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...Natürlich hatten die Nazis kein Recht, die Juden zu hassen Teil 1A ...in: A Single Man. Colin Firth - Professor George Falconer. Regie: Tom Ford, 2008-09
Vor der Szene
Los Angeles, Ende der prüden fünfziger Jahre. Der Brite George Falconer ist Professor für Literatur. Er leistet, was man von ihm erwartet. Korrekt, pünktlich, streng. Alles läuft wie immer, Haushälterin, Toastbrot, Krawatte, Aktentasche, Vorlesungssaal.
Äußerlich.
Innen, ganz unsichtbar für die Maschinerie, in der er als wackerer Arbeitssoldat funktioniert, hat sich alles aufgelöst.
Er bewegt sich wie unter Wasser im Stupor eines Schocks. Er hat einen Teil von sich selbst verloren und begreift es noch nicht. Er schwankt zwischen Absencen traumatischer Erstarrung und braver Erfüllung der Erwartungen von aussen.
Heute muss er die Vorlesung hinter sich bringen. Literatur. Eine Erzählung von Aldous Huxley, dem Mann, der später 1984 schreiben wird.
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Die Szene
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Universität, Vorlesungssaal. Close up auf eine Wanduhr. Fünf nach halb elf.
Der Professor, wir nennen ihn nur George, betritt den Vorlesungssaal. George ist so überaus korrekt gekleidet.
Die Perfektion seines Äußeren strahlt bereits programmatisch ab, dass er von seinen Studenten fordern wird, wozu er sich selbst zwingt.
Anzug, Krawatte mit Nadel, weisses Button-Down Hemd, glatt rasiert, die Haare zum Helm gekämmt und gescheitelt, eine schwere schwarze Rahmenbrille verhindert jeden Seitenblick. Konzentration. Auf das Wesentliche. Auf Literaturinterpretation.
George legt mit einem Schwung seine lederne Aktentasche auf dem Rednertisch ab. Läßt den Blick über die Bänke streifen. Der Saal ist voll. Leises Gemurmel.
Schnitt. Blick aus der zweiten Reihe der amphitheatralisch ansteigenden Zuschauer-Sitzreihen mit Schreibpulten auf den Professor. Er hat die Stuhlseite des Tisches hinter sich gelassen und sich leger auf der publikumsnahen Kante des Schreibtisches abgesetzt, ein Bein baumelt, eines steht am Boden.
Er scheint noch zu warten. C.t. (cum tempore: Beginn 15 Min nach dem annoncierten Termin) , ist noch nicht abgelaufen. Rauch steigt auf, Gemurmel, noch immer, immer mehr Köpfe drehen sich ihm zu.
Totale auf George, von links, dann von rechts, Halbtotale. Er wartet. Close up. Er beginnt zu sprechen
Nach so vielen Sommern stirbt – der Schwan.
(„Ende des neunzehnten und Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts gab es zwei Arten von Romanen über Unsterblichkeit oder das ewige Leben. Zur pessimistischen Variante gehörten Geschichten, in denen das ewige Leben ein Fluch war, der nur Unglück und Verzweiflung brachte. Typisch für Romane dieser Art war „After Many a Summer Dies the Swan von Alduous Huxley, 1939. „Der Gegenstandpunkt beinhaltet, „dass das ewige Leben ewig interessant bleiben würde.“ Zit. n. Lois H. Gresh, Robert E. Weinberg: Wissenschaft Bei Stephen King, S. 22,9 Wiley, Weinheim, 2008)
Einen Moment lang scheint George Schmerz zu fühlen, er schließt kurz die Augen, als hätte er einen stechenden Kopfschmerz.
Dann wendet er sich seiner Aktentasche zu und entnimmt ihr ein Buch.
Ich darf doch annehmen – Sie haben alle den Huxley Roman gelesen, den ich Ihnen aufgab.
Schnitt ins Auditorium. Studentinnen und Studenten zücken die Bücher und Skripte. Die Mädchen sind teilweise korrekt elegant gekleidet, junge Frauen mit Wasserwelle und Perlenkette, teils existenzialistisch mit schwarzem Pullover und modern offenem Haar, toupiert.
Schnitt. Wir sind oben hinten im Saal, in Mittelgang und blicken hinunter zum Professorenpodest, hinten klein George. Er:
Was sagt uns der Titel über die Geschichte?
Schnitt George halbnah, dann close up:
Ja Mr. Monk.
Wir hören Monks Antwort zunächst aus dem off und behalten George´s Reaktion weiter im Blick. George scheint plötzlich nach innen abzudriften, sein Blick ist nicht fokussiert, er hört Monk nicht hundertprozentig aufmerksam zu.
Wir hören Monks Inhaltsbeschreibung des Buches fast nur wie plätschernd sinnfreies Gemurmel. Uns interessiert mehr, dass George wieder, wie von Schmerz dazu veranlaßt, die Augen schließt.
Gar nichts, da geht´s um so´n reichen Kerl, der Angst davor hat, dass er für das Mädchen zu alt ist.
Wir sehen jetzt, was George sieht. Dicht vor ihm sein toter Freund unter Wasser, aber er lebt, er dreht sich spielerisch, grüßt George, lächelt. Als George die Augen öffnet, wird im Saal gekichert.
Wahrscheinlich ist viel zu viel Zeit verstrichen. Man hat seine Abwesenheit bemerkt. Die Bardot und der Flauschpullover starren George an. Zwei Augenpaare, starr, beobachtend, fast feindselig. beider Münder sind offen, als wären sie gespannt, was jetzt kommt. Bardot raucht.
Halbtotale auf George, er wacht auf, blickt sich im Saal um, als müsse er sich versichern , wo er überhaupt ist.
Schaut. Sagt:
Russ!
Close ups. Die Augen von Bardot und Flauschpullover.
Very close up, jetzt George´s rechtes Auge. Starrt. Schnitt. Bardot´s rechtes Auge. Starrt ebenfalls. Pupille weit. Er gefällt ihr. Very close up. Ihre Lippen, ihre Finger, die Zigarette. Sie saugt. Ero t isch betont.
Ganz nah, Bardot´s Mund flüstert ihrem Banknachbar, dem Flausch-Jungen was zu, ihre Lippen entfernen sich wieder. Ganz nah: die Augen des Jungen, Lichter gleiten darüber, die Nase, Nasenlöcher weit, als wolle er riechen: der Junge interessiert sich für George.
George wieder halbnah. Er am und auf dem Tisch.
Wir hören im voice over ängstlichen Herzschlag. Eine Studentin lächelt anbiedernd.
Ein Student meldet sich per Handzeichen: Mr Hush.
George, jetzt hat er sich wieder im Griff, verfestigt seinen Ausdruck, zieht die Augen zusammen, presst die Lippen, dann:
Ja, Mr Hush!
Student Hush ist wenig von der Natur beschenkt, hager, große abstehende Ohren, schiefe Nase, die Haut vor Hagerkeit faltig wie zerknittertes Papier, man erkennt dennoch sofort die ethnische Zugehörigkeit: Semitische Herkunft - den Rest erledigt eine Nerdbrille. Übrigens ähnlich wie die des Professors.
Mr Hush, beugt sich über sein Exemplar des Buches:
Sir, auf Seite neunundsiebzig sagt Mr Procter, der dümmste Satz in der Bibel sei: “Sie hassen mich ohne Grund.“ Dann hätten die Na z is die Jud en ja zurecht gehasst. Ist Huxley ein Antis e mit?
George, nah, immer noch mit hartem Gesicht, sofort:
Nein.
George behält das Wort, obwohl er nicht spricht. Er scheint dem eben Gesagten nachzulauschen, dann nachzufühlen, dann, könnte man meinen, beginnt er zu denken, erst jetzt hebt er den Kopf:
Nein, Mister Huxley ist kein Antisemit.
Natürlich hatten die Nazis kein Recht, die Juden zu hassen, doch ihr Judenhass war nicht ohne Grund.
Schnitt ins Auditorium. Man hört ihm mit voller Aufmerksamkeit zu, besonders Mr. Hush.
George wieder nah:
Dieser Grund war nur nicht real. Er war eine Einbildung. Der Grund – war: Angst.
Schnitt auf die Bardot und den Angorapullover. Bardot raucht, pustet eine Rauchsäule steil nach oben, sie hebt den Kopf. Um George zu sehen, muss sie jetzt die Lider senken, Schlafzimmerblick. Sie schießt se xu ell angriffslustige Blicke nach vorne.
Totale. Wir sitzen wieder oben in der letzten Reihe, haben den ganzen Saal vor uns, wir sehen die allgemeine Aufmerksamkeit, sie geht ungeteilt zu George hinunter. George:
Aber lassen wir die Juden für einen Moment aus dem Spiel.
Denken wir an eine andere Minderheit, ..
George – Colin Firth (im Alter von 48), der Angora-Junge Kenny - Nicholas Hoult
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Beschreibung des Films auf senator.de:
Ein Anruf – mehr braucht es nicht, um die Welt von George Falconer, einem britischen Professor im Los Angeles der frühen 1960er Jahre, zerbrechen zu lassen. Seit er am Telefon vom Unfalltod seines langjährigen Lebensgefährten Jim erfahren hat, ist das zuvor so intensive Glück aus dem gemeinsamen Haus verschwunden und die Zukunft für George ein dunkles, unvorstellbares Nichts. Während um ihn herum die Kubakrise oder elegante Cocktailpartys den Alltag bestimmen, wird sein Leben von Trauer und Einsamkeit dominiert. Mit Gin und Zigaretten, Musik und Gesprächen versucht Georges beste Freundin Charley dem Verzweifelten Trost und Freude zu spenden.
Ausgerechnet an dem Tag, an dem George sich der Traurigkeit ergeben und alles hinter sich lassen will, erkennt der junge und wissbegierige Student Kenny in ihm eine verwandte Seele und sucht seine Nähe. Nicht zuletzt durch diese berührende Begegnung beginnt George ganz langsam und zaghaft, die verblasste Welt um sich herum wieder in einem neuen Licht zu sehen. Ob im Lächeln eines kleinen Mädchens, dem sonnendurchfluteten Herbsthimmel oder einer attraktiven Zufallsbekanntschaft entdeckt er in den kleinen Dingen des Lebens die Schönheit wieder.
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