohrenbetäubend hallen, bringen den Polizisten auf ein extremes Erregungsniveau.

Klaus` Brüllen und im Kreis tänzeln ist Ausdruck letzter Hilflosigkeit und der junge Polizist wird dadurch, dass er die Situation durch Zurufe nicht ändern, bannen, besänftigen kann, immer erregter, panischer.

Klaus´ Augen sind bis zum Anschlag aufgerissen, die Pupille steht rund und frei, die Augäpfel treten aus dem Kopf, er brüllt mit weit aufgerissenem Mund, die Schreie durchzittern, durchrütteln uns, sie sind unerträglich und haben keine Ende. Sie durchzucken alle Muskeln, alle Nerven, aufhören, aufhören, wann, wann, wann ist endlich Ruhe?

Gar nicht. Klaus schreit und schreit, der Polizist wird lauter, endlich schreit er auch, panisch, am Limit, er schließt die Augen….



Schnitt.


Die Halle von Außen.

Ein Knall.


Dann Stille.


Wir sehen die weiße Stirnwand der Halle, das dunkle Maul des Hallentor-Eingangs,

Nichts passiert. Wir warten.


Schnitt. Wir sehen Susanne, sie hat das Gelände erreicht und läuft langsam zwischen gelagertem Baumaterial hindurch.


"...durchhalten. Arzt kommt gleich." Heino Ferch als Klaus Asmus s in: Wedding. Teil 3 (Schluß.) Regie und Buch: Heiko Schier, 1989
von: ignazwrobel

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"..Durchhalten. Arzt kommt gleich." s

Am Torrahmen der Lagerhalle.
An den Torrahmen gelehnt sitzt Klaus am Boden. Wir sind auf seiner Augenhöhe. Links im Bild zeigen uns zwei Beine in Polizeiuniform, dass der junge Polizist neben ihm steht.

Klaus sitzt wohl schon eine ganze Weile am Türrahmen.

Eine Hand liegt am Boden auf, die andere versucht, eine Stelle knapp unter dem Herzen zu halten.

Die Hand hat keine Kraft mehr, tatsächlich gegen die Stelle zu drücken und drin zu halten, was hinein gehört,
unter der Hand ist Blut herausgesickert.

Alles, was noch an Wille da ist, wird benötigt, um die Sitzposition beizubehalten.
So extrem er nach draußen gebrüllt hatte, so still ist er jetzt nach innen gewandt.
Der Torrahmen stützt seinen Kopf.

Er hätte nicht mehr die Kraft, den Kopf selbst hochzuhalten. Sein Gesicht ist leicht angehoben, grau, die Augenhöhlen schon die eines Toten.

Die Augen sind nicht mehr in der Lage, sich zu öffnen, sie sind auch nicht willentlich geschlossen. Die Lippen stehen ein wenig offen.

Wir sehen, dass der Mund auch kaum noch Kraft hat, irgend etwas zu tun, sich zu öffnen oder zu schließen.

Klaus bewegt nichts, er scheint auf etwas in sich zu lauschen, etwas, das seine ganze Kraft und Aufmerksamkeit benötigt. Manchmal zuckt ein Muskel.

(Quelle: kirstenp.claranet.de)

Der Polizist geht um ihn herum, kauert sich neben ihm nieder, blickt in sein Gesicht. Er ist völlig hilflos.

Klaus scheint kein Gefühl für die Zeit zu haben, die verstreicht, oder zu begreifen, was genau geschehen ist. Vielleicht ist ihm klar, dass er verletzt ist.

Ein trockener kurzer Satz, fast wie ein abgerissenes Eckchen Papier, gleitet aus seinem Mund, ganz schnell hingesagt, als hätte er keine Zeit

..ch seh` nix mehr.

Nichts bewegt sich an ihm, er scheint weiter auf etwas zu hören, das in ihm ist.

Die Brücken nach außen brechen.

Seine Atmung wird schnappend, kurz, immer kürzer, auf minimalstem Atemweg hechelnd. Sauerstoff kommt dadurch nicht mehr in seine Lungen.

Der Polizist läuft ängstlich rückwärts, wir sehen am Horizont den wohl schon herbeigerufenen Polizeibus um die Ecke fahren.

Der Bus ist da, hält neben Klaus.

Die beiden Polizisten stehen neben dem zu grauem Stein gewordenen Mann am Boden, sehen ihn an.

Scheiße

murmelt einer der beiden.

Notarztwagen zum Ost-Bahnhof, schnell,
sagt der Ältere in sein Funksprechgerät.

Er geht neben Klaus in die Hocke.

Durchhalten, sagt er, Arzt kommt gleich.

Die Kurzatmung erzeugt kleine kehlige Laute in Klaus` Hals. Er ist wie eine Säule, als würde er alles, alles, in sich darauf konzentrieren, sich nach etwas zu strecken, das oben, irgendwo oben, liegt.

Die Hand des Polizisten ruht noch auf seiner Brust, als wir für Klaus hoffend zusehen, wie seine Atmung wieder tiefer wird.

Zwei Züge lang.

Dann fällt ein roter Faden aus seinem Mundwinkel.

Er lässt das „oben“ los und sinkt zur Seite.

Schweigen.

Korn ist sehr bedrückt, kauert neben ihm. Klaus ist gegangen.
In „jenes unbekannte Land, aus des´Bezirk keine Wand´rer wiederkehrt“ .

Totale.


Polizeiauto,

Lagergelände, zwei Polizisten,

Toreinfahrt,

Betonestrich,

Hallenfront.

Am Boden
neben dem Hallentor ein blauweißes Bündel.



siehe




ein Mensch





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1988-89 Heino Ferch - Klaus Asmus

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Quelle Zitat:" ..jenes unbekannte Land, aus des´ Bezirk keine Wand´rer wiederkehrt…": William Shakespeare, Hamlet, Dritter Akt, erste Szene. / Siehe auch:. "siehe-ein Mensch" in: "Es geschah am hellichten Tag, Verhörszene.---------------
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