Mittwoch, August 06, 2008

Filmszenen I ...für etwas, das ich nicht getan habe....Das Verhör. in: "Es geschah am hellichten Tag.." Teil 1

Hans Lederer "Bock" - Heino Ferch. Regie: Nico Hofmann, 1996-97

Teaser Film Es geschah am hellichten Tag. Regie: Nico Hofmann 1996

Bildquelle u. Bildrechte bei: Imagion/SAT.1/Constantin Film

Szenen aus dem Film "Es geschah am hellichten Tag"-

Remake Bernd Eichinger Produktion und Nico Hofmann, Regie, 1996-97.

Hören statt Lesen Audio.mp3 -> Version vom 6.8.2008 zum Soforthören

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Vor der Verhörszene

Hans Lederer, ein Hausierer, ein mittelloser Mann um die 30, fremd hier in dem oberbayerischen Dorf, der Sprache seiner wenigen Worte nach offensichtlich Norddeutscher, hatte eine Mädchenleiche im Wald entdeckt.

Wir waren Zeuge, daß er davon furchtbar geschockt war, er kniete neben dem toten Kind und weinte, hatte dann laut aufgeschrien und war panisch ins Dorf gerannt.

Scheinbar hatte er das Kind angefasst, denn beide Hände waren blutverschmiert, als er im Dorfgasthaus ankam und nach der Polizei telefonieren wollte.

Die Dorfbewohner wollten „kurzen Prozess“ machen mit dem Kinderschänder.

Lederer, von den Leuten im Dorf "Bock" genannt, gedacht als Schandname für einen unbeherrschten Sexualtrieb, war am Nachmittag schon von den empörten Dorfbewohnern beinahe gelyncht worden.

Sie hatte ihn an den Handgelenken an den Ausleger eines Mistbaggers gebunden, mehrfach in einer Jauchegrube vollständig untergetaucht, ihn als Sau beschimpft und mit kotversetztem Mist beworfen.

Die Polizei hatte ihn dort herausgeholt, notdürftig gesäubert und ihm provisorische Kleidung gegeben.

Diese Kleidung ähnelt der Gefangenenkleidung von Zwangsarbeitern, sie ist ihm viel zu groß, schäbig, eher Lumpen als Bekleidung, grau und nimmt ihm schon auf diese Weise von seiner Menschenwürde.

Die Verhörszene

Das Verhör wird durchgeführt von einem Beamten des Landeskriminalamtes, der sich vorher bereits als ein kleiner Imperator eingeführt hatte. Er ließ sich von den ihm unterstellten Beamten bedienen und versäumte keine Gelegenheit für kleine häßliche Machtgesten.

Bock, so wird der Tatverdächtige durchweg genannt - er heißt eigentlich Lederer - wird geduzt.

Close up auf sein Gesicht.

Er ist völlig übermüdet.

Die Platzwunden und ein riesiges, sich während des Verhörs tiefrot färbendes Hämatom auf der rechten Kopfseite zeigen, dass er geschlagen worden war.

Auf seinem erschöpften Gesicht spiegelt sich, dass er von den Erlebnissen des Tages völlig verängstigt ist. Er wirkt geschwächt und ausgebrannt.

Seine unteren Augenlider sind halb zugeschwollen, das Gesicht glänzt vor Schweiß, die Wunden über den Augen sind nicht versorgt.

Er sagt leise mit behauchter Stimme "ich kann nicht mehr."

Sein Mund öffnet sich einen Spalt breit, er schluckt immer wieder... er scheint keinen Blickkontakt mehr zu Stande zu bekommen - aus Übermüdung.

Als der LKAler hereinkommt, gibt dieser dem Verhörten Hoffnung auf ein Ende des offensichtlich schon Stunden andauernden Verhörs mit den Worten:

Es wird nicht lange dauern.

Er führt sich mit einer Samaritergeste ein: er steckt Bock eine angezündete Zigarette zwischen die Lippen.

Der Verhörte zieht ein - zweimal daran, sein Blick geht ins Nichts, er wirkt ratlos, verlassen, vereinzelt, ohne Richtung.

Close up auf das Gesicht der Verhörenden. Der ist in Bestform, ausgeschlafen, sauber, gekämmt, streitbar und lustvoll bei der Sache.

Erzählen Sie noch einmal den Tathergang.

Lederer geht darauf nicht ein, er wiederholt leise: ich kann nicht mehr.

Das Verhör nimmt den üblichen Ablauf, was tat er, wann und wie fand er die Leiche, was tat er dann, warum lief er zuerst in die eine, dann in die andere Richtung?

Er habe sich verlaufen.

Rückblende auf den erzählten Moment.

Im Wald ist Nebel. Der Zuschauer wird Zeuge, dass Bock die Wahrheit gesagt haben kann.

Weiter im Verhör.

Lederer sitzt zusammengesunken auf einem Schemel ohne Lehne. Jetzt, nach den ersten Minuten des Verhörs durch der LKAler scheint er sich zu fassen, zu begreifen wo er ist, was geschieht.

Sein Gesichtsausdruck wechselt nach Verschlossenheit, der Blick sichert kurz mit weissblitzendem Auge zur Seite nach der Gestalt der Verhörers, der ihm einen Moment den Rücken dreht.

Vorher schien Lederer nirgendwo hinzusehen. Renitenz flackert kurz in seinem Blick auf die Verlorenheit weicht einer leisen Verbockheit, er schiebt das Kinn ein wenig vor und presst die Lippen zusammen.

Angst und Renitenz bewegen sich auf schmalem Grat, bis durch den weiteren Druck die Verzweiflung gewinnt.

Weinen drängt sich in diesem Gesicht hoch, die Gefühle schwanken zwischen dem Versuch, das Weinen zu beherrschen und dem Hochdrängen der Tränen.

Der Verhörer reisst den Mann hoch und stößt ihn mit dem Rücken gegen einen Schrank. Die Gesichter sind nur Zentimeter voneinander entfernt.

Lederer hat den Kopf angehoben, die Schultern hoch gezogen, von den Wangen und Oberlippe her breitet sich ein Zittern über das Gesicht des Verhörten.

Wir sind nur einen halben Schritt von den Beiden entfernt, werden mitgerissen in Bocks Angst- seine Verzweiflung und seine hoffnungslose Verzagtheit.

Der Verhörer spielt seinen infamen Trumpf aus. Bei der Leiche wurde ein Rasiermesser gefunden, so eines, wie der Hausierer Bock sie verkauft.

Dabei packt er Bock mit der Hand im Gesicht, dass dieser nicht ausweichen kann.

Lederer sinkt zusammen und gleitet, mit leisem, tränenverzerrtem Weinen am Schrank herab und bleibt in Kauerstellung sitzen.

Jetzt wirkt er wie ein einfacher junger Mann, wie ein Gefolterter, nicht wie ein Triebtäter -

Sie waren im Gefängnis wegen Unzucht mit einer Minderjährigen.

Leise, mehr für sich als für die andern, verwundert fast, sagt er:

am Anfang hat es ihr gefallen.

Er schreit das nicht, er verteidigt sich nicht, er versucht keine Schuldzuschreibung, er sagt es nur ganz leise, mit diesem Hauch an Verwunderung.

Ähnlich wie damals passiert alles jetzt. Eine Foltermaschine dreht ihr steinernes Mahlwerk und Hans scheint nicht zu begreifen, wie das alles passieren kann.

Unschuldig, gefoltert, er spricht in dieser bayerisch redenden Umgebung hochdeutsch, fremd. Seine Stimme wirkt naiv, ganz leise,

Er versucht nichts, kein Lügen, kein Aufbäumen, nichts. Die Passion eines Schuldlosen.

Die Szenerie erinnert immer mehr an ein Passionsgeschehen, ein

Ecce! Ecce! siehe! Siehe ein Mensch.

Schnitt.

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Heino Ferch (im Alter von 32) ... Hans Lederer, genannt „Bock“, Hans Werner Meyer… Kommissar des LKA Steiner; Joachim Król ... Kommissar Matthäus, Kommissar vor Ort; Barbara Rudnik ... Elisabeth, Annemaries Mutter; Axel Milberg ... Mörder Schrott; Michael Mendl ... Bauer Moser, Vater des ermordeten Mädchens; Monica Bleibtreu ... Frau Moser, die Mutter

Kommentar 1:

Das Schicksal des "Bock", Hans Lederer, im Film ist eine Paraphrase auf die Osterpassion.

Kommentar 2:

Hans-Werner Meyer , hier glänzend in der Rolle des brutalen Verhörers, hat wenig später als Verhörer in der Serie "die Cleveren " die Situation noch einmal in der Rolle des Polizeipsychologen Dr. Dominik Born wiederholt. Wieder sitzt ihm ein junger Tatverdächtiger gegenüber. Diese zweite Durchführung der Szene wirkt ein wenig wie eine "Heilung" der Brutalität der hier durchspielten: Dr. Dominik Born tut von allem, was der LKA´ler hier vorführt, das Gegenteil. Er ist aufmerksam, einfühlsam, führt den Jungen behutsam und gibt ihm eine Chance auf Verbesserung seiner Situation.

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