Montag, Juni 08, 2009

Filmszenen I ...wieviel? …alles! In: Krupp – eine Deutsche Familie Teil 3. Heino Ferch – Gustav Krupp von Bohlen und Halbach. Buch: Christian Schnalke






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….wieviel? …alles! In: Krupp – eine Deutsche Familie Teil 3. Heino Ferch – Gustav Krupp von Bohlen und Halbach. Buch: Christian Schnalke, Regie: Carlo Rola, 2008-2009

Vor der Szene

Man ist auf Schloß Blühnbach in der Sommerfrische.



Bildquelle und Bildrechte MOOVE Produktionsgesellschaft für ZDF.de 2008-09

Bertha Krupp ist hochschwanger angereist, auf dem Schloß mit einer kleinen Tochter niedergekommen, Waltraud, das siebte Kind, und liegt jetzt im Wochenbett.

Vater Gustav und Sohn Alfried sehen wir – wohl auf einem Ausflug – in Salzburg in einem Biergarten, Gustav bespricht mit zwei Führungskräften der Firma die Zukunft von Friedrich Krupp Essen, nun, 1920, nach dem ersten Weltkrieg. Die Direktoren müssen Gustav mit dem Fakt konfrontieren, dass Massenentlassungen nicht zu verhindern sind. Die Zahlen sind katastrophal. Es geht um Einhunderttausend Mitarbeiter. Unfassbar.

Schnitt.

Die Szene.

Die Hände von Gustav Krupp nah. Sie schließen den Deckel seiner goldenen Taschenuhr, schieben sie in die Westentasche seines hellen ländlichen Anzugs.

Bertha im Wochenbett:

Wieviel?

Wir sehen den Raum, er ist vollständig holzgetäfelt, Berthas hohes Wochenbett ist reich verziert im retrospektiven Gründerzeitstil; durch die Fenster mit gemusterten Bleiverglasungen fällt angenehm freundliches Tageslicht und lässt die Dinge im Raum in den sanften Farben der Gemälde von Malerfürst Franz von Lenbach aufleuchten.

Gustav bedeutet dem Zimmermädchen, den Raum zu verlassen. Ein kurzer Blick, einer konventionelle Entlassungsgeste, das Mädchen knickst und geht.

Was nun zu besprechen ist, sollte nicht vor der Dienerschaft gesagt werden.

Gustav, er steht am Fußende von Berthas Bett:

Alles.

Es ist nur für eine begrenzte Zeit. Wir verhandeln mit den Russen über einen riesigen Auftrag.

Bertha, sie sitzt im Bett, hoch geschlossen in Wolken weisser Baumwollspitze gehüllt, ihr braunes Haar ist offen. Bertha:

Mit Lenin.

Mit diesem Verbrecher.

Gustav´s Blick will abwiegeln, er sagt jedoch nichts.

Bertha:

Er hat den russischen Industriellen alles gestohlen.

Bertha fühlt sich noch nicht wieder ganz wohlauf. Sie scheint noch schwach, spricht schleppend:

Wir fliehen aus Essen vor den kommunistischen Umstürzlern und Du verhandelst mit Lenin…

Gustav:

Er wird Eisenbahnstrecken bauen. Tausende Kilometer.

Babygequake im Hintergrund. Gustav und Bertha sind nicht allein. Neben dem Bett steht die Wiege mit der Kleinen

Gustav.

mit unseren Schienen, mit unseren Bahnen.

Schnitt.

Bertha sieht in die Wiege. Das Baby nah.



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Bertha schaukelt die Wiege ein wenig.

Gustav:

…und er wird in Gold bezahlen. Nicht mit Wechseln, nicht mit Geld, sondern mit Gold.

Bertha:

…das er den Adligen gestohlen hat und dem Zaren.

Gustav fällt ihr ins Wort. Korrigierend:

Bertha!

Bertha schweigt. Ihrem Gesichtsausdruck ist anzusehen, dass sie nicht schweigen will. Ihre Rolle als Frau und Mutter erwartet jedoch genau diese Reaktion. Letztendlich zählt der Wille ihres Gatten.

Gustav, er beugt sich vor, beschwörend:

Krupp ist am Ende.

Gustav setzt sich auf einen Hochlehner neben Bertha´s Bett.



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Gustav:

Willst Du, dass wir unsere Kruppianer auf die Straße setzen? ....alle?

Gustav wartet. Bertha ist gar nicht erfreut. Schweigen. Dann, endlich sagt sie:

…also….?

Gustav:

Ich verspreche Dir, ich werde Krupp retten. Aber bis das Geschäft mit den Russen steht, muss ich Zeit gewinnen. Dazu brauch´ich Dein Vermögen.

Bertha dreht sich wieder zur Wiege, das Baby quakelt.



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Wir blicken über die Wiege hinweg an Bertha vorbei auf Gustav:

So, sagt er, haben wir es schon mehrmals getan.

Bertha wendet sich ihrem Mann wieder zu. Sie scheint zu fühlen, dass keine Alternativen vorhanden sind. Sorgenvoll, fatalistisch:

..diesmal willst Du alles…

Gustav sagt nichts. Er sieht sie an. Besorgt, intensiv. Er scheint keine weitere Diskussion zu erwarten. Er scheint von ihrem Verständnis für die Situation ebenso überzeugt, wie von ihrem Vertrauen in seine Handlungsweise. Er wartet auf ihre formale Zustimmung.

Bertha schüttelt leicht den Kopf. Sie verweigert nicht das ja zu den Plänen ihres Gatten, ihr Kopfschütteln wirkt wie ein Sich – Ergeben in die fatale Situation.

Bertha´s Hand nah. Sie liegt mit der offenen Handfläche nach oben auf dem Laken, die Hand wartet auf eine zweite Hand. Die ihres Gatten.

Als Gustav näher kommt und einschlägt, ist der Händeschluss nicht nur das Besiegeln eines Vertrages. Berthas Reaktion zeigt etwas, was wir von der disziplinierten Frau selten zu sehen bekommen. Zuneigung zu ihrem Mann. Gustavs Lächeln scheint dieses Gefühl innig, ja, gerührt, zu erwidern.



Bildquelle und Bildrechte MOOVE Produktionsgesellschaft für ZDF.de 2008-09

Beide gemeinsam haben für Krupp entschieden.

Schnitt.

2008 – 2009 Heino Ferch (im Alter von 45) – Gustav Krupp von Bohlen und Halbach, Valerie Koch – Bertha Krupp von Bohlen und Halbach.

Kommentar 1:

Diese Szene ist das finale Kapitel einer kleinen Subtextgeschichte, die u.E, sozusagen, ein Kapitelchen hermetische Ikonografie zu enthalten scheint.

Die ganze Geschichte:
  • Ankunft in den Alpen, hohe Berge, tiefe Täler.

  • Bertha ist hochschwanger

  • Wir werden durch das Fernglas Zeugen des Moments vor der Niederkunft. Gustav bringt Bertha ins Haus.



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  • Wir sehen Bertha und Gustav nach der Niederkunft zusammen mit dem Baby in einem Raum von Schloß Blühnbach in den Alpen, dem privaten Rückzugs-Ort der Industriellenfamilie. Die Szene endet mit familiärer Harmonie der drei: Vater, Mutter, Kind.

Schön, schön. Und? Diese Szenen dieses Films wurden – unserer Erinnerung nach - im September, Oktober, November(?) 2008 gedreht. Sie können also als eine Cameo-Story für unseren Hauptdarsteller, der tatsächlich im November 2008 Vater einer Tochter wurde, gelesen werden. Die Subtextstory mit dem Baby würde so ein Kapitel gleichzeitiger Realität fiktionalisieren.

Gustav trägt in der obigen Familienszene mit Frau und Baby im Privat-Zuhause der Familie Krupp ein helles Jacket aus relativ grobem Stoff mit zwei auffälligen englischen Rückenfalten und aufgesetzen Taschen. Es gibt noch eine einzige Figur, die fast dasselbe Jacket trug. Es war 1993 Hanno Schmidbauer in Deutschlandlied. Hanno damals wäre gerne Vater geworden, Gustav heute ist es.


Wie sagt der Schwabe in seiner Schwäbischen Heimat Oberschwaben….. Z´erschd hatsjaschiach herg´schaut, abr zom Schluß ischnachrdochnoalles guadnausganga…

So ein Stück Realität in eine Filmhandlung hineinzubeziehen, ist nicht ein unitärers Vorkommnis. Joseph Vilsmaier z.B. hat die Niederkunft seiner Frau mitgefilmt und in eine Filmhandlung eines seiner Filme eingebaut.

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Es gibt auch einen ikonografischen Bezug zu dem Kinofilm Das Wunder von Bern mit Peter Lohmeyer in der Hautprolle (2003)