Donnerstag, September 08, 2005

Sturmbannführer Rauffeisen (Heino Ferch) - Porträt Teil 1. aus: Der Unhold, Regie: Volker Schlöndorff, Drehbuch: Voker Schlöndorff, Rainer Simon, 1996









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Sturmbannführer Rauffeisen (Heino Ferch) - Porträt Teil 1. aus: Der Unhold, Regie: Volker Schlöndorff, Drehbuch: Voker Schlöndorff, Rainer Simon, 1996



Text: ignazwrobel

Der Unhold, Regie Volker Schlöndorff., 1996

Der Unhold ist eine Entwicklungsgeschichte, ähnlich des „Grimmelshausen“.

Ein naiver Mann namens Abel, verkörpert von John Malkovich, erlebt in einer Napola, einer nationalpolitischen Erziehungsanstalt, also einer Kaderschmiede für die kommende Führungselite eines erwarteten 1000jährigen Reiches, die Ereignisse bis zur Katastrophe.

Abel hat die Aufgabe, Kinder aus der Umgebung für die Napola zu rekrutieren, die Bevölkerung nennt ihn Unhold, der ihre Kinder stiehlt.

In der Person des Napola-Leiters Rauffeisen ist die nazionalsozialistische Identifikation eines vollständig im Geiste der Naziideologie Herangewachsenen dargestellt.

Schlöndorff:

„..(der) sympathische Aufsteiger Rauffeisen, den Heino Ferch hier so wunderbar porträtiert.“


Rauffeisen – ein Porträt in Szenen:

Teil 1 Entwicklung bis zum Glücksumschwung:

Vorgeschichte:

Rauffeisen ist der Leiter der Napola in einer phantastisch märchenhaften Deutschherren-Ritterburg.

Kommentar: Die Interpretation Rauffeisens.

Was die Interpretation aussergewöhnlich erscheinen läßt, ist die menschliche Dimension, die dieser junge Napola-Kommandant zunächst mitbringt.

Nazischergen werden in der Regel als autoritäre Charaktere mit versteinerten Minen und unterbrochenem Kontakt zu positiven Segmenten des eigenen Gefühlslebens porträtiert.

Rauffeisen wirkt intelligent, mit einem gesunden wachen Gefühlsleben ausgestattet, emotional unverkrüppelt, aber völlig, hundertprozentig überzeugt von der Richtigkeit der Absichten des 3. Reiches.


1. Szene:

Das Motiv ist eine echte Ritterburg, die Marienburg, Gründerburg des Deutschritterordens.

Gotischer Rempter, offensichtlich hoch über dem Tal, Masswerk, Säulen, Steinfussboden, der Saal atmet Tradition und Geschichte.Abel wird in der Napola Burgrauffeisen vorgeführt.

Rauffeisen winkt ihn herbei, lächelt erstaunt amüsiert über den Aufzug Abels.

Eindruck Rauffeisen: Gut gelaunt, frisch rasiert, Haare streng ss-mäßig geschnitten. SS-Zeichen auf den Kragenspiegeln, Totenkopf auf dem Schreibtisch.

Rauffeisen hält eine Dokument in den Händen. Hinterfangen von Hohem Holzstuhl, überkopfhohe Lehne als Imperiales Signal, oben prangt vergoldet das Hakenkreuz im Eichenlaubkranz.

Auf dem Tisch vor ihm eine geflügelte Karyatide, vergoldet, Teil eines teilvergoldeten Bronze-Marmor Schreibsets (typische Materialien des 1000jährigen Reichs – unvergänglicher Marmor, Bronze), die Schirmmütze auf dem Tisch.

Wir stehen hinter Abel auf Augenhöhe des sitzenden Rauffeisen und beobachten dessen amüsierte Verwunderung über den Aufzug des Neuankömmlings.

Extrem auffallend die Exaktheit, die Makellosigkeit des Napola-Führers.

Uniform, silberglänzende SS-Runen am Kragenspiegel, scharf rasiert, scharf seitengescheitelt, das Kopfhaar so unbarmherzig an den Schläfen abgeschoren, dass der Kopf etwas Nacktes hat.

Auffallend auch die schimmernd strahlende Haut Rauffeisens, die seiner guten Laune noch etwa Strahlenderes hinzufügt.

Rauffeisen steht amüsiert lächelnd auf.

Dabei gleitet mit der Aufwärtsbewegung noch einmal sein Blick von unten nach oben auf Abels eigenartig abgerissenen Aufzug. Close up auf Rauffeisens Gesicht.

Jetzt haben wir Gelegenheit, den Napola-Chef genau anzusehen.

Markante Nase, gehobener Kopf, strahlt er Perfektion aus.

Noch gibt ihm seine junges Alter einen Hauch von jugendlichem Schmelz, trotz der Diszipliniertheit, die er verkörpert.

Gegenschuss auf Abel, der ist unrasiert, das Gesicht faltig, die Haare ungekämmt, eine Behelfsbrille wie die Brille aus „Draussen vor derTür“ mit Gummis an den Ohren fixiert, verständnisloser Bilck.

Der Gegensatz der beiden Männer wird schnittechnisch mit Schuss und Gegenschuß extrem prononciert. Das Aussehen des einen steigert das des anderen. Uniform passt nicht, Kragen zu weit, ratloses Gesicht.

Halbtotale wir gehen mit beiden Männern zur Wand mit der Schautafel. Während des Gehens haben wir Gelegenheit, den Körper Rauffeisens zur Gänze zu sehen.

Diszplinierte Körperhaltung, perfekt sitzende Uniform, die Hände kurz wohlgesittet übereinandergelegt, dann beginnt er zu deuten auf die Hierarchiezeichen an der Schautafel ..

Close up Oberkörper Rauffeisen.

Zuerst hält er die Hände auf dem Rücken verschränkt, gelassen, aber ganz Disziplin in Fleisch und Blut übergegangen, dann deutet er erläuternd auf eine Stelle der Tafel.

Er macht eine langsam freundlich unagressive Geste quer über die Tafel , deutet mit offener Handfläche und zwei gestreckten Fingern auf eines der dort aufgeführten Rangabzeichen.

Durch die Art seiner Geste erlaubt er einen Blick auf seine Handinnenfläche, Zeichen von Offenheit.

Der ganze Impetus macht uns damit bekannt, dass hier der befehlshabende Hausherr gutgelaunt, weil an der Macht, spricht.

Rauffeisen fährt mit seinen Erklärungen fort.

Dazwischen Close Ups auf das geradezu entsetzt verständnislose Gesicht Abels..

Dieser versucht, die Hierarchieabzeichen zu verstehen.


2. Szene,

Ein gotischer Rempter, riesig mit grandiosem Masswerk, gefüllt mit braunbeuniformten Knaben, hellgrau-goldbraun das ganze Szenenbild. Auftritt Rauffeisen.

Alle Knaben stehen. Schnitt auf den Tisch der Chefs. Auch die stehen alle und blicken nach unten vor sich hin, Zeichen der Untergebenheit.

Halbtotale auf das Kopfende des Führertisches. Im Hintergrund eine riesige Grabsteintafel, ein Epitaph mit einem lebensgroßen Totenkopf-Relief. Ein Memento Mori , das im Verlauf des Films noch entsetzliche Bedeutung annehmen wird.

Jetzt und hier in dieser Szene wirkt der Totenkopf wie das Motto des Napola-Kommandanten Rauffeisen, der von rechts in Bild tritt, um sich an seinen Eßplatz am Kopf des Tisches zu begeben, sein wird.

Seine Schirmmütze reicht er mit ausgestrecktem Arm einer Knabenordonnanz , der zweite hohe Offizier, der Menschenbegutachter Professor Blättchen tritt ins Bild, Rauffeisen bittet ihn mit einer Höflichkeitsgeste auf dem letzten freien Stuhl zu seiner Rechten, mit einem Wort stellt Rauffeisen den Neuankömmling vor, Professor Blättchen, meine Herren, dann der explizit ausgesprochene Befehl Rauffeisen mit lässiger Geste, eine Hand in der Hosentasche:


...setzen!

Sein „Setzen“ löst eine Reaktion im ganzen Saal aus. Hunderte von Menschen folgen augenblicklich und setzen sich.

Spätestens jetzt haben wir die totale Macht Rauffeisens über dieses kleine Universum hier verstanden.

Servietten werden entfaltet-

Die Kamera führt uns die langen Esstafeln entlang, dicht an dicht mit SS-Uniformierten Knaben besetzt, typische Geschirr- und Besteckgeräusche eines Internatsspeisesaals: die Welt ist in Ordnung.
Abel teilt zusammen mit Frau und anderen Knaben das Essen aus, man sieht, dass er beliebt ist bei den Kindern.


3. Szene:

Abel hat Kinder in der Umgebung rekrutiert und fährt sie auf einem offenen Pferdewagen zur Burg.

Wir sehen den Wagentross wie in einem Märchen die Backsteinbrücke zur Burg überfahren, das Burgtor ist phantastisch geschmückt mit zwei riesigen Männer­karyatiden, die an langen Stangen große SS Fahnen halten.

Burghof, die Kindersteigen aus.

Ertüchtigungsübungen rundherum aller Napolajungs sind im Gang, alle in Formation, exerzieren, die Kinder und Knaben, teils mit nackten Oberkörpern mit Turngeräten in der offensichtlich angenehm warmen Sonne.

Rauffeisen ist dabei, mitten unter ihnen, leitet die Ertüchtigung an, (Schnell wie die Windhunde, hart wie Kruppstahl und zäh wie Sohlenleder soll das Menschenmaterial werden. )

Die Stimmung ist entspannt, Rauffeisen hat die Uniformjacke abgelegt, es herrscht eine friedlich sonnige geschäftige Stimmmung in Burghof, er hat, obwohl im Unterhemd mit Hosenträgern, nicht auf seine Schirmmütze mit dem Totenkopf-Abzeichen verzichtet, trägt eine kleine Sonnenbrille mit runden Gläsern.

Er begrüßt die Neuen zuerst mit hackenknallendem armhochreissendem Heil, dann wird er persönlicher, gibt jedem Kind die Hand und sagt willkommen.

Mit diesem Auftritt demonstriert er sich selbst als Endprodukt der Nazideologie vom stählernen Deutschen Arier.

Von den Körperübungen sind die Muskeln noch angeschwollen, deutlich sichtbare Adern ziehen sich über Arme, Hals und Nacken, der blankgeschorene Nacken mit der Militärmütze wirken extrem martialisch, einschüchternd und steht im krassen Gegensatz zum leutseligen kinderfreundlichen Ton Rauffeisens.

Seine Männlichkeit unterstreicht er durch das Rauchen einer Zigarre, die er während der Begrüßung in die linke Hand gewechselt hat.

Seine Figur ruft genau das hervor, was die SS Ideologie wünschte, Faszination über die Ausstrahlung körperlicher Stärke und Härte, Entschlusskraft, man sieht , dass die Knaben ihn ehrfurchtsvoll aber auch begeistert anschauen. Er wirkt einschüchternd blankpoliert sauber, wie eine Arno Breker Bronzestatue.

Jetzt nimmt er sich nochmal den naiven, einen halben Kopf größeren Abel vor.

Er stellt sich extrem dicht neben ihn und guckt ihm lächelnd, ins Gesicht, Dieses Lächeln oszilliert zwischen Jovialität und Zähnefletschen.

Du magst die jungs stimmts?

Der antwortet naiv und schüchtern

ja.

Wieder wird Körperlichkeit gegen Körperlichkeit ausgespielt.

Abel ist wesentlich wuchtiger gebaut als Rauffeisen, trotzdem wirkt er gegen die Ausstrahlung machtfreudiger Überlegenheit Rauffeisens schwächlich und schmal.

Ja und die Jungs mögen dich!

Rauffeisen macht Abel zu seinem Werkzeug.

Close up auf die beiden Gesichter. Abel wirkt naiv hingegeben freundlich, beflissen.. Rauffeisens Lächeln ist gespielte Freundlichkeit, das Herrscherabzeichen Schirmmütze, die scharfe Rasur, glatte Wangen, ein glattes Lächeln, wirkt unsympathisch und faszinierend zugleicht.

Wir haben diese prachtvolle Schule.

Die Leute aus der Umgebung verstecken die Kinder vor uns. Ich möchte, dass du uns hilfst Abel.
Schnitt auf Rauffeisen, er kommt uns frontal entgegen, wir sehen seine Kopf und die Schultern, einschüchternd durchtrainierte Schultern.

Abel hängt ergeben an Rauffeisens Gesicht.

Abels Gesicht spiegelt, dass er zu begreifen versucht, was Rauffeisen von ihm will.

Während dieser spricht, macht er kleine kurze abgehackte verächtliche mimische Bewegungen, er schnauft blitzschnell in einer winzigen verächtlichen Schnauber aus, „sie wollen nicht, dass die Kinder unsere Schule besuchen, sie verstecken sie sogar vor uns, -

....er zieht dazwischen wieder mit ebensolchen kurzen blitzlichtartig knappen Bewegungen an der Zigarre. All das erweckt den Eindruck von Gefährlichkeit.

Wieder erhöht eine zweite Figur die Wirkung der ersten.

Die freundliche runde Haushälterin kommt ins Spiel und spricht zu Abel.

Ihre Sanftheit verstärkt die harte Wirkung Rauffeisens. Wieder kommt Rauffeisen zurück, ich vertraue auf dich Abel.

Nahaufnahme des Gesichts von Rauffeisen.

Abel läßt sich darauf ein, die Kinder zu bringen.

Schnitt.

Szenenende.

Subjektiver Kommentar von Abel.

Wie er dazu steht.

Dieser mit sanfter Stimme gesprochene ich Kommentar läßt Rauffeisen im Nachklang noch einmal härter und brutaler wirken.

Abel holt die Kinder auf einem Schwarzen Pferd mit einem weiten Mantel bekleidet, von Jagdhunden begleitet, wie ein märchenhafter Ritter. Er läßt die Kinder vor sich aufsitzen.


Bilder zum Film

Biografie Volker Schlöndorff

1996 Heino Ferch - Obersturmbannführer Rauffeisen, John Malcovich - Abel, Frau Netta, Haushälterin - Marianne Sägebrecht.