Donnerstag, August 10, 2006

"...Fire!" Heino Ferch als Jakob Gens in: Ghetto. Teil 1A Regie: Audrius Juzenas, Buch: Josuah Sobol, Germany Lithuania 2004-2005/06

"...Fire!" Heino Ferch als Jakob Gens in: Ghetto. Teil 1A Regie: Audrius Juzenas, Buch: Josuah Sobol, Germany Lithuania 2004-2005/06

Bildquelle und alle Bildrechte bei Stardust-Filmverleih Download Filmheft als .pdf (dauert ein paar Sekunden)

".....Fire!!!"

Im Zuschauerraum des Theaters.

Halbdunkel.

Alle Saal- und Bühnenlichter sind ausgeschaltet, stahlblaues Tageslicht strömt durch die offenen Seitentüren ein. Kittel hat den Befehl gegeben, die gesamte Schauspielermannschaft auf der Bühne antreten zu lassen.

Jetzt wartet er im Zuschauerraum. Gens ist bei ihm.

Gens, Kittel, Kittels Adjutanten:

Die beiden haben Haltung angenommen und warten auf Kittels Befehle.

Kittel zu Gens:

Look at those two Clowns. They follow me wherever I go.

Kittel lächelt Gens an.

Dann, hart, zu den beiden:

Close the curtain an stay behind it.

Die beiden salutieren und verschwinden. Gens wirft ihnen unauffällig einen lauernd angstvollen Blick nach. Er wirkt wie ein Mann, der unkonkrete Todesangst hat.

Er erwartet alles, das Schlimmste. Kittel fixiert ihn, er steht einen Schritt hinter Gens. Gens fühlt den Blick, ist nervös. Kittel tritt neben ihn. Gens folgt zögernd der nonverbalen Aufforderung Kittels, ihn anzusehen.

Kittel:

Now to more serious matters.

Wir hören das weiche Rauschen einer großen Stoffbahn und verstehen, dass Kittel und Gens am Bühnenrand standen. Der Vorhang fällt direkt vor uns und löscht den letzten Lichtstrahl.

Schnitt Totale.

Zwei schwarze Silhouetten gehen am Rand des Zuschauerraums an den hellen Türausschnitten vorbei, Kittel voraus, Gens folgt mit Abstand. Kittel deutet in eine Sitzreihe. Wir sehen nur seinen Arm im Gegenlicht. Gens folgt zögernd der Aufforderung und setzt sich.

Schnitt. Gens und Kittel im Close up.

Kittel beugt sich vor:

You are invited to the Gestapo.

This afternoon at four o´clock.

Gens zeigt kein Erschrecken. Er wendet sich zu Kittel

What´s on the agenda?

Close up Gens. Ernst. Ruhig. Er blickt Kittel in die Augen.

Kittel:

You. One: An armed underground was organized in the Ghetto. With your consent.

Bildquelle und alle Bildrechte bei Stardust-Filmverleih


Gens sieht zu Boden, blickt weg. Wir sehen ihn im Profil. Er hört zu. Ab sofort weiß er, er ist Todeskandidat. Seine verbleibenden Lebens-Stunden sind an den Fingern zweier Hände abzählbar.

Kurz hatte er in den vergangenen Tagen die Hoffnung auf Rettung gehabt, die Front ist nur noch 200 km entfernt. Die Anklage jetzt bedeutet Standgericht.

Kittel

Two: You allowed contacts between them and the partisans in the forest.

Three: You volunteerted to organise transports of people to the council[?] of Estonia because you wanted us to stay out of the Ghetto to avoid an open clash between your underground and our forces.

Four: thus you saved four hundred of your bandits and covered their exitus to the forests.
Conclusion:

You deceived us deliberately.

Gens hat während der Anklagerede weggesehen.

Während Kittel spricht, fasst er sich immer mehr. Die Angst verläßt seine Züge. Sein Gesicht nimmt einen konzentrierten Ausdruck an, hart, bewusst, wach. Er weiß, die Anklage reicht für eine sofortige Exekution. Jetzt sieht er Kittel in die Augen. Leiser Hass härtet seinen Blick. Nach einer Sekunde:

Exactly.

Kittel hat die Antwort nicht erwartet. Überrascht:

Exactly?!

Is that all you´ve got to say?

Gens:

Yes.

Wir sind so dicht vor ihm, dass unser Atemhauch ihn streifen würde. Er dreht den Kopf weg, senkt den Blick. Die Oberlippe spannt sich.

Das Gesicht hat diesen Ausdruck angenommen, der uns zeigt, dass da ein Mensch alle Waffen gestreckt hat, sich in die Situation ergeben hat. Es ist eine gefasste Traurigkeit, die nur noch eines erwartet: das Ende.

Kittel:

You´ve got six hours to vanish..... Go!

Gens dreht sich zu Kittel. Er deutet ein sarkastisches Lächeln an. Seine Trauer ist plötzlich so vollständig weggewischt, dass wir glauben, uns gerade geirrt zu haben.

To give you an excusion to finish off the last ten thousand jews of the Ghetto?

Hart:

No.

Wie ein Sieger:

Think.

Gens steht mit einer schnellen Bewegung auf und verlässt die Stuhlreihe. Er geht zwei Schritte.
Kittel, ihm nach:

If you prefer to die [?by another hand], I´ll do it for you.

Gens zieht sofort seine Dienstpistole aus dem Gürtelhalfter, packt sie am Griff, hält sie Kittel hin: Sarkastisch:

I couldn´t care less.

Kittel fährt hoch, packt die Waffe, lädt durch und...

...setzt sie Gens an den Hinterkopf. Gens erstarrt in der Bewegung. Schwarze Augen. Angst. Er lauscht nach hinten. Der Knall. Jetzt.

Jetzt.

-

Schnitt. Der Bühnenvorhang.

Dessler lugt aus den Falten hervor: The actors are ready.
Schnitt auf Kittel und Gens.

Gens lauscht immer noch nach Kittel.

Gens plötzlich, laut:

Fire!!!

Er selbst hat Kittel den Befehl gegeben, abzudrücken. Er rechnet damit, dass ein Soldat aus Gewohnheit, aus soldatischer Gewohnheit und eingedrillter Militärdisziplin sozusagen unterbewusst auf den Befehl Fire! mit dem Abdrücken des Triggers reagiert.

Kittel hat sich im Griff. Er drückt nicht ab. Süffisant:

Pleasure before business.

Er nimmt die Waffe weg, wir hören das Einschnappen der Abzugssicherung.

Gens´ Golgatha beginnt.

Er weiß, er ist tot. Aber er darf nicht sofort gehen. Er muss auf das Aus warten, er muss die Todesangst durchstehen, das Gefühl durchstehen, dass sein Blut wie flüssiges Blei durch seine Adern rinnt, dass sein Schädel dröhnt und dröhnt und das Prickeln der Todesangst über seine Gesichtshaut gleitet.

Er muss fühlen, wie der bittere Geschmack der Furcht seinen Rachen weitet, wie das Blut aus den Händen weicht, wie der Felsblock auf seiner Brust den Atem abdrückt, wie seine Muskeln erstarren.

Das sehen wir in den nächsten Minuten.

Einen Kittel, der sich während der Theateraufführung köstlich amüsiert, unbeschwert lacht und Gens vertraulich in die Rippen stößt, er solle doch mitlachen.

Bildquelle und alle Bildrechte bei Stardust-Filmverleih

Gens sitzt daneben, lebt noch und ist doch schon wie tot, aschfahl, starr, eingefroren, wachsbleich, totengrau.


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2004-2006 Heino Ferch - Jakob Gens, Sebastian Hülk - Kittel, Erika Maroszan - Die Sängerin Haya, Jörk Lamprecht - Dessler, Vytautas Sapranauskas - Weisskopf, die ganz exzellente Musik(dramaturige), die sehr viel zur eindrucksvollen Wirkung des Films beiträgt, ist von: Anatolijus Senderovas.

Porträt des historischen Jakob Gens: