Filmszenen I Teil 1B ...– und reden statt dessen über Angst… in: A Single Man. Colin Firth - George Falconer. R.: Tom Ford, 2008
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A Single Man. Colin Firth -Professor George Falconer. Regie: Tom Ford, 2008 Teil 1B– und reden statt dessen über Angst…
Totale. Wir sitzen oben in der Mitte, vor uns der Mittelgang, die abfallenden Sitzreihen des Hörsaales, unten George Falconer, der Professor. Er:
Denken wir an eine andere Minderheit, ..
eine die –
George nah: – vielleicht sogar unerkannt bleiben kann.
Bardot saugt unentwegt an ihrer Zigarette, die Finger mit den langen Parade-Nägeln gerade gestreckt. Man soll ihre Maniküre sehen.
Der Angorapullover, Kevin, blickt bei den Worten Minderheit hinüber zu zwei jungen Männern in derselben Reihe, einer im kurzärmeligen Poloshirt und allfälliger Nerdbrille, der andere zart, bleich, zerbrechlich, hohl, in weiss und hellblau.
Bede sitzen so dicht nebeneinander, dass ihre Schultern sich berühren. Haltung und Blicke zwillingshaft ähnlich. Wir verstehen sofort, die beiden sind ein Paar. Zwei Exemplare der unerkannten Minderheit.
Halbtotale. George, locker:
Überall Minderheiten – Blonde, zum Beispiel.
Menschen mit Sommersprossen.
George scheint amüsiert, er ist deutlich lockerer als am Anfang.
Eine Minderheit wird von einer Mehrheit aber nur als solche empfunden –
Er beginnt, mit stechenden Gesten, in der Hand das Buch wie eine Waffe, seine Worte zu untermalen
– wenn sie eine Bedrohung darstellt – sei sie real –
Schnitt. Kevin´s rechtes Auge ganz nah, ruhig, interessiert, wieder ziehen Schleier von Spiegelungen darüber hinweg…
Schnitt Close up George
…..Oder nur eingebildet. Der Nährboden ihrer Angst.
George ist jetzt deutlich verärgert.
Kunstpause. Er nickt unmerklich seinen Worten hinterher.
Lächelt.
Nicht er blickt zu dem Studentenpärchen hinüber, die Kamera tut es, der weibliche der Beiden sucht sich durch scheinbare geistige Abwesenheit zu verstecken, sich aufzulösen, Focus von sich abzuhalten. George aus dem Off:
Und wenn die Minderheit dazu noch unsichtbar ist.
Der Hellblaue wendet den Kopf ab, senkt den Blick auf sein Manuskript. Bloss nicht auffallen.
Wieder Kevins interessiertes Auge groß im Close up, bildschirmfüllend.
Schnitt auf George: Halbnah. George lächelt.
..ist die Angst umso größer.
Kunstpause, dann langsam, sein Buch in der Hand gibt dem folgenden Satz Rhythmus, George schlägt damit den Takt:
Und diese Angst begründet die Verfolgung von Minoritäten.
George breitet die Arme aus, zuckt mit den Schultern
Sie sehen, es gibt immer einen Grund. Der Grund ist Angst.
Minderheiten sind auch bloss Menschen.
Menschen wie wir.
Jetzt blickt auch George zu dem schwulen Pärchen. Die beiden nah. Der Hellblaue ist vor Angst erstarrt, der Poloträger hat sich keinen Millimeter bewegt. Eingefroren.
George, er sitzt jetzt völlig informell auf dem Schreibtischrand, die Hände links und rechts seiner Schenkel aufgestützt. Die Schenkel weichen auseinander. Er lächelt wissend zu unserer Kettenraucherin hinüber.
Ich sehe, Sie können mir nicht ganz folgen.
Er macht innerlich einen schnellen Schnitt, dreht sich ganz weg. Wirft das Buch auf den Tisch, steht auf, schiebt die Hände in die Hosentaschen unter die Jacketschöße.
Wissen Sie was? Wir vergessen Mr Huxley für heute – und reden statt dessen über Angst.
Die Angst ist doch unser wirklicher Feind.
Er die Stimme, redet laut. Wir verstehen, jetzt doziert er offiziell.
Zunehmend regiert Angst die Welt, mit Angst läßt sich unsere Gesellschaft vorzüglich manipulieren.
Er geht ein paar Schritte, die Hände bleiben in den Hosentaschen.
Politiker verkaufen Ihnen damit ihre Politik –
Er deutet mit ausgestrecktem Arm nach den imaginären Politikern und ihrer Politik auf der einen Seite – geht dann zur anderen:
…..und die Werbeagenturen lauten Dinge, die Sie nicht benötigen.
Denken Sie darüber nach!
Pause. Die Studenten sollen denken. Dann, weiter, Beispiele:
Die Angst, angegriffen zu werden.
Die Angst, dass hinter jeder Ecke Kommunisten lauern.
Sein Finger zeichnet imaginäre Hausecken und Schleichwege in die Luft.
Die Angst, dass ein kleiner karibischer Staat, der nichts von unserem Lebensstil hält, eine Bedrohung darstellt.
Er wird lauter, schneller, zorniger:
Die Angst, dass die schwarze Kultur vielleicht die Welt erobert,
fletscht die Zähne, schreit:
…die Angst vor Elvis Presley´s Hüften!
Er wirft eine Hand in die Luft.
Wartet. Wir hören leise akustisches Feedback, zurückhaltend. Man traut sich nicht, laut zu lachen.
Sehr ernst, fast resigniert, seine Reaktion passt gar nicht zu der lustigen Imagination. Er wird leise, abschließend, ganz bei sich:
…vielleicht die einzige ernst zu nehmende Angst.
Wieder geht er einige Schritte, neue Gedanken kommen:
Die Angst, dass Mundgeruch unsere Freundschaften zerstören könnte,
Es ist mucksmäuschen still im Saal.
…die Angst vor dem Alter, allein zu sein….
Blick auf Bardot und Kevin, Bardot drückt jetzt ihre Zigarette aus, atmet eine Rauchsäule vor sich hin. Kevin ist fortwährend interessiert. Am Stoff, an George.
Ein Klacken.
Schnitt. Die Wanduhr. Nah: Fünf nach Zwölf.
George blickt sich nach der Uhr um, wieder zurück in den Saal, weiter:
Die Angst, dass wir nutzlos sind, -
resigniert, mit gebrochener Stimme, leise, für sich:
- und niemand hört, was wir zu sagen haben.
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Bardot blickt, beinahe betroffen, zu Boden, Kevin´s Blick ist fragend.
George sieht noch eine Weile in´s Plenum. Dann, immer noch leise resigniert:
Schönes Wochenende.
Er dreht sich sofort weg.
Schnelles Packen, George seine Aktentasche, die Studenten ihre Unterlagen, alle sind wie von der Spinne gestochen von ihren Sitzen hochgefahren. Schnell, schnell weg.
Draussen.
George geht mit seiner Aktentasche vom hellen Hof in einen dunklen Durchgang. Lässig, elegant. Silhouette im Gegenlicht. Im Durchgang erreicht ihn Kevin. Er will noch etwas, er ist George hinterher gerannt.
Sir, darf ich Sie kurz sprechen?
Beide gehen weiter.
Kevin:
Wieso reden Sie nicht immer so mit uns?
- Ja, warum eigentlich nicht.
2008 George – Colin Firth (im Alter von 48), der Angora-Junge Kenny - Nicholas Hoult
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