Samstag, August 22, 2009

Filmszenen I ...Daß wir keinen Augenblick sicher sind...in: Die Räuber von Friedrich Schiller, 1782



Bildquellen und Bildrechte: www.daserste.de und Volkstheater Wien, Lalo Jodlbauer


Heino Ferch spielte - übrigens neben Sebastian Koch in der Rolle des Räubers Roller und Katja Riemann als Amalia - die Rolle des Räubers Grimm 1990 im Alter von 27 am Schillertheater Berlin in einer Inszenierung von Alexander Lang.



Neue Episode Sonntag, 23. August.


Zur Einstimmung: Storyline->


Die Wirkung der Erstaufführung 1782 in Mannheim von Die Räuber:


"Das Theater glich einem Irrenhause, rollende Augen, geballte Fäuste, heisere Aufschreie im Zuschauerraum.

Fremde Menschen fielen einander schluchzend in die Arme, Frauen wankten, einer Ohnmacht nahe, zur Türe.

Es war eine allgemeine Auflösung wie im Chaos, aus dessen Nebeln eine neue Schöpfung hervorbricht."


Quelle x-libris

Der daheimgebliebene Sohn Franz Moor hat durch eine Intrige seinem älteren Bruder Karl Moor, der in der Fremde lebt, den Eindruck vermittelt, der Vater, Graf Moor, hätte Karl verstoßen. Er hat einfach einen „ich verstoße Dich Brief“ angeblich vom Vater, erfunden und Karl zugeschickt. Verständlicherweise ist Karl nach Erhalt des Briefes wütend, entsetzt, verbittert. Verbittert sind auch die andern Jungs. Schweitzer, Grimm, Roller, Schufterle und Razmann haben keinen Broterwerb und zum Militär als Kanonenfutter wollen sie auch nicht. Spiegelberg, ein gerissener Giftzwerg, stachelt die Jungs auf, eine Bande zu bilden: Die Räuber.

Aus dem ersten Akt, zweite Szene :

Schweitzer. Grimm. Roller. Schufterle. Razmann treten auf.

Roller. Wißt ihr auch, daß man uns auskundschaftet?

Grimm. Daß wir keinen Augenblick sicher sind, aufgehoben zu werden?

Karl Moor. Mich wundert's nicht. Es gehe, wie es will! Saht ihr den Schwarz nicht? sagt' er euch von keinem Brief, den er an mich hätte?

Roller. Schon lang sucht er dich, ich vermuthe so etwas.

Karl Moor. Wo ist er? wo, wo? (Will eilig fort.)

Roller. Bleib! wir haben ihn hierher beschieden. Du zitterst? -

Karl Moor. Ich zittere nicht. Warum sollt' ich auch zittern? Kameraden! dieser Brief - Freut euch mit mir! Ich bin der Glücklichste unter der Sonne, warum sollt' ich zittern?

Schwarz tritt auf.

Karl Moor (fliegt ihm entgegen). Bruder! Bruder! den Brief! den Brief!

Schwarz(gibt ihm den Brief, den er hastig aufbricht). Was ist dir? wirst du nicht wie die Wand?

Karl Moor. Meines Bruders Hand!

Spiegelberg lenkt die Aufmerksamkeit der Gruppe auf sich:

Schwarz. Was treibt denn der Spiegelberg?

Grimm. Der Kerl ist unsinnig. Er macht Gestus wie beim Sanct Veits-Tanz.

Schufterle. Sein Verstand geht im Ring herum. Ich glaub', er macht Verse.

Razmann. Spiegelberg! He, Spiegelberg! - Die Bestie hört nicht.

Grimm(schüttelt ihn). Kerl! träumst du, oder -?

Spiegelberg (der sich die ganze Zeit über mit den Pantomimen eines Projectmachers im Stubeneck abgearbeitet hat, springt wild auf)La bourse ou la vie!(und packt Schweizern an der Gurgel, der ihn gelassen an die Wand wirft. –

Inzwischen hatte Karl Moor Zeit, den Brief zu lesen.

Er läßt den Brief fallen und rennt hinaus. Alle fahren auf.

Roller(ihm nach). Moor! wonaus, Moor? was beginnst du?

Grimm. Was hat er? was hat er? Er ist bleich wie die Leiche.

Schweizer. Das müssen schöne Neuigkeiten sein! Laß doch sehen!

Roller(nimmt den Brief von der Erde und liest).

»Unglücklicher Bruder!«

der Anfang klingt lustig.

»Nur kürzlich muß ich dir melden, daß deine Hoffnung vereitelt ist. - du sollst hingehen, läßt dir der Vater sagen, wohin dich deine Schandthaten führen. Auch, sagt, er, werdest du dir keine Hoffnung machen, jemals Gnade zu seinen Füßen zu erwimmern, wenn du nicht gewärtig sein wollest, im untersten Gewölb seiner Thürme mit Wasser und Brod so lang tractiert zu werden, bis deine Haare wachsen wie Adlersfedern, und deine Nägel wie Vogelklauen werden. Das sind seine eigenen Worte. Er befiehlt mir, den Brief zu schließen. Leb wohl auf ewig! Ich bedaure dich - Franz von Karl Moor. (der Vater)«

Schweizer. Ein zuckersüßes Brüderchen! In der That! - Franz heißt die Canaille?

Spiegelberg(sachte herbeischleichend). Von Wasser und Brod ist die Rede? Ein schönes Leben! Da hab' ich anders für euch gesorgt! Sagt' ich's nicht, ich müßt' am Ende für euch alle denken?

Schweizer. Was sagt der Schafskopf? der Esel will für uns alle denken?

Spiegelberg. Hasen, Krüppel, lahme Hunde seid ihr Alle, wenn ihr das Herz nicht habt, etwas Großes zu wagen!

Roller. Nun, das wären wir freilich, du hast recht! - aber wird es uns auch aus dieser vermaledeiten Lage reißen, was du wagen wirst? wird es? -

Spiegelberg(mit einem stolzen Gelächter). Armer Tropf! aus dieser Lage reißen? hahaha! - aus dieser Lage reißen? - und auf mehr raffiniert dein Fingerhut voll Gehirn nicht? (...)

Razmann. Das ist viel auf einen Hieb, wahrlich! Aber es wird wohl eine halsbrechende Arbeit sein! den Kopf wird's wenigstens kosten.

Spiegelberg. Es will nichts als Mut, denn was den Witz betrifft, den nehm' ich gern über mich. Mut sag' ich, Schweizer! Mut, Roller, Grimm, Razmann, Schufterle! Mut! -

Schweizer. Mut? Wenn's nur das ist - Mut hab' ich genug, um barfuß mitten durch die Hölle zu gehn.

Schufterle. Mut genug, mich unterm lichten Galgen mit dem leibhaftigen Teufel um einen armen Sünder zu balgen.

Spiegelberg. So gefällt mir's! Wenn ihr Mut habt, tret' Einer auf und sag': er habe noch etwas zu verlieren, und nicht Alles zu gewinnen! -

Schwarz. Wahrhaftig, da gäb's Manches zu verlieren, wenn ich Das verlieren wollte, was ich noch zu gewinnen habe!

Razmann. Ja, zum Teufel! und Manches zu gewinnen, wenn ich Das gewinnen wollte, was ich nicht verlieren kann.

Schufterle. Wenn ich Das verlieren müßte, was ich auf Borgs auf dem Leibe trage, so hätt' ich allenfalls morgen nichts mehr zu verlieren.

Spiegelberg. Also denn! (Er stellt sich mitten unter sie mit beschwörendem Ton.) Wenn noch ein Tropfen deutschen Heldenbluts in euren Adern rinnt - kommt! Wir wollen uns in den böhmischen Wäldern niederlassen, dort eine Räuberbande zusammenziehen und - Was gafft ihr mich an? - ist euer bischen Muth schon verdampft?

Roller. Du bist wohl nicht der erste Gauner, der über den hohen Galgen weggesehen hat - und doch - Was hätten wir sonst noch für eine Wahl übrig?

Spiegelberg. Wahl? Was? Nichts habt ihr zu wählen! Wollt ihr im Schuldthurm stecken und zusammenschnurren, bis man zum jüngsten Tag posaunt? (..)

Roller. So unrecht hat der Spiegelberg eben nicht. Ich hab' auch meine Plane schon zusammen gemacht, aber sie treffen endlich auf eins. Wie wär's, dacht' ich, wenn ihr euch hinsetztet und ein Taschenbuch, oder einen Almanach, oder so was Ähnlichs zusammensudeltet und um den lieben Groschen recensiertet, wie's wirklich Mode ist?

Schufterle. Zum Henker! ihr rathet nah zu meinen Projecten. Ich dachte bei mir selbst, wenn du ein Pietist würdest und wöchentlich deine Erbauungsstunden hieltest?

Grimm. Getroffen! und wenn das nicht geht, ein Atheist! Wir könnten die vier Evangelisten auf's Maul schlagen, ließen unser Buch durch den Schinder verbrennen, und so ging's reißen ab.

Razmann. Oder zögen wir wider die Franzosen zu Felde - ich kenne einen Dokter, der sich ein Haus aus purem Quecksilber gebauet hat, wie das Epigramm auf der Hausthüre lautet.

Schweizer(steht auf und gibt Spiegelberg die Hand.) Moritz, du bist ein großer Mann! - oder es hat ein blindes Schwein eine Eichel gefunden.

Schwarz. Vortreffliche Plane! honette Gewerbe! Wie doch die großen Geister sympathisieren! Jetzt fehlte nur noch, daß wir Weiber und Kupplerinnen würden, oder gar unsere Jungferschaft zu Markte trieben.

Spiegelberg. Possen! Possen! Und was hindert's, daß ihr nicht das Meiste in Einer Person sein könnt? Mein Plan wird euch immer am höchsten poussieren, und da habt ihr noch Ruhm und Unsterblichkeit! (..)

Roller. Und obenan in der Liste der ehrlichen Leute! Du bist ein Meisterredner, Spiegelberg, wenn's drauf ankommt, aus einem ehrlichen Mann einen Hallunken zu machen - Aber sag' doch Einer, wo der Karl Moor bleibt?

Spiegelberg. Ehrlich, sagst du? Meinst du, du seist nachher weniger ehrlich, als du jetzt bist? Was heißt du ehrlich? Reichen Filzen ein Drittheil ihrer Sorgen vom Hals schaffen, die ihnen nur den goldnen Schlaf verscheuchen, das stockende Geld in Umlauf bringen, das Gleichgewicht der Güter wieder herstellen, mit einem Wort, das goldne Alter wieder zurückrufen, dem lieben Gott von manchem lästigen Kostgänger helfen, ihm Krieg, Pestilenz, theure Zeit und Dokters ersparen - siehst du, das heiß' ich ehrlich sein, das heiß' ich ein würdiges Werkzeug in der Hand der Vorsehung abgeben, - und so bei jedem Braten, den man ißt, den schmeichelhaften Gedanken zu haben: den haben dir deine Finten, dein Löwenmuth, deine Nachtwachen erworben - von Groß und Klein respectiert zu werden -

(..)

Schufterle. Blitz! Spiegelberg, du hast mich geworben.

Razmann. Du hast, wie ein anderer Orpheus, die heulende Bestie, mein Gewissen, in den Schlaf gesungen. Nimm mich ganz, wie ich da bin!

Grimm. Sic omnes consentiunt ego non dissentio. Wohlgemerkt, ohne Komma. Es ist ein Aufstreich in meinem Kopf: Pietisten - Quacksalber - Recensenten und Jauner! Wer am meisten bietet, der hat mich. Nimm diese Hand, Moritz!

Roller. Und auch du, Schweizer? (Gibt Spiegelberg die rechte Hand.) Also verpfänd' ich meine Seele dem Teufel.

Spiegelberg. (…) Kameraden! (aufgesprungen) frisch auf, Kameraden! was in der Welt wiegt diesen Rausch des Entzückens auf? Kommt, Kameraden!

Roller. Sachte nur! sachte! Wohin? Das Thier muß auch seinen Kopf haben, Kinder!

Spiegelberg(giftig). Was predigt der Zauderer? Stand nicht der Kopf schon, eh noch ein Glied sich regte? Folgt, Kameraden!

Roller. Gemach, sag' ich. Auch die Freiheit muß ihren Herrn haben. Ohne Oberhaupt ging Rom und Sparta zu Grunde.

Die Gruppe wählt Karl Moor zu ihrem Oberhaupt.

Zit. n. Das Gutenberg Projekt auf Spiegel – online->


Click auf das Bild, um den Trommlersong der Räuber zu hören-> Tonzitat Auszug aus obig zitiertem Hörbuch. .mp3)


Jaa, jaa , jaa -nur noch anstrengende Sachen, seehr langweilig, aber wir müssen einfach das schauspielerische Gesamtwerk ´89 - ´09 lückenlos erfassen, sonst wird das nix mit der Diss. Zur Abwechslung streuen wir bald, sehr bald, ein luftige kleine Komödie ein: Küss mich! sagt ja wohl schon alles.



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28. - 30. 8. Wir - glotzen am Freitag, wenn´s regnet, am Samstag.