Dienstag, November 22, 2011

Filmszenen I …es ist leichter, wenn man glaubt. In: Baching. Teil 2. Michael Fitz – Bernhard. R.: M. Kiefersauer 2008


Bildquelle und Bildrechte: movienet-Film, Tellux Film und Eurovideo Filmverleih

…es ist leichter, wenn man glaubt. In: Baching. Teil 2. Michael Fitz – Bernhard. Regie: Matthias Kiefersauer, 2008

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Vor der Szene

Bernhard Stemmer (Michael Fitz) ist der Vater von Lena. War der Vater von Lena. Lena ist tot. Überfahren von einem betrunkenen Autofahrer.

Bernhard kommt mit seinem Zorn und seinem Schmerz nicht zurecht. Er kann das tote Kind nicht loslassen.

Er vernachlässigt sich. Er schottet sich ab.

Das Kinderzimmer daheim ist unverändert. Als käme Lena jeden Augenblick zurück. Bernhard hat Lena´s Teddy an ihrer statt im Kinderbettchen platziert. Wie ein Platzhalter, der auf die Rückkunft des Kindes wartet.

Gaby, seine Frau, Lenas Mutter, war das alles, war Bernhards sturer Schmerz, zu viel. Sie ist fortgezogen.

Die Szene

Im Lehrerzimmer. Wir sehen dem Religionslehrer, dem Benediktinermönch Bruder Johannes zu, wie er an seinem Kirchenmodell baut.

Eine Feinarbeit aus tausend Streichhölzern. Bruder Johannes sieht aus, als hätte er sich gerade eben mal aus einem Carl Spitzwegbild absentiert. Haarkranz, runder Kopf, mager, sanft, ja ätherisch friedlich, Asket.

Die Kamera fährt an Bruder Johannes vorbei, wir sehen ihn jetzt im Profil vor seinem Miniatur-Kircherl sitzen. Während der Kamerafahrt nehmen wir wahr, dass sich jemand nähert, einen zweiten Stuhl zurechtrückt: ein Mann.

Als er sich zu Bruder Johannes setzt, kommt sein Oberkörper ins Bild: Bernhard Stemmer.

Bernhard ist offenbar auf Freundlichkeitskurs. Er legt die Hände ineinander, als er sich mit ein wenig hochgezogenen Schultern auf der Tischkante abstützt. Friedensgeste, ein Wort:

Schön.

Also gut. Das wird kein Konfliktgespräch.

Pause. Johannes bastelt friedlich weiter an seiner Gottesburg. In Bernhard steigt der Druck. Er will etwas loswerden. Er nimmt spielerisch ein Accessoire, ein Marterl, vom Tisch, dreht und wendet es in den Händen.

Du, Johannes?

Johannes puzzelt weiter.

Kann ich Dich mal was fragen? – Was Theologisches?


Jetzt blickt der Mönch auf. Schnitt auf Bruder Johannes, frontal. Wach, offen, milde, vertrauenswürdig. Geradezu schockierend vertrauenswürdig.Bruder Johannes, typisch bayrisch:

Logisch.

Bildquelle und Bildrechte: movienet-Film, Tellux Film und Eurovideo Filmverleih

Schnitt auf Bernhard, über die Schulter von Bruder Johannes.

Bernhard, in seiner derhauden Zerknitterung mit dem lappigen Hemd, dem Pfeffer und Salz Alibi Jacket und der verwurschtelten Frisur, die Haut wie vom Laufen oder Rennen gerötet, einfach desolat, zu Johannes, aus dem Augenwinkel:

Als Christ müßte ich doch eigentlich verzeihen können, oder?

Er zwickt die Augen zusammen, sein Blick schwankt zwischen Frage und Renitenz. Man sieht deutlich: ich soll wohl? Aber ich will nicht. Aber ich soll doch, aber…

Johannes

Ja.

Weiter nix.

Da hilft auch warten nix.

Bernhard also weiter:

Glaubst Du des? Kammer immer verzeihen? Geht des?

Glaubst Du das? Kann man immer verzeihen? Geht das?

Bruder Johannes denkt einen Moment nach, einen zweiten Moment gibt er sich und Bernhard, innerlich eine Antwort zu finden und im dritten Moment sagt er:

Des geht.

Das geht.

Er blickt Bernhard ruhig, freundlich, aber unverwandt an. Dann, ruhig:

Glaub mers!

Glaube es mir!

Bernhard schüttelt den Kopf. Er sieht schlecht aus. Zerrieben, zerfurcht, die Augenhöhlen wie brackige Teiche, tiefe Furchen auf der Stirn, die Haut immer noch gerötet, das Gesicht wie in Einzelteile zerfallen, Unsicherheit und Spuren von Angst auf den Wangen. Plötzlich sehen wir , er ist unrasiert.

Wenn I´s aba ned kann!

Wenn ich es aber nicht kann!

Johannes:

Dann solltst es aba trotzdem veasuchn.

Dann solltest Du es aber trotzdem versuchen.

Jetzt wird Bernhard zornig. Wir hören, er schmeisst das Marterl auf den Tisch.

Ja supa!

Ja super!

Er schnauzt Bruder Johannes zornrot an:

Und des machi solang bisiehs kann, oder was!

Und das mache ich so lange bis ich es kann, oder was!

Sarkastisch:

Desisja ganz leicht!

Das ist ja ganz leicht!

Johannes, sehr ruhig, auch betroffen, man hört, er will mit seiner Stimme Bernhard beruhigen:

Na, Bernhard, ich sog ned, dass des leicht is, aba. …

Nein, Bernhard, ich sage nicht, dass das leicht ist, aber…

Seine Augen leuchten einen Moment auf, freundlich, dann wird er wieder sehr ernst:

..aba: Es is leichter - wemma glaubt.

..aber: Es ist leichter – wenn man glaubt.

Schnitt auf Bernhard.

Sein Ausdruck ist immer noch fast so wie vorhin, er hält einen Moment den Blick in Bruder Johannes Augen, dann bricht sein Unmut.

Er senkt den Kopf, die Lider.

Es scheint, als wache er plötzlich aus einem Traum auf, er blinzelt ein paar Mal, sieht wieder zu Bruder Johannes.

Die Angst in seinen Augen hat nachgelassen. Der weit aufgerissene Blick zieht sich ein wenig zusammen:

..aber es ist leichter, wenn man glaubt.

Schnitt

2008 – Michael Fitz (im Alter von 50) – Bernhard Stemmer, der Vater des totgefahrenen Mädchens, Johannes Herrschmann - Bruder Johannes