Samstag, August 22, 2009

Filmszenen I ...Die Wurzeln liegen tiefer. .. in: Baader-Meinhof-Komplex. Teil 2B. Heino Ferch - Dietrich Koch. R. : U. Edel, 2007-2008

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...Die Wurzeln liegen tiefer. .. in: Der Baader-Meinhof-Komplex. Teil 2B. Heino Ferch - Dietrich Koch. Buch: Bernd Eichinger, Uli Edel nach Stefan Aust. Regie : Uli Edel, 2007-2008

Vor der Szene

Die Gruppe um Baader Meinhof, Ensslin, Mahler und Peter Hohmann (Jan Josef Liefers), den Freund von Ulrike Meinhof, lassen sich 1970 in Jordanien an der Waffe ausbilden. Wir sehen, dass Baader keinerlei Regeln befolgen will, man sonnt sich in einem muslimischen Land nackt auf dem Hausdach, verballert aus Spass wertvolle Munition, schreit rum.


Baader kann Hohmann nicht ausstehen. Baader und Ensslin sagen den palästinensischen Guerillas, Hohmann sei ein israelischer Spion und sie sollen ihn erschießen. Hoppla.


Später, zurück aus Jordanien. Zwei Gruppenmitglieder, eine davon Petra Schelm (Alexandra Maria Lara) werden von der Polizei erschossen.


Die Reaktion ist emotional:


Ensslin:


Die machen jetzt gezielt Jagd auf uns.


Ein anderer der Gruppe:


Wir müssen die Bullen angreifen! Polizeihubschrauber in die Luft jagen, die Dienststellen beschießen! Irgendwas machen!


Meinhof:


Das steht im Widerspruch zur Hauptlinie. Nämlich den bewaffneten Kampf gegen den Imperialismus. Und das heißt konkret gegen die US-Militärpräsenz in der Bundesrepublik und in Westberlin.


Die Gruppe verübt Anschläge auf die Militärposten der Amerikaner in Frankfurt und Heidelberg, auf die Polizeipräsidien in München und Augsburg, auf das Gebäude des Springer-Konzerns, auf den Wagen des Bundesrichters Buddenberg, der mit den Baader-Meinhof-Ermittlungen befasst war. Die Bilder von Schwerstverletzten und Getöteten sind unterlegt von Ulrike Meinhofs Stimme.


Meinhof im off:


Für die Ausrottungsstrategien in Vietnam soll in Deutschland und Westberlin kein sicheres Hinterland mehr sein. Wir fordern die Einstellung der Bombenabwürfe auf Vietnam. Wir fordern den Abzug der amerikanischen Truppen aus Indochina. Wir fordern den Abbruch der Minenblockade gegen Nordvietnam.


Dietrich Koch im Computerzentrum:


Here in this computer files we´ve saved the details of more or less ten tousand people who must be classified as sympathizers of the R.A.F.


Horst Herold organisiert an einem einzigen Tag die Unterstellung unter das Kommando des BKA für Schutzpolizei, Kriminalpolizei, Bahnpolizei, 130.000 Mann zusätzlich alle Hubschrauber die im öffentlichen Dienst der BRD verfügbar waren, die Grenzen werden geschlossen.


Wir klopfen an einem einzigen Tag die gesamte Bundesrepublik durch.


Es klappt. Wir sehen, wie Ensslin, Baader, Holger Meins gefasst werden.


Koch überreicht Herold ein Telegramm.

Der Innenminister gratuliert darin dem Chef des BKA zu seinen Fahndungserfolgen. Allerdings sieht es nicht so aus, als hielte Herold das Thema R.A.F. zu diesem Zeitpunkt für beendet.


Schnell zeigt sich, dass Herold zurecht besorgt blieb.


Olympische Spiele 1972 - und die palästinensischen terroristischen Attentate auf die israelischen Sportler. Sie schockieren die Menschen überall, nicht nur in Deutschland und USA. Die Terroristen forderten die Freilassung der R.A.F. Mitglieder.


Die Szene


Das Büro von Herold.


Wir stehen frontal vor Herold und zwei weiteren Männern. Die Männer verfolgen die Berichterstattung über das Olympia – Attentat am Bildschirm. Wir lesen Herold am Gesicht ab, wie tief schockiert er ist.


Schnitt.


Nah Koch (Heino Ferch). Er wirft einen langen Blick nach seinem Chef. Der Blick zeigt Sorge um seinen Vorgesetzten, entschlossene Härte und Besorgtheit über die Situation zugleich.


Schnitt.


Am Bildschirm sehen wir jetzt die weisse Olympiaflagge mit den fünf verbundenen Ringen als Symbole der fünf in friedlichem Wettstreit verbundenen Kontinente.


Im Off die Stimme von Bundeskanzler Willy Brandt:


Wir können nicht aussteigen aus dieser Welt, in der es noch Hass und Gewalt gibt. Wir müssen uns diesen Gefahren stellen und dürfen nicht darauf verzichten, unser Leben….


Wir stehen hinter der Gruppe von sechs Männern mit Blick zum Fernsehgerät. Koch ist gerade zu Bildschirm gegangen und schaltet ihn aus.


Horst Herold ergreift das Wort. Er ist noch so sehr unter dem Eindruck des eben Gesehenen, dass bei den ersten Worten seine Stimme nicht ansprechen will. Er räuspert sich…


Schnitt Totale. Jetzt sehen wir, dass in Herolds Büro offenbar eine große Besprechung anberaumt ist. Wir zählen zehn Personen.


Herold, er geht langsam zu seinem Platz am Kopfende des langen Besprechungstisches.


Meine Herren, wir sind vom Staat beauftragt, den Terrorismus in diesem Land zu bekämpfen und wenn möglich zu beenden. Wer möchte was sagen?


Einige, die vor dem Fernsehgerät gestanden waren, nehmen Platz.


Einer ergreift das Wort.


Wir brauchen eine Spezialeinheit, die darauf trainiert wird in Zukunft solche Wahnsinnigen – er schnippt mit den Fingern – auszuknipsen.


Dietrich Koch, ironisch, leise.


Die Brutalität ihrer Wortwahl steht den Aktionen der Terroristen in nichts nach….


Koch setzt sich, wirft noch einen kurzen Blick nach seinem Kollegen und widmet sich dann dem Anzünden einer der hundert Zigaretten, die gleich hier in diesem Raum geraucht werden.


Der Kollege nimmt Bezug auf Herolds Worte, er nickt.


Herold


Ich denke, die Bildung einer Spezialeinheit ist notwendig. Aber mit solchen Maßnahmen alleine werden wir das Problem nicht lösen.


Wir sehen, wie der angesprochene Kollege nachdenklicher wird.


Herold


Die Wurzeln liegen tiefer.


Der Kollege:


Nämlich?


Herold


Die Palästinenser wollen von Israel Land zurück. Keiner in der Welt hört ihnen zu. Also versuchen sie, mit terroristischen Aktivitäten auf sich aufmerksam zu machen.


Ein Anderer:


Soll das heißen, Sie billigen das Vorhaben der Terroristen?


Herold, für seine Maßstäbe aggressiv:


Lassen Sie den Quatsch.


Herold geht beim Sprechen den Besprechungstisch entlang. Seine Körpersprache ist gemessen, friedlich.


Ich habe nie plädiert, die Taten der Terroristen zu billigen, wohl aber dafür, ihre Motive, so gut man das kann


er beugt sich vor, unterstreicht seine Worte mit einer Punkt-für – Punkt – Aufzählungsgeste auf die Tischplatte –


kennenzulernen, - und verstehen zu lernen.


Der Zweite:


Sie wollen also Mördern einen Extrastatus einräumen.


Herold:


Nein.


Jetzt ist er doch ein wenig verärgert. Er gestikuliert lebhaft.


Aber man darf solchen Kräften nicht starr begegnen, es ist auch unsere Ignoranz, die den Terrorismus fördert.


Schnitt. Herold von hinten, wir sehen, wie die Männer ihn anblicken.


Herold wird wieder sanfter, er denkt laut:


Also sehr verkürzt gesagt, hieße das, zu fragen, ob der Terrorismus nicht eine neue Form des Krieges darstellt. Der den großen Krieg ersetzt, der im Moment nicht stattfindet.


Der erste Kollege:


Es tut mir leid. Ich kann Ihnen da nicht folgen. Und ich bezweifle stark, dass es die Opfer, - er wirft einen kommentierenden Blick zu Koch - oder deren Angehörige können.


Herold


Ich verstehe Ihre Verbitterung sehr gut. Wir, die wir die Aufgabe haben, den Terrorismus zu bekämpfen,


Herold setzt sich an seinen Platz am Kopfende des Tisches.


Müssen zur Kenntnis nehmen, dass die sozialen Probleme der Dritten Welt, dass der Nahostkonflikt, dass der Krieg der Amerikaner in Vietnam, dass diese Probleme objektiv bestehen.


Schweigen. Man hat ihm nichts entgegenzusetzen.


Herold beendet seine Worte mit der Geste des Hände-Reinwischens.




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Offtopic.


Ich bin mir nicht ganz sicher, aber Ende der Siebziger Jahre wohnte ich in einer WG in München Schwabing, in der auch ein Szenefotograf der Münchner Schickeria wohnte, es war der Cousin von Towje Kleiner, der übrigens regelmäßig zu Gast war. Die beiden redeten hebräisch mit bayerischem Akzent miteinander. Eines Tages verreiste der Fotograf und sagte, für die nächsten paar Tage kommt ein Schauspieler in sein Zimmer. Ich bin ziemlich sicher, er sagte der Mann heißt Bruno Ganz und ich glaube mich nicht zu irren, dass er es war. Geredet haben wir nicht viel, er war introvertiert und schien irgendwie traurig.



...und morgen Theater: Die Räuber von Friedrich Schiller. ..wie das erstaunlich perfekt zur Handlung von Der Baader-Meinhof-Komplex passt, wir sind ganz baff...