Freitag, September 02, 2005

"....man hat sich lieb...und auf einmal....." Heino Ferch als Anton Glauberg in: Mord am Meer. Glaubergs Familie Teil 3, Regie: Matti Geschonneck, 200

Text: ignazwrobel

' ......man hat sich lieb.. ....und auf einmal hat man sich nichts mehr zu sagen. '

Szene 1:

Watt, glattes Meer, Weite, am Horizont ein Leuchtturm.

Der Vater versucht, Kontakt zu seinem Sohn aufzubauen. Beide sind am Auto, die Hecktür ist geöffnet, der Junge sitzt auf der Heckklappe, zieht seine Gummistiefel an.

Und wie heißen Deine Figuren? probiert Glauberg eine Annäherung an die Gedankenwelt seines Sohnes, der zwei Spielfiguren mit dabei hat.

Kennst Du sowieso nicht. sagt der Junge resigniert.

Der Vater hat sich nicht für die Welt des Jungen interessiert.


Totale.

Wir sehen Sohn und Vater den Strand entlang gehen, warm angezogen, Mützen, dicke Jacken, der Junge mit dem unvermeidlichen Schal,

Schnitt.

Die zwei von vorne, nah.

Felix: Du bist doch eh nie da!

Glauberg Du hast ja Recht, Felix. Aber ich muss arbeiten.

Der Junge sieht ihn an, beide Hände tief in den Jackentaschen vergraben.

Verbrecher fangen! entschuldigt Glauberg seine ständige Absenz von der Familie.
Close up auf das Gesicht des Jungen. Von Glauberg sehen wir angeschnitten nur ein Stück Jacke und den einen Arm. Wir hören ihn sagen:

Vielleicht kann ich auch zu Deinem Geburtstag nicht hier sein.

Glaubergs Arm verschwindet aus dem Bild. Der Vater ist weitergegangen, der Sohn stehengeblieben.

Felix schaut seinem Vater nach.

Können wir jetzt bitte gehen? fragt er plötzlich.

Schnitt.

Wir sehen Glauberg´s Rücken. Er dreht sich um, zu Felix, zu uns, kommt zurück. Der Junge sieht ihn an. Glauberg muss jetzt reagieren.

Es tut mir leid Felix, glaub´mir.

Wieder sehen wir nur den Jungen und ein Stück des Körpers des Vaters, aus dem off seine Stimme. Er sagt:

Aber die ganze Sache ist für die Mama und mich auch nicht einfach.

Der Junge schaut zu seinem Vater hoch.

Close up Glaubergs Gesicht. Er sieht verzweifelt traurig aus, Augenringe, Schatten überall im Gesicht, tiefe Falten, um den Mund ein Zug, als hätte er etwas Bitteres gegessen. Er blickt zu Boden.

Es ist halt manchmal so..... man.....

Er sucht nach Worten, zuckt mit den Schultern

.....hat sich lieb.....

er denkt nach, hebt noch einmal die Schultern

...und auf einmal hat man sich nichts mehr zu sagen, das.......

Felix schneidet ihm das Wort ab.

Ich will jetzt zurück.


Schnitt.


Szene 2:

Glaubergs Volvo fährt vor dem Haus der Dorfstraße 9 in Reinsbüttel, Glaubergs Ex-Zuhause, vor. Der Junge springt aus dem Wagen und läutet Sturm. Sylvia, im Morgenmantel mit Creme-Maske im Gesicht, öffnet. Der Junge stürzt an ihr vorbei ins Hausinnere.

Was ist los? fragt sie ihren Ex-Mann.

Schnitt auf Glauberg.

Ich hab ´nen schwierigen Fall zugewiesen bekommen und muss nach Berlin.

Sylvia schließt ihm in seinen Text hinein die Tür vor der Nase zu. Vor der Nase ist wörtlich zu nehmen. Wir verstehen, dass seine ständige Nichtverfügbarkeit wohl ein Grund für die Scheidung war.

Sein Gesicht stößt fast an die sich schließende Tür, den zweiten Teil seines Satzes spricht er gegen die bereits geschlossene Tür. Wir hören den Widerhall der Stimme, der unmittelbar vom Türblatt zurückgeworfen wird.

...aber ich kann halt nicht versprechen, daß ich wieder da bin, wenn....

Glauberg sieht unbewegt durch die ihn abwehrende Tür hindurch, die zehn Zentimeter vor seinem Gesicht den Zugang zu seiner familiären Vergangenheit versperrt.

Nach ein paar Sekunden schaut er zur Seite – ratlos.


Ende der Szene.


2004-2005 Heino Ferch - Anton Glauberg, Birge Schade – Sylvia Glauberg, Leonhard Carow - Felix Glauberg

Handlung von 'Mord am Meer'

Kommentar 1:

Diese Szene kann dreifach als Schlüsselszene gelesen werden, wobei das Wort 'Schlüssel' in demselben Sinn gedacht ist, wie in dem Wort 'Schlüsselroman'.
Wichtig ist die Szene aus der Sicht des Vaters, der offensichtlich wegen ständiger beruflicher Abwesenheit seinen Familienzusammenhalt zerstört und damit seine Familie verloren hat.
Wichtig aus der Sicht des Sohnes, der über der permanenten Absenz des Vaters resigniert hat.
Drittens wichtig aus der Sicht Glaubergs als Ehepartner der das Scheitern seiner , (gehen wir vom Alter des Jungen aus, ca. zehnjährigen ) Partnerschaft, als ein Sich - Auseinandergelebt - Haben sieht und beurteilt.

Kommentar 2: Woher die Adresse Dorfstrasse 9, Reinsbüttel, kommt? Sie steht in Glaubergs BKA-Akte.