Donnerstag, Juli 31, 2008

Filmszenen I ..wenn Du wüßtest, wo Du hier hingeraten bist...in: Reise hinter den Spiegel. Teil 1. Regie: Wolf Vogel, 1989

Filmszenen I ..wenn Du wüßtest, wo Du hier bist...in: Reise hinter den Spiegel. Regie: Wolf Vogel, 1989

Teaser Film Reise hinter den Spiegel, 1989. Regie: Wolf Vogel

Bildquelle und Bildrechte bei Produktionsgesellschaft und Fernseh-Sender. 1988-89

Die Figuren, die die Handlung dieses Fernsehfilmes vorantreiben, üben extreme, unverständliche Gewalt gegen Schutzlose aus. Wir besprechen den Film, da die Künstleragentur unseres Hauptdarstellers den Film nicht verschweigt.

Um mögliche Mißverständnisse über die Bedeutung der Filmfigur Eddie zu minimieren, werden wir dieses Mal in einem größeren filmhistorischen Zusammenhang einführen und die Filmszenen durch Kommentare unterbrechen. Es wird nicht möglich sein, eine unkommentierte Version einer Szene downzuloaden und deren Bedeutung in negativem Sinne misszuverstehen.

Der Film "Reise hinter den Spiegel" ist im Zusammenhang mit Robert Musils Roman Die Verwirrungen des Zöglings Törleß (1906), der 1966 von Volker Schlöndorff unter dem Titel "Der junge Törleß " verfilmt wurde
und im Zusammenhang mit der Filmfigur "Bock" in "Es geschah am hellichten Tag " (Regie: Nico Hofmann, Produktion: Bernd Eichinger) zu verstehen.

Frühe Filmprojekte Ferchs lassen filmstilistisch einen Anschluß an den "Neuen Deutschen Film ", der sich seinerseits an den französischen Film der Nouvelle Vague anschließt, erkennen.

In der Rolle des Eddie exemplifiziert die Figur einen jungen Täter.

Der Film von Wolf Vogel und die Figur Eddie wollen ein Nachdenken über das Phänomen Gewalt aus Gründen von Xenophobie anregen. Die Figur des jungen Gewalttäters macht sich zum Werkzeug für den Zuschauer, ein solches Nachdenken auszulösen.

Unreflektierte Gewaltverherrlichung ist nicht die Sache des Films und nicht die Sache der Filmfigur Eddie.

Stellt Ferch in Reise hinter den Spiegel einen Täter dar, der zusammen mit seinen Kameraden den Fremdling quält, übernimmt er 1996 die Rolle des Hans Lederer, genannt Bock in der German Classics-Version von Es geschah am hellichten Tag (Regie: Nico Hofmann): Hier wiederholt er fast vollständig spiegelgleich denselben Tathergang in der Rolle des Opfers . S.a. Theorie: Täter - Opfer .

Sogar visuell ist die Identität des Vorgangs in diesen beiden Filmen inszeniert: Hier sehen wir am Ende des Leidensweges von Arpad die Kreuzigungssymbolik des Ohnmächtigen mit beiderseits ausgestreckten Armen, dasselbe Bild wiederholt sich bei "Bock" am Ende des Verhörs, als zwei Polizisten den Bewußtlosen hinausschleppen.

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Im Jahr 2002 wurde die in Reise hinter den Spiegel fiktionalisiert dargestellte Quälerei eines "Untermenschen " bis zu dessen Tod im Dorf Potzlow (Uckermark, Brandenburg) Realität.

Im brandenburgischen Dorf Potzlow wurde im Sommer 2002 der 16-jährige Marinus Schöberl von den neonazistischen Brüdern Marco und Marcel Schönfeld zusammen mit deren Bekannten Sebastian Fink getötet. Schöberl trug blondierte Haare, Hip-Hop-Hosen und stotterte. Für die Täter war dies ein Grund, ihn als „Untermenschen“ und als „nicht lebenswert“ zu verachten. Die Täter hatten ihr Opfer, das zu Marcels Bekanntenkreis gehörte, stundenlang gefoltert – unter den Augen von mindestens drei erwachsenen Potzlowern. Nachdem die drei Schöberl mehrere Stunden misshandelt, ihm Schnaps eingeflößt, ihn geschlagen und auf ihn uriniert hatten, brachten sie ihn in einen nahe gelegenen Schweinestall. Dort forderten sie Marinus Schöberl auf in die Kante eines steinernen Schweinetrogs zu beißen und Marcel sprang – in Nachstellung eines „Bordstein-Kicks“ aus dem Film American History X – mit Sicherheitsschuhen auf Schöberls Kopf. Danach warfen die Brüder noch zweimal einen Stein auf den noch atmenden Jungen und versenkten den später leblosen Körper in der Jauchegrube des Stalls. Quelle: wikipedia.de

Andres Veiel (Black Box BRD ) entwickelte über diese Todesfolter und Mord durch Skins an einem Wehrlosen aus Xenophobie das Theaterstück Der Kick und den Dokumentarfilm Der Kick .

Der Film erhielt zahlreiche Auszeichnungen , unter anderem "Bester Film 2006"

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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 19.04.2007


Als "eindrucksvolles Protokoll einer sozialen Aufmerksamkeit" würdigt Harry Nutt dieses Buch des Filmemachers Andres Veiel über den grausamen Mord von Potzlow.

Er lobt die genauen Recherchen des Autors, die intensive Gespräche mit den Tätern und ihren Angehörigen, aber auch mit den Hinterbliebenen des Opfers, einschließen.


Dass der Autor dennoch auf Probleme wie die Gewaltverherrlichung in Filmen hinweist, findet Mönch in Ordnung, sieht sie in Veiel doch keinen Ankläger, sondern einen gewissenhaften und differenzierenden Chronisten, der bereitstellt, "was der Leser braucht, um sich ein Urteil bilden zu können".


Die Rekonstruktion des Tathergangs enthüllt für Nutt ein "Horrorszenario" aus sozialer Deformation, Hilflosigkeit und Alkoholismus. Dabei hebt er hervor, dass Veiels Darstellung frei von "eindimensionalen" Schlüssen ist.


Mit psychologischen Spekulationen halte sich der Autor weitgehend zurück, um stattdessen Schicht für Schicht in einer dichten Beschreibung die "Scherben eines sozialen Desasters" zusammenzutragen.


Nutt unterstreicht zudem Veiels Ausleuchtung des gesellschaftlichen Hintergrunds, vor dem sich die Tat abspielte: die verdrängte, unbewältigte ins Kriegsjahr 1944 zurückgehende Gewaltgeschichte des Ortes.


Quelle: perlentaucher.de


Informationen zum Buch "Der Kick" auf perlentaucher.de->
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Deutlich wird bei Ferch in den neunziger Jahren, gleich am Beginn der Filmschauspiel-Karriere, der Anspruch, aktuelle, brisante und psychologisch anspruchsvolle Themen zu bearbeiten. Dies im Sinne der Tradition des Oberhausener Manifests des Neuen Deutschen Films.
Heino Ferch war 1996 von Volker Schlöndorff mit der Rolle des Napola - Kommandanten Raufeisen in Schlöndorffs Antinazistischem Film "Der Unhold " besetzt worden .

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