Filmszenen I ...Ahhhrgh!...Teil 2. in : Freundinnen. Heino Ferch - Peter. Regie: Heiko Schier 1993-94
Bildquelle und Bildrechte bei von Vietinghoff Filmproduktion für ZDF Zweites Deutsches Fernsehen. click auf das Bild, um es in Originalgröße zu sehen.
Die Szene
Nacht. Stadt. Blaues Strassenlaternen-Licht. Brücke.
Wir stehen auf dem Brückendamm an einem schönen alten Schmiedeeisen-Brückengeländer, barock verschnörkelt.
Auf den Handlauf des Geländers stützt sich eine junge Frau. Sie trägt ein Brautkleid, ein ziemlich wuchtiges Brautkleid, sozusagen mit allem, Ausschnitt, Spitze, riesenhafte Poschleife, barock verschnörkelt, ein Riesen-Osterei. Passt gar nicht zu ihrer Knaben-Kurzhaarfrisur. Passt auch gar nicht zu ihrer Stimmung. Langes Gesicht, zappenduster.
Es ist Sophia (Meret Becker), der ihr Peter (Heino Ferch) weggelaufen ist. Sophia hat trotzdem geheiratet. Ganz allein in ihrem Zimmer vor dem Spiegel. Den Glückwunsch-Reisregen hat sie sich selber über den Kopf gekippt.
Die Katze hat sie weggejagt. Und jetzt hebt sie die rechte Hand und lässt den Wohnungsschlüssel ins Wasser fallen.
Schnitt.
Wir blicken auf die andere Seite der Brücke, über den Fahrdamm hinweg. Sophia schwebt in ihrer weissen Spitzenkleidwolke quer über die Bahn, lässt den Kopf hängen. Ein Auto verfehlt sie nur knapp, hupt grässlich laut.
Das zweite Auto, eine offenes Sportcoupé, kann nicht an ihr vorbei, Sophia läuft mitten in dessen Fahrspur. Vollbremsung, Reifen quietschen. Am Steuer: Unsere taffe Olga. Olga hupt. Wir sehen, wie sie Sophia hinterherschaut, erstaunt.
Schnitt auf Sophia. Sophia ist wie eine Schlafwandlerin weiter geschlurft. Sie schürzt ihre Brautkleidwolke und besteigt seelenruhig das Brückengeländer.
Olga haut die Handbremse rein, steigt aus, geht zur weissen Frau hin. Die schwebt jetzt auf dem Geländer. Rechts im Bild der Rettungsring. Wenigstens kann man den gleich hinterherschmeissen, wenn Sophia fliegen übt.
Sophia, sie blickt geradeaus, hält sich mit der Linken an einer Brückenstrebe fest:
Verschwinden Sie, ich springe.
Olga, dreht sich um die eigene Achse, blickt sich um:
Was ist das hier? Verstehen Sie Spass? Wo ist die versteckte Kamera?
Autos fahren vorbei.
Sophia, die Lady in Weiss, beginnt, vorneüber zu kippen. Ihre Arme sind flugbereit nach links und rechts ausgebreitet.
Olga:
Kreisch!
Olga greift in Sophias bauschige Rockwolke und hält sie davon ab, weiter in Schräglage zu geraten.
Sophia rudert mit den Armen. Schweigt dabei beharrlich. Wir sehen sie von schräg oben. Ihre Arme kreiseln in der Luft wie die Rotorblätter einer Cessna, ziemlich tief unter ihr das Wasser des Flusses.
Sophia kreischt:
Loslassäähhn!
Loslassäähn!
Wir dürfen die interessante Szene jetzt vom Flussufer aus betrachten. Verschnörkeltes Brückengeländer, Malerische Laternen, eine hübsche weisse Brückenheilige auf dem Geländer, dahinter Olga als Festhalteassistenz. Sophia steht direkt über der Fahrspur der Lastkähne. Die Lichtspiegelungen der Wellen beleben pittoresk die Stirnseite des Brückenbogens.
Olga kreischt.
Bist Du irre?
Jetzt hat sie so hart an Sophia gezerrt, dass diese stürzt.
Rückwärts.
Klatscht der Länge nach auf den Fahrdamm. Setzt sich sofort auf und kreischt:
Ahhhhrgh!
Sie beugt sich nach vorne, vor ihr sieht sie die Beine von Olga. Sophia klammert sich sofort daran fest. Teils aus Schreck, teils aus Angst.
Schnitt auf Olgas Gesicht. Sie sieht auf die lebende Fu ss fe sse l hinunter.
Sophia drückt ihr Gesicht gegen Olgas Knie und atmet heftig. Sophia
Lass mich nich alleine!
Olga unternimmt gar nichts. Blickt immer noch auf das Häufchen Elend hinunter. Erwacht endlich aus der Starre, blickt um sich, ist denn gar niemand da? Olga:
Was soll das heissen?
Schnitt.
Das soll heißen, dieser melodramatische Auftakt ist der Beginn einer wunderbaren Freundschaft…
…deren Zeugen wir in der nächsten Epi werden…
Und - Abspann bitte:
1993-94 Heino Ferch (im Alter von 30) – Peter, Sophias verschwundener Verlobter; Meret Becker – Sophia; Sebastian Koch – Marcel, Olgas Beau; Nina Kronjäger – Olga, reiche Erbin und verliebt in Marcel.
Genau.
Kommentar:
Die Szene ähnelt in der Haltung Hilfesuchen von Sophia (Meret Becker) und der Mitleidlosigkeit der angesprochenen Person hier Olga (dort Jan) sehr stark der Szene „Wie halte ich was aus…“ Meret Becker – Heino Ferch in Meine schöne Bescherung.
- -
semi-offtopic
1.
...und so kommen unsere Wikipedia-Texte in die Presse. z.B. Roland Suso Richter. Unser Text auf Wikipedia:
"Mehrere Regiearbeiten Richters (14 Tage lebenslänglich, Eine Handvoll Gras, Der Tunnel, Das Wunder von Berlin) thematisieren die Konfrontation eines Individuums oder einer kleinen Gruppe von Menschen mit einem starren, empathiefreien, oft gewalttätigen System," Text in der Wiener Zeitung zu Wunder von Berlin " Regisseur Roland Suso Richter ist bekannt für seine Filme, in denen er sehr gut die Konfrontation des Individuums mit einem bedrückenden System thematisiert."
2.
Offtopic
Nov.2009
<< Home