Donnerstag, August 10, 2006

"...Papa? ...Kannst Du schweigen?" in: Das Konto. Teil 3a (Heino Ferch - Dr. Michael Mühlhausen ) Regie: Markus Imboden. Buch: Martin Pristl, M. Imbod

"...Papa? ...Kannst Du schweigen?" in: Das Konto. Teil 3a (Heino Ferch - Dr. Michael Mühlhausen ) Regie: Markus Imboden. Buch: Martin Pristl, M. Imboden, 2003-2004


von: ignazwrobel
Bildquelle: www.daserste.de, Bilder: Boris Laewen. vlnr: Julia Jäger, Heino Ferch, Franziska Petri, Heino Ferch, Jürgen Schornagel
"...Papa? ...Kannst Du schweigen?"<-<- zurück zu Teil 2D weiter zu Teil 3b->->Vater und Tochter – ein unschlagbares Gespann.

Vor der Szene

Dr. Michael Mühlhausen ist zu Hause.

Daheim ist schlechte Stimmung. Mühlhausen hatte natürlich sein Versprechen vergessen, seine Tochter heute vom Tennis abzuholen.

Statt dessen mußte in letzter Minute seine Sekretärin Lilly, Haushofmeisterin all seiner Terminangelegenheiten und mütterliche, hundertprozentig verläßliche Vertrauensperson, - das Mädchen nach Hause bringen.

Ins Büro zurückgekehrt, überrascht Lilly Mühlhausen mit der Nachricht, die von jedem zärtlich liebenden Vater mit Schweißperlen der Angst auf der Stirn erwartet, nein, gefürchtet wird:

daß der Tag gekommen ist, an dem seine Kleine den Garten der Unschuld verläßt, den Schleier der kindlichen Zauberprinzessin abwirft, dem Arkadien entflieht, in dem er ganz allein ihr großer bewunderter und geliebter Zauberpapa und sie seine einzige kleine Prinzessin Pamina war.

Sie gehört nicht mehr nur ihm, Hannah ist vierzehn und kein kleines Kind mehr: sie hat den Zauberflötenton gehört, jetzt ist sie verliebt in einen Jungen.

Als Michael Mühlhausen nach Hause kommt, läuft er schon ins offene Messer.

Es folgt ein Streitgespräch mit seiner Frau Charlotte über seine für das Familienleben verheerende ständige Absenz.

Er verspricht ihr mehr Zeit, gleich übermorgen, nach der großen Einladung heute Abend und dem wichtigen Termin morgen.

Die Szene

Das Ehepaar macht sich fertig für eine große Abendveranstaltung, eine wichtige Geschäftseinladung.

Charlotte kleidet sich an, ein bodenlanges Etuikleid mit prachtvoll leuchtendroten Mohnblüten darauf, schminkt sich.

Mühlhausen lehnt im Türrahmen, die Hände in den Hosentaschen. Er ist schon in Abendkleidung: schwarze Hose, weißes Smoking-Hemd mit goldenen Manschettenknöpfen, das Hemd am Hals noch offen, ohne Fliege. Denken wir daran, dass ihn bereits ein After-Shave-Hauch von Knize, Cartier oder Hermés umschwebt.

Ausläufer des Streitgesprächs.

Charlotte:
Deine Tochter wird vierzehn, die braucht Dich bald nicht mehr.

Pause.

Mühlhausen, nachdenklich: Wo is´ sie eigentlich?

Charlotte: Im Bett, der Sport schlaucht sie immer.

Mühlhausen: ..Iss sie sauer?

Charlotte: Ach. Sauer. Sie kennt´s ja nich´ anders!


Schnitt. In Hannahs Zimmer.

Großaufnahme des Displays von Hannahs Handy:

..Geschäfts-partysind in 10 Min weg. Hannah.

Sie sendet die SMS ab.

Es klopft an ihrer Tür. Hannah lässt das Handy verschwinden.

Sie sitzt im Bett, aufgerichtet, angelehnt, nimmt schnell das schon bereitliegende Buch in die Hände.

Ihr Zimmer ist ganz in mozartesken Königin-der-Nacht-Blau- und Goldtönen gehalten.

Es ist 19:20 h abends, jedenfalls laut Wecker auf ihrem Nachttisch.

Die Tür geht auf, Sarastro, -nein, Mühlhausen natürlich,- kommt herein, der elegante Duft von Papa´s After Shave beginnt, Hannah´s Zimmer zu erfüllen.

Mühlhausen beugt sich ein wenig nach vorne, vorsichtig unsicher, ins Zimmer suchend. Er hat offensichtlich ein schlechtes Gewissen.

Hannah ist nicht erfreut.

Er sagt leise, kameradschaftlich
Hey!

Verharrt an der Tür. Sie schmollt ihn an.

Er, sanft, wach:

Schon müde?

Sie patzig, beleidigt, laut: Was steht auf dem Programm?

Mühlhausen nutzt seinen längeren Antworttext, um während seines sehr erwachsenen Referates näher zu treten:

Die Stiftung der Olson AG - Mühlhausen kommt, setzt sich auf´s Bett, auf den Bettrand. -…vergibt heut´ Abend ...drei Stipendien an der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der … jetzt sitzt er … Columbia Universität. Sieht sie forschend an.

.. an drei hoffnungsvolle… Nachwuchskräfte.

Hannah ist scheinbar weiter genervt, beleidigt.

Päuschen, Blick - dann, schnell:

Hannah Schätzchen, ..wo wir gerade bei Thema sind …(bei welchem..?)…

Jenseits der Wortdecke haben Vater und Tochter bereits ein ganz anderes Thema, sie verstehen sich emotional, ohne Worte.

Hannah antwortet auf Mühlhausens nonverbal transportierte Botschaft - Besorgnis um sein Kind, das eben zur jungen Frau wird.

Ich mach´ keine Dummheiten.

Mühlhausen: A´, das mein´ ich jetz´ gar nich´

Hannah: Sie hat es Dir verraten, stimmt´s ?

Na ja, was heißt - verraten?...

Plauder-Gesprächston:

Lilly hat es mir erzählt.

Er wartet ruhig.

Hannah. Wie findet sie ihn?

Hannah´s Gesichtsausdruck ist patzig.

Er hell, liebevoll. Er kippt ein wenig den Kopf, sagt leise, freundlich (Signal: ich bin nicht eifersüchtig, nein, nein, ich bin einer dieser sehr vernünftigen Väter, die wissen, dass ihr Augenstern eines Tages zur Frau wird. Leiderleiderleider ist der Tag jetzt da.)

….nicht schlecht…(kein Wunder - bei dem Vater!)

Er muss… ziemlich…. - nachdenklich - ein Blick klickt in die Augen seiner Tochter, behutsam, um sie besorgt..

…....erwachsen....

...sein.

Das Wort erwachsen, spricht er nachdrücklich, vorsichtig, als wäre es eine Zeitbombe.

(Der Junge ist siebzehn und hat zum sprachlosen Entsetzen des besorgten Vaters eine Vespa, auf die sein Sternchen natürlich mit aufsitzen wird).

Hannah patzig, schnell:

Ich kann mit den Jungs aus meiner Klasse halt nichts anfangen….

Papas Blick klickt aus den Augen seiner Tochter weg, nachdenklich – gedehnt:


…jaaah…

Schnitt.

Wir stehen zehn Zentimeter hinter Mühlhausen, sein Kopf verdeckt einen Moment unseren Blick auf die beiden.

Als wir wieder freie Sicht haben, sehen wir, dass er seiner Tochter die Bettdecke offensichtlich mit einem raschen Griff von den Unterschenkeln genommen hat.

-Tja. -

Die Beine stecken, vollständig angekleidet, in Straßenkleidung, - in Jeans. (Die Zauberflöte ruft, Tamino wartet schon.)

Wir sehen Michael Mühlhausens Rücken, sein Gesicht im Profil, Hannah frontal - sie ist tödlich genervt.

Demonstrativer Blick des Herrn Papa auf die Jeans seines Töchterchens:
Neuer Schlafanzug?

Sie reißt die Decke wieder über die Jeanshose.

Laß mich in Ruhe!

Close up auf Mühlhausens Gesicht. Das ist ernst, sachlich.

Er sagt leise aber eindringlich,

Hannah ich find´s nicht gut, wenn du abends heimlich weggehst.

Hannah patzig, genervt. Ich geh nich´ weg!

Stiller Blickekampf zwischen Vater und Tochter, der Vater forscht, die Tochter mauert.

Nach einer Sekunde lässt sein Blick ihr Gesicht los, er schlägt die Augen nieder, nickt ein klitzkleines Nicken, das ein o.k. signalisieren könnte.

Weiß Mama davon?

Vater und Tochter, - Die Bindung ist so eng, dass sie erst ihren Papa, dann erst die strenge Königin-der-Nacht-Mama ins Vertrauen ziehen würde.

Hannah: Ich paß auf mich auf, o.k.?

Auch dieses junge Mädchen kennt den hundertprozentig wirksamen Trick, der jeden stolzen Vater zur willenlosen Marionette ihrer kindlichen Zaubermacht werden, ihn unverzüglich dahinschmelzen läßt.
Sie setzt ihr Zauberprinzessinnenlächeln auf und leuchtet ihren Dad damit unschuldig an.

Die Wirkung tritt prompt und vollständig ein.

Daddy beugt sich vor und gibt seinem Augenstern einen liebevoll-behutsam – fürsorglichen Kuss auf die Stirn.

Er weiß sehr genau, daß er gerade von einer kleinen Magierin eingefangen wird, die seine Strenge zu Sternenstaub atomisiert.

Als er sich wieder zurückbeugt, sieht er sie mit einem Blick an, der ihr deutlich sagt:

- Ich kenne Dich, du Schlingel. -

Er steht auf, geht zur Tür. Hannah lächelt immer noch.

Sie hat gewonnen, das zärtliche Herz ihres Vaters ist unter ihrem Zauberlächeln wie Butter in der Sonne geschmolzen.

Er ist ihr besorgter Beschützer und vertrauenswürdiger Mitwisser-Kamerad gleichzeitig.

Sie ruft ihn zurück.

Papa?

Jetzt ist der Pferdestehl-Kamerad gefragt:

Kannst Du schweigen?

Mühlhausen beugt sich noch einmal in´s Zimmer.

Er denkt eine Sekunde nach. Unvermittelt wendet er sich zur Seite, deutet mit dem Zeigefinger auf ihren Schreibtisch.

Kannst Du mir meinen Laptop wieder in´s Arbeitszimmer stellen?

Wieder ist zwischen Vater und Tochter kein expliziter Text nötig, um Hannah seine Haltung zu bedeuten. Obwohl seine gesprochene Antwort nicht passt, weiss sie genau, was ihr Vater signalisiert. Er wird schweigen wie ein Grab.

Hannah, betreten:

Mach´ ich.

Er richtet sich auf, dreht sich zum Gang hin und schlägt seine Finger mit einer irgendwie hinreissend wirkenden kleinen Tschüss-Geste gegen die Türzarge, bevor er mit derselben Hand die Tür zuzieht.

Diese kleine Geste ist somehow charming, enchanting, man denkt: was für ein toller Dad, boa ey, …eigentlich - trotz ständiger Absenz - ein toller Papa, der tollste überhaupt. Ja.


2003-04 Dr. Michael Mühlhausen – Heino Ferch, Hannah – Nadine Fano, Charlotte Mühlhausen – Julia Jäger.
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