Freitag, September 14, 2007

Filmszenen I “…...to life!.....to death!” in: The Unscarred Teil 5. Heino Ferch – Johann. Regie: Buddy Giovianzzo. 1998-99






Bildquelle und Bildrechte Mercent Entertainment für Arclight Films

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Achtung, Spoiler!!

Die Szene.

Ein Glas, eine Flasche Dom Perignon. Unverkannbar Johanns Hand mit dem breiten goldenen Ehering, dem Symbol jetzt wieder unbedrohter Verbundenheit mit seiner Frau Rafaella. Johann gießt das perlende Nass in eine Champagnerflöte.

Die Kamera fährt zurück. Wir sehen Travis, Rafaella und Johann, wohl gelaunt, entspannt, sie stoßen an.

Travis lächelt: To life!

Johann er lächelt ebenfalls: To death!

Plattenspieler, Musik, sorgloser Hotelbar-Combo Rythmus. Raf und Johann tanzen. Raf sieht sehr glücklich aus.

Es hat geläutet, Travis bringt die Gäste herein.

Es sind:

das totgeglaubte Mädchen und ihr Bruder, der Bartender.

Sie sind gar nicht tot. Sie sind sehr fröhlich und kerngesund.

Man hatte Mickey eine schwarze Komödie vorgespielt.

Das Mädchen: Did he really believe it?

Die Rückblende zeigt uns die visuelle Auflösung des Hörspiels, das Mickey in seinem Schlafraum zwei Tage vorher weckte:

Der Schlag gegen die Balustrade der Galerie, der markerschütternde Schrei aus der Kehle des Mädchens, das berstende Glas des Tisches, Blut überall, das Mädchen tot am Boden – das alles war eine Inszenierung. Gestellt.

Schnelle Bühnenarbeit von Travis, Johann und dem Mädchen. Als Mickey aus seinem Zimmer stürzte, sah er das Endergebnis und ergänzte den Vorgang aus der Imagination.

Jetzt lacht man, ist erleichert. Endlich ist der Vorhang gefallen, der ungeliebte Zuschauer hat das Theater verlassen. Die Bühne des Lebens für Johann, Travis und Rafaella steht bereit für freundlichere Stücke.

Später.

Man feiert schon länger, Travis und das Mädchen spielen miteinander, Johann und der Bartender unterhalten sich. Johann ist schon ein wenig mehr als entspannt, er schwimmt auf dieser Woge weicher Malt-Whiskey-Betäubtheit, die der Welt einen wohlig vernebelten Weichzeichner vorsetzt.

Rafaella bringt den Kaffee. Noch etwas später: Man verabschiedet sich, das Mädchen und ihr Bruder gehen nach Hause.

Travis möchte sich frisch machen. Er nimmt im ersten Stock eine Dusche. Nur ganz schnell, in fünf Minuten ist er wieder da, sagt er zu Johann.

Der Weisswein ist leer, Johann kann der dritten Flasche, die auf dem Cocktailtisch steht, nur noch ein paar Tropfen entlocken. Rafaella sieht das, sie wird in den Keller gehen, um noch eine Flasche heraufzuholen.

Johann ist zwar noch in diesem Shakespear´schen Zustand which provokes the desire, but wine and whiskey already have weakened his ability, größere Strecken zu gehen. Raf geht.

Schnitt.

Wir sehen Travis in der Dusche. Die Kamera fährt langsam näher an ihn heran. Eigenartig. Es sieht irgendwie gefährlich aus.

Schnitt.

Wir bei Rafaella im Keller zwischen den Weinregalen. Es ist dunkel. Schwache Kellerlampen. Raf besieht das Etikett einer Flasche.

Oben.

Johann wundert sich. Wo Raf wohl bleibt?

Er ruft: Raf everything all right down there?

Nein.

Mickey hat Raf gepackt, hält sie von hinten fest und drückt seine Hand auf ihren Mund. Raf kann nicht laut schreien. Mickey geht mit seiner Geisel den Kellergang entlang, zum Aufzug nach oben.

Johann war aufgestanden, um nach Raf zu sehen. Die Aufzugtüren gehen auf. Mickey, seine Geisel von hinten im Klammergriff, steht plötzlich vor Johann. Er geht auf Johann zu, Rafaella hat er an den Haaren gepackt, würgt sie und drückt sie nach unten.

Johann weicht zurück: What are you doin´ there?

Hinter Johann steht ein großer, mit weissem Leder bespannter Hocker, Johann will reden, Mickey brüllt ihn an:

Sit down!

Johann setzt sich nieder.

Mickey will Geld. Cash. Now. Rafaella hält er im Würgegriff fest, fügt ihr Schmerz zu. Sie bekommt kaum Luft, röchelt.

Johann versucht, ruhig zu bleiben:

Let Rafaella go, Mickey.

You are not going to get anything like that.

Mickey zerrt Rafaella durch den Raum

Cash - jewelry, I want it now!

Johann fährt hoch.

Mickey wirft Rafaella Kopf voran auf den Glastisch nieder. Flaschen und Gläser fallen zu Boden. Plötzlich hat Mickey eine Pistole, die Waffe muss auf dem Tisch gelegen sein. Er hält sie Rafaella an die Schläfe.

Er brüllt Johann an: I said sit down!

Johann muss nachgeben, setzt sich wieder.

Geld – sagt er is not here.

Jetzt brüllt Mickey nach Travis. Er dreht sich nach oben: Moore!

Johann versucht einen Trick: He is not here, Mickey! Und: Put the fuckin´gun down.

Mickey ist zu allem entschlossen, nachdem er doch als zweifacher Mörder gilt.

Johann versucht noch einen Haken: They are not dead.

Mickey: What are you talking about?

Johann:

The girl. Anke. She´s not dead. The bartender is not dead. He isn´t even her brother. They´re actors. They´re still alive, Mickey!

Mickey begreift: Shit!!

Johann, nah, beschwörend, wütend:

It was a play. We played to get you out of our lifes.

Mickey halt Raf so am Haar gepackt, dass sie kein Gleichgewicht aufbauen kann. Sie stürzt beinahe. Trotzdem schreit sie.

He´s telling the truth!!

Johann ist wieder vom Sitz hochgefahren. Wieder befiehlt Mickey: Sit down. Ein Warnschuss gibt seinem Befehl Nachdruck. Es knallt ohrenbetäubend, eine Rauchwolke verbreitet sich im Raum.

The next one goes in her fuckin´head.

Mickey halt Rafaella die Pistole an den Kopf.

Johann breitet die Hände aus, mit den Handflächen nach unten, zu einer Come-Down-Geste. Er bewegt sich langsam wie in schwerem Öl, um Mickey aus seiner Erregung herunterzuholen.

Schnitt.

Blick von oben, von der Galerie auf die Situation. Mickey mit seiner Geisel, drei Meter vor ihm Johann, die Hände ausgebreitet.

Close up Mickey, er lächelt.

Focusverschiebung von nah zu fern, an Mickeys Kopf vor bei: Oben auf der Galerie erscheint Travis.

Versteht die Situation.

Fuck!

Erstaunlicherweise packt er schnell eine schwere Eisenholzstatuette und spurtet die Treppen herunter.

Mickey schießt sofort auf Travis, lässt dabei Rafaella los.

Mickey schießt, ein, zwei, drei, vier Mal, er schießt das Magazin leer. Travis rennt weiter auf Mickey zu. Unverwundet. Die Waffe enthielt Platzpatronen. Travis überrennt Mickey, beide stürzen zusammen in den Glastisch. Der zerbirst.

Johann und Rafaella retten sich zur Seite.

Travis, viel größer und schwerer als Mickey, hat keinen allzu schweren Stand, Mickey fast k.o. zu schlagen.

Doch dann bekommt Mickey die Eisenholzstatuette zu fassen und schlägt sie Travis über den Kopf. Johann, der in vollem Tempo herankommt, um sich auf Mickey zu werfen, fällt geradezu frontal in den zweiten Schlag Mickeys, geht zu Boden.

Close Up Mickey. Sein Gesicht ist zerschnitten, Blut läuft aus dem Mundwinkel, er glotzt starr, knallt die Schlagwaffe in die Hausbar. Scherben überall. Wir folgen Mickey, der wutentschlossen auf Rafaella zugeht, sie wieder im Haar packt.

Insert auf ein kleines Jagdmesser. Es ist eines dieser extrem scharfen Klappmesser mit sechsfach geschmiedeter Klinge, die kurz und spitz ist. Travis erwacht, bewegt sich auf das Messer zu. Er schiebt sich über den Boden langsam an die Waffe heran.

Mickey hat ihn gesehen, kommt her, tritt ihn in den Bauch, immer wieder. Travis kniet auf allen Vieren. Der dritte Fußtritt dreht ihn um, er liegt auf dem Rücken.

Johann ist erwacht. Ruft: Raf! Er kann nicht aufstehen, zieht sich über den Boden.

Mickey nimmt die Eisenholzstatuette und geht zu Johann hinüber. Wir fühlen Mickeys Wut. Er will zermalmen, zerstören, rächen. Er wird so hart zuschlagen, dass er mit dem kantigen Gegenstand Johanns Schädel zertrümmern wird. Wir sehen, wie Mickey ausholt.

Schnitt.

Travis:

Er brüllt: Nooo!

Mickey hält tatsächlich ein, dreht sich nach Travis um. Travis schafft es, Mickey wieder zu sich herzubrüllen. Er nimmt Schuld auf sich.

It was me. Leave them alone. I wanted to get rid of you.

Mickey hört nicht mehr, was Travis brüllt.

Travis´ Schreie verhallen, wie weit entfernt, mischen sich mit anderen Stimmen, Schreien aus Mickeys Vergangenheit, wütend - Drohungen.

Mickey scheint unter diesen ohrenbetäubenden Chor innerlich zusammenzubrechen. Er beginnt zu zittern.

Als er mit der Statue in der Hand auf Travis zugeht, spüren wir, er will all diese fordernden wütenden Stimmen seiner Vergangenheit auslöschen, indem er Travis auslöscht.

Im Reflex pakt Travis das Jagdmesser neben sich auf dem Boden und schwingt es in einem weit ausholenden Sensenschwung über Mickeys Körper.

Er hat die Kehle getroffen.

Mickey weicht zurück, Blut pulsiert aus dem Schnitt quer über seiner Kehle.

Er greift danach, Blut quillt zwischen seinen Fingern hervor. Kein Schrei, nur leises Pressen, das Messer hat die Kehle zerschnitten.

Mickey, steht, steht, würgt, fällt auf die Knie. Travis, Johann, Rafaella müssen zusehen, wie Mickey, quälend langsam, blau anläuft, erstickt, fällt.

Blick von oben auf den Schauplatz.

Dort, wo vorher der Tod des Mädchens inszeniert worden war, am Glastisch, liegt jetzt Mickey. So, wie das Mädchen in einer Blutlache lag, liegt jetzt Mickey in seinem Blut. Der rote Fleck unter seinem Körper wird rasch größer.

Mickey ist tot.

Schnitt.

Nacht. Aussen. Am Kanal bei der Fabrik.

Wieder sind die drei am Wasser. Wieder fällt eine verpackte Leiche ins Wasser. Wieder blicken die drei Menschen Mickey nach. Verstört. Erschrocken. Wieder verlässt ein Wagen das betonierte Ufer. Die Rücklichter des Wagens verglühen im Dunkel.

Ende des Films.

1998-99 Heino Ferch (im Alter von 36, gespieltes Alter ca. 40) - Johann, Ornella Muti – Rafaella, Steven Waddington – Travis Moore, James Russo - Mickey Vernon

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Kommentar:

Der Filmplot mit drei überraschenden Kehrtwendungen ist m.E. im Kern hervorragend konstruiert. Die Musik von Rick Giovinazzo gibt dem Film deutliche Färbung, wagt sich aus der Mittellage heraus und versetzt uns in eine kahle kühle Welt. Hervorragend die Untermalung der Showdown Szene am Ufer, als die Drei ihre Abrechnung mit Mickey vorbringen. Die Musik läßt uns Mickeys Herzschlag hören.

Der Subtext-Plot über Johann, seine Frau Raf und den Sohn Alex erzählt unter dem Thriller-Plot eine Geschichte über die Bedrohung von Familienfrieden von aussen -durch Mickey- und von innen-Vertrauensbruch zwischen Partnern; Familiengeheimnis, die Existenz einer wichtigen Tatsache darf nicht thematisiert werden - und seine Folgen.



Kleines unwichtiges „Beiseite“: HF und die Darstellung von Betrunkenheit. – ist fast ein eigenes Kapitel. Alle Schauspieler können gut „betrunken“ spielen, iss ne leichte Übung. Nein. Ist oft ne stereotype Übung. Bei HF natürlich wieder mal nicht. Wie haargenau jede Stufe und jeder Ausdruck verschiedener Grade der alkoholischen Betäubung beobachtet ist, einfach unglaublich.

Es stimmt tausendprozentig bis in kleinste Nebenbewegungen wie die Stellung der Füße, wenn das Hirn keinen Datenhighway mehr dorthin hat. Er ist immer ein bisschen anders, besonders, in der Darstellung – und das in allen Graden, vom leichtesten Hauch nach Genuss eines Gläschens bis zum schon ohnmachtsähnlichen Totalsuff.

Beispiele: Trinkt, bleibt nüchtern: Athos in Die drei Musketiere.

Ganz leicht angesäuselt: Thomas Keller in Hunt for Justice,

Angesäuselt: Johann hier bei der Party.

Akut betrunken: Schliemann vor der Kneipe.

Verstärkende Nachwirkung des Alkohols: Schliemann im Hotelzimmer.

Schnellalkoholisierung mit Kontrollverlust über angemessenes Verhalten: Georg Meier in Kollegen-Feinde.

Totaler Vollsuff mit Gefahr ohnmächtig zu werden. Björn Theodór in Möwengelächter. (Exzellent, ein Feuerwerk!)

Kontrast dazu die Debutdarstellung: konventionelle „Betrunken“-Darstellungen: Müller - KeineAngstvorRotGelbBlau – im Atelier, in der Kneipe (Die Möpse - „Aus dem wird nie ein Deutscher Schäferhund.“) und last not least die

Enthemmung der dunklen Seite: in „Samstags..“

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