"...für Dich!" in: Deutschlandlied. Porträt Hanno Teil 3. Regie: Tom Toelle, Buch: Peter Märthesheimer, 1994-95 . Hanno - Heino Ferch
Text: ignazwrobel
"...für Dich!"
Szene
Revierausbau – an allen Fronten:
(Info: Hanno scheint jünger zu sein als Lisa, vielleicht fünf Jahre.)
Hanno, der Kindskopf, hatte doch tatsächlich das Ofenrohr bei den Flüchtlingen in der Werkstatt verstopft, um sie zu ärgern, eventuell sogar zu vertreiben. Lisa kommt wütend die Treppe in die Wohnung hochgerannt.
Wer hat das Ofenrohr verstopft?
Hanno läßt sich Zeit, er schmirgelt seelenruhig an seinem Werkstück herum.
Im Sommer macht man keinen Ofen an, antwortet er patzig.
Lisa muss seinen Expansionsdrang immer wieder bremsen.
Was bildest Du Dir ein – in diesem Hause ist immer noch Dein Bruder der Herr!
Hanno kindisch bockig:
Und ich das Arschloch – wie immer!
Lisa: Kannst Du nicht warten! Mußt Du dir immer alles nehmen?
Die Stadt will im Ex-Arbeitslager von Königsbruck ein Mahnmal bauen für die Opfer des Regimes.
Hanno sieht messerscharf seine Chance, er bietet an, das Mahnmal direkt im Lager zu errichten, aus Holz natürlich. Sein Plan ist, aus dem Abfallholz des Mahnmals seine ersten Möbel zu bauen und so den Grundstein für eine geschäftliche Zukunft zu legen.
Hanno wird seine Werkstatt in einer Lagerbaracke einrichten dürfen und sogar gegen Holzdiebstahl Wachhunde gestellt bekommen.
Die Szene
Bedrückende Unsicherheit – Zukunft mit Hanno - oder mit Theo? Wer wird der Verlierer sein?
In Schmidbauers Wohnküche, Lisa trägt ihren roten Morgenmantel, es ist später Abend.
Hanno ist noch angekleidet, kurzärmliges enges Hemd aus dünnem Stoff, seine alte Hosenträger-Hose.
Hanno und Schreinermeister Opa Peisener, der nach einer klärenden Aussprache jetzt unter Hannos persönlichem Schutz steht, haben Entwürfe für das Mahnmal gezeichnet und an die Wand gepinnt.
Dafür haben sie die Bilder von Theo, Lisas vermisstem Mann, abgenommen, die vorher dort über dem Herd hingen.
Die Bilder zeigten Montgolfieren und symbolisieren Theos großen Traum: einen Heissluftballon zu bauen und damit zu fliegen. Die Bilder sind für Lisa Erinnnerung und Hoffnungsanker für eine Rückkehr ihres Gatten.
Lisa nimmt Hannos Zeichnungen ärgerlich und schnell ab.
Hanno:
Vorsicht, das sind Entwürfe!
Blätter flattern zu Boden, Lisa, läßt die von der Wand genommenen Zeichnungen einfach fallen.
Lisa:
Deswegen müssen sie nicht ausgerechnet da hängen.
Hanno bückt sich aufgeregt nach den Blättern und hebt sie auf.
Die anderen Zeichnungen nimmt er mit Lisa gemeinsam ab, um ihr dabei zuvorzukommen, noch mehr davon zu Boden zu werfen.
Wir stehen in Hannos Rücken, so dicht hinter ihm, dass wir ihm die Hand auf die Schulter legen könnten.
Die Kamera folgt Hanno, der noch einmal begeistert seine Entwürfe durchschaut.
Kombimöbel, Lisa, Kombimöbel!
Mit dem Rest von dem Denkmal also verstehst Du mit dem Rest von dem Holz von dem Denkmal…
Lisa hat einen Stuhl herangeholt und ist darauf gestiegen, um die Montgolfieren-Bilder wieder aufzuhängen, sie putzt die Verglasungen sorgfältig und liebevoll ab. Hanno steht nahe bei ihr, begeistert.
Er blickt zu ihr auf, sein Kopf ist auf ihrer Taillenhöhe. Er sagt:
Damit bauen wir unsere Zukunft. Ja!
Lisa hängt schweigend weiter die Bilder auf. Sie will ja gar keine Zukunft mit Hanno, sondern mit Theo, dessen Andenken sie gerade wieder an ihren Platz zurückhängt. Trotzdem ist sie von Hanno schwanger. Sie verschweigt Hanno diese Tatsache.
Als Lisa gar nicht reagiert, dreht sich Hanno enttäuscht weg, ein bißchen, wie ein kleiner Junge.
Ja , wenn Dich das nicht interessiert….!
Lisa fasst Hanno an der Schulter.
Hanno hat auf ein solches Zeichen gewartet, er reagiert sofort, dreht sich fast blitzartig wieder zu ihr hin und blickt ihr ins Gesicht.
Lisa von oben von ihrer Stuhlhöhe herab:
Ich will nur nicht, dass Du ohne mich zu fragen, Bilder von der Wand nimmst.
Hanno und Lisa starren sich erregt an, Hanno bockig, Lisa wie eine tadelnde Mama.
Lisa nimmt der Situation die Härte durch eine versöhnliche Geste.
Sie streicht ihm wie eine fürsorgliche Mutter das Haar aus der Stim. Dann steigt sie vom Stuhl und drängt sich an ihm vorbei ohne ihn noch einmal zu berühren. Hanno steht wieder allein.
Sie blickt sich nach ihm um.
Er steht starr und betreten da, den Rücken zu ihr.
Die Kamera fährt näher an ihn heran. Er senkt den Blick, wirkt resigniert, immer trauriger, jetzt sehen seine Züge fast aus wie die eines Menschen, der innerlich weint.
Er schaut mit einem kleinen Seitenblick – der ein wenig ratlos und hilflos wirkt, ins Nichts. Der kleine Ferch-Blick der Ratlosigkeit in nuce.
Er wirkt einen winzigen Moment lang so hilflos der Situation gegenüber.
Dann atmet er tief ein, er geht zur Kommode. Die Kamera folgt ihm nahe, dass wir nur seinen Oberkörper sehen können. Wenn Hanno sehr langsam geht, verebbt sein Hinken soweit, dass wir es fast vergessen.
Hanno nimmt – nach Lisa lauernd, ob sie auch nicht herüberschaut – heimlich etwas aus der Schublade und versteckt es hinter seinem Rücken.
Lisa steht vor der Couch mit dem Gesicht zur Wand, an der Erinnerungsfotos der Familie hängen.
Etwas arbeitet in ihr. Sie weiß, dass die Probleme größer sind, als Hanno bewußt ist.
Ohne ihn anzusehen, sagt sie:
Ich war beim Suchdienst.
Sie will sich fürs Bett fertigmachen, öffnet schon den Gürtel des Morgenmantels. Jetzt dreht sie sich zu Hanno, weg von der Wand.
Der steht da, innerlich angespannt, beide Hände auf dem Rücken, wo er etwas sehr, sehr Kostbares verbirgt.
Wir haben es schon gesehen, die Kamera steht kurz mit uns zusammen hinter Hanno: Es ist einen Packung mit Nylonstrümpfen - in diesen Nachkriegstagen extremst begehrte seltene Ware, wertvoll wie Gold.
Lisa: Vor ein paar Tagen schon.
Hanno starrt sie atemlos in banger Erwartung an, öffnet ein wenig den Mund. Was wird sie sagen, wann wird Theo wiederkommen, weiss sie etwas?Lisa schaut ebenfalls angespannt, leidend:
Nichts.
Hanno: Na siehst Du.
"..für Dich!"
Sie setzt sich auf die Couch an der jenseitigen Wand, traurig, verkrampft, sieht zu Boden. Hanno zieht sein Geschenk hinter dem Rücken hervor und hält es jetzt so vor den Körper, als würde er ihr ein Bild zeigen.
Lisa erfasst ungläubig, was er da vor sie hinhält.
Langsam erhellt sich ihr Gesicht : wir sehen ihr erfreutes und sehr liebes Lächeln.
Hanno Stimme, aus dem off:
..für Dich!
Lisas Augen leuchten auf, sie strahlt ganz fassungslos und glücklich: Nylons.
Hanno lächelt stolz und schüchtern, steht da ganz steif, unsicher, aber erfreut, dass Lisas Reaktion die erwartete und erhoffte ist.
Er wirkt lieb, hilflos bemüht um Lisas Gunst, er versucht in seiner jugendlichen Naivität, ihr Herz mit schönen Dingen für sich zur Entscheidung zu bringen.
Hast Du doch gesagt, dass du dir so was wünschst.
Lisa freut sich, aber ihr Lächeln erlischt langsam. Schmerz mischt sich in ihren Ausdruck, sie schaut immer schmerzvoller, trauriger.
Lisa
..Wenn Theo..
Hanno, plötzlich ganz ernst und erwachsen:
Nicht Lisa.
Sein Ton ist warnend, er weiß genau, worauf es hinausläuft.
Lisa: Wenn er uns sehen könnte…
Hanno – ein wenig patzig:
Kanner aber nich.
Er, Hanno, hat auch Anspruch auf Glück und Zukunft - und die Zeit, mehr als drei Jahre ohne Nachricht von Theo, hat ihm Gewohnheitsrechte eingerichtet: Die normative Kraft des Faktischen spricht für ihn.
Lisa kann ihm nicht folgen, sie blickt nach unten, weg, zu Boden, schmerzlich, mit schlechtem Gewissen.
Ihr Mann Theo ist noch in ihrem Herzen auf Platz eins, Hanno ist für sie in gewisser Weise der kleine Bruder ihres Mannes mit temporärer Vertretung seiner Haus- und Eherechte.
Hanno versucht, Lisas Gefühlsabsturz aufzuhalten, er steht immer noch neben der Kommode, schaut sie an. Sein Gesicht ist anders geworden. Die Freude ist ganz erloschen.
Es ist ein komm doch , bitte Lisa, im Blick.
Er, seine Jugend, seine Hoffnung, sein Wunsch mit Lisa und Robbie zusammen zu sein, liegt in diesem bittenden unsicheren Moment. Wir werden ganz weich, er tut uns leid.
Schnitt.
Hanno macht zwei Ansätze, zu ihr hinzugehen, zögert doch, es bewegt sich etwas Aufgewühltes in ihm. Er saugt Luft ein, wirkt dabei bestürzt über Lisas Traurigkeit.
Beim zweiten Mal öffnet der den Mund, als wolle er ihr etwas sagen.
Lisa driftet ab, sie schaut auf ihre Hände, furchtbar traurig, ihre Augen sind nass.
Hanno scheint zu fühlen, dass er zu ihr hingehehn muss. Das tut er dann auch.
Jetzt erzählt uns die Kamera etwas über Hanno. Uns teilt die Kamera etwas mit, was wir in den früheren Einstellungen schon vergessen hatten, einen Aspekt von Hannos Realität.
Das, was uns die Kamera berichtet, ist nicht Thema zwischen Hanno und Lisa, es wird das unsrige, das Thema für uns Zuschauer und es wird Seitenthema den ganzen Film hindurch bleiben.
Das Thema heißt Wille und Gebrochenheit, strotzende Lebenskraft und Versehrung der Ganzheit eines jungen Lebens.
Blick auf Lisa, die hinten auf der Couch im roten Morgenmantel zusammengekauert sitzt, aus sehr tiefer Kameraposition, etwa Kniehöhe.
Wir sind hinter Hanno, der jetzt ein paar Schritte auf Lisa zumachen wird, Schritte die nötig sind, um zur Couch zu gelangen.
Wir sehen von Hanno nur seine Beine, ganz nah, wir sind beim ersten seiner Schritte direkt hinter ihm. Er durchquert das Bild von links bei uns nach hinten rechts bei Lisa, die auf der Couch hinten an der Wand zusammengesunken ganz klein sitzt.
Hannos jugendlich strotzende Kraft, von der wir uns so gerne mitreissen lassen, ist gebrochen. Die Kamera zwingt in unsere Wahrnehmung die Tatsache zurück, dass Hanno versehrt ist.
Er braucht sechs Schritte bis zu Lisa, jeder zweite bricht schleppend ein und zeigt uns, dass Hanno nicht so rund und strotzend ist, wie wir uns unseren vor Unternehmungsfreude aus allen Nähten platzenden jungen Stallion längst wünschen.
Daß wir Hanno plötzlich wieder hinken sehen, löst einen leisen Schmerz aus, es ist eine Art Mitgefühl, wir wollen gerne, das der ungestüme junge Mensch rund und ganz ist.
Jetzt können wir seine Gebrochenheit nicht weglügen, wegverdrängen. Die Kamera hämmert sie uns in die Augen. Ein leises Ziehen über unserem Herzen entsteht.
Hannos Schritte konfrontieren uns mit einer erzwungenen Fermate in seinem Leben, nageln sie uns mit jedem zweiten seiner Schritte ins Herz.
Die Versehrtheit ist unbarmherziger Fakt und unauslöschlicher Teil seiner persönlichen Realität.
Hannos Kleidung und die nahen Kameraeinstellungen unterstützen unsere Wahrnehmung. Wir stehen fast ständig in fast jeder Einstellung direkt hinter seinem Athletenrücken, der Stoff des Hemdes ist so dünn, dass wir seinen perfekten Oberkörper permanent präsentert bekommen.
Seine Beinkleider dagegen sind das genaue Gegenteil. Eine Ruine, sie sind ihm viel zu groß, abgeschabt, abgetragen und halten nur durch die Hosenträger.
Hanno hat Lisa erreicht, er lässt sich sanft und fast vorsichtig neben ihr auf der Couch nieder, streckt unbewußt das Bein mit dem versehrten Fuß in eine stabilere Position.
Dabei legt er Lisa die Nylons in die Hände, beugt sich zu ihr und küßt ihren Nacken. Er faßt sie nicht an.
Er stützt sich mit einer Hand auf die Sitzfläche hinter Lisa, die andere liegt locker zwischen seinen Knien.
Der Geste fehlt jede männlich zupackende Inbesitznahme.
Sie oszilliert ganz leise zwischen Hanno selbst und Lisa. Hanno hat damit zu tun, seinen Körper auszutarieren und gleichzeitig will er auch Lisas seelische Verfassung ins Gleichgewicht bringen.
Wir erholen uns gerade noch von der Erinnerung, daß Hannos Kraft nicht ungebrochen ist , - da beobachten wir ihn bei seinem zarten Versuch, Lisa zu trösten.
Lisa kommt innerlich langsam zu sich zurück, sie reagiert erwachend auf die zärtlich-vertraute Berührung.
1994-95 Hanno Schmidbauer - Heino Ferch, Lisa Schmidbauer - Katja Riemann
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