Donnerstag, Dezember 15, 2005

"..ich liebe Dich - wenn Du willst.." in: Winterschläfer Teil 2a Porträt Marco. ( Heino Ferch ) Regie: Tom Tykwer. 1997

"..ich liebe Dich - wenn Du willst.." in: Winterschläfer Teil 2 Porträt Marco. ( Heino Ferch ) Regie: Tom Tykwer. Buch: Anne-Françoise Pyszora, Tom Tykwer 1997

Text: ignazwrobel

"...ich liebe Dich --- wenn Du willst...!"

Vor der Szene: bei Marco

Marco´s Apartment im nahegelegenen Skiort.

Marco liegt – angezogen – (ja, das muß hier erwähnt werden, häufig ist er nackt) - auf seinem Bett. Die Kamera schwebt über ihm und blickt auf ihn hinunter.

Marco wählt Rebecca´s Telefonnummer.

Säuselt testosterontrunken mit sexy aufreizender Stimme ins Telefon:

Hallo Schatz! ...weißt Du was, Baby?

Du steckst mir echt so tierisch in der Birne.

Ich vermisse Dich..

Ja. Ehrlich.

....liebst Du mich überhaupt? Ja?

..dann komm´doch schnell mal rüber, jetzt.

Ja. Jetzt.

...ich zieh Dich aus... Du ziehst mich aus.....

-abrupter Tonartwechsel ins Ungeduldige:

... ja sag´mal gehst Du mal ran?..

Becki: Hallo?

Marco, trocken, sachlich: Ich bin´s, was machst Du? [...]

Becki wird in´s Theater gehen, Marco will nicht mit in´s Theater, er darf aber zu Becki kommen und fernsehen. Er will nicht gerne allein sein. Er will in Beckis Nähe rumhängen, will ihren Nestgeruch schnuppern, will sie nur für sich ohne andere Leute dabei.

Becki. Ich sag´ Laura, Du bist krank. Bis gleich.

Szene Laura und Rebecca auf einer Parkbank, Rauchpause.

Becki und Laura sprechen über Männer. Laura und René , Becki und Marco.

Becki: Du kannst Marco nich leiden, stimmt´s?

Laura: Doch! Ich weiß nicht. Ich versteh´ ihn nur nicht so richtich, was er eigentlich will.

Becki. Von uns?

Laura Nein, überhaupt, ganz allgemein. (-das weiss Marco selbst eben auch nicht.)

Becki. Manchmal weiß ich auch nich – ob er ehrlich is. Ob ich ihm trauen soll.

(Ach, Becki, Dein Gefühl trügt Dich nicht. Dein süßer Marco hat leider außerdem eine Affäre mit der Frau Eures Arbeitgebers Gerd. Ihr gehört zu allem Unglück auch noch die Hälfte des gestohlenen Autos.)

Laura Du brauchst Zeit. Ihr kennt Euch doch gerade erst

Becki. O.k. Mutti.

Laura streckt Becki die Zunge heraus.

Schnitt.

Becki und Laura fahren die Landstraße entlang, wir sehen das Auto langsam immer näher kommen, hören ihre Stimmen im Voice Over.

Links und rechts verschneite Hügel, einzelne Bauerhöfe. Himmel gräulich milchig.

Becki. Ich wüsste gerne ob das... Liebe is mit mir und Marco. Weißt Du?

Laura: Woher soll ich das wissen!

Jetzt fährt der Wagen an uns vorbei.

Schnitt.

Die Szene:

Marco und Rebecca

Marco hängt bei den Mädels rum.

Er will bei Rebecca einziehen, bei ihr wohnen. Marco entscheidet über ihren Kopf hinweg, dass sie auch als Skilehrerin für Gerd arbeiten soll. Sie hat aber keine Lust. Sie lässt ihn auflaufen. Sie ist Übersetzerin und will das auch bleiben.

Marco kennt seine Ziele nicht, seinen Weg nicht.

Statt für sich selbst eine Zukunft, einen Sinn und Weg zu suchen, projiziert er die Sinnsuche auf Rebecca und will sie auf einen Lebensweg zwingen, den er selbst für gut hält.

Becki lehrt ihn, zwischen sich und ihr zu unterscheiden, sie nicht zu gängeln.

Dazu muss gestritten werden. Marco bricht den Streit vom Zaun, Becki wehrt sich.

Weißt Du, was wirklich krass is? sagt sie.

Daß du Deinen Vater nicht ausstehen kannst, aber genau dieselbe Scheiße redest wie er.
Marco zeigt ungeduldig geladenen Frust.

Was weißt Du schon von meinem Vater?

Rebecca liegt auf dem Bett, glatt, leuchtend, lebensprall, anregend. Marco sieht dieses Glück nicht, ist in seine Probleme eingetunnelt.

Rebecca Ich brauch´ Dich nur anzugucken, dann weiß ich alles.

Marco starrt sie an, mit zusammengepresstem Mund. Guckt nach unten, pickt etwas auf und wirft es nach ihr. Es ist eine Zeitung.

Sie trifft Rebecca am Kopf. Becki wehrt sich, geht auf die Knie, explodiert, ruckartig springt sie vom Bett auf, knallt ihm die Zeitung zurück in´s Gesicht.

Schnitt.

Marco hat sich auf Rebecca und sie auf´s Bett geworfen. Er liegt auf ihr, drückt ihr die Arme auf´s Bett, dass sie sich nicht bewegen kann.

Schnauft hektisch.

Er Du bist ja nicht ganz dicht oder was is los?

Erregt weinerlich wütend: Du willst mich nur verletzen, ha...? rasend, hektisch, gewalttätig.

Rebecca, leise: Na, dann heul´ doch!

Marco: Ja, stimmt doch, Du willst mir nur weh tun.

(Marco verwechselt die Adressaten, Becki ist es nicht, die ihm weh tun will, weh getan hat ihm jemand anderer, sein Vater.)

Er merkt nicht, dass er, der Verletzte, gerade zum Täter wird, Rebecca die Gewalt antut, die ihm angetan wurde. (Der Echo – Effekt: Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus. ) Er ist zu sehr damit beschäftigt, seine Frustration zu fühlen. Immer noch drückt er Rebecca mit Macht auf´s Bett. Jetzt presst er noch mal nach. Atemlos, hektisch. Er tut ihr richtig weh.

Aua! schreit Becki Spinnst Du?

Er macht endlich den Mund zu, noch ein Blick, dann geht er in Sitzposition, lässt sie los.
Er atmet schwer, bekommt sich kaum in den Griff.

Zuletzt wirft er einen Himmel noch mal hilf – Blick an die Decke.

Schnitt.

Wir sehen Becki daliegen, Marco sitzt auf ihrem Becken. Rebecca trägt nur einen roten BH und Hosen. Ihre glatte goldfarbene Haut schimmert im gedimmten Lampenlicht. Sie ist wunderschön, prall, körperlich. Sie sieht ihn ruhig an, legt eine Hand unter ihren Kopf, verführerisch, weiblich. Er gefällt ihr, sie greift nach seinem Hemd.

Du bist hübsch, wenn Du Dich aufregst.

Er wirft einen Gott noch mal so ne Scheiße-Blick an die Decke. Becki´s Hand knöpft sein Hemd auf.

Ich liebe Dich, sagt sie leise und hell, - wenn du willst.

Er immer noch spröde, sarkastisch: Ach – ja?

Rebecca Aber ich will nicht von Dir erzogen werden.

Er murmelt heiser, schluckt frustriert nervös: Ich will Dich auch gar nicht erziehen.

Sie Na, dann lieb´ mich doch einfach.

Sie ist ganz weich, warm , schön, bereit.

...und hör´auf , mich zu ärgern.

Sie zieht ihn zu sich herab, er gibt nach.

Direkt vor ihrem Gesicht, sie dachte, er wird sie jetzt küssen, aber er sagtDann lieb´Du mich doch endlich mal!

Marco verwechselt immer noch Rebeccas sehr wohl vorhandene Liebe zu ihm mit der nie existenten und von ihm schmerzlich vermißten Liebe seines Vaters.

Er kann nicht sehen, dass sie ihn mit ihrer Liebe beschenkt, beschenken kann.

Er ist blind dafür, taub, kreiselt in sich selbst und seiner ihn ganz erfüllenden Erfahrung, nicht von denjenigen geliebt zu werden, deren Liebe er dringend gebraucht hätte, um den sicheren und ruhigen Raum zu bekommen, den er für einen guten inneren Weg brauchen würde.

Dieser Mangel wird ihn töten, bald schon, in den nächsten 90 Minuten.
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1996-1997 Heino Ferch (im Alter von 33) – Marco Skilehrer, Floriane Daniel – Rebecca, Becki, Marie-Lou Sellem – Laura.