Donnerstag, August 10, 2006

Ghetto - Heino Ferch als Jakob Gens - Teil 1B - Kommentar

Ghetto - Heino Ferch als Jakob Gens - Teil 1B - Kommentar

von: ignazwrobel


"...Feuer!"

Was muss ein Mensch fühlen, der soweit geht, den Befehl zum Auslöschen seines eigenen Lebens selbst abzugeben. Welchen immensen Druck muss ein Mensch fühlen, dass für ihn der finale Schuß Erlösung ist, dass das Vorgehen, vor dem eigenen Leben selbst den Schlußvorhang zu senken, Erleichterung bedeutet.

„Deshalb bin ich mehr der Mann fürs Dramatische oder der Mann mit Druck von allen Seiten...“ Heino Ferch zum Thema Genres in einem Interview für BestLife im Feb. 2005.

So wie das hier aussieht, ist die Rolle ein filmbiografischer Höhepunkt für diese Art Figur mit „Druck von allen Seiten“. Das Kräftefeld widersprechender Interessen ist äußerlich und innerlich so stark, dass es tötet.

(s.a. der Anwalt und sein Gast Schlußszene)

"My life is finished."

Natürlich ist ein extrem berührender Höhepunkt der Figur der Moment, in dem Gens sich selbst erschießen will.
Die rau brechende Stimme, die kleinen Bewegungen des Körpers, die wirken wie minimale Schaukelbewegungen, die den Mann zwischen Ja und Nein, zwischen Abdrücken und Nicht-Abdrücken hin- und herzerren, die seinen Herzschlag spiegeln, Bewegungen, die fast nicht vorhanden sind und weil sie es doch sind, so tief treffen,
die uns sagen, es geht um Sekundenbruchteile, der Mann wird abdrücken.
Die Ahnung von Trauer und untröstlichem Schmerz auf der Licht-Schattengrenze der Augenbrauen,- nur dort, wir sehen die Augen nicht, sie liegen im Dunkeln.

Das Aufflammen des Willens und der Angst vor dem furchtbaren Schmerz, den er in nächsten Sekunde fühlen muss, als er sich entschließt, abzudrücken – und der Moment, in dem die Frau ihren Kopf gegen den seinen presst- mitten in den Schusskanal – die völlige Unvorhersagbarkeit, ob uns die nächste Sekunde zwei tote Menschen zeigen wird, die zu Boden sinken, oder….

Es beginnt schon vorher, als die welken Herbstblätter über den Boden wehen, etwas wegwehen, verwehen, ein Topos des Vergänglichen, Vergangenen, Begrabenen, ..wer jetzt kein Haus hat, …Blätter fallen, fallen wie von weit…. Und sich am Spielzeug des todgeweihten Kindes verfangen, der Stoffbär, der bei der Abtransportaktion am Boden liegengeblieben ist…

Ja…
„The Germans wanted two thousand I gave them fourhundredsixty old and sick people..“
„..yes yes go away wash your hands clean..go go save your sad souls…you survive you´ll say we´ve kept our conscious spotless clean…“

aber die Erwiderung von Gens auf die Vorwürfe der Ghettobewohner, -der Monolog- , ist m.e. ein zweiter darstellerischer Höhepunkt, unglaublich intensiv für die nahsichtige Filmkamera umgesetzt. Meine Güte.

Wie sich aus der lauten Empörung heraus die Verbitterung des Mannes mehr und mehr Bahn bricht, während er zuerst schreit, dann immer leiser wird, spricht, zuletzt rau belegt fast flüstert, eine tiefe Bitternis, die so sehr trifft, weil er so sehr betroffen ist, weil wir in seinem Herzen kein Staubkorn von Hass fühlen, er haßt nicht, er ist nur verbittert, das fordert uns auf, uns zu schämen.

Wir haben nicht die Möglichkeit, einen Hassenden gegenzuhassen, denn da ist nichts in der Art. Da ist zutiefstes Getroffensein. Der Mann wirkt rau, wütend, bitter - und dann der Tränenglanz in den Augen.

„To lead some to freedom I had to lead others to death.“

Kein Selbstmitleid, er heult nicht.

„It was my choice.“

Auch hier bekommen wir keine Möglichkeit, ihn zu disqualifizieren. Keine Träne kippt über die Lidränder, kein Weichling, der in Selbstmitleid zerfließt.

Und diese immer rauer werdende Stimme, die aus lautem wütenden Schreien immer mehr in Tonlosigkeit gleitet, dann das verächtliche Aufschnaufen

„A clean conscience for Jakob Gens? Well, I couldn´afford it.“
Packend. Es ist wie ein unerwarteter Dammbruch. Spätestens ab jetzt müssen wir für ihn, mit ihm fühlen.

Es wird uns weh tun, wenn wenig später Kittel ihm die Pistole an den Hinterkopf halten wird, es wird uns das Blut aus dem Gesicht pressen, wenn wir mit ihm, dem Todgeweihten, seine letzten Minuten erleben müssen, er muss mitspielen bis zur letzten Sekunde, es muss still dasitzen und die letzte Vorstellung der Schauspieler mitansehen, während Kittel neben ihm ausgelassen fröhlich lacht und ihn in die Rippen stößt, er solle doch mitlachen, -wie absurd, grotesk-,


wir werden traurig sein, als Kittels Stiefel seinen toten Körper umdreht und wir die milchigweißen Glanzlichter der leblosen Augen sehen.

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zur Darstellung:


















Chapeau.