Samstag, August 23, 2008

Filmszenen I Das Verhör. aus: "Es geschah am hellichten Tag.." Teil 2

Bock - Heino Ferch Regie: Nico Hofmann, Bernd Eichinger 1996

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Bildquelle u. Bildrechte bei: Imagion/SAT.1/Constantin Film

Aber ich kann doch nicht gestehen, was ich nicht getan habe.

Der Verhörer läßt von ihm ab, bis Bock wieder zuhören kann.

Wir werden Zeuge, wie sich die Angst der Verhörten um Nuancen steigert.

Lederer sitzt am Tisch wieder auf einem Schemel ohne Lehne, wird immer wieder dasselbe gefragt. Inzwischen ist seine Kleidung zerrissen, der Ärmel ist an der linken Schulter ausgerissen, Spuren weiterer Folter, die wir nicht mitangesehen haben.

Inzwischen ist er so übermüdet, dass er immer wieder, offensichtlich, weil er das Bewußtsein verliert, nach vorne - direkt auf uns zu, -umkippt. Die Verhörer halten ihn immer wieder fest, ziehen ihn zurück, kurz bevor sein Kopf auf der Tischplatte aufzuschlagen droht.

Die Szene ist umso grausamer, da der zuständige Ortskommissar, dessen Verhör vom Nachmittag wohl ergebnislos verlaufen war, die Szene zwar verkrampft und mitleidend miterlebt, aber nicht eingreift.

Er tut nichts.

Wir müssen zwei Seiten seelischer Grausamkeit miterleben:

die Quälerei des LKA-Kommissars, der die verschiedenen Stufen der Verzweiflung des Verhörten "abarbeitet", das heißt strategisch nutzt, um weitere Zugeständnisse zu erpressen

und die Tatenlosigkeit des zweiten Kommisars, Befehlsempfänger des ersten, der zwar mitleidet, aber aus Befehlsgehorsam der Folter kein Ende bereitet.

Schnitt

Der Mob vor dem Fenster.

Todesangst. Die Augen weit aufgerissen, rund vor Angst, zwei schwarze Münzen, die Schultern hochgezogen, der Rücken gekrümmt.

Weitere Infamie,

wenn Du jetzt nicht gestehst, lassen wir Dich gehen, jetzt, da hinaus, dann bist Du ein freier Mann.

Draussen drängen die Dorfbewohner, mit skandierendem Geschrei, Mörder Mörder, Feuer in Schubkarren, Mistgabeln gegen die Hauswand, gegen das Fenster.

Wir stehen direkt neben Lederer, sehen seine Todesangst, den letzen Triumph des LKAlers. Der hat ihn am Kopfhaar gepackt und hält ihm den Schädel hoch, so dass er nach draussen sehen muss. Beide stehen direkt hinter den halb geschlossenen Jalousien. Nur die Lamellen der Jalousie und das dünne Fensterglas trennen den Gefolterten von den brüllenden betrunkenen Leuten draussen.

Wir verstehen die Todesangst, seine Erinnerung an die Beinahe-Lynchjustiz in der Jauchegrube ist erst wenige Stunden her.

Der LKAler verspricht ihm Rettung: die letzte Infamie.

Wenn Du Dein Schuldgeständnis jetzt unterzeichnest, dann bleibst Du hier in Verwahrung und wir bringen Dich morgen nach München.

Wir hören einen Laut, der sich wiederholt, ein Laut, den wir erst langsam, nach angestrengtem Hinhören verstehen können, es ist ein

nein, nein, nein

das eher wie aus einer Tierkehle, als aus einem menschlichen Mund heraufdrängt.

Bock verliert das Bewusstsein. Er ist reif zur Unterschrift. Zwei Beamten schleifen den Mann aus dem kalten blauen Licht des Verhörraumes in das warm rot beleuchtete Nachbarzimmer.

Beide Männer halten Bocks Arme fest. Dessen Kopf ist zur Seite gesunken, die Augen geschlossen, das Gesicht hat jetzt, am Ende des Passionsweges, etwas bekommen, das wir erstaunt als menschliche Würde erkennen, eine Würde, die von aussen unberührbar ist.

Die abgespreizten Arme, der seitlich zur Schulter gesunkene Kopf, das Gesicht - ein Antlitz- mit den geschlossenen Augen, die still gewordene Physiognomie, befreit von Verzerrungen der Angst- evoziert klar das Bild des Gekreuzigten.

Schnitt.

Lederer sitzt am Tisch, schweißberströmt, blutverkrustet, mit zerrissener grauer Anstaltskleidung, die Rechte führt ungelenk und langsam einen schwarzen Kuli übers Blatt am Ende von mehreren Seiten getipptem. Hans Lederer schreibt er, langsam, mühevoll.

Ende der Szene.

Am anderen Tag, als Lederer nach München abtransportiert werden soll, er sitzt bereits im Polizeiauto - erschießt ihn der Vater des getöteten Mädchens mit einer Doppelsalve aus einem Jagdgewehr, das aussieht , als wäre es für die Elefantenjagd bestimmt.


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1996-97 Heino Ferch - Hans Lederer, "Bock", Joachim Król - Kommissar Matthäus (Kommissar vor Ort) Filmografie Joachim Król, Hans-Werner Meyer - Kommissar des LKA Filmografie Hans-Werner Meyer

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