„…Was denkst Du?“ in: Das Konto Teil 5. Heino Ferch als Dr. Michael Mühlhausen. Regie: Markus Imboden. Buch: Martin Pristl, M. Imboden, 2003-2004
von: ignazwrobel
„…Was denkst Du?“ Audio.wma (Text und Sprecher: ignazwrobel)
Mortiers Scherge sucht Charlotte zu Hause auf und bedroht sie mit dem Tod, falls Michael die olson ag nicht binnen zwölf Stunden anruft. In Michaels Auftrag holt Pawel als Pizzalieferant verkleidet Charlotte aus ihrem Haus, um sie vor der Morddrohung in Sicherheit zu bringen.
Charlotte und Michael verstecken sich in einem Hotel außerhalb Hamburgs.
Die Szene
Das Ehepaar betritt das Hotelfoyer. Charlotte trägt ein elegantes wasserblaues Chasuble-Kostüm, Michael einfache zusammengewürfelte Arbeiterklamotten mit Parka.
Die beiden empfängt eine helle freundliche Eingangshalle. An der Rückwand des Foyers ein großes Seestück im Goldrahmen, die Einrichtung ist angenehm zurückhaltend, unaufdringlich modern.
Man fühlt geradezu die frische sommerliche Luft, hört Möwengeschrei durch die offenen Türen.
Charlotte am Concierge-Counter.
Der Portier, ein älterer Herr, reicht Charlotte den Check-In-Block.
Wenn Sie das bitte ausfüllen würden.
Charlottes freundliches Lächeln wirkt schon wieder halbwegs entspannt. Ihre Hand zögert für einen Moment über dem Block bei der Leerstelle für den Nachnahmen, dann schreibt sie Weinziehrl in das Leerfeld.
Sie wirft einen Blick zu Michael.
Der steht, unruhig leicht vorgebeugt, die Sonnenbrille noch immer nicht abgesetzt, am Aufzug, wartet. Sein Bild ist in allen Zeitungen, er könnte erkannt werden.
Schnitt. Im Hotelzimmer.
Charlotte ist offensichtlich schon seit einigen Minuten im Zimmer. Die Tür geht auf. Michael kommt herein, nimmt die Sonnenbrille ab.
Wir blicken an Charlotte vorbei aus dem Fenster. Draussen döst weißer Wolkenhimmel über einer klaren blauen Horizontlinie: das Hotel befindet sich direkt am Meer.
Die Eheleute stehen da, wortlos.
Für den Moment sind sie in Sicherheit. Probleme, Fragen und Ratlosigkeit sind mit ihnen hierher gekommen.
Schweigen. Michael sieht aus dem Fenster.
Wir fühlen zwischen den Beiden eine Unfähigkeit, Worte zu finden.
Keine Vorwürfe, kein Schreien. Charlottes Blick fragt. Sie sieht ihn an, wartet darauf, dass er erklärt.
Nach ein paar Sekunden wendet er sich seiner Frau zu. Sein Blick spiegelt eine innere Atemlosigkeit. Die Lippen sind etwas geöffnet, er scheint bereit, etwas zu sagen. In diesem Blick liegt auch etwas, das nach einer Entschuldigung sucht. Charlotte erwartet das auch.
Schnitt. Totale.
Zwei dunkle Silhouetten vor einer weißen Fensterfront, eine Frau und ein Mann, meterweit voneinander entfernt. Der Mann steht an der offenen Balkontür, als wäre er zwischen Kommen und Gehen. Er sieht unsicher aus, gehetzt, angespannt.
Seine Linke lässt den Knauf der Balkontür los. Er steht immer noch eine Armeslänge vor seiner Frau entfernt.
Er schließt die Hand, streckt seinen Arm nach Charlotte aus und streichelt ein wenig hilflos und steif mit der Außenfläche seiner Finger ihre Wange.
Die schüchterne Geste bricht die sprachlose Anspannung zwischen beiden.
Michael öffnet seine Hand und wagt es, Charlottes Gesicht mit der offenen Hand zu streicheln.
Charlotte schmiegt ihren Kopf ein wenig in die Handinnenfläche hinein, schließt die Augen. Die hohe Anspannung in ihr lässt deutlich sichtbar nach.
Ihre Wange genießt, wie es scheint, den tröstenden Kontakt mit der warmen Handfläche ihres Gatten.
Close Up Michael.
Sein Blick ist sanft und offen, jede Verkrampfung der Mimik verschwunden, die Lippen sind ein ganz klein wenig geöffnet. Die Anspannung der Brauen, Schläfen und Wangen weggewischt, vergessen.
Er scheint plötzlich zeitlos jung.
Seine dunklen Augen, sternenblank und glänzend, sehen.
Er ist ganz bei seiner Frau. Er kann sie auf einmal wahrnehmen.
Keine Härte, keine Angst, keine Gehetztheit ist mehr im Blick dieses Mannes auf seine Gefährtin.
Er nimmt sie auf, er hat gar nichts anderes zu tun, als einfach die Gegenwart seiner Frau endlich wieder zu fühlen. Und wir spüren, dass er sie gerne noch näher bei sich hätte.
Die extremen Komplikationen, die ihn aus der Erfolgsbahn katapultiert haben, haben ein Tor in seinem Inneren aufgestoßen, dessen Existenz er schon länger vergessen hatte.
Jetzt steht da ein Mensch, der endlich seine Gefährtin wiedererkennt."..Dich lieben und..." "..in guten wie in schlechten Zeiten..."
Ihre Rufe nach ihm, verkleidet in Klagen und Kritik, hatte er von sich abperlen lassen. Die Situation jetzt hat seinen Fokus verschoben. Er bemerkt den Wert der Zuneigung seiner Frau und ihrer Loyalität zu ihm.
Er küsst sie sanft. Charlotte nimm ihn und den Kuss auf, es wirkt, als ginge durch sie hindurch ein großes Aufatmen.
Hätte er früher so gehandelt, wäre Charlottes Verhältnis mit Dirk Osterwald nicht nötig gewesen, nicht entstanden.
Sie senkt den Kopf und lächelt ein wenig, so, als wäre sie zu Hause angekommen. Er küsst sie auf die Stirn, lässt sein Gesicht an ihrem Kopf.
Amerikanische.
Die Silhouette eines Paares gegen das helle Fenster.
Charlottes Hand geht unsicher und schüchtern zu Michaels Brust, sie zögert, als sich ihre Finger nach seiner Schulter bewegen und zuletzt zum Nacken ihres Mannes. Wir fühlen, dass ihre Hand die Berührung als fremd empfindet, so als wäre der Kontakt ein ungewohnter Vorstoß, der mit jederzeitigem Abbruch rechnet.
Jetzt ist die Unsicherheit unbegründet.
Das Zusammensein der Beiden im Bett – a tergo – zeigt uns selbstverständlich körperliche Vertrautheit, das Paar hat wohl am Schluß des Aktes eine Lieblingsstellung ausgesucht, die zwar für uns pikant, für die beiden aber völlig selbstverständlich ist.
Als die Spannung sich gelöst hat, lächelt Charlotte, Michaels Kopf legt sich auf ihren Kopf, er drückt sein Gesicht an ihres, beide genießen den Moment größter Nähe direkt nach dem Höhepunkt.
Sie dreht sich ihm zu.
Kameraschwenk auf die Hände der beiden:
Sie sind Finger um Finger ineinander verschränkt.
Schnitt.
Es ist Abend. Beide liegen noch immer beieinander. Charlotte schläft. Michael liegt wach. Er greift zur Nachttischlampe auf Charlottes Seite und löscht das Licht.
Ende der Szene.
Das Glück dauert nicht lange.
Am anderen Morgen.
Michael steht auf dem Balkon. Charlotte erwacht. Woran denkst Du? fragt sie ihn. Er kommt heran, setzt sich auf Bett. Er nimmt Charlottes Hand und hält sie, wie man die Hand eines Kindes hält, das im Bett liegt. Gebend. Vertraut. Nah. Tröstend.
Das Gespräch enthüllt leider sehr schnell, dass Charlotte ein Verhältnis mit Osterwald hatte. Michael wusste das nicht. Charlotte wiederum wusste nicht, daß ihr Mann davon keine Kenntnis hatte. Sie dachte, Michael hatte sie von einem Privatdetektiv observieren lassen.
Wahrheiten.
An der entsetzten Reaktion ihres Mannes erkennt Charlotte, dass er ahnungslos gewesen war. Er schreit. Er schreit noch einmal. Michael hatte niemanden engagiert.
Ich habe weder einen Privatdetektiv engagiert, der Fotos macht, noch wusste ich von Dir und Osterwald.
Die beiden begreifen, dass eine dritte Partei ihn und sie gegeneinander ausgespielt hat, um sie, wie er sagt „fertig[zu] machen.“
Charlotte hat Tränen in den Augen.
Aber das schaffen die nicht – oder?
fragt Michael. Charlotte schüttelt den Kopf.
Michael muss hinausgehen, um mit der Situation seelisch klar zu kommen. Er geht zum Strand. Charlotte bleibt allein im Zimmer. Sie weint.
Nach einiger Zeit steht sie auf, sieht hinaus, unten ist ein langer Bootssteg, der Strand, das Meer, schön blau. Wahrscheinlich sieht sie ihren Mann dort unten.
Sie lässt ihn, zieht sich an und geht. Ein Brief für Michael und das Handy für ihn bleiben auf dem Zimmertisch zurück.
2003-2004 Heino Ferch – Dr. Michael Mühlhausen, Julia Jäger – Charlotte Mühlhausen, Michael Gwisdek – Dirk Osterwald
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