„Madame...seine Majestät..... liebt Sie.“ in: Napoléon. Teil 7: Abschied. Porträt Caulaincourt ( Heino Ferch ) Regie: Yves Simoneau, 2001-2002
Caulaincourt – Walewska: Der Abschied.
„Madame...seine Majestät..... liebt Sie.“
Bläuliches Halblicht, rechts die dreiläufige schlichte Treppe eines Schloßtraktes in Fontainebleau, der nicht für offizielle Repräsentation gedacht ist - Wände Trompe L´oil Rustikaquader, der Boden große Steinplatten.
Nur auf dem Treppenabsatz, an dem sich die beiden Flankenläufe zur mittigen Haupttreppe vereinigen, eine Wandnische mit der Marmorkopie einer griechisch-römischen Apollstatue. Nach rückwärts öffnet sich der Blick in den Wandelgang der Entréehalle. Die Akustik wirft Echos.
Wir stehen im Erdgeschoß knapp neben dem Treppenanlauf. Walewska und Caulaincourt steigen die Treppe herab. Die Gräfin trägt ein helles Empire-Tageskleid, Haube, Schultertuch in der Hand ein Pompontäschchen.
Die Gräfin, angespannt: Was haben sie für ihn vorgesehen?
Caulaincourt antwortet: Exil.
Walewska: Für immer?
Caulaincourt:Das liegt nicht in seiner Hand, Madame. Aber ich kann mir nur schwer vorstellen, dass seine Majestät bereit ist, für immer Phantomkönig zu sein. Man erlaubt ihm, .....einen königlichen Hofstaat .....um sich zu sammeln.
Die beiden sind am Treppenfuß angekommen, bleiben stehen.
Caulaincourt macht eine schnelle Körperdrehung zu Walewska hin, steht ihr jetzt frontal gegenüber.
Sein abschätziger Tonfall erzählt uns, dass er die vorgesehene Lösung für eine lächerliche Farce hält, als er hinzufügt:
Etwas in der Art.
Die Gräfin war seit ihrer Bekanntschaft mit dem Kaiser für den Rest ihres Lebens in Napoléon verliebt. Sie sieht in dieser politischen Lösung eine Chance, den Ex-Kaiser sehen zu dürfen. Sie sagt schnell und aufgeregt.
Wollen Sie damit sagen, dass ich ihn vielleicht besuchen könnte. ..
Close up Caulaincourt.
Er sieht dezent zu Boden, während er spricht. In gespielt freundlich locker optimistischem Ton antwortet er:
Oh ja, vielleicht.
Ein Blick schießt in ihre Augen, faßt nach.
Vielleicht nicht sofort,.... natürlich.
Wieder senkt er die Augen. Er zögert.
Sieht dann die Gräfin doch aus nächster Nähe forschend an. Jetzt endlich hält sein Blick den ihren nachdenklich fest.
Gegenschuss auf die Gräfin, sie nimmt die Spannung auf, spürt, dass Caulaincourt noch etwas zu sagen versucht, damit ringt, dem Inhalt die passende Form zu geben.
Atemlosigkeit auf beiden Seiten erzeugt eine kleine Pause, beide stehen voreinander. Walewska ist ganz darauf konzentriert zu erfahren, was Caulaincourt ihr über den Kaiser sagen wird.
Aber...
Madame..
Caulaincourt zögert, zieht Luft ein, sein Blick flackert weg, geht zurück zur Gräfin, sucht.
Seine Majestät....
Caulaincourt hat jetzt die Grenze des Offiziellen in einen Tabubereich hinein zu überspringen. Es fällt ihm schwer, sehr schwer. Er überwindet diese Hürde mit einem kaum merklichen Atemstoß.
Der Hauch eines Lächelns gleitet in seine Augen, fast hilflos wirkt sein leises Kopfschütteln, mit dem er alle Möglichkeiten, etwas extrem Intimes, Persönliches in offizieller Form sagen zu wollen, für sich selbst beiseite wischt, wischen muss.
Walewskas Spannung steigt. Sie hebt die Brauen, ihr Blick versucht drängend in seinen Augen zu lesen.
Noch einmal macht er einen Ansatz, sieht Walewska an.
Er......
Jetzt öffnet er sich, sein Blick geht gerade und klar zu Walewska, er spannt sich ein wenig.
Madame,
...seine Majestät liebt Sie.
Ein tief freundlicher, ja eigentlich - tief zugetaner Blick, in dem eine eigenartige Melancholie mitschwingt, begleitet seine Worte.
In diesem kurzen Moment hebt sich lautlos ein Vorhang.
Da steht nicht nur ein Vermittler des Kaisers, da steht ein Mann, der auch zart und versteckt hinter der überbrachten Botschaft für sich selbst spricht.
Wir haben den Eindruck, dass die Worte „Madame..seine Majestät liebt Sie“ einen zweiten Satz übertönt, der in all den vergangenen Jahren seiner Bekanntschaft mit ihr niemals ausgesprochen wurde und auch in Zukunft niemals ausgesprochen werden wird.
Er würde heissen:
„Madame ... Ich liebe Sie.“
Walewska ist ganz auf Napoléon konzentriert.
Sie erkennt den besonderen Moment nicht, sie sieht nicht durch diesen schmalen Spalt persönlicher Öffnung in das Herz des Mannes, der vor ihr steht. Sie fällt ihm sofort aufgeregt ins Wort:
Er liebt mich?
Caulaincourts Augenlider senken sich, die Tür zu seinem Herzen, der Spalt in seiner Brust schließt sich sofort, der Augenblick persönlicher Öffnung ist vorüber, für alle Zeit.
Mit einem leisen M...hm bestätigt er ihre Frage nach dem Kaiser.
Walewska sieht ihn noch einem Moment an, etwas wie ein Echo berührt sie kurz.
Dann greift sie nach einem Tuch in ihrer Kleidung. Darin ist etwas eingeschlagen. Es klirrt leise.
Bitte geben Sie das dem Kaiser. Richten Sie ihm aus, dass ich es nicht tue, weil ich böse auf ihn bin, sondern weil er es irgendwann brauchen könnte. Ich kenne seine Feinde, es sind auch die meinigen, sie werden ihn erniedrigen, bis ihm nichts mehr bleibt und bis er schließlich nichts mehr ist.
Caulaincourt nimmt das Tüchlein an sich.
Wir haben noch einmal Gelegenheit, in sein Gesicht zu sehen.
Während sie spricht, ist seine Ausstrahlung, sein Zug zu ihr immer noch weit offener als die Situation erfordert, er ist sanft und persönlich, wir spüren, dass sein Herz noch ein letztes Mal mit zarter Bindung und Melancholie nach Walewska hinfühlt.
Als sie fertig ist, wacht er auf, findet zum Offiziellen zurück, deutet eine Verbeugung an:
Madame....
Walewska erwidert die angedeutete Verbeugung, dreht sich weg und geht.
Die Nahaufnahme zeigt uns, was das Tüchlein beinhaltet: es ist das wertvolle Aquamarincollier, das der Kaiser der Gräfin zur Geburt ihres Sohnes Alexander geschenkt hatte.
Ende der Szene.
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Kommentar:
Ich finde diese kurze Szene sehr zart und ungeheuer dicht gespielt. Jenseits des Textes erzählt Heino Ferch in der Mimik des Caulaincourt eine ganz eigene Geschichte, ungeheuer leise und für die Figur am Ende ihrer Entwicklung von zentraler Wichtigkeit. Wirklich, unwirklich schön, poetisch.
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