Freitag, September 02, 2005

"..wer ist der Mann da?" --- Dein Vater!" in : Deutschlandlied. Porträt Hanno ( Heino Ferch ) , Teil 4. , Regie: Tom Toelle, Buch: Peter Märthesheimer

Text ignazwrobel



Lisa erfährt von einem Rußlandheimkehrer, daß nun auch ihr Mann Theo in Kürze wieder zu Hause sein wird.

Drei Jahre lang nicht ein Lebenszeichen – keine Zeilen, Nichts! Und dann aus heit´rem Himmel – plötzlich... sagt sie.


Szene in der Kirche. Die Glückswende.

Es ist Sonntag, die – offensichtlich katholische – Gemeinde hat sich in der Kirche versammelt.

Unter den Kirchgängern: unsere kleine Familie. Lisa hat das Kind, das sie von Hanno erwartete, abtreiben lassen, als sie die Nachricht erhielt, daß ihr Gatte Theo in zwei Wochen wieder in Königsbruck sein werde.

Für Hanno war das furchtbar.

Es war sein Kind, das er sich von ganzem Herzen gewünscht hatte. Doch geschehn ist geschehen. Lisa hatte die Abtreibung ganz allein entschieden, ohne Hanno von ihrer Schwangerschaft rechtzeitig zu erzählen. Als er es erfährt, ist es schon zu spät.

Man singt gerade ein Kirchenlied. Die kleine Patchwork-Familie, Hanno, Lisa und Robbie, er ist jetzt ungefähr knapp fünf Jahre alt, sitzen zusammen in einer Kirchenbank. Die zwei Erwachsenen singen mit. Eine junge Kirchgängerin eilt an der Bank vorbei , hinaus - Richtung Ausgang.

Lisa blickt der Frau kurz hinterher, weil es ungewöhnlich ist, während der Messe die Kirche zu verlassen. Beim Umwenden fällt ihr Blick auf einen Mann, der ganz allein hinten im Hauptschiff im Mittelgang steht.

Der Mann trägt einen großen Pappkoffer, einen feldgrauen heruntergekommenen Wintermatel, darüber einen Klepper, er ist kahl geschoren, hat eine Tasche in der Hand: ein Heimkehrer.

Lisa dreht sich schon wieder nach vorne, um dem Gottesdienst weiter zu folgen, da beginnt ihr Unterbewußtsein den Mann zu identifizieren.

Jetzt weiss sie, wer er ist.

Sie steht auf, dreht sich ganz um, hält Robbie, der auf ihrem Schoß saß, vor sich, so daß auch der jetzt den Mann sehen kann.

Hanno singt weiter. Lisa drängt sich an ihm vorbei durch die Kirchenbank zum Mittelgang hinaus.

Hanno hatte ihr zuerst ins Gesicht gesehen, war dann ihrer Aufmerksamkeit gefolgt, nach hinten. Jetzt dreht er sich auch um: Ein kurzer suchener Blick. Sein Gesicht versteinert. Die Augen weiten sich. Er hat den Mann auch erkannt.

Schnitt auf den Heimkehrer, der da ganz allein im Mittelgang steht.

Abgehärmt, ausgehungert, das Gesicht hohl: es ist Theo. Theo geht langsam mit kleinen zögernden Schritten ein wenig auf Lisa zu. Lisa nähert sich ihm genauso unsicher, zögernd. Zwischen beiden liegen noch einige Meter.


Schnitt auf Hanno und das Kind.

Hannos Gesichtsausdruck ist traurig, auch zornig, ja fast wütend, verbiestert, feindselig. Hier kommt nicht nur sein älterer Bruder, hier kommt der endültige Endpunkt seiner Zukunft mit Lisa und Robbie. Hier steht im Kirchenschiff sein Rivale, der soeben zum Sieger geworden ist.

Lisa hat keinen Zweifel daran gelassen, daß sie sofort zu Theo zurückgeht, wenn er wiederkommt.

Schnitt auf Theo und Lisa.

Sie stehen jetzt zwei Meter voreinander, wir hinter Lisa. Links und rechts in den Bänken die Kirchgänger werden auf das Paar aufmerksam.

Theo stellt seinen Pappkoffer auf den Boden, richtet sich wieder auf , macht eine unsichere, sich selbst festhaltende Geste an seinen Hals.
Lisa kommt zögernd und auch sehr unsicher mit kleinen Schritten weiter auf Theo zu, nestelt schüchtern an ihrem Mantel.


Nahaufnahme Hanno und das Kind.

Hanno hatte sich links herum zum Mittelgang hin umgewendet, rechts von ihm kniet das Kind auf dem Sitz der Kirchenbank und sieht nach seiner Mama.

Hanno dreht sich ganz langsam wieder nach vorne, zu uns.

Während wir ihn noch im Profil sehen, ahnen wir bereits, was in ihm vorgeht. Er sinkt ein wenig in sich zusammen. Schon jetzt sehen wir den abgefallenen Blick, die traurigen Mundwinkel.

Als er sich ganz zu uns herum gedreht hat, blicken wir in ein blutjunges, fast kindliches Gesicht mit ratlosen Augen. Sein Blick erzählt uns, daß er soeben verstanden hat: seine Hoffnungen sind zerstoben.

Er starrt verloren vor sich hin, die Orgel spielt, die Gemeinde singt.

Er ist so resigniert, daß er sogar einen Moment lang vergißt, neuen Atem zu holen.

Alles scheint stillzustehen. Durch die Gesichtszüge des erwachsenen Mannes hindurch scheint ein kindliches Gesicht, ein unbehüteter Zug von Abgetrenntsein.

Er hat sein Ziel, sein Lebensziel gerade eben verloren.

Er starrt noch träumend vor sich hin, da weckt Robbies Stimme ihn auf. Er muß reagieren. Er dreht den Kopf auflauschend nach der Kinderstimme.

Wer ist der Mann da?

hat ihn Robbie gefragt.

Wir sehen Knabe und Mann einander zugewandt, vier schwarze Augen, zwei Männer- und zwei Kinderaugen. Robbies Frage schwirrt einen Moment in Hannos Kopf, dann wacht sein Gesicht auf.

Er beginnt, ganz zart zu lächeln, er lächelt für Robbie. Seine Antwort, so fühlen, wir, ist für ihn wie Schwerterklingen ins Herz, dennoch antwortet er ohne zu zögern, klar und betont.

Dein Vater!


Robbie ist mit der Auskunft zufrieden und sieht wieder nach hinten.

Hanno dreht ganz langsam den Kopf, nach vorne, zu uns. Das Lächeln für Robbie überhaucht noch einige Augenblicke sein Gesicht, verglimmt, verlischt.


Als er wieder ganz für sich ist, greift tiefe Traurigkeit Platz.

Er preßt die Lippen aufeinander, wie um sich dazuzubringen, Haltung zu bewahren. Der Effekt ist, daß er nur noch trauriger wirkt. Er kann dem inneren Druck nicht Stand halten und öffnet ein wenig den Mund, atmet heftiger.

Wir können sehen, daß dieser junge Mann innerlich weint. Die Tränen stehen dicht hinter seinen Augenlidern.

Hannos jugendliches Gesicht, dessen Ausdruck uns im Laufe der Zeit ebenso ans Herz gewachsen ist, wie seine tatkräftige Zukunftsgläubigkeit und sein hoffnungsfroher Aufbauwille zeigt uns etwas, was wir von einem Jungmännergesicht gar nicht erwarten:

ein Ich, das seine innere Zielrichtung verloren hat.



Ende der Szene.

1994-95 Hanno Schmidbauer - Heino Ferch, Lisa Schmidbauer - Katja Riemann, Theo Schmidbauer - Thomas Schendel Filmografie Thomas Schendel