Donnerstag, August 10, 2006

...Nichtsein? .. oder: Sein! - Handlungsstrukturen Ferch´scher Filmfiguren

...Nichtsein? .. oder: Sein! - Handlungsstrukturen Ferch´scher Filmfiguren

von: ignazwrobel

Handlungsstrukturen Ferch´scher Figuren in the course of time.

Täter - Opfer, Sad Ending – Happy Ending, Schuld – Sühne:

Ende der Neunziger Jahre ist die Freiheit in der Wahl und Gestaltung der Stoffe wohl aufgrund des nun hohen Bekanntheitsgrades und der großen Publikumsgunst – so weit gewachsen, dass der Darsteller nun offensichtlich die Erzähl-/Regiemacht hat, Handlungsstrukturen seiner Figuren deutlich mitzugestalten. Ein interessanter Vorgang wird jetzt m.E sichtbar.

Eindruck: Der Vergleich von Handlungsmustern von Figuren, die der Darsteller verkörpert hat, lässt projektübergreifend über die Zeit hinweg ein Phänomen erkennen, das so etwas wie Handlungs“korrekturen“ darzustellen scheint.

Täterfiguren früher Projekte sind in der Paraphrase der Handlung, im „Nochmal“ eines (u.U. viel) späteren Projektes, - das natürlich in ganz anderem Setting, anderem thematischen Zusammenhang spielt – aber, und darauf heben wir hier ab: in Bezug auf eine bestimmte Handlung, ein bestimmtes essenzielles Thema, eine identische Handlungsstruktur deutlich wieder erkennbar zeigt, nun Opfer.
Unsere Blickrichtung dreht sich um 180 Grad.Die Täterfigur zog unseren Focus auf den Vorgang der Destruktion, die Opferfigur zieht unseren Focus auf die Auswirkung der Destruktion.

Handlungen, deren Entscheidung in Projekten der Neunziger Jahre zum Tod führten, führen nun, in der Paraphrase, in Projekten nach der Jahrtausendwende, im „Nochmal“, zum Leben; aus Kampf gegen (das Böse, die Anderen, die Feinde) wird Einsatz für (die Gerechtigkeit, das Leben).

Beispiel 1:

Projekt: Deutschlandlied 1996 – Projekt Die Luftbrücke 2005:
Deutschlandlied 1996:Die Frau, mit der die Figur des Protagonisten (Hanno Schmidbauer) verbunden ist, entscheidet sich in „Deutschlandlied“ gegen das Ins-Leben-Treten des (seines) ungeborenen Kindes .
Die Luftbrücke 2005: Die Frau, mit der die Figur des Protagonisten (Philipp Turner) verbunden ist, entscheidet sich in „Die Luftbrücke“ für das Ins-Leben-Treten des (seines) ungeborenen Kindes.

Beispiel 2:

Straight Shooter 1999 – Hunt for Justice 2004:
Straight Shooter 1999:
Die Figur, die der Darsteller verkörpert (Volker Bretz, der Shooter) nimmt Rache an den Schuldigen, funktionalisiert sich als Rächer (und wird dadurch selbst schuldiger Täter), um der Gerechtigkeit zum Durchbruch zu verhelfen. Kurz: Rache für Gerechtigkeit.
Hunt for Justice 2005: Die Figur, die der Darsteller verkörpert (Thomas Keller) funktionalisiert sich als derjenige, der dafür arbeitet, dass die Gerechtigkeit, die ein Gericht (eine objektive Instanz) spricht, verwirklicht werden kann, anstelle von Rache, anstelle von Schlag und Gegenschlag mit Waffen, anstelle von Kriegsfortsetzung. Kurz: Gerechtigkeit statt Rache.

Beispiel 3:

Lucie Aubrac 1997 – Ghetto 2004-2006
Lucie Aubrac: Die Figur, die der Darsteller verkörpert (Klaus Barbie, historischer Beinname "Der Schlächter von Lyon") ist sadistischer Täter.
Ghetto: Die Figur, die der Darsteller verkörpert (Jakob Gens) ist letztlich Opfer.
Hier ist der Vergleichspunkt so offensichtlich, dass wir sogar dieselbe Bildsprache wieder erkennen:

Bild 1 Die Stiefel des Täters neben dem Opfer, das blutüberströmt am Boden liegt

Oben: Raymond Aubrac (Daniel Auteuil) am Boden vor Klaus Barbie (Heino Ferch) in Naziuniform. Unten: Jakob Gens (Heino Ferch) am Boden vor Bruno Kittel (historischer Beiname: "Der Schlächter von Wilna" . Darsteller:Sebastian Hülk) in Naziuniform.

Bild 2: Das blutüberströmte Opfer.

Oben: Raymond Aubrac (Daniel Auteuil), niedergestreckt von Klaus Barbie (Heino Ferch)
Unten: Jakob Gens (Heino Ferch) niedergestreckt von Bruno Kittel (Sebastian Hülk)

Es sieht ein bisschen aus wie Schuld (Lucie Aubrac: Klaus Barbie) und Sühne (Ghetto: Jakob Gens), gelebt von den Figuren des Darstellers im Universum der Filme des Darstellers.

Beispiel 4:

Der Unhold 1996 – Der Untergang 2005

Der Unhold:
Die Figur, die der Darsteller verkörpert (der Napola-Kommandant Raufeisen) führt die Kinder (die Napola-Schützlinge) bei der Verteidigung der Napola-Burg in den Tod,
Der Untergang:
Die Figur, die der Darsteller verkörpert (Albert Speer) zeigt im Zusammenhang des Films eines: die Figur versucht, die Kinder (der Goebbels) vor dem sicheren Tod in der Bunker-Burg zu retten, zum Leben zu führen (durch geheime Flucht).

Ferchs Figuren bewegen sich, ganz besonders nach der Jahrtausendwende, häufig in Richtung Leben.

Ein kleiner, aber ganz entscheidender Unterschied zu „herkömmlichen“ Actionhelden (und hier sehen wir auch den Hauptgrund, der den allfälligen Bruce Willis Vergleich hinken macht: Willis´ Figuren ballern standardmäßig unhinterfragt im Dauerfeuer ihrer Bleispritze alle nieder, die bei drei nicht auf den Bäumen sind):

Diese Actionhelden sind gegen das Böse und führen einen gewalttägigen Kampf gegen die Feinde, das Böse, die Anderen.
Ferchs Figuren/Helden bewegen sich in Richtung „Gutes“. Sie streben nicht gegen den Tod, sondern setzen sich ein für das Leben.

Dieses Argument kommentiert ein Zitat, das unser Weblog in "Credits" überspannt:
Leo Tolstoi (1828 – 1910) in “Krieg und Frieden“.
"The most difficult thing - but an essential one – is to love Life, to love it even while one suffers, because Life is all. Life is God and to love Life means to love God. "
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"Sag´nich: ich liebe Dich – tu´s einfach. " Charlotte Mühlhausen zu ihrem Mann Michael in: Das Konto.

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