Mittwoch, Juni 01, 2011

Filmszenen I "...was war mit Frauen? …. und Kindern?" in : Hunt for Justice - Teil 3A - Jagd nach Gerechtigkeit - Endspiel im Kosovo. (Heino Ferch als Thomas Kelle









Bildquelle: www.huntforjustice.com

"...was war mit Frauen? …. und Kindern?" in : Hunt for Justice - Teil 3A - Jagd nach Gerechtigkeit - Endspiel im Kosovo. (Heino Ferch als Thomas Keller) Regie: Charles Binamé, Deutschland/Canada 2004-2005

von: ignazwrobel

The International Criminal Court->
"...was war mit Frauen? …. und Kindern?"

Homepage des Films Hunt for Justice - The Louise Arbour Story

Szene Das Verhör. Totale von oben:
Eine graue Gefängniszelle, zwei große vergitterte Fenster, Tageslicht strömt ein, Steinboden, Betonwände. In der Mitte der Zelle ein Besprechungstisch, Unterlagen und Fotos darauf.

Wie sehen vier Personen am Besprechungstisch sitzen:
Auf der einen Seite Keller und Richterin Arbour, auf der anderen Kovacevich und sein Anwalt.

Nahaufnahme Milan Kovacevich

Ich bin nicht wie die Anderen, die Sie hier wie Tiere eingepfercht haben. Ich bin ein Mann mit Kultur.

Keller: Tatsächlich!

Insert auf den Tisch.
Kellers Hand legt ein großes Foto vor Kovacevich. Der reibt sich unruhig die Hände. Die Geste wirkt, als wolle er seine Hände reinwaschen.

Das Foto zeigt zerlumpte, bis zum Verhungern abgemagerte Männer hinter Gitterzäunen im Gefangenenlager von Priedo/Omarska.

Kovacevich Krieg macht Männer zu Wilden.

Richterin Arbour Close up:

Männer machen sich selbst zu Wilden, Doktor. Krieg ist das Ergebnis, nicht die Ursache.

Kovacevichs´s Anwalt: Ist das ein Verhör? Oder eine Metaphysische Vorlesung?

Richterin Arbour: Sie waren verantwortlich für Organisation, Bau und Leitung der Gefangenenlager Tronapolie, Keraterm und Omarska.

Close Up Keller. Er hört sehr aufmerksam zu, bereit, zu sprechen.

Close up Kovacevich: Sein Gesichtsausdruck ist verschlossen, kalt, rentitent.

Richterin Arbour: Ja oder nein?

Kovacevich: Ich wurde in einem KZ geboren. Wußten Sie das? Zweiter Weltkrieg. Mehr als eine halbe Million Serben wurden von Kroaten und Nazis getötet. Wo blieb Ihre moralische Entrüstung? Wo war Ihr Tribunal für uns?

Keller instistiert. Sachlich:

Sie leiteten Omarska. Ja oder nein, Doktor?

Ein langer Blick von Kovachevic zu Keller:

Diese Nazis – und Kroaten… die haben nur darauf gewartet, uns wieder abschlachten zu können.

Keller sieht, dass er mit Worten nicht weiter kommt. Na schön. ..

Er legt ein Foto vor Kovacevich. Es zeigt gefangene Frauen, eine Frau am Maschendrahtzaun, sie weint.

Keller Was ist mit Frauen?

Ein zweites Foto fliegt darüber. Ein totes Kind am Boden zwischen Dreck und Schmutz, die Kleidung halb heruntergerissen.

…und Kindern?

Kovacevichs Hände daneben. Er reibt wieder die Handflächen.

Keller Haben sich Ihre Männer auch vor denen gefürchtet?

Kovacevich blickt auf die Fotos, lauert kurz zu Richterin Arbour und starrt wieder stur auf die Fotos. Er will nicht reden. Er schluckt nervös.

Richterin Arbour In Omarska fand eine der größten organisierten Massenvergewaltigungen des Krieges statt.

Wollen Sie das leugnen?

Der Anwalt schüttelt den Kopf, zu Kovacevich:

Antworten Sie nicht darauf. Kovacevich verbirgt sein Gesicht in seinen Händen, er atmet schwer. Dann richtet er sich wieder auf.

Bedauerliche Vorkommnisse. Ich habe eine Frau, reizende Töchter… Diese Frauen habe ich nie angerührt.

Richterin Arbour lauscht, sieht dabei auf die Fotos auf dem Tisch.

Kovacevich: Wie erklär´ ich das am besten…?

Er schüttelt den Kopf: Ich hatte meine Anweisungen.

Keller beugt sich vor, sehr aufmerksam, sofort: .. und die waren von wem?

Der Anwalt: Ihre Frage zielt darauf ab, andere hineinzuziehen. Legen Sie uns ein Angebot vor?

Keller verharrt einen Augenblick, dann, entschieden mit einem Kopfschütteln: …nein…..

Richterin Arbour: Keine Deals.

Kovacevich verbirgt das Gesicht wieder in seinen Händen. Er möchte der Situation gerne entrinnen.
Schnitt.
Szene der Prozeß: Der Prozeß beginnt.
Sehr viele Leute im Gerichtssaal. Die Zeugen werden während ihrer Aussagen gefilmt und erscheinen überall im Saal auf Bildschirmen, die vor den Prozeßbeteiligten stehen.

Thomas Keller führt als Vertreter der Anklage des Menschenrechtstribunals die Zeugenbefragungen durch.

Er trägt die große schwarze Zeremonialrobe mit weißem Kragen und Halsbinde und hat, wie alle anderen Prozessbeteiligten, Kopfhörer aufgesetzt. Durch sie kann er die simultane Übersetzung der Zeugenantworten hören.
Der Prozeß dauert über hundert Tage.




Wir sehen punktuell einzelne Zeugenaussagen.

29. Tag
Kovacevich wird herein- und zu seinem Platz geführt. Anders als Dogmanovich, der während seines Prozesses überheblich und siegesgewiß dasaß, hat Kovacevic Angst. Seine Augen sind schwarz vor Angst.

Keller zu einem Zeugen, ein etwa Fünfzigjähriger Mann: Können Sie uns sagen, was Sie damals im Omarska-Lager erlebt haben.

Der Mann Wir waren drei Monate in einem Raum mit Hundert anderen Menschen. Es war so eng, dass wir nur stehen konnten…. (…)

127. Tag.
Eine junge Frau, vielleicht einundzwanzig: Sie nannten es: das weiße Haus.

Keller: Können Sie uns sagen, was dort geschehen ist?

Die junge Frau: Viele Männer kamen. ..wählten aus…
Die Frau ist zornig, tränennah:

….Tag und Nacht…
…TAG und NACHT…

Sie blickt zu Kovacevich. Der kann dem Blick nicht standhalten, versteckt sich durch Absenken des Kopfes, starrt zu Boden.

Die Übersetzerin für eine andere Frau, vielleicht fünfundvierzig, mit Kopftuch:
Als ich gefangen genommen wurde, waren meine Töchter bei mir, Fatima und Aischa.

Wir sehen das Gesicht dieser Mutter vielfach wiederholt auf allen Bildschirmen.

Die Erinnerung macht die Vergangenheit zu einer Gegenwart, die soeben noch einmal stattfindet.

Die Frau weint immer mehr, versucht trotzdem weiter zu sprechen.

Nach mir kamen Sie zu Aischa.
In der ersten Nacht.

Ein Soldat trat nach mir. Mit Gewalt hat er sie mir aus den Armen gerissen. Ich konnte fühlen, wie jeder kleine Muskel unter ihrem Kleid gezittert hat.

Ich sagte: Wehr´ Dich nicht gegen Sie, mach ´einfach die Augen zu.
Schließ´ einfach die Augen.


Und dann war sie weg.

Pasko Odzak, der simultan übersetzt, hält es nicht mehr aus, er wirft den Kopfhörer weg und verläßt die Dolmetscher-Kabine und den Saal.

Richterin Arbour verfolgt im Nebenzimmer die Zeugenaussage der Frau.

Wir sehen am Bildschirm, wie die Frau sagt: Sie kamen nicht zurück.

Ende der Szene.

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2004 – 2005 Heino Ferch - Thomas Keller, Filmographie Heino Ferch, Wendy Crewson – Richterin Louise Arbour, Stipe Erceg – Pasko Odzak- - - - -

Kommentar: Krieg.

Für Maria Gertrud Helene Rita Cieplik,
geboren 1924 in Oppeln, Deutschland.

Als das Naziregime begann, war sie neun Jahre alt, als sie elf war, starb ihr Vater an einem wandernden Steckschuss aus dem ersten Weltkrieg,
als die Allierten der Naziherrschaft ein Ende setzten, war sie einundzwanzig.
Beide Brüder bei der Wehrmacht, Georg Matrose auf einem U-Boot der Kriegsmarine, Hanns Pilot bei der Luftwaffe.

Gerade volljährig musste sie zusammen mit ihrer Mutter fliehen,
der Russe direkt hinter ihnen, das Geschützfeuer der Frontlinie in Hörweite.

Die Flucht nach Schwaben gelang.

Der Russe hat die streng im katholischen Glauben erzogene
jungeFrau trotzdem erreicht, irgendwann, irgendwo,
auf dem Weg nach Westen.

Danach verlor sie die Fähigkeit, die Süße des Lebens zu fühlen.

Der Versuch, ihren Schmerz zu beseitigen, ließ sie - viel später - Heilpraktikerin werden.
Ihre Bemühungen, zu heilen waren bei anderen erfolgreich, sie hatte Patienten bis in die VAR. Sich selbst konnte sie nicht heilen.

1991 starb sie an der Zuckerkrankheit.


Für meine Mutter.