Filmszenen I ...er hat uns Shooter als Boten geschickt...Teil B. in: Straight Shooter. Regie: Thomas Bohn, 1998-99. Heino Ferch - Volker Bretz
Szene Brücke, eine friedliche Brücke:
Frank Hector trifft sich mit Oberstaatsanwältin Toelle an einer großen Brücke.
Bildquelle und Bildrechte bei perathon Filmproduktionsgesellschaft Joseph Vilsmaier
Ihre Silhouetten stehen dunkel gegen den silberglänzenden Sonnenuntergang. Das Gewirr der Brückenstreben zeichnet filigran einen Scherenschnitt ins Licht.
Hector:
Sagt ihnen der Begriff Kolwesi etwas?
Toelle
Ja, Shooters erster Kriegseinsatz.
Hector
Kolwesi war die Hölle für Bretz.
Ich war sein Gruppenführer und er einer meiner jüngsten Soldaten.
Unsere Kompanie ist über dem Flughafen abgesprungen und von dort aus ins Zentrum der City vorgestoßen.
Ich hatte die Aufgabe mit meinen Leuten das Interhotel von den Katangas zu säubern. Mit dem Ziel die dort festgehaltenen Europäer zu befreien. In der Hotelhalle hätte es Bretz dann fast erwischt.
Schnitt.
Später:
Hector möchte sich mit Shooter treffen. Der Erfolg für Hector: ein verletztes Bein und Einlieferung ins Krankenhaus. Dort wird er von der Soko Berndt (Jürgen Schornagel) aufgesucht.
Hector liegt im Bett, das Bein im Str e ckv erb and. Kriminalrat Berndt und sechs Herren in dunklen Anzügen umringen ihn.
Hector
Ihre Leute waren auch nicht schlecht, Chief.
Berndt, nah. Berndt und Hector sehen sich auf eine verstörende Weise ähnlich, Hector wirkt wie die fleischige Version der Beiden, Berndt, dessen glatte Haut einen Totenschädel zu umspannen scheint, dessen Stimme etwas von einem Mann hat, dem die Kehle zugedrückt wird, wie ein gefährlicher Schatten.
Berndt lässt sich auf der Bettkante nieder
Wie sah er aus?
Hector zieht sich im Bett hoch:
Ich hab ihn nicht gesehen, Mr. Berndt. Ich dachte, ich könnte mit ihm reden. Ihn vielleicht sogar umstimmen – ohne ihren Club hier. Aber – er wollte mich offensichtlich nur aus dem Verkehr ziehen.
Berndt knapp, zeigt beim Sprechen Zähne:
Und genau das wollen wir auch. Sie werden zurück nach England gebracht. Das ist vielleicht mal eine ganz nette Erfahrung gewesen, Herr Hector, was ein - Dreckschwein mit Ihrer Spezialausbildung so alles anfangen kann, nicht wahr?
Hector
Dieses – Dreckschwein hat, nachdem er von mir ausgebildet wurde, für Sie und Ihresgleichen seinen Arsch hingehalten, HERR Kriminalrat.
Kolwesi, Tschad und im Libanon – ich hoffe für Sie, dass nicht mal einer Ihrer Jungs aus privaten Gründen durchknallt.
(...)
Der Herr Kriminalrat und seine sechs Blues Brothers gehen.
Hector, allein. Läßt sich zurücksinken. Wir sehen den kahlen Raum von oben. In der Ecke Hectors Bett.
Ihr habt doch keine Ahnung, was Krieg ist. Ihr Clowns.
Oberstaatsanwältin Regina Toelle war auf dem Weg zu Hector ins Krankenhaus. Jetzt betritt sie das Krankenzimmer. Regina Toelle ist eine schöne Frau. Sie umschwebt eine Art Aura von unschuldiger Makellosigkeit, man kann sich nicht vorstellen, dass ihr Gesicht irgend eine bösärtige Grimasse hervorbringen kann. Sie wirkt wie ein Friedensengel. Hector und sie sind nicht wirklich verliebt, aber aneinander interessiert. Sie duzen sich jetzt.
Toelle
Erzähl mir den Rest von der Kolwesi-Geschichte.
Hector
Was?
Wo waren wir denn bei dieser traurigen Geschichte stehen geblieben.
Toelle
Du und Deine Leute stürmten gerade das Hotel.
Hector
Genau
Wie ich schon sagte, hat es Bretz in der Empfangshalle fast erwischt.
(…Im ersten Stock. Bretz erschießt während der Stürmung versehentlich unschuldige Zivilisten im Reflex auf eine Bewegung, die er aus dem Augenwinkel wahrgenommen und für eine tödliche Bedrohung gehalten hatte. Zwei Kinder. Sie waren in einem Schrank versteckt gesessen, unsichtbar für die Soldaten.)
Hector
Als mir der Vorfall gemeldet wurde, bin ich sofort rauf. Da stand Bretz. Er war wie gelähmt.
(…)
Toelle
Kolwesi ist vorbei, Frank.
Hector
Kolwesi ist überall.
In jedem von uns steckt etwas, wovor wir uns fürchten, Regina.
Sorgfältig versteckt. Unter vielen tausend Deckmäntelchen.
Es ist begraben. – unter Vernunft und Nächstenliebe. Aber es ist da.
Und wenn es ausbricht.
Dann mit dieser entsetzlichen Brutalität.
Es säuft Blut.
Tränen und Pisse.
Es frisst sie auf.
All die jungen Männer Frauen und Kinder.
Es verschluckt ganze Städte und spuckt sie wieder aus - als Ruinen und Wracks.
Ich habe seinen stinkenden Atem gerochen.
Ich war ein Teil davon.
Und das mehr als nur ein- oder zwei Mal.
Regina Toelle hört zu. Sie wirkt schön, wie ein Engel, durch Unschuld von Bösem nicht berührbar.
Hector.
Und ich sag Dir: es schert sich einen Dreck um Eure sorgsam zusammengeschusterten Gesetze.
Eure Regeln.
Es schert sich einen Dreck darum, was ihr wollt.
Es schert sich einen Dreck um Eure Hilferufe.
Toelles schwarze Augen bleiben ruhig auf Hector gerichtet.
Es kommt, wann es will. Und es geht erst, wenn seine Gier gestillt ist.
Es hat uns Shooter als Boten geschickt.
Wie all die andern, die so unvermittelt mit ´ner Waffe irgendwo auftauchen und alles niederknallen, was nach Mensch aussieht.
Das sind die Boten, verstehst Du. Durch die es uns zuflüstert.
Seht her. Ich bin noch da.
Wir blicken durch eine Zielfernrohr-Optik. Sie verfolgt in das Krankenhausfenster hinein die Bewegungen Toelles. Die Optik gehört zu Shooters Bazooka.
Schnitt.
1998 – 99 Heino Ferch (im Alter von 35) – Volker Bretz, der Straight Shooter, Dennis Hopper - Frank Hector, Katja Flint – Oberstaatsanwältin Regina Toelle, Jürgen Schornagel – Leiter der Soko Shooter Berndt.
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Kommentar.
1. Als weiterführende Links dürfen hier wohl nicht vergessen werden der Anti-Kriegsfilm Apocalypse Now (mit Dennis Hopper), der Motive des Buches von Josef Conrad Herz der Finsternis verarbeitet und das Buch selbst. hf hat sich zu Herz der Finsternis geäußert->
2. Die Boten.
In Straight Shooter nennt Hector (der Name ist natürlich mit Bedacht gewählt. Hector war der wichtigste Heerführer und Held Trojas im zehnjährigen Trojanischen Krieg) Leute wie Bretz Boten. Boten des Krieges.
Erinnern wir uns an Filmfiguren in hf´s Werk, die sich Boten nennen, stoßen wir auf die Boten aus Far away, so close! (hf´s Agentur-CV beansprucht eine Teilnahme an diesem Film, also gehen wir darauf ein.) Die Boten in In weiter Ferne, so nah! (1993) sind Engel. Sie sagen von sich, sie sind nicht die Botschaft, sie sind die Boten. Die Botschaft ist die des Friedens. Die Engel sind Schutzengel, sie helfen den Menschen.
Eine gedankliche Verbindung zur Shooters Rolle als Bote des Krieges legt nahe, dass auch Shooter ein Engel ist, er versucht als Legionär, einem Land zu helfen, er symbolisiert keinen Friedens- sondern einen Racheengel.
Er zieht in den Krieg, er nimmt Rache. Mit den Mitteln des Krieges. Der Gedanke ist nicht weit, dass nur gefallene Engel so handeln. Die Engel in Far away sind Boten des Friedens, Friedensengel, der gefallene Engel in Shooter ist Bote des Krieges.
Ein Presseartikel nennt die Rolle Volker Bretz ist die Nemesis von Frank Hector. Die Nemesis ist in der Tat ein Engel, ein Racheengel.
Dieser Racheengel bestraft in gerechtem Zorn menschliche Selbstüberhebung.
Die Selbstüberhebung im Film Straight Shooter ist in diesem Fall das verantwortungslose Verhalten von allen, die am Bau von Atar II beteiligt waren.
Eine Parallele findet die Rolle dieses Boten, dieses gefallenen Engels in Der Unhold (1996) . Raufeisen (Heino Ferch) steht symbolisch für Kain, das Prinzip Krieg , während Abel symbolisch für das Prinzip Friede steht. Kain erschlug im Zorn Abel. Der Krieg zerstört den Frieden.
Aber der Krieg zerstört auch seine eigenen Boten. Raufeisen erlebt die Rache des Feindes und bezahlt mit seinem Leben. Shooter wird paranoid und am Schluß des Filmes von Hector, der diesen Racheengel quasi erschuf, ausgelöscht, erschossen.
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semi offtopic
Wie sich unschwer an unserer unsystematischen Vorgehensweise erkennen läßt, spazieren wir recherchetechnisch immer noch wie Alice im Wunderland durch die Filmlandschaft, schnuppern an dieser Blüte, pflücken jene, bewundern eine dritte. Wie sollen wir denn so zu einem konsistenten Ergebnis kommen? Mit der Zeit. Die haben wir, immer noch eineinhalb Jahre Szenenananlysen. Da kann man recheretechnisch noch spazieren gehen.
Gefunden: Der Gladiator. 5 Oscars. Eigentlich hätte man sofort So-Fort nach Julius Caesar (2002) Der Gladiator (2000, Russell Crowe) vergleichen müssen. Man. Ja. Man, wir sind aber nicht man.
Was uns inzwischen endlich aufgefallen ist, ist dass ein hf-Foto mit einem anderen Schauspieler zusammen immer irgendwas mit einem Filmprojekt zu tun hat, auch wenns nur Partyfotos sind. Erst, als wir im Gladiator Hagen erkannten, lief unsere Videokamera im Kopf an und zu Vergleichszwecken mit. Bingo! Die erste Kerkerszene Maximus und Lucilla. Ha.
Der Film Der Gladiator ist ein Star-Film. Russell Crowe, Maximus, ist der Star, ein schöner, starker, trauriger Star, einer, der seine Familie verloren hat, und jetzt alles, was er tut, durch einen Nebel von Traurigkeit hindurch tut. Er leistet Unglaubliches, bleibt aber fortgesetzt traurig (das kann Crowe wirk-lich gut, großes altes Hollywood-Kino, Burt Lancaster-Rolle), wie - äh, wie - ja: Phillipp Turner. Ja. Bei Gladiator hat das geklappt. Bei Luftbrücke war es dem deutschen Fernseh-Publikum unerklärlich (obwohl erklärt: Turner hat seine Familie zurücklassen müssen und seine Frau verloren, wie Maximus).
PS: In Gladiator hat Crowe noch einen Stil, der Emotionen mimisch direkt und echt ausdrückt. Später - und das ist uns bei vielen US-amerikanischen Produktionen nach 2001 (Beginn Bush-Regierung) aufgefallen, spielen die Schauspieler die Emotion nicht mehr echt, sondern sie "markieren" nur Emotion. Wie Straßenschilder, Kürzel, "verweisen" diese oder jene Gesten und mimische Ausdrücke auf die echten Emotionen, die aber nicht ausgespielt werden. Es ist fast so, als wäre unter der Bushregierung, in der Emotionen nur "phoney" gezeigt wurden, dieser Verweis-Stil en vogue geworden, quasi als Echo und Spiegel des erwünschten Pretext-Phoney Stils, den auch Bush und Kabinett verfolgten....
Ikonographisches Detail: Als Straigh Shooter die Body Guards im Auto erschießt, rollt eine Orange über den Boden. Die Orangen sind in Der Pate I - The Godfather symbolisch Boten des Todes.
offtopic nächste Woche Freitag bis Sonntag ist HF bei uns zu Gast. Dieses Mal nicht in weisser Polojeans auf unserem weltberühmten Polodrom, - was die g´mahte Wies´n vom Bauer Hinterhuber ist- , sondern in bodenlanger Kutte in unserem kleinen Arthouse-Lichtspieltheater. Auf der Leinwand. Da kann er sich ja dann auch gleich unser Kino angucken - natürlich nur, wenn er einen ganz kurzen Blick die Kamera riskieren darf, dann kann er bei uns aus dem Film heraus in den Saal schauen, sonst ja nicht. Wir werden berichten.-
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